HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 436
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 346/15, Urteil v. 16.03.2016, HRRS 2016 Nr. 436
1. Auf die Revision der Angeklagten T. wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 11. Mai 2015, soweit es sie betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Eisenach zurückverwiesen.
3. Die Revision des Angeklagten T. H. wird verworfen. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Das Landgericht hat den Angeklagten T. H. wegen Betrugs, Urkundenfälschung und versuchten Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, die Angeklagte T. wegen versuchten Betrugs zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Die auf die Verurteilung in den Fällen II. 1 und II. 3-4 der Urteilsgründe beschränkte Revision des Angeklagten H. bleibt erfolglos; das Rechtsmittel der Angeklagten führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
1. Der Angeklagte T. H. und seine Ehefrau, die frühere Mitangeklagte I. H., konnten die Zins- und Tilgungsleistungen für ein laufendes Darlehen über ca. 200.000 Schweizer Franken aus eigenem Einkommen nicht aufbringen und suchten nach neuen Einnahmequellen. Im Frühjahr 2011 kamen sie auf die Idee, darlehensfinanziert ein Mietobjekt in Deutschland zu erwerben oder zu ersteigern und aus der Differenz zwischen Mieteinnahmen und Darlehensraten Überschuss zu erzielen. Bei ihrer Suche stießen sie auf ein Angebot der Maklerfirma t. i. aus E., einen in den 1980er Jahren errichteten Wohnkomplex mit 240 Mietwohnungen in W. Sie gaben gegenüber dem Mitarbeiter der Firma, dem Zeugen D., wahrheitswidrig vor, über ein Nettoeinkommen von insgesamt monatlich 36.000 Euro zu verfügen, und deshalb in der Lage zu sein, ein solches Objekt, für das ein Kaufpreis von 2,1 Millionen Euro fällig werden sollte, zu finanzieren. Am 30. März 2011 schlossen T. und I. H. mit der Firma t. i. eine schriftliche Reservierungsvereinbarung, wonach die Angeklagten beabsichtigten, das Objekt in W. zu einem Kaufpreis von 2,1 Millionen Euro zu erwerben, und sie das Objekt bis zum 15. April 2011 zur Klärung ihrer Finanzierung und Bereitstellung einer Finanzierungsbestätigung eines Kreditinstituts reservierten. Außerdem wurde vereinbart, dass eine Reservierungsgebühr in Höhe von 10.000 Euro bis zum 5. April 2011 zu hinterlegen sei und diese auf die vereinbarte Maklercourtage in Höhe von 5,95%, insgesamt 124.950 Euro, angerechnet werde. Den Angeklagten war klar, dass sie angesichts ihrer angespannten finanziellen Lage die Maklercourtage niemals würden begleichen können. Der Zeuge D. schloss namens der Maklerfirma den Vertrag mit dem Angeklagten und seiner Ehefrau nur ab, weil er angesichts ihrer unzutreffenden Angaben davon ausging, falls eine Finanzierung des Kaufpreises und damit der Kaufvertrag zustande komme, werde die Zahlung der Courtage für diese kein Problem sein.
Noch vor Klärung der Finanzierung schlossen T. und I. H. am 5. April 2011 einen notariellen Kaufvertrag mit dem Voreigentümer über 2.050.000 Euro. Die Finanzierung des Objektes erfolgte unter Vermittlung der Firma t. i. durch die C. AG, die den gesamten Kaufpreis (ohne Nebenkosten) finanzierte, es aber ablehnte, insgesamt ein Darlehen über 2.225.000 Euro zu gewähren. Mit Schreiben vom 4. Mai 2011 wurde die Maklercourtage in Höhe von 212.975 Euro in Rechnung gestellt. T. und I. H. erkannten zwar an, den Betrag zu schulden, leisteten aber zunächst - wie beabsichtigt - keine Zahlungen. Erst nachdem Klage erhoben worden war, zahlten sie insgesamt 15.000 Euro in drei Tranchen. Mittlerweile ist durch Zwangsvollstreckung die Forderung vollständig bzw. nahezu vollständig beglichen.
2. Um das genannte Darlehen der C. AG zu erlangen, legten der Angeklagte H. und seine Ehefrau verschiedene gefälschte Unterlagen wie Anstellungs- und Arbeitsverträge, Lohnabrechnungen und Kontoauszüge vor. Dadurch entstand bei der Bank ein Irrtum über deren Eigentums- und Vermögensverhältnisse, aufgrund dessen es schließlich zum Abschluss des Darlehensvertrags kam. Im Rahmen des Vertrags verpflichteten sich die Eheleute H. zur Eintragung einer Grundschuld in Höhe des Darlehensbetrages. Das Grundstück hatte zu diesem Zeitpunkt einen Verkehrswert von 3.700.000 Euro. Der Angeklagte H. und seine Ehefrau gerieten mit der Zahlung der Zins- und Tilgungsraten in Rückstand. Aufgrund dessen und weil bekannt geworden war, dass die zur Finanzierung eingereichten Unterlagen gefälscht waren, wurde der Darlehensvertrag am 7. März 2012 gekündigt und der Gesamtbetrag fällig gestellt. Im Juni 2012 wurde die Zwangsverwaltung angeordnet. Die Zwangsversteigerung des Grundstückes führte im März 2015 zu einem Zuschlag zu einem Kaufpreis von 2.800.000 Euro.
