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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2009
10. Jahrgang
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1. Ist der Angeklagte rechtskräftig bestraft und im psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden, so ist bei einer Verurteilung wegen einer zuvor begangenen Tat, die zur nachträglichen Gesamtstrafbildung nach § 55 StGB führt, allein die Aufrechterhaltung der Maßregel geboten, hingegen die erneute Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB nicht zulässig (im Anschluss an BGHSt 30, 305). (BGHSt)
2. Dies folgt bereits aus der Erwägung, dass der Täter - auch insoweit - entsprechend dem Grundgedanken des § 55 StGB so gestellt werden soll, wie er bei gleichzeitiger Aburteilung aller Taten gestanden hätte, wo auch nur
einheitlich auf eine Unterbringung erkannt worden wäre. (Bearbeiter)
1. Eine unbillige Härte i.S. von § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB kann nicht auf die vom Gesetzgeber mit der Einführung des Bruttoprinzips beabsichtigte Konsequenz gestützt werden, dass Aufwendungen für ein rechtswidriges Geschäft in den Verfallsbetrag fallen. (BGHR)
2. Zwar ist die Anwendung der Härtevorschrift des § 73 c StGB Sache des Tatrichters. Die Gewichtung der für das Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne des § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB maßgeblichen Umstände ist daher der inhaltlichen revisionsrechtlichen Überprüfung nicht zugänglich. Mit der Revision kann jedoch eine rechtsfehlerhafte Auslegung des Tatbestandsmerkmals „unbillige Härte“ beanstandet werden. Eine solche ist etwa gegeben, wenn die Bejahung dieses Merkmals auf Umstände gestützt wird, die bei seiner Prüfung nicht zum Tragen kommen können (vgl. BGH wistra 2003, 424, 425; 2009, 23, 24). (Bearbeiter)
3. Die Ausübung des dem Tatrichter durch § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alternative StGB eingeräumten Ermessens erfordert eine Gegenüberstellung des Wertes des aus den Straftaten Erlangten mit dem Wert des noch vorhandenen Vermögens. (Bearbeiter)
4. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass eine unbillige Härte i. S. des § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB nach ständiger Rechtsprechung nur dann in Betracht kommt, wenn die Anordnung des Verfalls schlechthin ungerecht wäre und das Übermaßverbot verletzen würde. Sie liegt nicht schon dann vor, wenn der Verfallsbetrag nicht beigetrieben werden kann oder der Betroffene vermögenslos geworden und unfähig ist, die Mittel für seinen Unterhalt aufzubringen (vgl. BGH Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08). (Bearbeiter)
1. In Fällen, in denen eine Gesamtstrafe nach § 55 StGB mit Strafen aus ausländischen Urteilen nicht gebildet werden kann und in denen eine gemeinsame Aburteilung aller Taten in Deutschland allenfalls theoretisch nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB möglich gewesen wäre, ist ein Härteausgleich oder die Anwendung des Rechtsgedankens des Härteausgleichs weder rechtlich zulässig noch aus allgemeinen Erwägungen angezeigt.
2. Grundgedanke des § 55 StGB ist, dass Taten, die bei gemeinsamer Aburteilung nach §§ 53, 54 StGB behandelt worden wären, auch bei getrennter Aburteilung dieselbe Behandlung erfahren sollen, so dass der Täter im Endergebnis weder besser noch schlechter gestellt ist, als wenn alle Taten in dem zuerst durchgeführten Verfahren abgeurteilt worden wären (BGHSt 7, 180, 181; 15, 66, 69; 17, 173, 174 f.; 32, 190, 193).
3. Scheitert eine nach § 55 StGB an sich mögliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung daran, dass die zunächst erkannte Strafe bereits vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, so ist die darin liegende Härte nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Bemessung der nunmehr zu verhängenden Strafe auszugleichen (BGHSt 31, 102, 103; 33, 131, 132).
4. Fehlt es dagegen an einem ausgleichsbedürftigen Nachteil, etwa wenn die Vollstreckung der früheren Strafe zur Bewährung ausgesetzt war und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen wurde, kommt ein Härteausgleich nicht in Betracht (BGH NStZ-RR 1996, 291; NStZ-RR 2004, 330; StV 2007, 82). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haben sich verschiedene Fallgruppen herausgebildet, in denen außer in den vorgenannten Fällen ebenfalls ein Härteausgleich für eine nicht mögliche Gesamtstrafenbildung zu gewähren ist (vgl. Senatsbeschluss in dieser Sache vom 29. Oktober 2008).
5. Auch der Rahmenbeschluss 2008/675/JI des Rates vom 24. Juli 2008 zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren (ABl. L 220 vom 15. August 2008) geht davon aus, dass eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung mit einer Vorverurteilung aus einem anderen Staat ein unzulässiger Eingriff in dessen Urteil bzw. dessen Vollstreckung wäre (vgl. Art. 3 Abs. 3 und 4 der Richtlinie). Im Erwägungsgrund Nr. 6 des Rahmenbeschlusses ist zudem ausdrücklich klargestellt, dass er nicht bezweckt, dass in einem Mitgliedstaat gerichtliche Entscheidungen vollstreckt werden, die in anderen Mitgliedstaaten ergangen sind, was bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB der Fall wäre.
1. Das besondere Gesamtstrafübel ist auch beim Zusammentreffen in- und ausländischer Verurteilungen ein wesentlicher Strafmilderungsgrund.
2. Zwar kommt in diesen Fällen die unmittelbare Anwendung der Grundsätze zum Härteausgleich wegen der mangelnden Vergleichbarkeit der verwirkten Strafen und deren Vollstreckung nicht in Betracht. Um die Schuldan-
gemessenheit des Gesamtstrafübels dennoch zu gewährleisten, müssen die Auswirkungen der gegen den Täter verhängten Verurteilungen für sein künftiges Leben im Rahmen der Strafzumessung besonders ins Gewicht fallen. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Gerichtsstand in Deutschland gegeben war und eine einheitliche Aburteilung möglich gewesen wäre.
3. Die Nichtanwendung des Gedankens des Gesamtstrafübels bei gesamtstrafenfähigen Verurteilungen im Aus- und Inland lässt sich nicht mit dem gewandelten Verständnis der Anerkennung ausländischer Erkenntnisse vereinbaren, zumal solcher der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, wie sie in entsprechenden völker- und gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zum Ausdruck kommt. Denn dies würde zu einer massiven Schlechterstellung des Angeklagten mit in- und ausländischen Verurteilungen gegenüber demjenigen führen, der nur im Inland Straftaten gleichen Schuldgehalts begangen hat. Das wäre vor dem Hintergrund zunehmender gemeinschaftsrechtlicher Integration auch auf dem Gebiet des Strafrechts sachlich kaum zu rechtfertigen.
4. Da die Auswirkungen der im Ausland verhängten Strafen wegen möglicher anderer Vollstreckungsregelungen nicht allein an der zeitlichen Dauer der Strafe gemessen werden können, wird das Tatgericht die hierfür relevanten Umstände, insbesondere abweichende Regelungen über Strafmaßreduktionen, Strafaussetzung und Amnestien zu ermitteln und die im Ausland verhängten Strafen entsprechend zu gewichten haben.
Grundgedanke des § 55 StGB ist, dass Taten, die bei gemeinsamer Aburteilung nach den §§ 53, 54 StGB behandelt worden wären, auch bei getrennter Aburteilung dieselbe Behandlung erfahren sollen, so dass der Täter im Endergebnis weder besser noch schlechter gestellt ist. Ausschlaggebend für die Gesamtstrafenbildung darf deshalb nicht die (zufällige) äußere Verfahrensgestaltung, sondern muss die materielle Rechtslage sein (BGHSt 32, 190, 192 f.; 35, 243, 245). Der Tatrichter, dem sich die Frage nachträglicher Gesamtstrafenbildung stellt, muss sich in die Lage des Richters versetzen, dessen Entscheidung für eine nachträgliche Einbeziehung in Frage kommt. Für ihn ist deshalb maßgeblich, wie der frühere Richter bei richtiger Rechtsanwendung weitere Vorentscheidungen hätte berücksichtigen müssen (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 13).
1. Bleibt das Opfer einer Vergewaltigung, dass sich dem Angeklagten am Vortrag sexuell genähert und mit dem Täter einvernehmlichen Geschlechtsverkehr hatte, nach einer Party freiwillig mit dem alkoholisierten Angeklagten allein, obwohl er sich ihr gegen ihren Willen sexuell zu nähern versuchte, ist dies strafmildernd zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen.
2. Tatfolgen einer Vergewaltigung sind dem Angeklagten nicht undifferenziert zuzurechnen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, wenn psychische Folgen bereits auf einen vorherigen freiwilligen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten beruhen.
1. Das Fehlen von Therapiewilligkeit steht einer Anordnung nach § 64 StGB grundsätzlich nicht entgegen (BGH bei Holtz MDR 1996, 880; NStZ-RR 2004, 263). Dies kann lediglich ein gegen die Erfolgsaussicht sprechendes Indiz sein (BGH NJW 2000, 3015 f.). In einem solchen Fall hat der Tatrichter zu prüfen, ob die konkrete Aussicht besteht, dass die Therapiebereitschaft für eine Erfolg versprechende Behandlung geweckt werden kann (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 171, 172; Beschl. vom 5. Mai 2009 - 5 StR 99/09).
2. Der Hinweis auf eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn die Unterbringung nach § 64 StGB geht dieser dem Vollstreckungsverfahren vorbehaltenen Maßnahme vor; von der Anordnung der Unterbringung darf daher nicht abgesehen werden, weil eine Entscheidung nach § 35 BtMG ins Auge gefasst ist (vgl. BGHR StGB § 64 Ablehnung 7 und 8; BGH StraFo 2003, 100; StV 2008, 405, 406). Hieran hat sich durch die Neufassung des § 64 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBI I 1327) grundsätzlich nichts geändert.
3. Ist die Einziehung von Gegenständen anzuordnen, sind diese in der Urteilsformel, oder sofern es sich um eine Vielzahl von Gegenständen handelt, jedenfalls in einer Anlage hierzu (vgl. BGHSt 9, 88, 90) so konkret zu bezeichnen, dass für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung geschaffen ist (st. Rspr.). Der bloße Hinweis auf die „sichergestellten Betäubungsmittel und Betäubungsmittelutensilien“ lässt jede individualisierende Bezeichnung der Einziehungsgegenstände vermissen.
1. Nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB ist der vorweg zu vollstreckende Teil der Freiheitsstrafe so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt (§ 67 Abs. 5 Satz 1 StGB) möglich ist. Ein Beurteilungsspielraum für den Tatrichter besteht nicht.
2. Zur Bemessung des Vorwegvollzugs ist deshalb auch eine Prognose darüber notwendig, wie lange die Unterbringung in der Maßregel voraussichtlich erforderlich sein wird. Die voraussichtlich notwendige Therapiedauer ist dann von der Hälfte erkannten Freiheitsstrafe abzuziehen, um die Dauer des Vorwegvollzugs zu berechnen.
Dass § 64 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) von einer Muss- in eine Sollvorschrift umgestaltet worden ist, macht die Prüfung der naheliegenden Anwendung des § 64 StGB durch den Tatrichter nicht entbehrlich. Dieser muss vielmehr das Ermessen tatsächlich ausüben und die Ermessensentscheidung für das Revisionsgericht nachprüfbar machen (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 73 f.).
Das Fehlen von Milderungsgründen darf nicht strafschärfend berücksichtigt werden.
Zwar können auch Taten, die verschiedene Rechtsgüter verletzen, als Symptomtaten herangezogen werden, um die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung zu begründen. Jedoch ist in diesem Fall ihr Indizwert für einen verbrecherischen Hang des Täters besonders sorgfältig zu prüfen und zu begründen.