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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2010
11. Jahrgang
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1. Eine starke Erhöhung der Einsatzstrafe legt einen Rechtsfehler bei der Gesamtstrafenbildung gemäß § 54 StGB nicht ohne weiteres nahe. (BGHR)
2. Die Bemessung der Gesamtstrafe ist im Wege einer Gesamtschau des Unrechtsgehalts und des Schuldumfangs vorzunehmen. Erforderlich ist bei der Gesamtstrafenbildung nach § 54 Abs. 1 StGB ein eigenständiger Zumessungsakt. Der Summe der Einzelstrafen kommt nur ein geringes Gewicht zu, maßgeblich ist die angemessene Erhöhung der Einsatzstrafe unter zusammenfassender Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Straftaten (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB). Die Erhöhung der Einsatzstrafe kann geringer ausfallen, wenn zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht. Die wiederholte Begehung gleichartiger Taten kann der Ausdruck einer niedriger werdenden Hemmschwelle sein. (Bearbeiter)
3. Andererseits kann hierin je nach den Umständen des Einzelfalles ein Indiz für eine besondere kriminelle Energie (§ 46 Abs. 2 StGB) gesehen werden. Aus hartnäckiger Tatwiederholung in schneller Folge können sich durchaus gesamtstrafenschärfende Umstände ergeben. Gerade bei Sexualdelikten wird die Milderungsmöglichkeit der sinkenden Hemmschwelle durch den ständigen Druck ausgeglichen, dem das Opfer dadurch ausgesetzt ist, dass es jederzeit mit einer neuen Tat rechnen muss. (Bearbeiter)
4. An die Begründung der Gesamtstrafenhöhe sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr sich die Strafe der oberen oder unteren Grenze des Zulässigen nähert. Eine starke Erhöhung der Einsatzstrafe bedarf dann besonderer Begründung, wenn sich diese nicht aus den fehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt. Ein Rechtsfehler kann nicht allein darin gesehen werden, dass die Einsatzstrafe mehr als verdreifacht wurde. (Bearbeiter)
5. Rechtsfehler können insbesondere dann vorliegen, wenn die Gesamtstrafe sich nicht innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens befindet oder die gebotene Begründung für die Gesamtstrafe fehlt, oder wenn die Besorgnis besteht, der Tatrichter habe sich von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen. Eine ungewöhnlich hohe Divergenz zwischen Einsatzstrafe und Gesamtstrafe kann (jedenfalls beim Fehlen einer tragfähigen Begründung) die Besorgnis begründen, dass das Gericht sich in zu starkem Maße von der Summe der Einzelstrafen hat leiten lassen. (Bearbeiter)
1. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung setzt sowohl nach § 66 Abs. 2 als auch nach Abs. 3 Satz 2 StGB voraus, dass der Täter drei bzw. zwei rechtlich selbständige Taten begangen haben muss.
2. Demgemäß rechtfertigen mehrere Einzeltaten, die zueinander im Verhältnis der Tateinheit stehen, nicht die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 2 StGB.
Zwar kann grundsätzlich die Revision nicht auf einen Vergleich der Strafzumessung verschiedener Tatbeteiligter gestützt werden. Das gilt aber nicht, wenn offenkundige Widersprüche vorliegen oder es an einer Begründung für eine abweichende Zumessung ganz fehlt und eine solche auch nicht aus den sonstigen Urteilsfeststellungen erschlossen werden kann.
1. Der Maßstab der Prüfung, ob von einer erfolgreichen und deshalb strafmildernd wirkenden Aufklärungshilfe auszugehen ist, ist bei § 46b StGB in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 31 Nr. 1 BtMG zu bestimmen.
2. Danach ist von einer erfolgreichen Aufklärungshilfe nicht bereits dann auszugehen, wenn der Angeklagte eine Person benannt hat, die nach seiner nicht bewiesenen Darstellung als Mittäter in Frage kommt. Voraussetzung ist vielmehr die Überzeugung des Tatrichters, dass die Darstellung des Angeklagten über die Beteiligung des anderen an der Tat zutrifft.
3. Kann der Tatrichter diese Überzeugung nicht gewinnen, sondern verbleiben ersichtlich Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben des Angeklagten, so gilt insoweit der Grundsatz in dubio pro reo nicht. Der Tatrichter ist auch nicht gehalten abzuwarten, bis entsprechende Ermittlungen zur Überprüfung der Angaben des Angeklagten abgeschlossen sind.
Die Anwendung des § 21 StGB scheidet nach ständiger Rechtsprechung aus, wenn der Täter bei möglicherweise nur erheblicher Verminderung der Einsichtsfähigkeit das Unerlaubte erkennt, die Einsicht also tatsächlich hat. An eine bloße Verminderung der Einsichtsfähigkeit, die nicht zum Fehlen der Einsicht geführt hat, kann eine Maßregel nach § 63 StGB nicht geknüpft werden (BGHSt 34, 22, 26 f.; NStZ 2006, 682, 683; NStZ-RR 2007, 73).
1. Die tatrichterliche Feststellung, dass der Wert des aus seinen Straftaten Erlangten im Vermögen eines Angeklagten nicht mehr vorhanden sei, setzt konkrete tatrichterliche Feststellungen dazu voraus, in welchem Umfang und zu welchem Zweck das Erlangte ausgegeben wurde.
2. Erlangt im Sinne der § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB ist ein Vermögensvorteil nur dann, wenn der Tatbeteiligte die faktische Verfügungsgewalt über den Gegenstand erworben hat. Mit der Feststellung allein, mit Straftaten sei ein Umsatz in bestimmter Höhe erzielt worden, wird dies nicht belegt.
3. Eine Zurechnung erlangter Vermögenswerte nach den Grundsätzen der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) mit der Folge einer gesamtschuldnerischen Haftung kommt für jeden Mittäter nur dann in Betracht, wenn sich die Beteiligten darüber einig waren, dass gerade diesem Mittäter zumindest Mitverfügungsgewalt über die jeweiligen Erlöse zustehen sollte und er diese auch tatsächlich innehatte.
Der Anwendung des § 111i Abs. 2 StPO auf bereits zuvor beendete Taten steht § 2 Abs. 5 i. V. m. Abs. 3 StGB entgegen, wonach insoweit das mildere alte Recht gilt (BGH NJW 2008, 1093 f.).
Die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten hat regelmäßig nur dann Bestand, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar bzw. „unerlässlich“ (§ 47 Abs. 1 StGB) erweist (BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 6). Sie darf nicht verhängt werden, wenn sie einem Gericht lediglich „geboten“ erscheint.
Die Bildung der Gesamtstrafe ist ein eigenständiger und zu begründender Strafzumessungsakt, der gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB durch die Erhöhung der höchsten Einzelstrafe (sog. Einsatzstrafe) erfolgt und sich nicht an der Summe der Einzelstrafen oder an rechnerischen Grundsätzen zu orientieren hat, sondern an gesamtstrafenspezifischen Kriterien (vgl. BGH NStZ 2003, 295). Einer eingehenden Begründung bedarf es, wenn die Gesamtstrafe sich auffallend von der Einsatzstrafe entfernt (st. Rspr., vgl. u. a. BGHR, StGB, § 54 Abs. 1 Bemessung 8).