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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2016
17. Jahrgang
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1. Dass dem Angeklagten nach dem Hinweis auf sein Schweigerecht gemäß § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO Gelegenheit gegeben worden ist, sich zu der Anklage zu äußern, gehört nicht zu den wesentlichen Förmlichkeiten der Hauptverhandlung, deren Einhaltung allein durch die Sitzungsniederschrift bewiesen werden kann. (BGHR)
2. Die ausschließliche Beweiskraft nach § 274 Satz 1 StPO besteht sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht: So wie das Protokoll einerseits unter Ausschluss des Rückgriffs auf andere Beweismittel beweist, dass das geschehen ist, was es angibt, belegt es andererseits auch, dass das unterblieben ist, was nicht in ihm bezeugt wird. Jedoch erfasst § 274 Satz 1 StPO nur die für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen wesentlichen Förmlichkeiten, worunter vor allem diejenigen im Sinne des § 273 Abs. 1 StPO zu verstehen sind. Danach muss sich aus dem Protokoll insbesondere der gesetzmäßige Ablauf der Hauptverhandlung ergeben. (Bearbeiter)
3. Der Protokollvermerk, dass der Angeklagte auf sein Schweigerecht hingewiesen wurde, belegt dagegen nicht, dass diesem anschließend auch Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde. Ebenso wenig ist indes das Gegenteil bewiesen, falls sich aus dem Protokoll nicht ergibt, dass er zur Sache vernommen wurde. Das Schweigen des Protokolls belegt insoweit nur, dass der Angeklagte nicht zur Sache vernommen worden ist sowie indirekt, dass er sich nicht geäußert hat. (Bearbeiter)
4. Das Auffordern zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen im Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt ein über bloßes Befürworten hinausgehendes, ausdrückliches oder konkludentes Einwirken auf andere voraus mit dem Ziel, in ihnen den Entschluss zu bestimmten Handlungen hervorzurufen. Gewalt- und Willkürmaßnahmen sind diskriminierende Handlungen, die den elementaren Geboten der Menschlichkeit widersprechen. (Bearbeiter)
5. Als Gewaltmaßnahmen kommen beispielsweise Freiheitsberaubungen, gewaltsame Vertreibungen, Pogrome oder die Veranstaltung von Hetzjagden gegen Ausländer in Betracht. Willkürmaßnahmen sind sonstige diskriminierende und im Widerspruch zu elementaren Geboten der Menschlichkeit stehende Behandlungen aller Art. Feindselige Parolen wie „Ausländer raus“ oder „Türken raus“ werden grundsätzlich nicht erfasst, wenn sie sich in der Aufforderung zum Verlassen des Landes erschöpfe. (Bearbeiter)
6. Zur Beurteilung der Frage, ob eine Erklärung als Aufforderung zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen zu verstehen ist, ist ihr objektiver Sinngehalt unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls aus der Sicht eines
unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums zu ermitteln. Dabei darf ihr im Lichte der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit keine Bedeutung beigelegt werden, die sie objektiv nicht hat, und im Fall der Mehrdeutigkeit darf nur dann von der zur Verurteilung führenden Deutung ausgegangen werden, wenn andere, straflose Deutungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen werden können. (Bearbeiter)
1. Zu Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Unschuldsvermutung. (BGH).
2. Bei der Prüfung, ob eine Verletzung der Unschuldsvermutung eingetreten ist, kommt nach der Rechtsprechung des EGMR der Wortwahl bei der Äußerung durch Amtsträger entscheidende Bedeutung zu. Ob die Aussage eines Amtsträgers gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstößt, ist darüber hinaus im Zusammenhang mit den besonderen Umständen zu prüfen, unter denen die fragliche Aussage getätigt wurde. Im Hinblick auf die Berücksichtigung der Wortwahl und der Umstände muss ein „unglücklicher Sprachgebrauch“ nicht entscheidend sein; es kann an einer Verletzung von Art. 6 Abs. 2 EMRK fehlen, obwohl der EGMR den Sprachgebrauch der innerstaatlichen Behörden oder Gerichte kritisiert hat. (Bearbeiter)
3. Eine Fernsehberichterstattung über die Angeklagten und die angeklagte Tat, in deren Rahmen Ermittlungsbeamte Formulierungen wie „Bandenmitglieder“ und „Einbrechergruppierung“ verwenden, stellt keinen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung dar, wenn diese Formulierungen nach dem aktuellen Ermittlungsstand berechtigt sind, sich nicht unmittelbar auf die Angeklagten beziehen und diese in der Berichterstattung anonymisiert wurden, auch wenn sie für persönlich bekannte Personen erkennbar sind. (Bearbeiter)
4. Der Senat hat zudem in rechtlicher Hinsicht Zweifel, ob eine festgestellte Verletzung der Unschuldsvermutung eine Kompensation nach dem Vollstreckungsmodell begründen könnte. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 2 EMRK gibt den Vertragsstaaten keine bestimmte Art der Kompensation für den Fall des Konventionsverstoßes vor. Auch auf nationales Verfassungsrecht ließe sich die Anwendung des Vollstreckungsmodells nicht stützen. Die Unschuldsvermutung ist zwar eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und hat deshalb Verfassungsrang. Allerdings enthält die Unschuldsvermutung keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- und Verbote. Ihre Auswirkungen auf das Verfahrensrecht bedürfen vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten; dies zu tun, ist grundsätzlich Aufgabe des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 74, 358, 372). (Bearbeiter)
5. Das einfache Gesetzesrecht nimmt die Gewährleistungen der Unschuldsvermutung, soweit es um mit dieser in Widerspruch stehende Äußerungen während eines laufenden Strafverfahrens geht, vor allem durch die Befangenheit von Gerichtspersonen auf. Angesichts dieser Reaktionsmöglichkeit auf Verletzungen der Unschuldsvermutung im noch nicht zum rechtskräftigen Schuldspruch geführten Verfahren ist für eine anderweitige Kompensation nach dem Modell der Vollstreckungslösung kein Raum. Das gilt erst recht für Verstöße gegen diesen Grundsatz durch Personen, die vom Anwendungsbereich der Befangenheitsregelungen nicht erfasst sind. (Bearbeiter)
6. Die isolierte Überprüfung der Kompensation für Verstöße gegen die EMRK im Wege der Vollstreckungslösung ist grundsätzlich möglich (vgl. BGH NStZ-RR 2014, 21). Die Beschränkung ist lediglich im Einzelfall bei untrennbarer Verknüpfung des Strafausspruchs mit der Entscheidung über die Kompensation nicht wirksam. Eine solche Verknüpfung ist aber selbst dann nicht zwingend gegeben, wenn mit dem Rechtsmittel solche vom Tatgericht festgestellten und zur Grundlage der Kompensation gemachten Belastungen beanstandet werden, die an sich auch für den Strafausspruch bedeutsam sein können. Maßgebend ist insoweit, ob das Tatgericht den fraglichen Umstand ausschließlich für die Kompensation berücksichtigt oder auch für die Strafzumessung herangezogen hat. (Bearbeiter)
1. Ein Fall des „offenkundigen Mangels“ der Verteidigung durch den Pflichtverteidiger verletzt den Anspruch des Angeklagten auf eine wirksame Verteidigung gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK. Die Verteidigung darf nicht nur formal bestehen.
2. Ist dem Landgericht erkennbar, dass der staatlich bestellte Pflichtverteidiger durch seine Untätigkeit gegen die Gewährleistung aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK verstößt, muss es den Pflichtverteidiger – zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens – entpflichten und einen neuen Pflichtverteidiger beiordnen. Ist dies nicht geschehen, ist im Revisionsverfahren – nachdem der Angeklagte nun einen Wahlverteidiger beauftragt hat – von Amts wegen Wiedereinsetzung in die Frist zur Nachholung der Revisionsbegründung und in die Frist zur Begründung der Revision zu gewähren.
1. Durch eine nachträgliche Berichtigung des Protokolls kann nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofes zwar grundsätzlich auch einer bereits ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge zum Nachteil des Revisionsführers die Tatsachengrundlage entzogen werden.
2. Neben einer ordnungsgemäßen Protokollberichtigung besteht aber grundsätzlich kein Raum mehr dafür, zum Nachteil des Angeklagten freibeweislich über die Beobachtung der wesentlichen Förmlichkeiten zu befinden. Denn gegenüber einem den Maßstäben des Großen Senats genügenden förmlichen Berichtigungsverfahren bietet das Freibeweisverfahren nur geringere verfahrensrechtliche Sicherungen für die Ermittlung des wahren Sachverhalts.
1. Die Bewertung eines Geständnisses unterfällt dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO. Das Tatgericht muss allerdings, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein. Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das Geständnis den Aufklärungsbedarf hinsichtlich der erforderlichen Feststellungen zur Tat erfüllt, ob es in sich stimmig ist und auch im Hinblick auf sonstige Beweisergebnisse keinen Glaubhaftigkeitsbedenken unterliegt und ob es die getroffenen Feststellungen trägt.
2. Wenn sich der Angeklagte auf der Grundlage einer Absprache geständig eingelassen hat, sind an die Überprüfung dieser Einlassung und deren Darlegung im Urteil regelmäßig keine strengeren Anforderungen zu stellen als bei einem in herkömmlicher Verfahrensweise abgegebenen Geständnis. In jedem Fall müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Würdigung der Beweise auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung nach den Maßstäben rationaler Argumentation ermöglicht.
3. Ein sog. „schlankes“ Geständnis, das sich in der Bestätigung des konkreten Anklagesatzes erschöpft, kann insbesondere in einen einfach gelagerten und in zeitlicher Hinsicht nicht weit zurückliegenden Fall der Überprüfung standhalten, soweit plausibel ist, dass der Angeklagte an das erst kurze Zeit zurückliegende Tatgeschehen eine auch in den wesentlichen tatbestandsausfüllenden Einzelheiten genügende Erinnerung hatte.
1. An die Annahme der besonderen Bedeutung im Sinne des § 120 GVG sind mit Blick auf die in der Übernahmeerklärung durch den Generalbundesanwalt liegenden Bestimmung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und des Eingriffs in die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern strenge Anforderungen zu stellen. Eine Katalogtat des § 120 Abs. 2 Satz 1 GVG kann selbst dann, wenn sie nach Schwere oder Umfang erhebliches Unrecht verwirklicht und daher staatliche Sicherheitsinteressen in besonderer Weise beeinträchtigt, nicht allein aus diesem Grund das Evokationsrecht des Generalbundesanwalts begründen.
2. Bei der erforderlichen Gesamtwürdigung sind neben dem individuellen Schuld- und Unrechtsgehalt auch die konkreten Auswirkungen für die innere Sicherheit der Bundesrepublik und ihr Erscheinungsbild gegenüber Staaten mit gleichen Wertvorstellungen in den Blick zu nehmen. Auch ist zu beachten, welche Signalwirkung von der Tat für potentielle Nachahmer ausgeht. Ist eine Gewalttat von einer radikalislamistischen Grundhaltung getragen, kann eine besondere Bedeutung naheliegen, weil solche Taten in den letzten Jahren in der gesamten Bevölkerung Aufsehen, aber auch Verunsicherung hervorgerufen und zu einem allgemeinen Gefühl der Bedrohung geführt haben.
