HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 461
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 134/15, Beschluss v. 03.03.2016, HRRS 2016 Nr. 461
1. Auf die Revisionen der Angeklagten O. und L. wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 4. Dezember 2014 geändert, soweit es diese Angeklagten betrifft,
a) im Schuldspruch dahin, dass diese Angeklagten jeweils des Betruges in 25 tateinheitlichen Fällen schuldig sind;
b) im Strafausspruch dahin, dass beide Angeklagte unter Wegfall der gegen sie verhängten Einzelstrafen zu Freiheitsstrafen verurteilt sind, der Angeklagte O. zu einer solchen von drei Jahren und neun Monaten, der Angeklagte L. zu einer solchen von drei Jahren und drei Monaten.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten O. und L. sowie die Revision des Angeklagten K. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagten des gemeinschaftlichen Betruges in 25 Fällen schuldig gesprochen. Die Angeklagten K. und O. hat es jeweils zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, den Angeklagten L. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Gegen ihre Verurteilungen wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Sachrüge; die Angeklagten K. und L. beanstanden zudem die Verletzung formellen Rechts.
Die Revisionen der Angeklagten O. und L. führen zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung der Schuld- und Strafaussprüche; die weiter gehenden Rechtsmittel dieser Angeklagten sind - ebenso wie die Revision des Angeklagten K. insgesamt - erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
Zu den Revisionen der Angeklagten O. und L.
1. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht näher ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der von den Angeklagten erhobenen Sachrüge hat lediglich hinsichtlich des vom Landgericht angenommenen Konkurrenzverhältnisses der 25 festgestellten Taten des Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
a) Das Landgericht hat hierzu im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
Die Angeklagten waren Geschäftsführer der O. Verwaltungsgesellschaft mbH, der Angeklagte O. zudem auch deren Alleingesellschafter. Die O. Verwaltungsgesellschaft mbH war ihrerseits persönlich haftende Gesellschafterin der S. GmbH & Co. KG, eines Unternehmens der Lebensmittelbranche, deren Kommanditist der Angeklagte O. war. Die S. GmbH & Co. KG hatte mit der Sü. GmbH einen Factoring-Vertrag geschlossen, wonach fällige Forderungen bis zu einem Ankaufslimit von dieser aufgekauft und im Übrigen treuhänderisch von ihr zum Einzug übernommen wurden. Dies wurde technisch dergestalt umgesetzt, dass Mitarbeiter der S. GmbH & Co. KG die betreffenden Rechnungen in ein Netzwerk einstellten, auf welches auch die Sü. GmbH Zugriff hatte. Diese ermittelte werktäglich eine Gesamtforderungssumme und berechnete unter Berücksichtigung einer Factoring-Gebühr und eines Sicherheitseinbehalts eine Auszahlungssumme, die jeweils nach Prüfung durch Mitarbeiter der Sü. GmbH an die S. GmbH & Co. KG überwiesen wurde.
Nachdem aufgrund von Umsatzrückgängen die Insolvenz der Unternehmensgruppe drohte, beschlossen die drei Angeklagten einvernehmlich, zusätzlich auch Scheinrechnungen einzureichen, um so Liquidität zu generieren. In der Folge wurden zwischen Juni und September 2013 insgesamt 90 Scheinrechnungen über einen Gesamtbetrag von 6.775.723,02 Euro bei der Sü. GmbH eingereicht. Diese wurden von einer Finanzbuchhalterin dem gemeinsamen Tatplan entsprechend jeweils auf Anweisung des Angeklagten K. verfasst und in das Netzwerk eingestellt. Die Sü. GmbH kaufte auch diese vermeintlichen Forderungen an, übernahm die jeweiligen Rechnungssummen und schrieb sie dem Verrechnungskonto gut. Auf diese Weise wurden im Tatzeitraum an insgesamt 25 Tagen jeweils eine oder mehrere Scheinrechnungen eingereicht und von der Sü. GmbH angekauft, die daraufhin mindestens 6.004.878,46 Euro rechtsgrundlos an die S. GmbH & Co. KG auszahlte. Die Angeklagten L. und O. wurden durch den Angeklagten K. durch sog. Reportings und in persönlichen Gesprächen laufend über die Unternehmensentwicklung unterrichtet. Danach war den Angeklagten L. und O. die Höhe der eingebuchten Scheinrechnungen - wenn auch nicht nach tagesaktuellem Stand, so jedenfalls der Größenordnung nach - bewusst.
Das Landgericht ist von Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB ausgegangen, hat die Voraussetzungen eines sog. uneinheitlichen Organisationsdelikts mit der Folge einer einzigen materiell-rechtlichen Tat jedoch für alle drei Angeklagten verneint.
b) Diese rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen zwar entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten O. und L. seien als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) der Betrugstaten anzusehen. Denn es ist den Urteilsgründen jedenfalls in ihrem Gesamtzusammenhang zu entnehmen, dass alle drei Angeklagten nicht nur aufgrund des gemeinsamen Tatentschlusses und ihrer gleichberechtigten Stellung sämtlich Tatherrschaft innehatten und die Taten als eigene wollten, sondern dass sie als Geschäftsführer, der Angeklagte O. außerdem als Alleingesellschafter der O. Verwaltungsgesellschaft mbH, auch ein erhebliches Eigeninteresse hatten.
c) Hingegen hält bei den Angeklagten O. und L. die Annahme von Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB) in den vom Landgericht festgestellten 25 Einzelfällen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend ab.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich die Zahl der rechtlich selbständigen Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB bei Zusammenarbeit mehrerer Beteiligter im Rahmen einer Tatserie für jeden Täter regelmäßig nach der Zahl seiner eigenen Handlungen zur Verwirklichung der Einzeldelikte. Wirkt ein Täter an einzelnen Taten selbst nicht unmittelbar mit, sondern erschöpfen sich seine Tatbeiträge hierzu im Aufbau und der Aufrechterhaltung des auf die Straftaten ausgerichteten „Geschäftsbetriebs“, sind diese Tathandlungen als - uneigentliches - Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat zusammenzufassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Juli 2009 - 2 StR 160/09, StV 2010, 363, vom 14. November 2012 - 3 StR 403/12, StV 2013, 386, 387, und vom 23. Mai 2013 - 2 StR 555/12, wistra 2013, 389 f.). Ohne Bedeutung ist dabei, ob Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2011 - 4 StR 346/11, wistra 2012, 67, 68; Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, NJW 2004, 2840, 2841, jeweils mwN).
bb) Gemessen daran liegt bei den Angeklagten L. und O. jeweils nur eine Tat des Betruges in 25 tateinheitlichen Fällen vor.
Die Urteilsgründe belegen keine individuellen, die einzelnen Taten der Betrugsserie fördernden Tatbeiträge der Angeklagten O. und L. Vielmehr beschränkten sich die Tatbeiträge dieser beiden Angeklagten auf die Mitwirkung an der Entwicklung des gemeinsamen Tatplans, der Fassung des Tatentschlusses, sowie darauf, dass sie die aufgrund dieses Tatplans durch den Angeklagten K. im Einzelnen veranlasste Einreichung von Scheinrechnungen als gleichberechtigte Geschäftsführer mittrugen. Zusätzlich wurden sie über den Fortgang der Einreichung der Scheinrechnungen jedenfalls in den wesentlichen Grundzügen laufend vom Angeklagten K. informiert.
d) Der Senat ändert die Schuldsprüche in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. Es ist auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden, die eine andere konkurrenzrechtliche Beurteilung tragen könnten. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da nicht anzunehmen ist, dass sich die geständigen Angeklagten wirksamer als geschehen verteidigt hätten.
Die Annahme von Gewerbs- und Bandenmäßigkeit wird durch die Änderung des Konkurrenzverhältnisses nicht berührt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 ff., 187 f.). Dass der Angeklagte K. als Mittäter die einzelnen Taten tatmehrheitlich begangen hat, ist ohne Bedeutung (BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Januar 2008 - 5 StR 572/07, wistra 2008, 181, 182).
3. Die Änderung der Schuldsprüche hat zwar zur Folge, dass die verhängten Einzelstrafen entfallen. Der Senat lässt jedoch die bisherigen Gesamtstrafen als Einzelstrafen bestehen. Die Schuldspruchänderung berührt den Unrechts- und Schuldgehalt der Taten nicht. Der Senat kann angesichts der Strafzumessungserwägungen ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses auf niedrigere Strafen erkannt hätte.
Zur Revision des Angeklagten K.
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der vom Angeklagten K. erhobenen Sachrüge hat keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.
1. Insbesondere wird die Annahme von 25 rechtlich selbständigen Betrugstaten von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen, wonach der Angeklagte in jedem dieser Fälle den aktuellen Finanzbedarf der Unternehmensgruppe ermittelte und die ihm unterstellte Finanzbuchhalterin sodann anwies, tatplangemäß eine entsprechende Scheinrechnung zu erstellen.
2. Wegen der weiteren sachlich-rechtlichen Beanstandungen verweist der Senat ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 16. Oktober 2015.
Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig, auch die Angeklagten L. und O. mit den gesamten durch ihre Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 461
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede