HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 1023
Bearbeiter: Karsten-Gaede und Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 25/16, Beschluss v. 23.08.2016, HRRS 2016 Nr. 1023
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 5. Oktober 2015 im Gesamtstrafenausspruch mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten am 30. Juli 2013 wegen Diebstahls in 35 Fällen, Computerbetrugs in vier Fällen und Verstoßes gegen das Waffengesetz unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus einem anderen Urteil und unter Einbeziehung der dort verhängten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Dieses Urteil hat der Senat auf die Revision des Angeklagten mit Beschluss vom 15. April 2014 - 2 StR 566/13 - im Schuldspruch in den Fällen II.37-II.39 der Urteilsgründe mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit an das zuständige Amtsgericht Wiesbaden zurückverwiesen. Im Übrigen hat er den Schuldspruch dahingehend berichtigt und klargestellt, dass der Angeklagte des Diebstahls in 31 Fällen, des Computerbetrugs in fünf Fällen sowie des unerlaubten Besitzes eines verbotenen Gegenstands nach § 2 Abs. 3 i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.2 WaffG schuldig ist, sämtliche Einzelstrafaussprüche sowie den Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen; die weitergehende Revision wurde verworfen.
Am 22. Oktober 2014 hatte das Landgericht den Angeklagten aufgrund des in Rechtskraft erwachsenen (berichtigten) Schuldspruchs aus dem Urteil vom 30. Juli 2013 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt. Dieses Urteil hat der Senat auf die Revision des Angeklagten aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten aufgrund des rechtskräftigen Schuldspruchs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt. An einer Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem zunächst einbezogenen Urteil hat es sich gehindert gesehen, weil die darin verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten zwischenzeitlich vollständig vollstreckt sei, und hat einen Härteausgleich vorgenommen, indem es von einer fiktiv unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil vom 23. April 2013 gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von nunmehr fünf Jahren und sechs Monaten die bereits vollstreckte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten in Abzug gebracht hat.
Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge keine den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler erkennen lassen.
Die Strafrahmenwahl und die Bemessung der Einzelstrafen sind von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Im Ausspruch über die Gesamtstrafe kann das Urteil hingegen keinen Bestand haben. Insoweit hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
„Die Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Friedberg vom 23. April 2013 waren ungeachtet des Umstandes, dass die Vollstreckung der darin verhängten Gesamtfreiheitsstrafe seit dem 16. Oktober 2014 erledigt ist (vgl. Bl. 9 UA), weiterhin gesamtstrafenfähig. Denn bei Zurückverweisung einer Sache durch das Revisionsgericht kommt es auf den Vollstreckungsstand im Zeitpunkt des ersten tatrichterlichen Urteils (hier: 30. Juli 2013) an. Eine - wie im vorliegenden Fall - erst danach eingetretene Erledigung einer Strafe steht deren Einbeziehung nicht entgegen (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 55 Rn. 6a mwN).
Dieser Rechtsfehler hat sich trotz des vorgenommenen Härteausgleichs zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt. Zwar übersteigen die aus den Einzelstrafen für die verfahrensgegenständlichen Taten gebildete Gesamtfreiheitsstrafe, die nach dem Härteausgleich auf vier Jahre und zwei Monate bemessen wurde, und die bereits vollstreckte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Friedberg vom 23. April 2013 in der Summe nicht die Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren, die das Landgericht im ersten Durchgang unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus diesem Urteil gebildet hatte. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO ist insofern gewahrt (vgl. BGH, NStZRR 2012, 106 f.). Wäre im dritten Durchgang die Gesamtfreiheitsstrafe in gebotener Weise erneut unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil vom 23. April 2013 gebildet worden, würde jedoch die bereits vollstreckte (aufzulösende) Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten gemäß § 51 Abs. 2 StGB auf die noch zu verbüßende Strafzeit angerechnet. Dadurch würde der ZweiDrittelZeitpunkt (§ 57 Abs. 1 Nr. 1 StGB) zu Gunsten des Angeklagten nach vorne verschoben: Er wäre bei der von der Strafkammer fiktiv gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten unter Anrechnung einer Strafzeit von einem Jahr und vier Monaten bereits nach Verbüßung von zwei Jahren und vier Monaten erreicht. Bei der festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten (ohne Strafzeitanrechnung) hingegen sind bis zum ZweiDrittelZeitpunkt noch gut zwei Jahre und neun Monate zu verbüßen.
Da lediglich ein Rechtsfehler bei der Gesamtstrafenbildung vorliegt, kann der Senat davon absehen, die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen, und statt dessen die Entscheidung über die Gesamtstrafe gemäß § 354 Abs. 1b StPO dem Beschlussverfahren nach den §§ 460, 462 StPO überlassen.“
Dem schließt sich der Senat an und weist ergänzend darauf hin, dass das Verschlechterungsverbot einer Gesamtstrafe bis zur Höhe einer sich aus der Addition von bisher festgesetzter Gesamtstrafe von vier Jahren und zwei Monaten und einzubeziehender Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten ergebenden Gesamtfreiheitsstrafe nicht entgegensteht.
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 1023
Bearbeiter: Karsten-Gaede und Marc-Philipp Bittner