3. Die Arglosigkeit eines (mit einer Schutzweste ausgestatteten) Polizeibeamten im Rahmen einer Personenkontrolle wird nicht ohne weiteres dadurch in Frage gestellt, dass Polizeibeamte generell ein gewisses Misstrauen gegenüber zu kontrollierenden Personen hegen. Denn es kommt insoweit nicht auf ein allgemein begründetes Misstrauen, sondern allein darauf an, ob das Opfer im Tatzeitpunkt mit Feindseligkeiten des Täters rechnet.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Angeklagter vor einer Verständigung gemäß § 257c StPO, deren Gegenstand die Verhängung einer zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe ist, auf konkret in Betracht kommende Bewährungsauflagen hingewiesen werden, die nach § 56b Abs. 1 Satz 1 StGB der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen und deren Erteilung Voraussetzung für die in Aussicht gestellte Strafaussetzung ist (vgl. BGHSt 59, 172, 174). Nur durch einen solchen vorherigen Hinweis kann sichergestellt werden, dass der Angeklagte vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung informiert ist und er
deshalb autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt.
2. Danach ist es erforderlich, dass das Gericht vor einer Verständigung offenlegt, dass es die Verhängung einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe allein nicht für ausreichend hält, sondern zur Verwirklichung der Genugtuungsfunktion des Strafverfahrens Bewährungsauflagen in Betracht zieht, die Bestandteil der Rechtsfolgenerwartung sind und gemäß § 56b Abs. 1 Satz 1 StGB als Genugtuung für begangenes Unrecht eine strafähnliche Sanktion darstellen.
1. Bei Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft ist das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit in besonderer Weise zu beachten. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist, nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Angeklagten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt.
2. Das verfassungsrechtlich verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft schon andauert.
3. Bei der Prüfung der Fortdauer der Untersuchungshaft ist auch zu berücksichtigen, inwieweit der bisherige konkrete Verlauf der Hauptverhandlung zumindest auch auf dem Prozessverhalten der Angeklagten und ihrer Verteidiger beruht, ohne dass es in diesem Zusammenhang maßgeblich darauf ankommt, ob es sich um sachdienliches Verteidigungsverhalten handelt oder dessen Grenzen überschritten sind.
4. Das Beschwerdegericht muss im Haftbeschwerdeverfahren in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen ausreichend Rechnung getragen werden kann. Dies bedeutet indes nicht, dass das verhandelnde Tatgericht in Fallkonstellationen wie der vorliegenden zu einer umfassenden Darstellung der Würdigung aller bislang erhobenen Beweise verpflichtet ist. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste.
1. Wird bei Anklageerhebung zunächst nur ein Teil der Tatvorwürfe in die Anklageschrift aufgenommen, kann dies hinsichtlich der übrigen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung darstellen, für die dann bei späterer Aburteilung ein Ausgleich vorzunehmen ist. Andererseits besteht für die Staatsanwaltschaft regelmäßig keine Pflicht, mit der Anklage bezüglich ausermittelter Tatvorwürfe zuzuwarten, bis eine einheitliche Anklageerhebung für alle Tatvorwürfe möglich ist. Letztlich besteht insoweit ein weitgehendes Ermessen der Ermittlungsbehörden.
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird ein Verfahrenshindernis durch solche Umstände begründet, die es ausschließen, dass über einen Prozessgegenstand mit dem Ziel einer Sachentscheidung verhandelt werden darf (st. Rspr.). Diese müssen so schwer wiegen, dass von ihrem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens abhängig gemacht werden muss (vgl. BGHSt 46, 159, 169).
3. Ein durch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bewirkter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK ist in der Regel durch seine Feststellung und – gegebenenfalls – den Ausspruch, dass ein Teil der Strafe als vollstreckt anzusehen ist, zu kompensieren (st. Rspr.). Dagegen führt die Verletzung des Beschleunigungsgebots nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht zu einem Verfahrenshindernis (vgl. BGHSt 46, 159, 169). Lediglich in ganz außergewöhnlichen Sonderfällen, wenn eine angemessene Berücksichtigung des Verstoßes im Rahmen einer Sachentscheidung bei umfassender Gesamtwürdigung nicht mehr in Betracht kommt, kann eine rechtsstaatswidrige Verfahrens-
verzögerung zu einem Verfahrenshindernis führen (vgl. BGHSt 46, 159, 171).
4. Nach dieser „Vollstreckungslösung“ hat der Tatrichter Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen (vgl. BGHSt 52, 124, 146). Der sachlich-rechtlich zu fordernde Erörterungsbedarf darf aber mit Rücksicht auf die vielen denkbaren Verfahrensvorgänge, die für die Entscheidung eine Rolle spielen können, nicht überspannt werden. Es reicht deshalb aus, wenn das Revisionsgericht anhand der Ausführungen im Urteil im Sinne einer Schlüssigkeitsprüfung nachvollziehen kann, ob die festgestellten Umstände die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verzögerung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK tragen und sich die Kompensationsentscheidung innerhalb des dem Tatrichter insoweit eingeräumten Bewertungsspielraums hält (vgl. BGH NStZ 2015, 540).
Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, den Revisionsvortrag aus anderen Unterlagen jeweils an passender Stelle zu ergänzen und dabei auch noch den Sachzusammenhang selbst herzustellen.
1. Zwar kann der Bundesgerichtshof in den Fällen des § 14 und § 19 StPO unter den dort im Einzelnen aufgeführten Voraussetzungen bei einem Zuständigkeitsstreit zwischen verschiedenen Gerichten das zuständige Gericht bestimmen. Eine Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs nach den genannten Vorschriften ist jedoch nur begründet, wenn tatsächlich ein Zuständigkeitsstreit vorliegt und der Bundesgerichtshof als gemeinschaftliches oberes Gericht zu einer Entscheidung dieses Zuständigkeitsstreits berufen ist.
2. Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen neben den an dem Zuständigkeitsstreit beteiligten Gerichten und Staatsanwaltschaften ein Betroffener mit der Behauptung, durch einen Zuständigkeitsstreit in seinen Rechten verletzt zu sein, sich unmittelbar an den Bundesgerichtshof wenden kann. Ein Tätigwerden des Bundesgerichtshofs ist nur veranlasst, wenn sich dem Vorbringen des Antragstellers Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass tatsächlich ein Zuständigkeitsstreit zwischen verschiedenen Gerichten besteht, und der Bundesgerichtshof als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Entscheidung berufen sein kann.
Wegen des Verwertungsverbotes des § 252 StPO ist eine Vernehmung von nichtrichterlichen Verhörspersonen oder eine Verlesung des richterlichen Vernehmungsprotokolls nach § 251 Abs. 2 Nr. 3 StPO erst dann zulässig, wenn Gewissheit darüber besteht, dass der Zeugnisverweigerungsberechtigte zur Aussage bereit ist. Dies ist nach den Maßstäben des Freibeweises zu prüfen, nach denen eine weitere Erforschung der prozessual bedeutsamen Tatsachen jedenfalls dann nicht geboten ist, wenn aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles ein sicherer Schluss darauf möglich ist, dass der Zeuge von seinem Recht zur Zeugnisverweigerung keinen Gebrauch machen will.
Einlassungen, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, sind nicht ohne Weiteres als unwiderlegbar hinzunehmen und den Feststellungen zugrunde zu legen. Das Tatgericht hat vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses darüber zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen.
Bei Zurückverweisung einer Sache durch das Revisionsgericht kommt es auf den Vollstreckungsstand im Zeitpunkt des ersten tatrichterlichen Urteils an. Eine erst danach eingetretene Erledigung einer Strafe steht deren Einbeziehung nicht entgegen.
1. „Aufgenommen“ im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO ist ein Verurteilter, wenn er sich in der betreffenden Vollzugseinrichtung tatsächlich und nicht nur vorübergehend, wie etwa im Rahmen einer Verschubung, zum
Zwecke einer medizinischen Untersuchung oder zum Zwecke einer vorübergehenden medizinischen Behandlung aufhält.
2. In einem Streit gemäß § 14 StPO kann der Bundesgerichtshof nur eines der streitenden Gerichte als zuständiges Gericht bestimmen. Die Bestimmung muss unterbleiben, wenn keines der bislang am Streit beteiligten Gerichte zuständig ist (vgl. BGH NStZ 2010, 110).