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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2009
10. Jahrgang
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1. Nicht jeder formelle Fehler in einem nationalen Haftbefehl macht eine vollzogene Untersuchungshaft im Sinne des Art. 5 Abs. 1 EMRK rechtswidrig (Verneinung einer rechtswidrig bzw. willkürlich vollzogenen Untersuchungshaft gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c EMRK bei einem national als fehlerhaft aber wirksam betrachteten Haftbefehl mit neun zu acht Stimmen).
2. Zum Begriff der „willkürlichen Freiheitsentziehung“ gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c EMRK.
3. Das von Art. 5 Abs. 4 EMRK gewährte Haftprüfungsverfahren muss dem Recht auf Gehör entsprechen und die Waffengleichheit unter den Beteiligten wahren. Die Waffengleichheit ist nicht gewährleistet, wenn dem Verteidiger des Inhaftierten der Zugang zu den Dokumenten der Verfahrensakte verweigert wird, die für eine
effektive Verteidigung gegen die Inhaftierung erforderlich sind. Das Bedürfnis zu einer effektiven Strafverfolgung darf auch im Ermittlungsverfahren nicht um den Preis erheblicher Einschränkungen der Verteidigungsrechte verfolgt werden. Informationen, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Inhaftierung erforderlich, sind dem Verteidiger des Beschuldigten auf eine angemessene Art und Weise zugänglich zu machen.
4. Diesen Anforderungen genügt es auch in Steuerstrafverfahren nicht, wenn dem Verteidiger eine schriftliche Zusammenfassung der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit wesentlichen Informationen aus der Verfahrensakte vorgelegt wird, die von der Staatsanwaltschaft (BuStra/StraBu) verfasst worden ist und die zugrunde liegenden Beweismittel nicht angibt. Dies gilt selbst dann, wenn dem Beschuldigten - nicht aber zugleich dem Verteidiger - Teile der zugrunde liegenden Beweismittel bekannt sein dürften. Auch mündliche Zusammenfassungen zu den angenommenen Fakten und Beweismitteln seitens des Gerichts genügen den Anforderungen nicht.
5. Eine spätere Anerkennung durch ein Gericht, dass das Recht auf Akteneinsicht zunächst verletzt wurde, auf Grund derer die Akteneinsicht nachträglich gewährt wurde, heilt den Verstoß jedenfalls dann nicht, wenn sie selbst nicht zügig erfolgt: Der Schutz der Rechte des Art. 5 EMRK kann nur effektiv sein, wenn seinen Garantien zügig entsprochen wird.
6. Art. 5 Abs. 4 EMRK garantiert ein Recht auf eine zügige Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Inhaftierung und eine zügige Anordnung der Freilassung, wenn sich die Inhaftierung als rechtswidrig erweist. Die Frage, wann das Recht auf eine zügige Entscheidung respektiert worden ist, muss unter Einbeziehung der gesamten Umstände des einzelnen Falles beantworten werden und anhand eines Standards entschieden werden, der angesichts der Betroffenheit der persönlichen Freiheit strikt sein muss. Zum Einzelfall einer Verletzung, die wesentlich durch eine verzögerte Rückverweisung an das zuständige Gericht entstanden ist.
7. Beruft sich eine Regierung auf die Nichtausschöpfung nationaler Rechtsmittel hat sie den EGMR zu überzeugen, dass die betroffenen Rechtsmittel zur fraglichen Zeit theoretisch und praktisch zugänglich waren, realistische Erfolgsaussichten hatten und hinsichtlich der Beschwerden des Beschwerdeführers Abhilfe hätten schaffen können. Zum Ungenügen des Verfahrens nach § 147 Abs. 5 StPO hinsichtlich einer Beschwerde wegen der Rechtswidrigkeit einer Untersuchungshaft.
1. Die Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails auf dem Mailserver des Providers sind am Grundrecht auf Gewährleistung des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG zu messen. §§ 94 ff. StPO genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an eine gesetzliche Ermächtigung für solche Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis zu stellen sind. (BVerfG)
2. Das Fernmeldegeheimnis schützt die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mit Hilfe des Telekommunikationsverkehrs (vgl. BVerfGE 115, 166, 182; 120, 274, 306 f.). Die Reichweite des Grundrechts erstreckt sich ungeachtet der Übermittlungsart und Ausdrucksform auf sämtliche Übermittlungen von Informationen mit Hilfe verfügbarer Telekommunikationstechniken (vgl. BVerfGE 106, 28 36; 115, 166, 182 f.), auch auf Kommunikationsdienste des Internet (vgl. BVerfGE 120, 274, 307). (Bearbeiter)
3. Art. 10 Abs. 1 GG folgt nicht dem rein technischen Telekommunikationsbegriff des Telekommunikationsgesetzes, sondern knüpft an den Grundrechtsträger und dessen Schutzbedürftigkeit aufgrund der Einschaltung Dritter in den Kommunikationsvorgang an. (Bearbeiter)
4. In seinem Anwendungsbereich verdrängt Art. 10 Abs. 1 GG als spezielle Garantie die allgemeine Gewährleistung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 100, 313, 358; 115, 166, 188 f.) und das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (vgl. BVerfGE 120, 274, 302 ff.). (Bearbeiter)
5. Die Sicherstellung, Beschlagnahme oder Maßnahmen nach § 110 StPO unterfallen, auch wenn sie Resultat einer Wohnungsdurchsuchung sind, nicht mehr dem Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 113, 29, 45), sondern sind in der Regel bei körperlichen Gegenständen an Art. 14 GG (vgl. BVerfGK 1, 126, 133) und - sofern Daten betroffen sind - am Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 113, 29, 44 f.) zu messen. (Bearbeiter)
6. Ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis liegt nicht erst in der Kenntnisnahme staatlicher Stellen vom Inhalt des fernmeldetechnisch vermittelten Kommunikationsvorgangs und in seiner Aufzeichnung, sondern bereits in der Anordnung des Zugriffs (vgl. BVerfGE 100, 313, 366; 107, 299, 313). (Bearbeiter)
7. Aus der systematischen Stellung von § 94 StPO und den Vorschriften über die Postbeschlagnahme (§ 99
StPO), die Überwachung der Telekommunikation (§ 100a StPO) und die Erhebung und Auskunftserteilung über Verkehrsdaten (§ 100g StPO) ist nicht der Schluss auf ein gesetzgeberisches Regelungskonzept zu ziehen, wonach nur aufgrund von § 99, § 100a und § 100g StPO in Art. 10 GG eingegriffen werden könnte. (Bearbeiter)
8. Soweit für eine Beschlagnahme von E-Mail beim Provider § 99 StPO herangezogen wurde (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 31. März 2009 - 1 StR 76/09), wird dadurch die Anwendbarkeit der §§ 94 ff. StPO nicht in Frage gestellt. (Bearbeiter)
9. Die Schwere eines Eingriffs erhöht sich, wenn er heimlich erfolgt (vgl. BVerfGE 107, 299, 321; 120, 274, 325, 342). Ein längerfristiger Eingriff in einen laufenden Telekommunikationsvorgang wiegt schwerer als eine einmalige und punktuelle Datenerhebung, da Umfang und Vielfältigkeit des Datenbestands erheblich größer sind (vgl. BVerfGE 120, 274, 323 f.). Geht es hingegen um eine aus einer Durchsuchung folgende, offene und durch den Ermittlungszweck begrenzte Maßnahme außerhalb eines laufenden Kommunikationsvorgangs - wie die Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails, die auf dem Mailserver des Providers gespeichert sind - verlangt das Übermaßverbot angesichts des Gewichts des staatlichen Strafverfolgungsinteresses nicht, die Sicherstellung und Beschlagnahme von auf dem Mailserver des Providers gespeicherten E-Mails nur bei der Verfolgung einer besonders schweren Straftat (wie § 100c StPO), einer schweren Straftat (wie § 100a StPO) oder einer Straftat von erheblicher Bedeutung (wie § 100g StPO) zuzulassen. Greifen Strafverfolgungsbehörden - wie bei Sicherstellungen und Beschlagnahmen - mit Kenntnis des Betroffenen, außerhalb eines laufenden Kommunikationsvorgangs auf Kommunikationsinhalte zu, kann der auch sonst im strafprozessualen Ermittlungsverfahren erforderliche Anfangsverdacht einer Straftat genügen.
10. Auf die E-Mails darf nur zugegriffen werden, wenn ein konkret zu beschreibender Tatvorwurf vorliegt, also mehr als nur vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen (vgl. BVerfGE 44, 353, 371 f.; 115, 166, 198). Beim Zugriff auf die bei dem Provider gespeicherten E-Mails ist auch die Bedeutung der E-Mails für das Strafverfahren sowie der Grad des Auffindeverdachts zu bewerten. Im Einzelfall können die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat, eine geringe Beweisbedeutung der zu beschlagnahmenden E-Mails sowie die Vagheit des Auffindeverdachts der Maßnahme entgegenstehen. (Bearbeiter)
11. Dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses muss bereits in der Durchsuchungsanordnung, soweit die konkreten Umstände dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks erlauben, durch Vorgaben zur Beschränkung des Beweismaterials auf den tatsächlich erforderlichen Umfang Rechnung getragen werden, etwa durch die zeitliche Eingrenzung oder die Beschränkung auf bestimmte Kommunikationsinhalte. (Bearbeiter)
12. Bei dem Vollzug von Durchsuchung und Beschlagnahme - insbesondere beim Zugriff auf umfangreiche elektronisch gespeicherte Datenbestände - sind die verfassungsrechtlichen Grundsätze zu gewährleisten, die der Senat in seinem Beschluss zur Durchsuchung und Beschlagnahme eines umfangreichen elektronischen Datenbestands (vgl. BVerfGE 113, 29, 52 ff.) entwickelt hat. Hierbei ist vor allem darauf zu achten, dass die Gewinnung überschießender, für das Verfahren bedeutungsloser Daten nach Möglichkeit vermieden wird. Die Beschlagnahme sämtlicher gespeicherter Daten und damit des gesamten E-Mail-Verkehrs wird regelmäßig nicht erforderlich sein. (Bearbeiter)
13. Bestehen im konkreten Fall tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass ein Zugriff auf gespeicherte Telekommunikation Inhalte erfasst, die zum Kernbereich privater Lebensgestaltung zählen, ist er insoweit nicht zu rechtfertigen und hat insoweit zu unterbleiben (vgl. BVerfGE 113, 348, 391 f.). Es muss sichergestellt werden, dass Kommunikationsinhalte des höchstpersönlichen Bereichs nicht gespeichert und verwertet werden, sondern unverzüglich gelöscht werden, wenn es ausnahmsweise zu ihrer Erhebung gekommen ist (vgl. BVerfGE 113, 348, 392). (Bearbeiter)
14. Werden in einem Postfach auf dem Mailserver des Providers eingegangene E-Mails sichergestellt, ist zum Schutz des Postfachinhabers, in dessen Recht auf Gewährleistung des Fernmeldegeheimnisses durch die Sicherstellung eingegriffen wird, zu fordern, dass er im Regelfall zuvor von den Strafverfolgungsbehörden unterrichtet wird, damit er jedenfalls bei der Sichtung seines E-Mail-Bestands seine Rechte wahrnehmen kann. (Bearbeiter)
15. Die Durchsicht gemäß § 110 StPO bezweckt die Vermeidung einer übermäßigen und auf Dauer angelegten Datenerhebung und damit eine Verminderung der Intensität des Eingriffs in das Fernmeldegeheimnis. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit kann es im Einzelfall von Verfassungs wegen geboten sein, den Inhaber der sichergestellten E-Mails in die Prüfung der Verfahrenserheblichkeit einzubeziehen. (Bearbeiter)
16. Der begrenzte Zweck der Datenerhebung gebietet grundsätzlich die Rückgabe oder Löschung aller nicht zur Zweckerreichung benötigten kopierten E-Mails (vgl. BVerfGE 100, 313, 362; 113, 29, 58). (Bearbeiter)
17. Die Vorgaben zur Auswertung großer Datenmengen bei betroffenen Vertrauensverhältnissen und zur Wahrung des absolut geschützten Kernbereichs privater Lebensgestaltung braucht ein Beschluss nicht näher auszuformulieren. Die Ermittlungsbehörden haben diese Vorgaben nicht erst aufgrund des richterlichen Beschlusses zu beachten. Die Beschränkungen ergeben sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und sind bei der Rechtsanwendung ohne weiteres zu beachten. (Bearbeiter)
Einzelfall eines erfolgreichen Antrages auf einstweilige Anordnung im Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung auf Grund der Auslegung des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG durch den BGH dahingehend, dass die Lieferung von Gegenständen an einen Abnehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne des § 6a UStG darstellt, wenn der inländische Unternehmer in kollusivem Zusammenwirken mit dem tatsächlichen Abnehmer die Lieferung an einen Zwischenhändler vortäuscht, um dem Abnehmer die Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen (vgl. BGH 1 StR 354/08, Beschl. v. - 20. November 2008 = HRRS 2009 Nr. 178).
1. Zur Verfassungswidrigkeit einer Durchsuchungsanordnung wegen eines Anfangsverdachts der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen gemäß § 284 StGB i.V.m. dem Niedersächsischen Lotteriegesetz (Oddset-Sportwetten) in der Zeit vor Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276).
2. Das Bundesverfassungsgericht ist zur Entscheidung der Frage, ob eine innerstaatliche Norm des einfachen Rechts mit einer vorrangigen Bestimmung des europäischen Gemeinschaftsrechts unvereinbar und daher nicht anwendbar ist, nicht zuständig; eine Entscheidung über diese Normenkollision ist der umfassenden Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der zuständigen Gerichte überlassen (vgl. BVerfGE 31, 145, 174 f.; 82, 159, 191; 115, 276, 299 f.).
3. Es verletzt den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG), wenn das mit der Überprüfung einer Durchsuchungsanordnung betraute Gericht nicht prüft, ob die dem Durchsuchungsbeschluss zugrunde liegende Strafnorm wegen Verstoßes gegen europäisches Gemeinschaftsrecht nicht anwendbar ist, obwohl das Gericht selbst erkennt und auch dies vom Beschwerdeführer vorgetragen wird, dass erheblichen Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit der Strafnorm bestehen (vorliegend § 284 StGB).
4. Die für Durchsuchungen geltenden Maßstäbe zum Fortbestand des Rechtsschutzinteresses nach Erledigung sind auf Maßnahmen, die – wie Beschlagnahmeanordnungen – noch vor ihrer Erledigung gerichtlich überprüft werden können, nicht ohne Weiteres übertragbar (vgl. BVerfGK 1, 65, 66).
1. Auch bei Wohngemeinschaften besteht der volle Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG. Grundrechtsträger des Art. 13 Abs. 1 GG ist jedoch jeder Inhaber oder Bewohner eines Wohnraums, unabhängig davon, auf welchen Rechtsverhältnissen die Nutzung des Wohnraums beruht (vgl. BVerfGE 109, 279, 326 ).
2. Die Gewährleistung des Art. 13 Abs. 1 GG umfasst den Schutz der räumlichen Privatsphäre vor staatlichen Eingriffen und erstreckt sich auch auf den Gebrauch, der von den durch das Eindringen in die Wohnung erlangten Kenntnissen gemacht wird (vgl. BVerfGE 109, 279, 325 f.). Die Verwertung der bei einer rechtswidrigen Durchsuchung gewonnenen Beweismittel im Strafverfahren verstößt aber nicht stets gegen Art. 13 Abs. 1 GG. Auch bei der Frage eines Beweisverwertungsverbots wegen Mängeln der Durchsuchungsanordnung ist eine Abwägung des Strafverfolgungsinteresses mit dem betroffenen Individualinteresse erforderlich. Die Strafprozessordnung stellt kein grundsätzliches Beschlagnahmeverbot für Fälle fehlerhafter Durchsuchungen auf, die zur Sicherstellung von Beweisgegenständen führen. Ein Beweisverwertungsverbot ist grundsätzlich nur dann Folge einer fehlerhaften Durchsuchung, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahme führenden Verfahrensverstöße schwerwiegend waren oder bewusst oder willkürlich begangen wurden.
3. Es besteht kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig wäre (vgl. BVerfGK 9, 174, 196; BVerfG NStZ 2000, 489, 490). Die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften hat und ob hierzu insbesondere ein Beweisverwertungsverbot zählt, obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten (vgl. BVerfGK 4, 283, 285; 9, 174, 196; BVerfG NJW 2008, 3053, 3054).
4. Ein Beweisverwertungsverbot bedeutet eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (vgl. BGHSt 44, 243, 249; 51, 285, 290). Insbesondere die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schwer
wiegenden Fehlers können - müssen indes nicht in jedem Fall - danach ein Verwertungsverbot nach sich ziehen (vgl. BGHSt 51, 285, 292; BGH NStZ 2004, 449, 450).
1. Zu den Bedingungen der Persönlichkeitsentfaltung gehört es, dass der Einzelne einen Raum besitzt, in dem er unbeobachtet sich selbst überlassen ist oder mit Personen seines besonderen Vertrauens ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen und ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen verkehren kann (BVerfGE 90, 255, 260). Ein solcher Kommunikationsraum muss von Verfassungs wegen auch dem Gefangenen erhalten bleiben, der der Überwachung seiner Post unterliegt (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 261).
2. Der grundrechtliche Schutz der Vertrauenssphäre geht nicht dadurch verloren, dass der Staat sich im Rahmen der Briefkontrolle (§ 119 Abs. 3 StPO) Kenntnis auch von vertraulich gemachten Äußerungen verschafft. Vielmehr wirkt sich der Grundrechtsschutz gerade darin aus, dass der vertrauliche Charakter der Mitteilung trotz der staatlichen Überwachung gewahrt bleibt (BVerfGE 90, 255, 261 f.). Dies betrifft auch beleidigende Äußerungen von besonders roher und grober Art.
3. Dieser grundrechtliche Schutz der vertraulichen Kommunikation ist nicht auf familiäre Kontakte beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf andere in der Nähebeziehung vergleichbare - einschließlich rein freundschaftlicher - Vertrauensverhältnisse (vgl. BVerfGE 90, 255, 262; BVerfGK 9, 442, 445 f.). Ein derartiges besonderes Näheverhältnis kann auch zwischen Menschen bestehen, die als Mitglieder einer Gruppe Gleichgesinnter mit gemeinsamen Freizeitgewohnheiten („Clique“) befreundet sind.
4. Der besondere grundrechtliche Schutz greift nicht ein, wenn der sich Äußernde selbst die Vertraulichkeit aufhebt (vgl. BVerfGE 90, 255, 262). Dies kann dadurch geschehen, dass der Briefverfasser ausdrücklich – und im Sinne einer Anregung – gestattet, den Brief anderen Personen zu zeigen, zu denen nicht eine solch geschützte Vertrauensbeziehung besteht.
1. Die Vorschriften der Strafprozessordnung über die notwendige Verteidigung und die Bestellung eines Verteidigers (§§ 140 ff. StPO) stellen sich als Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausgestaltung als Gebot fairer Verfahrensführung dar. Die Verfassung will sicherstellen, dass der Beschuldigte auf den Gang und das Ergebnis des gegen ihn geführten Strafverfahrens Einfluss nehmen kann (vgl. BVerfGE 70, 297, 322 f.; BVerfGK 6, 326, 331). Dies gilt auch für den Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
2. Verfassungsrechtlich ist die Beiordnung eines Pflichtverteidigers jedenfalls dann geboten, wenn es nach der konkreten Fallgestaltung wegen Besonderheiten und Schwierigkeiten im Diagnose- und Prognosebereich evident erscheint, dass der Untergebrachte sich angesichts seiner Erkrankung nicht selbst verteidigen kann (vgl. BVerfGE 70, 297, 322 f.; BVerfGK 6, 326, 331). Es ist von Verfassungs wegen aber auch im Hinblick auf die komplexe Regelung des § 463 StPO nicht zu beanstanden, wenn nicht jedem Untergebrachten für die Überprüfungsentscheidung, soweit dies nicht von § 463 Abs. 4 Satz 5 StPO angeordnet ist, ein Verteidiger bestellt wird. Vielmehr ist es geboten, aber auch ausreichend, von Fall zu Fall zu entscheiden, ob die Bestellung erforderlich ist.