3. Die Firma t. i. betrieb hinsichtlich ihrer Maklercourtage die Zwangsvollstreckung aus einem Vorbehaltsurteil des Landgerichts M. vom 10. Februar 2012. Im Zuge dessen erließ das Amtsgericht E. am 23. März 2012 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hinsichtlich der Mieten und Nebenkosten aus den Mietverträgen des von den Eheleuten H. erworbenen Objekts. Diese befürchteten die Pfändung der Mieten und entschlossen sich, dies zu verhindern. Sie riefen kurz vor dem 22. März 2012 die Firma I. S. ins Leben und überredeten die Mitangeklagte T., gegen ein monatliches Entgelt von 1.500 Euro als (Schein-)Inhaberin dieser Firma zu fungieren. Sie meldete nachträglich zum 1. Januar 2012 ein Gewerbe zur Vermietung und Verpachtung an. Mit Schreiben vom 23. März 2012 sandten die Eheleute H. ein Schreiben an alle Mieter, wonach die bisherige Verwaltungsfirma aufgelöst werde und ab dem 1. April 2012 die I. S. Ansprechpartner sei. Zugleich wurde eine Reduktion der Miete um jährlich 60 Euro in Aussicht gestellt, falls ein neuer Mietvertrag mit Frau T. abgeschlossen werde. Am 28. März 2012 wurde der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 23. März 2012 allen Mietern zugestellt. Dies veranlasste die Eheleute H. unter dem Briefkopf der I. S. zu einem von der Mitangeklagten T. unterschriebenen Brief an alle Mieter, in dem darauf hingewiesen wurde, dass die I. S. Vermieter sei und deshalb die Mieten auch an diese zu zahlen sei. Dieser Brief enthielt noch den zusätzlichen Hinweis, zur Ausräumung von Unklarheiten könne man bei der Rechtspflegerin des Amtsgerichts nachfragen, ob das Schreiben des Gerichtsvollziehers für die Mieter von Bedeutung sei; er wurde an alle Mieter bis zum 1. April 2012 verteilt. Die Eheleute H. wussten, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss rechtmäßig ergangen war und die Mieten somit von der Firma t. i. eingezogen werden konnten. Über diese Einzugsberechtigung wollten sie die Mieter mit ihrem Schreiben täuschen und erreichen, dass diese unter Umgehung des Pfändungsbeschlusses an die Firma I. S. leisteten. Auch die Angeklagte T. nahm zumindest billigend in Kauf, dass die Mieter getäuscht werden sollten. Wie viele Mieter an die Firma I. S. leisteten, ist nicht bekannt. Insoweit hat die Strafkammer den Tatvorwurf gemäß § 154a StPO auf den Vorwurf des versuchten Betruges beschränkt.
4. Die C. AG betrieb im Frühsommer 2012 die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld und erreichte im Juni 2012 die Anordnung der Zwangsverwaltung, was dazu führte, dass sie zur Einziehung der Mieten berechtigt war. Der Angeklagte T. H. und seine Frau I. beschlossen, auch hinsichtlich des neuen Gläubigers den Mietern weiszumachen, die Firma I. S., und nicht der eingesetzte Zwangsverwalter, sei zur Einziehung der Mieten berechtigt. Zum Schein war dabei die Firma I. S. am 13. April 2012 an den ehemaligen Mitangeschuldigten R. und schließlich mit Vertrag vom 30. Juli 2012 an den Bruder des Angeklagten T. H., C. H., veräußert worden. In den USA, wohin sie zwischenzeitlich geflüchtet waren, entwarfen T. und I. H. ein Schreiben, das sie dem Mitangeklagten C. H. per Mail übersandten. Dieser verteilte es am 17. August 2012 oder wenige Tage später an die Mieter, die darin aufgefordert wurden, Mietzahlungen weiter an die Firma I. S. zu leisten. Ihnen wurde dabei vorgespiegelt, dass Zahlungen weder an die Firma t. i. noch an den Zwangsverwalter zu leisten seien, dies könne schuldbefreiend nur gegenüber der Firma I. S. geschehen. Wie viele Mieter an die Firma I. S. leisteten und ob es zu Doppelzahlungen gekommen ist, ist nicht bekannt. Insoweit hat die Strafkammer den Tatvorwurf gemäß § 154a StPO auf den Vorwurf des versuchten Betruges beschränkt.
1. Die Revision des Angeklagten H.
a) Die Verurteilung wegen Betrugs im Fall II. 1 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung stand. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass T. und I. H. vor Abschluss der Reservierungsvereinbarung über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse getäuscht und mit der verabredeten Reservierung konkludent erklärt haben, sie seien in der Lage, die Maklerprovision zu zahlen, falls eine Finanzierung zustande komme. Die im Zuge dieser Erklärungen erbrachten Nachweis- und Vermittlungstätigkeiten des Zeugen D. stellen - worauf der Generalbundesanwalt bereits zutreffend in seiner Zuschrift hingewiesen hat - die notwendige Vermögensverfügung dar, die mit Abschluss des Kaufvertrages über das Grundstück am 5. April 2012 zu einem Schaden in Höhe der vereinbarten Maklercourtage geführt hat. Die Strafkammer hat auch rechtlich unbedenklich zugrunde gelegt, dass die Eheleute H. von vornherein nicht beabsichtigten, die Courtage zu bezahlen. Näherer Ausführungen bedurfte es angesichts ihres im Einzelnen im Urteil dargelegten Zahlungsverhaltens nicht. Insbesondere war es nicht erforderlich, auf den Umstand einzugehen, dass ein über den Kaufpreis hinausgehendes Darlehen beantragt war, mit dem - wäre es gewährt worden - die Maklercourtage hätte womöglich beglichen werden können. Das Landgericht hat - gestützt auf Angaben der Eheleute H. - festgestellt, dass die den Kaufpreis überschießenden Gelder für Sanierungen an dem Objekt vorgesehen waren.
b) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts fehlt es hinsichtlich der Verurteilung in den Fällen II. 3 und 4 nicht an der Verfahrensvoraussetzung der Anklageerhebung. Mit der mit rechtlichen Hinweisen im Eröffnungsbeschluss vom 17. März 2015 zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage wurde dem Angeklagten insoweit vorgeworfen, im Zusammenwirken mit seiner Ehefrau und den Mitangeklagten T. und C. H. seit März 2012 verschiedene Handlungen in der Absicht vorgenommen zu haben, gegen ihn und seine Ehefrau gerichtete Vollstreckungsmaßnahmen zu vereiteln. Ziel der im Einzelnen im konkreten Anklagesatz wie auch im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen geschilderten Handlungen war es, „Mieteinnahmen aus dem Objekt“ ...“auf andere Konten umzuleiten, die nicht Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Angeschuldigten T. H. und I. H. unterliegen können“. Gegenstand der zugelassenen Anklage waren damit - ohne dass es darauf ankäme, dass einzelne Tathandlungen nicht im konkreten Anklagesatz, sondern lediglich im wesentlichen Ermittlungsergebnis erwähnt werden - sämtliche Handlungen, die darauf abzielten, die Zwangsvollstreckung der C. AG und anderer Gläubiger zu vereiteln. Die nunmehr abgeurteilten Straftaten betreffen - wenn auch unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt - dasselbe tatsächliche Geschehen und damit die in der Anklage bezeichnete Tat (§ 264 StPO).
2. Die Revision der Angeklagten T.
a) Die Verurteilung der Angeklagten T. hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar fehlt es nicht an der Verfahrensvoraussetzung der Anklageerhebung (s. oben II. 1. b). Jedoch trägt die knappe Begründung des Landgerichts eine Verurteilung der Angeklagten wegen täterschaftlichen versuchten Betrugs nicht. Die Strafkammer hat insoweit allein auf ihr erhebliches Eigeninteresse abgestellt, nachdem ihr ein monatliches Gehalt von 1.500 € versprochen worden sei. Dies greift zu kurz.
Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen (BGH NStZ 2006, 454). Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Beteiligten abhängen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 37, 289, 291 mwN; BGHSt - GS - 50, 252, 266 mwN; BGH NStZ 2000, 482, 483). Dabei deutet eine ganz untergeordnete Tätigkeit schon objektiv darauf hin, dass der Beteiligte nur Gehilfe ist (st. Rspr.; vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 39, 56 und 58). An einer an diesem Maßstab ausgerichteten umfassenden Prüfung fehlt es. Sie war auch nicht verzichtbar, weil die Annahme mittäterschaftlicher Begehungsweise auf der Hand gelegen hätte. Vielmehr ergeben sich nach den Feststellungen der Strafkammer gewichtige Anhaltspunkte, die für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit lediglich wegen Beihilfe sprechen. So musste die zuvor als Reinigungskraft beschäftigte Angeklagte T. „überredet“ werden, „als Inhaberin der Firma“ I. S. zu fungieren. Sie war nur „zum Schein“ als Inhaberin der Firma eingesetzt; das Schreiben, das den Vorwurf des Betrugs gegenüber den Mietern der Wohnungen begründet, verfassten die Eheleute H. allein. Der Tatbeitrag der Angeklagten T. bestand insoweit - ohne dass sie auf dessen Inhalt Einfluss gehabt hätte - darin, es zu unterschreiben und zu verteilen.
b) Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat verweist die Sache an das Amtsgericht Eisenach zurück (§ 354 Abs. 3 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 436
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede