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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2016
17. Jahrgang
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1. § 82 GmbHG soll jeden, der mit der Gesellschaft in Geschäftsverbindung treten will, vor Täuschungen schützen und ihm die Möglichkeit geben, sich durch Einsicht in das Handelsregister und dessen Unterlagen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu unterrichten. Werden erhebliche Umstände verschwiegen, wird die Äußerung insgesamt falsch. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Richtigkeit einer Angabe ist der Eingang beim Registergericht. Wenn die Angabe zu dieser Zeit nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt, ist sie falsch im Sinne von § 82 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG.
2. Eine Falschangabe gegenüber dem Registergericht im Sinne von § 82 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG liegt dann vor, wenn die Gesellschaft letztlich nur die Durchgangsstation einer Leistung des Inferenten an einen Gesellschaftsgläubiger ist, bei der jede Einwirkungsmöglichkeit der Geschäftsführung ausgeschlossen wird. Dies ist auch der Fall, wenn der Geschäftsführer nicht über die Anlage verfügen kann, weil die kreditgebende Bank eine Verfügung über die auf dem Geschäftskonto gut geschriebene Beträge zu anderen Zwecken als zur Rückführung einer Verbindlichkeit verhindert.
3. Hat bei einer durch mehrere Personen ausgeführten Deliktsserie ein Tatbeteiligter einen Beitrag zum Aufbau oder zur Aufrechterhaltung einer auf die Begehung von Straftaten ausgerichteten Struktur erbracht, sind Einzeltaten zu einem uneigentlichen Organisationsdelikt zusammenzufassen, durch welches sie für den im Hintergrund Tätigen zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammengeführt werden. Von dieser Handlungseinheit ausgenommen sind nur die Einzeldelikte, an denen der Täter individuell mitgewirkt hat. Diese sind ihm tatmehrheitlich zuzurechnen (vgl. BGH NStZ 2010, 103 f). Die einheitliche Tat des Organisationsdelikts bildet aber auch eine Tat im prozessualen Sinn, die durch Anklageerhebung der Kognition des Gerichts gemäß § 264 Abs. 1 StPO unterworfen wird.
4. Zur Erfüllung der Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift ist es bei einem „uneigentlichen Organisationsdelikt“, bei dem einem in leitender Funktion des Unternehmens Tätigen die Ausführungshandlungen der Mitarbeiter zugerechnet werden, nicht erforderlich, sämtliche Handlungen im Einzelnen in der Anklageschrift mitzuteilen (vgl. BGHSt 57, 88, 94).
5. Lastschriftenreiterei mit dem Ziel einer Kreditbeschaffung durch Lastschriften, denen keine Forderungen zu Grunde liegen, ist mit dem Wesen des Lastschriftverfahrens generell nicht zu vereinbaren (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juni 2005 – 2 StR 30/05, BGHSt 50, 147, 154 mwN). Den Zahlungsempfänger trifft deshalb eine Aufklärungspflicht, wenn Lastschriften atypisch verwendet werden. Erfüllt er diese Aufklärungspflicht nicht, liegt Betrug zum Nachteil der ersten Inkassostelle vor, wenn dort ein Irrtum erregt und deshalb eine Vermögensverfügung verursacht wird, die bei der ersten Inkassostelle einen Vermögensschaden verursacht, versuchter Betrug dagegen, wenn der Täter einen Irrtum zu erregen glaubt, aber der Bankmitarbeiter die Umstände bereits kennt und aus anderen Gründen die Vermögensverfügung vornimmt.
6. Ein Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen, die sonst in die Insolvenzmasse geflossen wären, liegt im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB vor, wenn ein Schuldner einen zu seinem Vermögen gehörenden Gegenstand dem alsbaldigen Gläubigerzugriff entzieht oder den Zugriff wesentlich erschwert. Eine Vereitelung des Gläubigerzugriffs durch Änderung der rechtlichen Zuordnung ist auch bei der Übereignung eines Gegenstandes anzunehmen, ferner bei der Abtretung einer Forderung oder bei einer Verpfändung, wenn auf diese Leistung zu diesem Zeitpunkt und in der konkreten Art kein Anspruch bestand (vgl. BGHSt 8, 55, 56).
7. Im Fall der Bestellung einer Grundschuld mit höherem Wert als die zu sichernde Forderung geht die Regelung
des § 283c StGB vor. Im Verhältnis zu § 283 Abs. 1 Nr. 1 stellt § 283c StGB eine Privilegierung dar.
1. Wasserpfeifentabak unterfällt grundsätzlich der Tabaksteuerpflicht. Er verliert auch durch Beimischung anderer Stoffe nicht seine Eigenschaft als Tabakware, wenn er sich weiterhin ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen eignet. Dies ergibt sich bereits aus § 1 Abs. 8 Satz 1 TabStG, wonach auch solche Erzeugnisse als Zigaretten oder Rauchtabak gelten, die statt aus Tabak ganz oder teilweise aus anderen Stoffen bestehen, sofern die weiteren Voraussetzungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 TabStG erfüllt sind.
2. Für die Steuerbarkeit des Wasserpfeifentabaks ist es unerheblich, ob dieser über einen höheren Anteil an Feuchthaltemitteln verfügt, als lebensmittelrechtlich zulässig ist. Die Vorschriften, die sich mit der lebensmittelrechtlichen Zusammensetzung von Tabakerzeugnissen zum Schutz der Gesundheit der Verbraucher beschäftigen, wie das Tabakerzeugnisgesetz, haben eine gänzlich andere Zielrichtung als das TabStG. Dass ein Tabakerzeugnis lebensmittelrechtlich einwandfrei ist, ist nach dem TabStG nicht Voraussetzung der Steuerbarkeit (vgl. § 1 TabStG).
3. Eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV bedarf es insoweit nicht, denn die Rechtsfrage ist auch vor dem Hintergrund des harmonisierten Verbrauchssteuerrechts vorliegend eindeutig und zweifelsfrei zu beantworten („acte claire“).
4. Eine mehrfache Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in Bezug auf dasselbe Steuersubstrat ist nicht möglich. Erfolgt keine rechtliche, sondern lediglich eine tatsächliche Aufnahme von unversteuertem Tabak in ein Steuerlager, nachdem bereits bei der Einfuhr in das Zollgebiet Tabaksteuer angefallen war, kann mit der rein körperlichen Entnahme der nicht gestellten Menge aus dem Steuerlager nicht erneut Tabaksteuer anfallen. Aus § 15 Abs. 3 Nr. 2 TabStG ergibt sich nichts anderes.
1. Entrichtet eine im Ausland gegründete Gesellschaft, welche nur den falschen Anschein einer Geschäftstätigkeit hervorrufen soll, dort Körperschaftssteuer, vermindert diese nicht die Höhe der im Inland durch den Täter verkürzten Einkommensteuer. Sie ist auch kein tauglicher Strafzumessungsgesichtspunkt, da sie lediglich zu den Kosten gehört, die auf der vom Täter aufgebauten, der Hinterziehung seiner Einkommensteuer dienenden, Scheinkonstruktion beruhen.
2. Es ist rechtsfehlerhaft, bei der Annahme eines besonders schweren Falles der Steuerhinterziehung allein an das vom Haupttäter verwirklichte Regelbeispiel der Steuerverkürzung in großem Ausmaß anzuknüpfen. Ob die Voraussetzungen für die Annahme eines besonders schweren Falles (innerhalb oder außerhalb der Regelbeispiele) erfüllt sind, ist bei mehreren Tatbeteiligten für jeden von ihnen gesondert zu prüfen. Das Ergebnis richtet sich – wenn auch unter Berücksichtigung der Tat des oder der anderen Beteiligten – jeweils nach dem Tatbeitrag und der Person des Teilnehmers, dessen Strafe zugemessen werden soll. Für die Bewertung der Tat des Gehilfen und den zugrunde zu legenden Strafrahmen ist somit entscheidend, ob sich die Beihilfe selbst – bei Berücksichtigung des Gewichts der Haupttat – als besonders schwerer Fall darstellt.
3. Der Annahme einer selbständigen Betätigung im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 2 EStG steht nicht entgegen, dass der Täter sich in einem Anstellungsverhältnis befindet, wenn das betroffene Verhalten nicht aufgrund arbeitsrechtlicher Weisung und nicht in Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag erfolgt, sondern aus eigenem Antrieb und außerhalb der zwischen ihm und Arbeitgeber bestehenden Rechtsbeziehung.
4. Eine Leistung im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ein Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vorgangs sein kann und eine Gegenleistung auslöst.
5. Täter einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO kann nicht nur der Steuerschuldner, sondern jedermann sein, sofern er die Voraussetzungen erfüllt, die das Gesetz an die Täterschaft stellt. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist kein Sonderdelikt, das nur durch den Erklärungspflichtigen als Täter begangen werden kann. Die im Einzelfall bestehende Steuerpflicht ist kein besonderes persönliches Merkmal, das die Strafbarkeit des Täters gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO begründet. Eine Milderung über § 28 Abs. 1 StGB kommt darum nicht in Betracht.
Die beabsichtigte Entscheidung des 3. Strafsenats widerspricht der Rechtsprechung des 4. Strafsenats, der an dieser festhält. Danach verbinden sowohl der Transport des Kaufgeldes für die erste als auch der Übernahme der weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen
des Lieferanten als auch die Bezahlung einer zuvor auf ‚Kommission‘ erhaltenen Betäubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiellrechtlichen Sinn.
1. Besteht der maßgebliche Beitrag zu einer Betäubungsmitteleinfuhr darin, dass dem unmittelbar Handelnden Beteiligten Reisespesen übergeben werden, begründet dies unbeschadet eines etwaigen Tatinteresses jedenfalls dann in der Regel keine (Mit-)Täterschaft bzgl. der Einfuhr, wenn dabei lediglich der Auftrag einer weiteren ortsabwesenden Person ausgeführt wird. Unter diesen Umständen lässt die Übergabe der Reisespesen Tatherrschaft oder den Willen hierzu regelmäßig nicht erkennen.
2. Die Einfuhr von Betäubungsmitteln ist beendet, wenn das eingeführte Rauschgift im Inland in Sicherheit gebracht und damit zur Ruhe gekommen ist oder die Strafverfolgungsbehörden nach Vollendung der Einfuhr die Tat aufdecken und verhindern, dass das Rauschgift seinem geplanten Verwendungszweck zugeführt wird.
1. Ein Kurier ist als Gehilfe des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge einzuordnen, wenn die Tathandlung sich auf den Transport von Betäubungsmitteln zwischen selbständig handelnden Lieferanten und Abnehmern beschränkt und der Beteiligte nicht in der Lage ist, das Geschäft insgesamt maßgeblich mitzugestalten.
2. Als mittäterschaftliches Handeltreiben kann eine Kuriertätigkeit demgegenüber einzuordnen sein, wenn der Beteiligte über den reinen Transport hinaus erhebliche Tätigkeiten entfaltet. Solche Tätigkeiten können beispielsweise bei der Einbindung des Kuriers in den An- oder Verkauf der Betäubungsmittel, bei einer weiterreichenden Einflussmöglichkeit des Kuriers auf Art und Menge der transportierten Betäubungsmittel oder wenn der Kurier die transportierten Drogen am Zielort aufzubewahren, zu portionieren, chemisch umzuwandeln oder zu verpacken hat, anzunehmen sein. Beschränkt sich der Tatbeitrag eines Drogenkuriers auf den bloßen Transport von Betäubungsmitteln, liegt selbst dann keine Täterschaft vor, wenn ihm faktische Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports verbleiben.
Setzt sich die Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln aus mehreren Einzelakten zusammen, so reicht es zur Tatbestandserfüllung des bewaffneten Handeltreibens aus, wenn der qualifizierende Umstand nur bei einem Einzelakt verwirklicht ist (vgl. BGHSt 43, 8, 10). Stellt sich die Übergabe einer möglicherweise lediglich geringen Menge von Betäubungsmitteln als Teilobjekt eines zuvor verabredeten Handelsgeschäfts über eine nicht geringe Menge dar, ist damit der Anwendungsbereich des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG eröffnet.
Nach § 3 Satz 1 JGG ist ein Jugendlicher strafrechtlich verantwortlich, wenn positiv feststeht, dass er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug gewesen ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Ob die erforderliche Verantwortungsreife gegeben ist, hat der Tatrichter auf der Grundlage seiner Feststellungen zur persönlichen Entwicklung des Jugendlichen, zu dessen Persönlichkeit zur Tatzeit und den Umständen der konkreten Tat – gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe – wertend zu beurteilen. Kann die nach § 3 Satz 1 JGG erforderliche Einsichts- und Handlungsreife nicht sicher festgestellt werden, scheidet ein Schuldspruch aus (vgl. BGH NStZ 2013, 286).
1. Auch bei einer wegen der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe ist gemäß § 18 Abs. 2 JGG die Höhe der Strafe so zu bemessen, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist. Grundsätzlich ist zwar die in den gesetzlichen Regelungen des allgemeinen Strafrechts zum Ausdruck gelangende Bewertung des Ausmaßes des in einer Straftat hervorgetretenen Unrechts auch bei der Bestimmung der Höhe der Jugendstrafe zu berücksichtigen. Keinesfalls darf aber die Begründung wesentlich oder gar ausschließlich nach solchen Zumessungserwägungen vorgenommen werden, die auch bei Erwachsenen in Betracht kommen. Die Bemessung der
Jugendstrafe erfordert vielmehr von der Jugendkammer, das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abzuwägen. Denn auch bei einer wegen der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe bemisst sich ihre Höhe vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen daher in jedem Fall erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt worden ist (vgl. BGH NStZ 2016, 105).
2. Dabei bedarf es unter anderem der Erörterung, welche erzieherischen Wirkungen eine eventuell vollzogene Untersuchungshaft auf den Angeklagten gehabt hat (vgl. BGH StV 1986, 68).