Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Mai 2016
17. Jahrgang
PDF-Download
1. Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen (BGH NStZ 2006, 454). Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Beteiligten abhängen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 37, 289, 291 mwN; BGHSt - GS - 50, 252, 266 mwN; BGH NStZ 2000, 482, 483). Dabei deutet eine ganz untergeordnete Tätigkeit schon objektiv darauf hin, dass der Beteiligte nur Gehilfe ist (st. Rspr.; vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 39, 56 und 58).
2. Ergeben sich nach den Feststellungen gewichtige Anhaltspunkte, die für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit lediglich wegen Beihilfe sprechen, ist eine an diesem Maßstab ausgerichtete umfassende Prüfung im Urteil geboten. So liegt es, wenn eine zuvor als Reinigungskraft beschäftigte Angeklagte „überredet“ werden musste, in einem Schreiben zum Schein als Inhaberin einer Firma zu unterschreiben.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zieht bei einem Geschehen, welches schon vollständig abge-
schlossen ist, das Einverständnis des später Hinzutretenden trotz Kenntnis, Billigung oder Ausnutzung der durch den anderen Mittäter geschaffenen Lage eine strafbare Verantwortung für das bereits abgeschlossene Geschehen nicht nach sich (st. Rspr.).
1. Die tatgerichtliche Bewertung der Beteiligungsform ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle zugänglich (st. Rspr).
2. Mittäterschaft erfordert nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt (vgl. BGH NStZ 2009, 25). Mehrere können eine Tat sogar dann gemeinschaftlich begehen, wenn sie einander nicht kennen (vgl. BGH NStZ 2010, 342, 343).
1. Zwar liegt es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne dabei zu Tode kommen, und dass er, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt, einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH NStZ 2014, 35). Der Schluss von einer besonders gefährlichen Gewalthandlung auf einen bedingten Tötungsvorsatz ist jedoch nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter auch die im Einzelfall in Betracht kommenden Umstände in seine Erwägungen einbezogen hat, die den Vorsatz in Frage stellen können (vgl. BGH NStZ 2015, 516, 517). Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Täter die Gefahr des Eintritts eines tödlichen Erfolgs ausnahmsweise nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten, ist der Tatrichter verpflichtet, sich hiermit auseinander zu setzen (vgl. BGH NStZ 2016, 25, 26).
2. Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn es dem Täter tatsächlich unmöglich ist, den erstrebten Erfolg in unmittelbarem Fortgang des Geschehens noch herbeizuführen, und er dies erkennt (vgl. BGHSt 34, 53, 56). Bei einem mehraktigen Geschehen ist der Rücktritt vom Versuch hinsichtlich eines Einzelakts nur ausgeschlossen, wenn dieser Teilakt bereits als fehlgeschlagener Versuch zu werten ist (vgl. BGHSt 41, 368, 369). Sind die Einzelakte jedoch untereinander und mit der letzten Tathandlung durch die subjektive Zielrichtung des Angeklagten zu einem einheitlichen Geschehen verbunden, kommt es für die Beurteilung der Frage, ob ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt, allein auf die subjektive Sicht des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (vgl. BGH NStZ 2007, 399).
1. Sind an einer Tat mehrere beteiligt, so wird gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Diese Verhinderungsleistung kann indes schon darin zu sehen sein, dass die Beteiligten es einvernehmlich unterlassen, weiter zu handeln. Ob darin ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch gesehen werden kann, hängt wiederum entscheidend von dem Vorstellungsbild der Täter nach der letzten von ihnen vorgenommenen Ausführungshandlung ab: Gehen sie zu diesem Zeitpunkt davon aus, noch nicht alles getan zu haben, was nach ihrer Vorstellung zur Herbeiführung des Taterfolgs erforderlich oder zumindest ausreichend ist und liegt mithin ein unbeendeter Versuch vor, so können sie durch bloßes Nichtweiterhandeln zurücktreten.
2. Lässt sich das Vorstellungsbild der Täter im maßgeblichen Zeitpunkt, das auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung ist, den Feststellungen nicht entnehmen, so hält das Urteil insoweit sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil es die revisionsrechtliche Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts nicht ermöglicht.
Bleiben nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht behebbare tatsächliche Zweifel bestehen, die sich auf die Art und den Grad des psychischen Ausnahmezustandes beziehen, ist zugunsten des Täters für eine Schuldunfähigkeit zu entscheiden (vgl. BGH NStZ-RR 2015, 71 mwN).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich die Zahl der rechtlich selbständigen Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB bei Zusammenarbeit mehrerer Beteiligter im Rahmen einer Tatserie für jeden Täter regelmäßig nach der Zahl seiner eigenen Handlungen zur Verwirklichung der Einzeldelikte. Wirkt ein Täter an einzelnen Taten selbst nicht unmittelbar mit,
sondern erschöpfen sich seine Tatbeiträge hierzu im Aufbau und der Aufrechterhaltung des auf die Straftaten ausgerichteten „Geschäftsbetriebs“, sind diese Tathandlungen als – uneigentliches – Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat zusammenzufassen (st. Rspr.).
Die fakultative Strafmilderung wegen tätiger Reue nach § 320 Abs. 1 i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB kommt auch bei einer Verurteilung wegen Angriffs auf den Luft- und Seeverkehr im Sinne der Vorschrift des § 316c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB in Betracht, bei der Vollendung bereits mit Ausführung der Tathandlung eintritt. (BGHSt)
1. Die vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretene sog. „Rechtsfolgenlösung“ zur Einschränkung des Mordtatbestandes ero?ffnet nicht allgemein einen Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle. Vielmehr müssen Entlastungsfaktoren vorliegen, die den Charakter außergewöhnlicher Umstände haben und zu einem Grenzfall führen, in dem die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe trotz der Schwere des tatbestandsmäßigen Unrechts wegen erheblich geminderter Schuld unverhältnismäßig wäre.
2. Bei einer Tötung, die primär zur Befriedigung des Geschlechtstriebes erfolgt, sind die Voraussetzungen einer Strafmilderung im Sinne der „Rechtsfolgenlösung“ regelmäßig auch dann nicht erfüllt, wenn seitens des Opfers ein Todeswunsch gegeben ist. Eine Einwilligung kann bei einer vorsätzlichen Tötung unter den engen Voraussetzungen des § 216 StGB – die das Tatgericht vorliegend rechtsfehlerfrei verneint hat – Bedeutung erlangen und die Tat in einem milderen Licht erscheinen lassen.
Beim Vertrieb gefälschter Arzneimittel scheidet ein vollendeter Betrug mangels Irrtum der Käufer regelmäßig aus, wenn diese es für zumindest überwiegend wahrscheinlich halten, ein gefälschtes Produkt zu erwerben. Ist der von den Verkäufern genutzte Internetauftritt nach Ansicht des Tatgerichts nicht geeignet, die Erwerber über die Echtheit der vertriebenen Produkte zu täuschen, kann überdies die Täuschung sowie – mit Blick auf den versuchten Betrug – der Irrtumsvorsatz zweifelhaft sein.
Der Senat muss nicht entscheiden, ob – wofür viel spricht – schon allein die Entscheidung einer erstgebärenden und hinsichtlich des Geburtsverlaufs völlig unerfahrenen Frau, ihr Kind ohne fremde Hilfe zur Welt zu bringen, angesichts der damit offensichtlich verbundenen Gefahren für das Kind sorgfaltswidrig ist (vgl. BGH HRRS 2010 Nr. 38). Das ist jedenfalls zu bejahen, wenn die Angeklagte an einer Blutgerinnungsstörung leidet und bereits einmal während einer Regelblutung ohnmächtig wurde.
1. Schließen sich mehrere Täter zu einer Bande zusammen, um fortgesetzt Diebstähle nach § 242 Abs. 1, § 244a Abs. 1 StGB zu begehen, hat dies nicht zur Folge, dass jede von einem der Bandenmitglieder aufgrund der Bandenabrede begangene Tat den anderen Bandenmitgliedern ohne Weiteres als gemeinschaftlich begangene Straftat im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. Vielmehr ist für jede einzelne Tat nach den allgemeinen Kriterien festzustellen, ob sich die anderen Bandenmitglieder hieran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt oder ob sie gegebenenfalls überhaupt keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet haben.
2. Wer lediglich einen Hinweis auf ein in Betracht kommendes Tatobjekt gibt, in das dann später andere
Bandenmitglieder ohne den „Tippgeber“ einbrechen, ist regelmäßig nur wegen Beihilfe bzgl. dieser Tat strafbar.
Den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB verwirklicht, wer die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Dabei wird weder Eigenhändigkeit noch Mittäterschaft vorausgesetzt; ausreichend ist vielmehr schon das gemeinsame Wirken eines Täters und eines Gehilfen bei der Begehung einer Körperverletzung. Ein solches gemeinsames Einwirken auf das Opfer bei der Begehung der Körperverletzungshandlung liegt nicht bereits darin, dass zwei Beteiligte gemeinsam an dem am Boden liegenden Opfer ziehen, nachdem es von einem Täter zu Boden geschlagen wurde.
Der Senat hält es für sachgerecht, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum „Vermögensverlust großen Ausmaßes“ im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Variante 1 StGB und zur Steuerverkürzung sowie der Erlangung von Steuervorteilen „in großem Ausmaß“ nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, in denen er das Bedürfnis nach Rechtssicherheit hervorgehoben und die Wertgrenze nach objektiven Kriterien auf jeweils grundsätzlich 50.000 € festgesetzt hat, auf die Bemessung des „Vorteils großen Ausmaßes“ nach § 335 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu übertragen.
Zwar kann bei einmaligem Sicherverschaffen mehrerer gestohlener Gegenstände aus deren späterer sukzessiven Veräußerung im Einvernehmen mit dem Vortäter nicht ohne Weiteres auf Gewerbsmäßigkeit geschlossen werden. Nicht erforderlich ist es jedoch, dass der Angeklagte den Betrieb eines „kriminellen Gewerbes“ plant und seinen Lebensunterhalt dauerhaft ganz oder jedenfalls teilweise hierdurch bestreiten will.