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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2010
11. Jahrgang
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1. Erschießt ein Mittäter, der nach dem gemeinsamen Tatplan eine geladene Selbstladepistole lediglich zur Drohung verwenden sollte, das Opfer planwidrig, bestehen Bedenken, ob die Todesfolge nach den Grundsätzen der sog. sukzessiven Mittäterschaft auch demjenigen Mittäter zugerechnet werden kann, der sich nach der von ihm erkannten Tötung weiter an der Durchführung des Raubüberfalls beteiligt. Hiergegen bestehen entgegen der bisherigen Rechtsprechung (BGH NStZ 2008, 280) Einwendungen von Gewicht.
2. Eine Zurechnung kann sich aber für folgende Tötungen daraus ableiten, dass der nicht selbst schießende Beteiligte nach dem von ihm erkannten Mittäterexzess seine ursprünglichen Bedenken hinsichtlich des Einsatzes der Schusswaffe beiseite schiebt und weitere von ihm als möglich erachtete Gewalthandlungen mit der geladenen Pistole billigt.
Für die Beurteilung berufstypischer neutraler Handlungen im Rahmen der Beihilfe ist nicht infolge eines entfallenden deliktischen Sinnbezuges zwischen Tatwerkzeugen und Bezugsobjekten zu unterscheiden. Die bei berufstypischen neutralen Handlungen gegebenenfalls erforderliche Beschränkung der Strafbarkeit lässt sich bei sachgerechter Auslegung nach den herkömmlichen und allgemein anerkannten Regeln über die objektive Zurechnung oder den Gehilfenvorsatz in ausreichendem Maße erreichen (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 26).
1. Die Rechtsprechung zur hohen Hemmschwelle vor der Tötung eines Menschen besagt nicht etwa, dass die Wertung der offensichtlichen Lebensgefährlichkeit von Gewalthandlungen als einem gewichtigen auf einen Tötungsvorsatz hinweisenden Beweisanzeichen in Frage gestellt werden solle oder dieser Beweisgrund gar den Schluss auf einen Tötungsvorsatz in aller Regel nicht tragen könne.
2. Ein als möglich erkannter Erfolg muss den Wünschen des Täters nicht entsprechen, um eine Billigung im Rechtssinne und damit gegebenenfalls vorsätzliches Handeln annehmen zu können.
3. Allenfalls hochgradig interessenwidrige Tatfolgen widerstreiten der Annahme einer Billigung des Erfolges durch einen in der Steuerungsfähigkeit beeinträchtigten, unüberlegt handelnden Täter.
Bei der Bewertung des Konkurrenzverhältnisses in Fällen der Beteiligung mehrerer Mittäter an einer Deliktsserie ist für jeden von ihnen gesondert zu prüfen und zu entscheiden, ob die einzelnen Straftaten der Serie in seiner Person tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen. Maßgeblich ist hierbei der Umfang des Tatbeitrages bzw. der Tatbeiträge jedes Mittäters. Erfüllt er hinsichtlich aller oder einzelner Taten der Serie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Erbringt er dagegen im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeldelikte seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Zur Kennzeichnung des Schuldumfangs ist dies im Schuldspruch grundsätzlich als gleichartige Tateinheit kenntlich zu machen (BGHSt 49, 177, 182 f., 185).
1. Der Täter stiehlt auch dann eine durch ein verschlossenes Behältnis besonders gesicherte Sache, wenn er als Unberechtigter den ordnungsgemäß dafür vorgesehenen Schlüssel verwendet. (BGHR)
2. Dient das Behältnis nach seiner erkennbaren Zweckbestimmung wenigstens unter anderem auch zur Sicherung der darin aufbewahrten Sache gegen Diebstahl, wie es zum Beispiel bei einem Tresor idealtypisch der Fall ist, dann ist das verschlossene Behältnis ein Spezialfall einer Schutzvorrichtung im Sinne der Vorschrift. Das Regelbeispiel setzt voraus, dass das Behältnis verschlossen ist. (Bearbeiter)
3. Weitere Sicherungen, etwa durch Wegschließen des Schlüssels, sind danach zu seiner Erfüllung nicht mehr erforderlich. Der Täter muss - sofern er nicht sogar die Sache mitsamt dem Behältnis stiehlt - die Sicherung
überwinden, wobei es aber nicht darauf ankommt, wie er das bewirkt. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB betont die besondere Sicherung des Diebstahlsobjekts, während § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB besondere Arten der Tatausführung bei einer allgemeinen Sicherung des Gegenstands hervorhebt. (Bearbeiter)
4. Allenfalls dann, wenn der Benutzer des Schlüssels zu dessen Verwendung befugt ist, könnte für ihn die Eigenschaft des Behältnisses als besondere Diebstahlssicherung entfallen. (Bearbeiter)
1. § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB erfasst keine Fälle, in denen die Drohungswirkung eingesetzter Gegenstände nicht auf deren objektivem Erscheinungsbild, sondern ausschließlich auf täuschenden Erklärungen des Täters beruht. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Fall, wenn die objektive Ungefährlichkeit eines vorgeblich gefährlichen Gegenstands schon nach dessen äußeren Erscheinungsbild offenkundig auf der Hand liegt; hierbei kommt es nicht darauf an, ob im konkreten Einzelfall das Tatopfer eine solche Beobachtung tatsächlich machen konnte oder ob der Täter dies durch sein täuschendes Vorgehen gerade vereitelt (vgl. BGHSt 38, 116; BGH NStZ 1997, 184; 1998, 38; 2007, 332, 333 f.).
2. Diese Ausnahme von § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB liegt nicht vor, wenn der Täter eine handelsübliche Sporttasche auf die Verkaufstheke einer Tankstelle stellt, demonstrativ ein Mobiltelefon in die Hand nimmt und ankündigt, er werde die in der Tasche befindliche Bombe zünden, wenn ihm nicht das Geld aus der Kasse ausgehändigt werde.
1. Regelmäßig erfordert Heimtücke nicht, dass sich im bewussten Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit noch eine besondere Tücke und Verschlagenheit, ein verwerflicher Vertrauensbruch, zeigt (vgl. schon BGHSt <GS> 11, 13a, 144 f.; BGHSt <GS> 30, 105, 115 f.). Von besonderen Fallgestaltungen abgesehen, bei denen die Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit nicht notwendig zur Annahme von Heimtücke führt (vgl. z.B. BGHSt 30, 105, 119), kann daher schon allein die Ausnutzung eines Überraschungseffekts die Annahme von Heimtücke tragen (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 10).
2. § 213 StGB ist bei Mord nicht anwendbar (BGHSt 30, 105, 118, 120).
3. Grundsätzlich kann auch ein Versuch, mit dem Opfer zu einem Ausgleich zu gelangen, Rückschlüsse auf die innere Haltung des Täters zulassen und sich strafmildernd auswirken, auch wenn er an fehlender Einigung über die Durchführungsmodalitäten gescheitert ist. Die Auffassung, bei der konkreten Gewichtung dieses Versuchs sei es aus Rechtsgründen bedeutungslos, ob der Angeklagte zugleich sein Fehlverhalten uneingeschränkt einräumt oder ob er dem Geschädigten zu Unrecht die Schuld, zumindest ein erhebliches Mitverschulden, an dem Geschehen zuschiebt, trifft nicht zu. Der Angeklagte muss gemäß § 46 StGB wie bei § 46a StGB die Rolle des Geschädigten (insbesondere eines Sexual- oder Gewaltdelikts) als Opfer respektieren.
1. Wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen macht sich nur strafbar, wer diese Kennzeichen öffentlich verwendet. Ein öffentliches Verwenden liegt nur vor, wenn eine nicht überschaubare Anzahl von Personen den Symbolgehalt des Kennzeichens zur Kenntnis nehmen kann.
2. Die Maßregel der Einziehung erledigt sich mit Rechtskraft der Entscheidung, da das Eigentum an den eingezogenen Sachen mit diesem Zeitpunkt auf den Staat übergeht (§ 74e Abs. 1 StGB). Werden die in der Entscheidung ausgesprochenen Rechtsfolgen später im Rahmen der nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe ein eine weitere Entscheidung einbezogen, so ist die Einziehungsanordnung bereits gegenstandslos und daher nicht aufrechtzuerhalten.
1. Von § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB werden nur solche Fälle erfasst, in denen zwar weder Gewalt ausgeübt noch mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben des Opfers gedroht wird, dieses aber aus Furcht vor möglichen Einwirkungen des Täters auf einen ihm grundsätzlich möglichen Widerstand verzichtet, weil es sich in einer hilflosen Lage befindet und ihm Widerstand gegen den überlegenen Täter aussichtslos erscheint. Erforderlich ist dabei stets, dass sich das Opfer aus Angst vor körperlicher Beeinträchtigung, also vor Körperverletzungs- oder gar Tötungshandlungen, nicht gegen den Täter zur Wehr setzt.
2. Für § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB genügt es nicht, dass das Opfer eine Gegenwehr allein aus Furcht vor der Zufügung anderer Übel unterlässt.
1. Der Umfang des Vermögensschadens beim Betrug ist durch einen umfassenden Vergleich der Vermögenslage des Geschädigten vor und nach der Verfügung festzustellen. Daher liegt im Falle eines Kreditbetruges auch dann, wenn der Darlehensrückzahlungsanspruch infolge der Leistungsunfähigkeit des Darlehensnehmers wertlos ist, ein Vermögensschaden nicht vor, soweit dem Kreditgeber werthaltige Sicherheiten gegeben worden sind, die sein Ausfallrisiko abdecken und die er ohne finanziellen und zeitlichen Aufwand sofort nach Fälligkeit realisieren kann.
2. Als werthaltige und realisierbare Sicherheit kommt unter anderem eine Bürgschaft in Betracht. Steht dem Getäuschten eine Bürgschaft zur Sicherung eines ausgereichten Darlehens zu, so lässt sich daher ohne Darlegung der näheren Umstände dieser Bürgschaft nicht beurteilen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Vermögensschaden eingetreten ist.
Die Qualifikation des § 225 Abs. 3 Nr. 2 StGB verdrängt § 171 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz (vgl. BGH, StraFo 2010, 123).