HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 868
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 385/10, Beschluss v. 05.08.2010, HRRS 2010 Nr. 868
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 26. März 2010 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Bezeichnung des Diebstahls als "gemeinschaftlich" begangen entfällt.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Nidda vom 24. März 2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, sechs Monaten und einer Woche verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf nur die Anwendung von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren der Angeklagte und die gesondert abgeurteilte N. dazu entschlossen, Geld aus der Postfiliale in N. zu entwenden. N. war dort als Angestellte am Schalter eingesetzt. Dort nahm sie am 22. Juli 2008 entsprechend dem gemeinsamen Tatplan zuerst heimlich 11.000 € Bargeld an sich. Dann bat sie ihren Kollegen R. darum, sie beim Bedienen eines Kunden am Schalter zu vertreten. Diese Ablenkung nutzte sie dazu aus, um unbeobachtet den in der offenen Kasse am Schalter ihres Kollegen R. liegenden Schlüssel zum Haupttresor an sich zu nehmen, den sie grundsätzlich nicht benutzen durfte. Sie öffnete damit den Tresor und entnahm daraus weitere 113.000 € Bargeld. Mit ihrer gesamten Beute verließ sie die Postfiliale und floh zusammen mit dem Angeklagten in dessen Fahrzeug.
2. Diese Handlung hat das Landgericht zu Recht als Diebstahl im besonders schweren Fall im Sinne der §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 25 Abs. 2 StGB bewertet. Das Regelbeispiel des Diebstahls aus einem verschlossenen Behältnis ist erfüllt.
Dies entspricht dem Wortlaut und dem Zweck des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB. Dient das Behältnis nach seiner erkennbaren Zweckbestimmung wenigstens unter anderem auch zur Sicherung der darin aufbewahrten Sache gegen Diebstahl, wie es bei einem Tresor idealtypisch der Fall ist, dann ist das verschlossene Behältnis ein Spezialfall einer Schutzvorrichtung im Sinne der Vorschrift. Das Regelbeispiel setzt voraus, dass das Behältnis verschlossen ist.
Weitere Sicherungen, etwa durch Wegschließen des Schlüssels, sind danach zu seiner Erfüllung nicht mehr erforderlich. Der Täter muss - sofern er nicht sogar die Sache mitsamt dem Behältnis stiehlt - die Sicherung überwinden, wobei es aber nicht darauf ankommt, wie er das bewirkt (vgl. BT-Drucks. IV/650 S. 403; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 243 Rn. 17). § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB betont nämlich die besondere Sicherung des Diebstahlsobjekts, während § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB besondere Arten der Tatausführung bei einer allgemeinen Sicherung des Gegenstands hervorhebt; auf eine besondere Gestaltung der Tathandlung über das Überwinden der Sicherung hinaus kommt es dagegen bei § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB nicht an (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1988, 3028). Daher scheidet die Anwendung des Regelbeispiels für einen besonders schweren Fall des Diebstahls wegen der Wegnahme einer Sache aus einem verschlossenen Behältnis auch dann nicht aus, wenn der Verschluss mit dem dafür vorgesehenen Schlüssel geöffnet wird. Allenfalls dann, wenn der Benutzer des Schlüssels zu dessen Verwendung befugt ist, könnte für ihn die Eigenschaft des Behältnisses als besondere Diebstahlssicherung entfallen (vgl. OLG Hamm, JR 1982, 119 mit abl. Anm. Schmid; Schmitz in MünchKomm, StGB, 2003, § 243 Rn. 35). Jedenfalls wenn ein Unbefugter den Schlüssel an sich nimmt und er damit das Behältnis öffnet, überwindet er die Diebstahlssicherung, die sich aus dem Verschlusszustand des Behältnisses ergibt (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2010, 48; Fischer, StGB, § 243 Rn. 17; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 243 Rn. 32).
Die Erfüllung des Regelbeispiels führt grundsätzlich zur Anwendung des Ausnahmestrafrahmens. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass auch nach den Umständen des konkreten Falles kein Grund dafür besteht, die Regelwirkung hier entfallen zu lassen.
HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 868
Externe Fundstellen: NJW 2010, 3175; NStZ 2011, 36; StV 2011, 18
Bearbeiter: Karsten Gaede