HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 1099
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 ARs 211/16, Beschluss v. 14.06.2016, HRRS 2016 Nr. 1099
1. Der Antrag des Landgerichts Potsdam, das zuständige Gericht zu bestimmen, wird zurückgewiesen.
2. Die Sache wird zur weiteren Veranlassung an das Landgericht Potsdam zurückgegeben.
1. Der Verurteilte befindet sich seit dem 13. September 2011 in Haft. Am 7. März 2013 wurde er in die Justizvollzugsanstalt Ulm in den offenen Vollzug verlegt. Nachdem er von einem Hafturlaub nicht zurückgekehrt war, wurde er am 8. Dezember 2014 in Potsdam festgenommen und zum Zwecke des Rücktransports in die Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel eingeliefert. Der Rücktransport in die Justizvollzugsanstalt Ulm erfolgte am 13. Januar 2015. Am 26. Januar 2015 wurde er in die Justizvollzugsanstalt Offenburg verlegt. Während seines Zwischenaufenthalts in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel richtete der Verurteilte mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 einen Antrag auf bedingte Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam.
Die Strafvollstreckungskammern des Landgerichts Potsdam und des Landgerichts Offenburg haben ihre örtliche Zuständigkeit für die nach § 454 Abs. 1 StPO i.V.m. § 57 StGB zu treffende Entscheidung verneint. Das Landgericht Potsdam hat mit Beschluss vom 15. März 2016 beantragt, das zuständige Gericht zu bestimmen.
2. Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ist zurückzuweisen.
In einem Streit gemäß § 14 StPO kann der Bundesgerichtshof nur eines der streitenden Gerichte als zuständiges Gericht bestimmen. Die Bestimmung muss unterbleiben, wenn keines der bislang am Streit beteiligten Gerichte zuständig ist (Senat, Beschluss vom 27. September 2000 - 2 ARs 69/00, NStZ 2010, 110; Beschluss vom 19. September 1986 - 2 ARs 206/86, BGHR StPO § 462a Abs. 1, Befasstsein 2 mwN). Beteiligt sind am Streit bislang nur die Strafvollstreckungskammern des Landgerichts Potsdam und des Landgerichts Offenburg.
Zuständig für die Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung ist indes die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ulm, denn der Verurteilte war zum Zeitpunkt, in dem er seinen Antrag auf Aussetzung der Reststrafe auf Bewährung anbrachte, in einer zum Bezirk des Landgerichts Ulm gehörenden Justizvollzugsanstalt aufgenommen (§ 462a Abs. 1 Satz 1 StPO):
„Aufgenommen“ im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO ist ein Verurteilter, wenn er sich in der betreffenden Vollzugseinrichtung tatsächlich und nicht nur vorübergehend, wie etwa im Rahmen einer Verschubung, zum Zwecke einer medizinischen Untersuchung oder zum Zwecke einer vorübergehenden medizinischen Behandlung aufhält (KK-StPO/Appl, 7. Aufl. § 462a Rn. 15 mwN). Da der Verurteilte nach seiner Flucht nur vorübergehend in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel zum Zwecke des Rücktransports untergebracht war, war er auch in der Zeit seines dortigen Aufenthalts weiterhin in der Justizvollzugsanstalt Ulm aufgenommen.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ulm war mit Eingang des Antrags des Verurteilten am 18. Dezember 2014 auch mit der Sache „befasst“ im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO. Dabei ist unschädlich, dass der Antrag an das Landgericht Potsdam gerichtet und zunächst dort eingegangen war. Es genügt, dass der Antrag bei einem Gericht eingegangen ist, das für die Sache zuständig sein kann (vgl. KKStPO/Appl aaO Rn. 19).
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ulm blieb auch nach der am 26. Januar 2015 erfolgten Verlegung des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Offenburg für die Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung zuständig, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits mit dieser Sache „befasst“ im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO war (KKStPO/Appl aaO Rn. 21).
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 1099
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede