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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2009
10. Jahrgang
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1. Zur Frage der Zulässigkeit einer heimlichen Überwachung von Ehegattengesprächen in einem eigens dafür zugewiesenen separaten Besuchsraum in der Untersuchungshaft ohne die übliche erkennbare Überwachung. (BGHSt)
2. Die Anwendung einer kriminalistischen List ist auch bei Ermittlungsmaßnahmen in der Haftanstalt nicht von vornherein unzulässig. Es darf aber nicht bewusst eine von den üblichen Abläufen in der Untersuchungshaft erheblich abweichende, überwachte Besuchssituation geschaffen werden, in der ein Beschuldigter, der keine anderen Möglichkeiten zu vertraulichen Gesprächen besitzt, geradezu annehmen muss, dass er mit seiner Ehefrau ein unüberwachtes Gespräch führen kann. (Bearbeiter)
3. Eine Verletzung des Art. 6 EMRK kann auch daraus herzuleiten sein, dass zugleich mehrere unverzichtbare rechtsstaatliche Grundsätze tangiert werden, auch wenn die einzelnen Grundsätze – jeweils für sich isoliert betrachtet – noch nicht in einem Ausmaß verletzt sind, dass allein schon aus dem jeweils einzelnen Grundsatz ein Verwertungsverbot abzuleiten wäre. Es ist auch eine Bewertung und Betrachtung des Verfahrens als Ganzes erforderlich. (Bearbeiter)
4. Ob die Kernbereichsregelungen des § 100c oder des § 100a StPO entsprechend auf die Überwachung der Kommunikation in einem Besuchsraum in der Untersuchungshaft anzuwenden sind, bleibt offen. Zur Ablehnung einer für die entsprechende Anwendung ausschlaggebenden Verletzung des Kernbereichs im Einzelfall (Bearbeiter)
5. Der Besuchsraum der Haftanstalt ist keine Wohnung im Sinne des Art. 13 GG. Bereits Hafträume einer Justizvollzugsanstalt werden vom Schutzbereich des Art. 13 GG nicht umfasst, da das Hausrecht der Anstalt die Befugnis der Vollzugsbediensteten beinhaltet, die Hafträume jederzeit unabhängig vom Einverständnis der dort untergebrachten Gefangenen zu betreten (BVerfG NStZ 1996, 511). (Bearbeiter)
1. Eine Protokollberichtigung mit der Folge einer „Rügeverkümmerung“ ist nicht möglich, wenn in der Hauptverhandlung Feststellungen über die Kenntnisnahme vom Wortlaut der Urkunden im Selbstleseverfahren unterblieben sind. (BGHSt)
2. Die Mitschriften, die ein nunmehr als Zeuge vernommener Richter in einer früheren Hauptverhandlung als erkennender Richter angefertigt hat, sind einer Beweisaufnahme nicht zugänglich. (BGHSt)
3. Die Grundsätze, welche der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in den Urteilen vom 28. Oktober 2004 (3 StR 301/03 = BGHSt 49, 275) und vom 28. August 2007 (3 StR 212/07 = NJW 2007, 3446) für eine einschränkende Auslegung der §§ 331, 333 StGB bei Einwerbung von Wahlkampfspenden für einen Amtsträger aufgestellt hat, sind nur anwendbar, wenn es sich um eine grundsätzlich zulässige Spende mit dem Ziel allgemeiner politischer „Klimapflege“ handelte und nicht um eine unzulässige Einflussspende mit dem Ziel, ein bestimmtes, dem Spender wirtschaftlich vorteiliges dienstliches Verhalten des Amtsträgers als Gegenleistung zu erlangen (§ 332 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 StGB; vgl. BGHSt 49, 275, 286 f.). (Bearbeiter)
1. Keine Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs in Vorlegungsverfahren zur Frage des Rechtswegs für die Anfechtung nach Landesrecht zu treffender Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit. (BGHSt)
2. Die Anwendung der §§ 459e, 459h StPO auf die Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde zur Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit ist davon abhängig, wie die in diesem Zusammenhang zu treffenden Entscheidungen im Einzelnen ausgestaltet sind. Hierfür ist das jeweilige (unterschiedliche) Landesrecht maßgeblich (vgl. Art. 293 EGStGB), so dass sich die Bestimmung des zulässigen Rechtswegs einer bundeseinheitlichen Festlegung entzieht. (Bearbeiter)
3. Gesetzgebungsgeschichte und -systematik wie auch Gründe der Praktikabilität sprechen im Ergebnis für eine Anwendbarkeit des § 459h StPO jedenfalls in erweiternder Auslegung (nicht tragend). (Bearbeiter)
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden, dass die fortdauernde Abwesenheit des nach § 247 StPO wäh-
rend einer Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen nicht den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO begründet.
2. Der Senat möchte dem Begriff der „Vernehmung“ im Sinne des § 247 StPO bei entsprechenden Rügen nach § 338 Nr. 5 StPO den Inhalt geben, den er bei Rügen nach § 338 Nr. 6 StPO hat, mit denen ein zu weit gehender Ausschluss der Öffentlichkeit beanstandet wird, wenn dieser gemäß § 171a bis § 172 GVG für die Dauer einer Vernehmung erfolgt ist. Dort wird „die Vernehmung“ im Sinne des entsprechenden Verfahrensabschnitts verstanden. Hierzu rechnen alle Verfahrensvorgänge, die mit der eigentlichen Vernehmung eng in Zusammenhang stehen oder sich aus ihr entwickeln.
3. Mit Rücksicht auf eine effektive Wahrung des Fragerechts des Angeklagten (§ 240 Abs. 2 StPO) ist es – unabhängig vom Gegenstand des Anfrageverfahrens – nicht sachgerecht, wenn der Vorsitzende den Angeklagten erst nach Entlassung des in seiner Abwesenheit vernommenen Zeugen über den Inhalt seiner Aussage unterrichtet. Gleichwohl erscheint es nicht gerechtfertigt, eine durch solches Vorgehen möglicherweise verursachte Beeinträchtigung des Fragerechts des Angeklagten durch Eingreifen des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 5 StPO zu schützen.
4. Eine ohne Rücksicht auf das Fragerecht des Angeklagten erfolgte vorzeitige Entlassung des Zeugen hindert das Gericht, den Angeklagten zum Zwecke der Befragung des Zeugen auf den Weg des Beweis- oder Beweisermittlungsantrags zu verweisen.
1. Die beabsichtigte Entscheidung des anfragenden 5. Strafsenats (5 StR 530/08 vom 10. März 2009) widerspricht der Rechtsprechung des 2. Strafsenats, der an dieser festhält.
2. Die fortdauernde Abwesenheit des nach § 247 StPO während einer Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen begründet den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO.
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Erfolgt nach Entfernung des Angeklagten während einer Zeugenvernehmung gemäß § 247 StPO in seiner andauernden Abwesenheit eine förmliche Augenscheinseinnahme, die mit der Vernehmung in engem Sachzusammenhang steht, so ist dem Angeklagten bei seiner Unterrichtung nach § 247 Satz 4 StPO das in seiner Abwesenheit in Augenschein genommene Objekt vorzuzeigen. Dies ist im Zusammenhang mit der Unterrichtung zu protokollieren. Bei einer so gestalteten Unterrichtung ist der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO nicht erfüllt.
2. Der Senat möchte dem Begriff der Vernehmung im Sinne des § 247 StPO bei entsprechenden Rügen nach § 338 Nr. 5 StPO den Inhalt geben, den er bei Rügen nach § 338 Nr. 6 StPO hat, mit denen ein zu weit gehender Ausschluss der Öffentlichkeit beanstandet wird, wenn dieser gemäß § 171a bis § 172 GVG für die Dauer einer Vernehmung erfolgt ist. Dort wird „die Vernehmung“ im Sinne des entsprechenden Verfahrensabschnitts verstanden. Hierzu rechnen alle Verfahrensvorgänge, die mit der eigentlichen Vernehmung eng in Zusammenhang stehen oder sich aus ihr entwickeln.
3. Zur Vermeidung eines unakzeptablen Informationsdefizits des Angeklagten bei Augenscheinseinnahmen während seiner Abwesenheit bedarf es nicht des weitgehenden Schutzes des Angeklagten über den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO. Seine umfassenden Informationsrechte sind vielmehr durch eine anderweitige vollständige Information über den in seiner fortdauernden Abwesenheit erhobenen Sachbeweis zu wahren. Hierfür stellt ein Vorzeigen des in seiner Abwesenheit besichtigten Augenscheinsobjekts (oder ein nochmaliges Vorlesen – bei Einvernehmen auch Lesenlassen – einer in seiner Abwesenheit verlesenen Urkunde) sofort nach seiner Wiederzulassung zur Hauptverhandlung einen vollwertigen Ersatz dar.
4. Unterbleibt die gebotene Unterrichtung, so kann der Angeklagte das mit der Revision – nicht anders als bei einer Verletzung des § 247 Satz 4 StPO – als relativen Revisionsgrund rügen.
Wird anlässlich der Vernehmung eines Zeugen unter Ausschluss des Angeklagten aus der Hauptverhandlung eine Augenscheinseinnahme durchgeführt, so muss sie nach Rückkehr des Angeklagten in die Hauptverhandlung in seiner Anwesenheit wiederholt werden. Dies erfordert nicht eine „vollständige“ Wiederholung des Verfahrensvorganges.
1. Für die Zulässigkeit einer auf die Versagung von Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung gestützten Verfahrensrüge (§§ 338 Nr. 8, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) ist nicht zu fordern, dass zur Illustration der mangelnden Vorbereitung(-smöglichkeit) des Pflichtverteidigers der Akteninhalt näher dargelegt wird. Dies zu fordern liefe auf eine Überspannung der Zulässigkeitsanforderungen hinaus, denn ob ein Verteidiger für die Erfüllung seiner Aufgabe hinreichend vorbereitet ist, hat er in erster Linie selbst zu beurteilen. Es ist grundsätzlich nicht Sache des Gerichts, dies nachzuprüfen; als unabhängiges Organ der Rechtspflege hat der Rechtsanwalt die Verteidigung selbstständig zu führen.
2. Der Tatrichter hat es bei der Entscheidung über die Aussetzung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung (§§ 228, 265 Abs. 4 StPO) in tatsächlicher Hinsicht hinzunehmen, wenn sich der Verteidiger aus von ihm dargelegten tatsächlichen Gründen nachvollziehbar darauf beruft, ihm sei bis zum Beginn der Hauptverhandlung eine sachgerechte Vorbereitung der Verteidigung noch nicht möglich. Das Gericht ist grundsätzlich nicht dazu berufen, aus seiner Sicht anstelle des Verteidigers entsprechend seiner Auffassung von den Schwierigkeiten der Verteidigungsaufgabe eine angemessene Vorbereitungszeit festzusetzen.
3. Selbst wenn der Verteidiger eine ausreichende Vorbereitungszeit mutwillig nicht genutzt hat, so fehlt es an seiner Fähigkeit, die Verteidigung zu führen. Auch dies steht einer Fortführung der Verhandlung entgegen und ermöglicht allenfalls ein Vorgehen gemäß § 145 Abs. 1 und 4 StPO.
4. Zwar steht die Terminierung grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden. Dabei geht es jedoch nicht allein darum, Terminswünsche des Wahlverteidigers zu bedenken, sondern um das Recht des Angeklagten, sich von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Es muss daher seitens des Gerichts bei der Planung der Hauptverhandlung wenigstens ernsthaft versucht werden, diesem Recht Geltung zu verschaffen. Dies verbietet es in der Regel, Terminsnöte zumal kompromissbereiter Wahlverteidiger ohne weiteres zu übergehen.
1. Zur Leitungs- und Kontrollbefugnis der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren insbesondere bei Tötungsdelikten. (BGHR)
2. Es ist nicht erst Sache der Hauptverhandlung und des Revisionsverfahrens, der immer größer werdenden praktischen Bedeutung der Beweisverwertungsverbote gerecht zu werden. Diese Aufgabe beginnt vielmehr bereits bei Einleitung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens. Die Staatsanwaltschaft leitet das Ermittlungsverfahren und trägt die Gesamtverantwortung für eine rechtsstaatliche, faire und ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens, auch soweit es durch die Polizei geführt wird. Aufgrund dieser umfassenden Verantwortung steht der Staatsanwaltschaft gegenüber ihren Ermittlungspersonen ein uneingeschränktes Weisungsrecht in Bezug auf ihre auf die Sachverhaltserforschung gerichtete strafverfolgende Tätigkeit zu, vgl. § 161 Abs. 1 Satz 2 StPO, § 152 Abs. 1 GVG. (Bearbeiter)
3. Bereits mit Blick auf mögliche Beweisverwertungsverbote wegen fehlender oder nicht rechtzeitiger Belehrung als Beschuldigter nach § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 StPO (vgl. dazu BGHSt 51, 367 ff.) oder mangels „qualifizierter“ Belehrung nach zunächst zu Unrecht erfolgter Vernehmung als Zeuge (vgl. dazu BGH NStZ 2009, 281 f.) erfordert die der Staatsanwaltschaft zugewiesene Verantwortlichkeit, dass sie die ihr zustehenden Leitungs- und Kontrollbefugnisse auch effektiv ausübt. Dazu genügt es nicht, wenn sie lediglich Richtung und Umfang der von der Polizei vorzunehmenden Ermittlungen ganz allgemein vorgibt. (Bearbeiter)
4. Jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, bei denen es um die Aufklärung und Verfolgung von Tötungsdelikten geht, hat daher die Staatsanwaltschaft, der derartige Fälle sofort anzuzeigen sind, insbesondere den Status des zu Vernehmenden als Zeuge oder Beschuldigter klarzustellen und durch allgemeine Weisungen im Voraus oder durch konkrete Einzelweisungen eine ordnungsgemäße, rechtzeitige Beschuldigtenbelehrung gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 StPO sicherzustellen. Wird ein Tatverdächtiger dennoch zu Unrecht als Zeuge vernommen, so hat sie wegen des Belehrungsverstoßes darauf hin zu wirken, dass dieser bei Beginn der nachfolgenden Vernehmung als Beschuldigter auf die Nichtverwertbarkeit der früheren Angaben hingewiesen wird („qualifizierte Belehrung“ - vgl. dazu BGH NStZ 2009, 281 f.). (Bearbeiter)
1. Gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG beschließt die große Strafkammer bei der Eröffnung des Hauptverfahrens, dass sie in der Hauptverhandlung mit nur zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden besetzt ist, es sei denn, nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache erscheint die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters erforderlich. Hierbei steht ihr kein Ermessen zu; sie hat die Dreierbesetzung zu beschließen, wenn dies nach Umfang oder Schwierigkeit der Sache notwendig erscheint.
2. Zwar ist der großen Strafkammer bei der Auslegung der gesetzlichen Merkmale des § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet. Bei dessen Ausfüllung sind allerdings die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Maßgebend für die Bewertung des Umfangs der Sache sind etwa die Zahl der Angeklagten, Verteidiger und erforderlichen Dolmetscher, die Zahl der dem oder den Angeklagten vorgeworfenen Straftaten, die Anzahl der Zeugen und anderen Beweismittel, die Notwendigkeit von Sachverständigengutachten, der Umfang der Akten sowie die voraussichtliche Dauer der Hauptverhandlung.
3. In Zweifelsfällen verdient die Dreierbesetzung den Vorzug.
4. Nicht jeder Verstoß gegen § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG begründet eine durchgreifende Besetzungsrüge nach
§ 338 Nr. 1 StPO. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn die Strafkammer ihre Entscheidung auf sachfremde Erwägungen gestützt oder den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten hat, so dass die Besetzungsreduktion objektiv willkürlich erscheint.
5. Geht die große Strafkammer zum Zeitpunkt der Entscheidung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG davon aus, das Verfahren durch eine Absprache einverständlich und damit kurzfristig erledigen zu können, so kann dies eine Besetzungsreduktion allenfalls dann rechtfertigen, wenn die Kammer nach dem bisherigen Verfahrensgang konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür hat, dass sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung geständig zeigen werde und daher eine deutliche Beschränkung der ansonsten anstehenden Beweisaufnahme zu erwarten sei.
6. Das Akteneinsichtsrecht nach § 147 Abs. 1 StPO bezieht sich auf die dem Gericht vorliegenden oder ihm im Falle der Anklage gemäß § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO vorzulegenden Akten. Das sind die nach objektiven Kriterien (vgl. § 160 Abs. 2 StPO) als entscheidungserheblich dem Gericht zu präsentierenden Unterlagen. Dazu gehören zwar nur diejenigen, die durch die Identität der Tat und des Täters konkretisiert werden („formeller Aktenbegriff“). Jedoch muss jedenfalls das gesamte vom ersten Zugriff der Polizei (§ 163 StPO) an gesammelte Beweismaterial einschließlich etwaiger Bild- und Tonaufnahmen nebst hiervon gefertigter Verschriftungen zugänglich gemacht werden, das gerade in dem gegen den Angeklagten gerichteten Ermittlungsverfahren angefallen ist.
7. Werden von abgehörten fremdsprachlichen Telefonaten Kurzübersetzungen ins Deutsche und inhaltliche Zusammenfassungen in deutscher Sprache erstellt und gespeichert, so stellen diese Auswertungen gewonnenen Beweismaterials dar und sind als solche selbst potentielle Beweismittel.
8. Eine Ausnahme vom Akteneinsichtsrecht gilt nur für Unterlagen oder Daten, denen eine allein innerdienstliche Bedeutung zukommt. Dies können etwa polizeiliche Arbeitsvermerke im Fortgang der Ermittlungen unter Bewertung der bisherigen Ermittlungsergebnisse oder sonstige rein interne polizeilichen Hilfs- oder Arbeitsmittel nebst entsprechender Dateien sein. Im Bereich der Justizbehörden sind vom Akteneinsichtsrecht ausgenommen etwa entsprechende Bestandteile der staatsanwaltschaftlichen Handakten, Notizen von Mitgliedern des Gerichts während der Hauptverhandlung oder so genannte Senatshefte.
9. Die Revision kann grundsätzlich wirksam auf einen Angriff gegen die Entscheidung über die Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung beschränkt werden, da die Strafzumessungs- und die Kompensationsentscheidung nach der Vollstreckungslösung getrennt zu treffen sind. Im Einzelfall kann sich eine Untrennbarkeit jedoch im Tatsächlichen ergeben, wenn die Feststellungen zur Verfahrensdauer sowohl der Strafzumessung als auch der Entscheidung über die Kompensation zugrunde liegen.
10. Ein rein rechnerischer Maßstab ist zur Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung und ihres Ausmaßes nicht geeignet. Vielmehr beurteilt sich die Angemessenheit der Frist, innerhalb derer über eine strafrechtliche Anklage gegen einen - ggf. in Untersuchungshaft einsitzenden - Angeklagten verhandelt werden muss und ein Urteil zu ergehen hat (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs., Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK), nach den besonderen Umständen des Einzelfalles, die in einer umfassenden Gesamtwürdigung gegeneinander abgewogen werden müssen. Zu berücksichtigen sind dabei namentlich der durch die Verzögerungen der Justizorgane verursachte Zeitraum der Verfahrensverlängerung, die Gesamtdauer des Verfahrens, Umfang und Schwierigkeit des Verfahrensgegenstands, Art und Weise der Ermittlungen sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen besonderen Belastungen. Keine Berücksichtigung finden hingegen Verfahrensverzögerungen, die der Beschuldigte selbst, sei es auch durch zulässiges Prozessverhalten, verursacht hat. Nicht eingerechnet werden auch die Zeiträume, die bei zeitlich angemessener Verfahrensgestaltung beansprucht werden durften (vgl. BGH NStZ 2008, 478). Zu beachten ist ferner, dass eine Verzögerung während eines einzelnen Verfahrensabschnitts für sich allein keinen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründet, wenn das Strafverfahren insgesamt in angemessener Zeit abgeschlossen wurde (vgl. BGH StraFo 2008, 513 m. w. N.).
1. Durch die Benennung der Daten der Steuererklärungen, der Steuerarten und der Veranlagungszeiträume wird bezüglich § 370 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 4 S. 1 Hs. 1 AO eine Unterscheidung von anderen denkbaren strafbaren Verhaltensweisen gewährleistet. Weitere Sachverhaltsangaben sind ausschließlich für die Informationsfunktion der Anklage relevant. Insbesondere bedarf es keiner Berechnungsdarstellung der Steuerverkürzung im konkreten Anklagesatz (BayObLG wistra 1991, 195; 1992, 238; OLG Karlsruhe wistra 1994, 319; a.A. OLG Düsseldorf wistra 1982, 159; 1991, 32; NJW 1989, 2145).
2. Zur Tat als Prozessgegenstand gehört das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet. Im Steuerstrafrecht wird der Umfang und die Reichweite der prozessualen Tat neben der einschlägigen Blankettvorschrift maßgeblich durch die sie ausfüllenden Normen des Steuerrechts bestimmt (BGHSt 49, 359;
BGH wistra 2005, 145; 2008, 22). Zur Bezeichnung der angeklagten Tat ist es nicht erforderlich, in der Anklageschrift die Einkunftsarten anzugeben, bei denen der Verdacht der Hinterziehung von Einkommensteuer bestand.
3. Der Schuldgehalt einer Tat kann nicht teilweise verjähren kann. Auch eine Steuerhinterziehung kann nicht nur hinsichtlich der verkürzten Steuern einer bestimmten Einkunftsart verjähren.
4. Die strafbewehrte Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht bereits durch die – dem Täter nicht bekannte – Verfahrenseinleitung, sondern erst dann suspendiert, wenn dem Steuerpflichtigen die Einleitung des Steuerstrafverfahrens bekannt gegeben wird (BGH NStZ 2002, 437). Denn bis zu diesem Zeitpunkt befindet sich der Täter regelmäßig nicht in einer Zwangslage; er kann durch eine Selbstanzeige gemäß § 371 AO, die auch in einer wahrheitsgemäßen Steuererklärung liegen kann, Straffreiheit erlangen (vgl. auch BGH, Beschl. vom 17. März 2009 - 1 StR 479/08).
5. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann in der unzutreffenden Feststellung von Besteuerungsgrundlagen bereits ein Steuervorteil liegen (BGH NJW 2009, 381, 383).
1. Bei der Prüfung, ob insgesamt ein faires Verfahren vorlag, kommt es insbesondere darauf an, ob der Umstand, dass der Angeklagte keine Gelegenheit zur konfrontativen Befragung hatte, der Justiz zuzurechnen ist.
2. Zwar muss die Justiz auch aktive Schritte unternehmen, um einen Angeklagten in die Lage zu versetzen, einen Mitangeklagten durch seinen Verteidiger (§ 240 Abs. 2 Satz 2 StPO) befragen zu lassen. Es gibt aber keine Verpflichtung, Unmögliches zu leisten. Den Bemühungen um eine Sicherstellung des Konfrontationsrechts sind vielmehr von vornherein Grenzen gesetzt, wenn das Konfrontationsrecht scheitert, weil der Belastungszeuge i.S. des Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK von seinem Recht auf Selbstbelastungsfreiheit Gebrauch macht (vgl. BGHSt 52, 11, 17 m. N.). Das Tatgericht ist nicht gehalten, „unter Hinweis auf die besondere Bedeutung des Befragungsrechts der anderen Angeklagten über deren Verteidiger“ an den Mitangeklagten zu „appellieren“, deren Fragen zu beantworten, nachdem dieser durch seinen Verteidiger hatte erklären lassen, Fragen der anderen Verteidiger nicht beantworten zu wollen.
3. Eine Prüfung des Revisionsvorbringens unter dem rechtlichen Gesichtspunkt, ob dem Beschwerdeführer im Ablehnungsverfahren der gesetzliche Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) durch eine willkürliche Anwendung der Zuständigkeitsregelungen der §§ 26a, 27 StPO entzogen worden ist (vgl. BVerfG NJW 2005, 3410; NJW 2006, 3129; BGH NStZ 2006, 50; Senatsbeschluss vom 10. April 2008 – 4 StR 443/07), kann dem Revisionsgericht verwehrt sein. Kommen mehrere Verfahrensmängel in Betracht, muss vom Beschwerdeführer die Angriffsrichtung der Rüge deutlich gemacht und dargetan werden, welcher Verfahrensmangel geltend gemacht wird (vgl. BGH NStZ 1998, 636; 1999, 94). Dass mit der Verfahrensrüge (auch) eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Ablehnungsverfahren geltend gemacht werden soll, lässt sich dem Revisionsvorbringen jedoch nicht entnehmen. Eine so verstandene Rüge hätte zudem nur dann den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO genügt, wenn vorgetragen worden wäre, dass die Strafkammer über das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO) entschieden hat.
4. Unmutsäußerungen eines abgelehnten Richters dürfen nicht isoliert, sondern müssen in dem Zusammenhang, in dem sie gefallen sind, betrachtet werden (vgl. BGH NStZ 2000, 325). Sie sind nur Grund, die Befangenheit eines Richters zu besorgen, wenn sie auch aus der Sicht eines verständigen Angeklagten (vgl. BGHSt 21, 334, 341) geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen. Erst im Verfahren entstandene Spannungen zwischen Gericht und Verteidigern begründen in aller Regel nicht die Besorgnis der Befangenheit (vgl. BGH NStZ 2005, 218 m. N.). Diese kann sich allerdings aus Reaktionen des Richters ergeben, die in keinem vertretbaren Verhältnis zu dem sie auslösenden Anlass stehen (vgl. BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 8).
1. Die Entscheidung über die Vereidigung eines Zeugen ist keine wesentliche Förmlichkeit, die zu protokollieren wäre (Aufgabe von BGHR StPO § 59 Abs. 1 Entscheidung 1 und Rügevoraussetzungen 1).
2. Fehlen besondere Umstände, ist einer Entlassungsverfügung des Vorsitzenden konkludent zu entnehmen, er habe die Voraussetzungen, vom regelmäßigen Verfahrensgang des § 59 Abs. 1 StPO abzuweichen, nicht als gegeben angesehen (vgl. BGHSt 50, 282, 283). Die Zulässigkeit einer sich hiergegen richtenden Verfahrensrüge setzt voraus, dass diese Entscheidung in der Hauptverhandlung beanstandet und gemäß § 238 Abs. 2 StPO ein gerichtlicher Beschluss herbeigeführt worden ist (vgl. BGHR StPO § 59 Abs. 1 Rügevoraussetzungen 1).
1. Als völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ist ein Beweismittel nur dann einzustufen, wenn das Gericht ohne jede Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis sagen kann, dass sich mit diesem Beweismittel das im Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht wird erzielen lassen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 12 und 15). Die absolute Untauglichkeit muss sich aus dem Beweismittel im Zusammenhang mit der Beweisbehauptung selbst ergeben. Bei der Annahme, die Erhebung eines Beweises erscheine von vornherein gänzlich nutzlos, ist ein strenger Maßstab anzulegen.
2. Dies gilt vor allem für die Annahme, ein Zeuge sei deswegen ein völlig ungeeignetes Beweismittel, weil er sich wegen des Zeitablaufs voraussichtlich an die Beweistatsache nicht mehr erinnern könne (vgl. BGH NStZ 2004, 508). Insofern kommt es darauf an, ob Umstände vorliegen, die eindeutig dagegen sprechen, er könne im Falle einer Aussage vor Gericht etwas zur Sachaufklärung beitragen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 12 m.w.N.), oder ob der Vorgang, zu dem er aussagen soll, für ihn bedeutsam gewesen ist, sein Interesse geweckt hat und er sich auf Erinnerungshilfen stützen kann (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 23). Ergibt diese Prüfung einen lediglich geminderten, geringen oder zweifelhaften Beweiswert, so darf dieser nicht mit völliger Ungeeignetheit gleichgesetzt werden.
1. Kern und Ausgangspunkt der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) ist es, die Wahrheit in Bezug auf die zu beurteilende Tat zu erforschen und deren Unrechtsgehalt festzustellen. Diese Verpflichtung des Gerichts ist auch dann verletzt, wenn bei verständiger Würdigung der Sachlage durch das Tatgericht die Verwendung einer Aufklärungsmöglichkeit den Schuldvorwurf möglicherweise widerlegt, in Frage gestellt oder als begründet erwiesen hätte.
2. Die Begründung einer Aufklärungsrüge wegen unterlassener Vernehmung eines Zeugen muss nicht ausführen, warum es sich aufgedrängt habe, der Zeuge werde im Falle seiner Vernehmung in einem bestimmten Sinne aussagen.
1. Nicht tragend bemerkt der Senat, dass das erkennende Gericht auch dann nicht von der grundsätzlichen Pflicht entbunden ist, die Verwertbarkeit der durch eine Durchsuchung gewonnenen Beweise zu prüfen, wenn der Angeklagte die Rechtsschutzmöglichkeit entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genutzt hat. Ein Stufenverhältnis oder ein Vorrang dieses Rechtsbehelfs besteht nicht.
2. Nach ständiger Rechtsprechung bilden mehrere Akte des Betäubungsmittelumsatzes eine einheitliche Tat des Handeltreibens, wenn sie dieselbe Rauschgiftmenge betreffen. Dabei ist es unerheblich, ob eine einheitlich von einem Lieferanten zum Zwecke des sukzessiven Weiterverkaufs erworbene oder eine in einem Akt angebaute und zum Handeltreiben hergestellte Menge von Betäubungsmitteln in Rede steht.
In einem Fall, in dem das Tatgericht selbst die Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der wesentlichen Belastungszeugin für geboten erachtet und in dem die Aussagen dieser Zeugin offensichtlich voneinander abweichen, ist es erforderlich, die verschiedenen Angaben der Zeugin näher darzulegen, um dem Revisionsgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die Abweichungen erheblich sind und insbesondere, ob sie das Kerngeschehen betreffen. Das Tatgericht darf sich nicht darauf beschränken, mitzuteilen, dass die Aussagen im Kerngeschehen „weitgehend“ konstant waren und es nur bei Nebensächlichkeiten zu Inkonstanzen kam, ohne dies im Einzelnen nachvollziehbar darzulegen.
In einem solchen Falle, in dem Aussage gegen Aussage steht, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, welche die Entscheidung zugunsten oder zulasten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind, erkannt, in seine Überlegungen einbezogen und rechtsfehlerfrei gewürdigt hat (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 23; Beweiswürdigung, unzureichende 19; BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2002 - 4 StR 166/02).