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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2013
14. Jahrgang
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1. Zwar ist anerkannt, dass insbesondere bei spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten darauf geschlossen werden kann, dass das – selbständig neben dem Wissenselement stehende – voluntative Vorsatzelement gegeben ist (vgl. BGH NStZ 2011, 338 mwN). Bei einem spontanen Handeln in affektiver Erregung handelt es sich aber um ein ambivalentes Beweisanzeichen, das, je nachdem, wie das Tatgericht es im Einzelfall bewertet, rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen kann (vgl. BGH NStZ 2009, 629, 630).
2. Eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Der Tatrichter ist indes nicht davon befreit, basierend auf konkreten Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Umständen der Tat erkennen zu lassen, warum er einem ambivalenten Beweiszeichen überhaupt eine indizielle Bedeutung in eine Richtung zumisst.
3. Erheblich im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 ist eine Entstellung zwar nur dann, wenn sie zumindest dem Gewicht der geringsten Fälle nach § 226 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB gleichkommt. Dies kann jedoch im Einzelfall bei besonders großen oder markanten Narben der Fall sein; insbesondere aber auch bei verunstaltenden Narben im Gesicht eines Opfers (vgl. BGH NJW 1967, 297).
1. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und ihn billigt oder sich um des erstrebten Ziels willen mit ihm abfindet. Da die Schuldformen des bedingten Vorsatzes und der bewussten Fahrlässigkeit im Grenzbereich eng beieinander liegen, müssen vor der Annahme bedingten Vorsatzes beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Willens- als auch das Wissenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalls, in die die objektive Gefährlichkeit der Gewalthandlung, aber auch die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motive mit einzubeziehen sind (st. Rspr).
2. Zwischen einem vollendeten vorsätzlichen Tötungsdelikt und einem vollendeten vorsätzlichen Körperverletzungsdelikt liegt keine Tateinheit vor, sondern das Körperverletzungsdelikt tritt – soweit tatbestandlich überhaupt anwendbar– als subsidiär zurück (st. Rspr.). Nichts anderes kann gelten, wenn sowohl das Tötungsdelikt als auch das Körperverletzungsdelikt im Versuchsstadium steckengeblieben sind. Ein eine andere Beurteilung rechtfertigender selbständiger Unwertgehalt der Körperverletzung liegt in Fällen, in denen nach den Feststellungen bei einer einheitlichen Verletzungshandlung alle Verletzungsfolgen – und damit auch solche im Sinne des § 226 Abs. 1 StGB – bis hin zum Tode gleichermaßen billigend in Kauf genommen werden, nicht vor.
1. Der schwere Bandendiebstahl und Sachbeschädigung stehen im Verhältnis der Tateinheit zueinander. Gesetzeseinheit zwischen § 244a StGB und zwischen § 303 StGB käme nur dann in Betracht, wenn wegen der in § 244a StGB als Tatbestandsmerkmal verlangten Voraussetzungen der unrechtssteigernden Merkmale aus § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB kein eigener, nicht bereits über den schweren Bandendiebstahl erfasster Unrechtsgehalt der Sachbeschädigung mehr vorhanden wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
2. Die gegen Gesetzeseinheit von Diebstahl in einem besonders schweren Fall und Sachbeschädigung bei Zurücktreten letzterer sprechenden Umstände gelten unabhängig davon, ob die unrechtssteigernden Merkmale gesetzestechnisch als Regelbeispiele wie in § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB oder als Tatbestandsmerkmale wie in § 244a Abs. 1 StGB ausgestaltet sind.
1. Der Senat tritt der Ansicht des anfragenden 3. Strafsenats bei (vgl. schon Senat, NJW 1976, 1698, 1699). Für das vollende Absetzen einer Sache ist ein Absatzerfolg erforderlich.
2. Soweit die Abgrenzung zwischen einer als Erfolgsdelikt verstandenen Tatvariante des Absetzens und der Tatvariante des Einem-Dritten-Verschaffens inmitten steht, wird es Aufgabe der Rechtsprechung sein, klare Abgrenzungskriterien zu entwickeln. Es liegt nahe, die beiden Varianten danach zu differenzieren, in wessen „Lager“ der Täter objektiv und subjektiv steht.
Eine Verurteilung wegen vollendeter Hehlerei durch Absetzen setzt die Feststellung eines Absatzerfolges voraus (hier: Zustimmung des 5. Strafsenats).
Droht der Täter gegenüber einem potentiellen Nötigungs-/Erpressungsopfer mit der Anwendung von Gewalt gegen nichtmenschliche Objekte (hier: mit der Tötung des Hundes des Drohungsadressaten), liegt unabhängig von der Intensität der willensbeugenden Wirkung keine qualifizierte Drohung mit einer Gefahr für Leib oder Leben i.S.d. §§ 249, 255 StGB vor.
1. Zueignung ist die Anmaßung der Stellung eines Eigentümers an der aus fremdem Gewahrsam genommenen Sache. Kennzeichnend für diese Eigentumsanmaßung ist die Inbesitznahme der Sache zu einem Zweck, der mit der Anerkennung fremden Eigentums nicht zu vereinbaren ist. Wie der spätere konkrete Umgang mit der Sache nichts mit dem Eigentumserwerb selbst zu tun hat, sondern nur als Akt der Ausübung des Eigentumsrechts zu verstehen ist, so darf beim Diebstahl aber die (geplante) Sachverwendung nicht mit der Zueignung als dem angemaßten Eigentumserwerb gleichgesetzt werden. Weder das Fortschaffen vom Tatort noch das bloße Verbergen eines weggenommenen Gegenstandes sind allein geeignete Kriterien der Abgrenzung, da sie nicht hinreichend zwischen bloßer Gewahrsams-Lockerung und der Begründung neuen Gewahrsams unterscheiden.
2. Es liegt bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH NStZ 1992, 587, 588).
3. Die Voraussetzungen eines Rücktritts gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB liegen grundsätzlich schon dann nicht vor, wenn der Angeklagte keine aktiven Rücktrittsbemühungen gezeigt hat. Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB reicht es bei mehreren Tatbeteiligten grundsätzlich nicht hin, wenn einer von diesen einfach nur die weitere Tatausführung aufgibt. Dies ist unabhängig von der Vorstellung des Angeklagten zu Rettungsbemühungen Dritter. Ein Ausnahmefall in dem bereits die Untätigkeit eines Angeklagten oder sein Nichtweiterhandeln die Tatvollendung verhindert, liegt nicht vor, wenn es aufgrund der konkreten Situation am Tatort, gerade auch wegen der selbst bei gezieltem Suchen nur schweren Auffindbarkeit des Opfers im dunklen und infolge des wegen der zahlreichen parkenden Autos unübersichtlichen Hofbereichs, praktisch vom Zufall abhing, ob und wann der Geschädigte gefunden würde.
1. Dass der Verlust des illegalen Besitzes an Betäubungsmitteln ein vom Recht anerkannter Vermögensschaden ist, ist jedenfalls nicht unbestritten und bedarf deshalb in einem dies bejahenden Urteil näherer Darlegung.
2. Wird dem Angeklagten in der Anklage eine mittäterschaftlich begangene Erpressung vorgehalten, muss ihm
gemäß § 265 Abs. 1 StPO mitgeteilt werden, dass ihm nunmehr der Vorwurf einer Alleintäterschaft gemacht wird.
1. Bei § 226 Abs. 2 StGB handelt es sich nicht nur um eine Strafzumessungsregel, sondern um eine Qualifikation gegenüber dessen Absatz 1, die durch das „absichtliche“ oder „wissentliche“ Verursachen der schweren Folge gekennzeichnet ist. Hierfür reicht zwar aus, dass der Täter die schwere Körperverletzung als sichere Folge seines Handelns voraussieht (vgl. BGH NJW 2001, 980, 981). Dafür genügt es nicht, dass der Angeklagte wusste und wollte, dass sein Opfer „erheblich verletzt“ wird.
2. Der Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung tritt gegenüber einer Unterlassungstäterschaft bezüglich des ausschlaggebenden Geschehens lediglich als subsidiär zurück. Wird er dennoch im Schuldspruch aufgenommen, liegt darin keine Beschwer des Angeklagten.
3. Bei der Ablehnung des hier nicht lediglich eine Negativtatsache enthaltenden Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung aus tatsächlichen Gründen darf die Beweiserheblichkeit einer Indiztatsache nicht nur mit der Begründung, auch wenn der Zeuge die Behauptung bestätige, müsse dies nicht richtig sein, verneint werden (vgl. BGH StraFo 2008, 29, 30). Zudem ist das Ergebnis der Prüfung - soweit es nicht für alle Beteiligten auf der Hand liegt (vgl. BGH NJW 2011, 1299) - mit den hierfür maßgeblichen Erwägungen konkret darzulegen, um dem Antragsteller zu ermöglichen, sein weiteres Prozessverhalten hierauf einzurichten. Die Anforderungen an die Begründung entsprechen dabei grundsätzlich den Darlegungserfordernissen bei der Würdigung von durch die Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen in den Urteilsgründen (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 255).
Bei der Erpressung ist die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der zumindest bedingte Vorsatz des Täters erstrecken muss. Der Täter will sich oder einen Dritten dann zu Unrecht bereichern, wenn er einen Vermögensvorteil erstrebt, auf den er oder der Dritte keinen rechtlich begründeten Anspruch haben (vgl. BGH NStZ 2011, 519 mwN). Stellt sich der Täter für die erstrebte Bereicherung eine in Wirklichkeit nicht bestehende Anspruchsgrundlage vor, so handelt er dagegen in einem Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB (st. Rspr.).
1. Heimtücke im Sinne des § 211 StGB setzt Arglosigkeit und dadurch bedingte Wehrlosigkeit des Opfers voraus. Die Arglosigkeit entfällt, wenn das Opfer mit einem jedenfalls erheblichen körperlichen Angriff rechnet. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem der Täter den ersten Angriff mit Tötungsvorsatz führt. Jedoch entfällt die Arglosigkeit dann nicht, wenn die Spanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem Angriff zu kurz war, um dem Opfer noch zu ermöglichen, dem Angriff zu begegnen
2. Strafmilderung wegen Reizung zum Zorn (§ 213 1. Alt. StGB) kommt einem ohnehin zur Tat Entschlossenen nicht zugute. Zur Tat entschlossen ist dabei auch derjenige, der die Tat nur bei einer von seinem Willen unabhängigen Situation begehen will (vgl. BGHSt 21, 14).
1. Für eine Bewertung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Art der Behandlung durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalls generell dazu geeignet ist, das Leben des Opfers zu gefährden. Tritte oder heftige Schläge gegen den Kopf des Opfers können eine das Leben gefährdende Behandlung darstellen. Dabei ist aber die konkrete Schädlichkeit der Einwirkung auf den Körper des jeweiligen Verletzten im Einzelfall zu berücksichtigen.
2. Nach § 18 Abs. 2 JGG ist die Jugendstrafe so zuzumessen, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist. Dies bedeutet nicht, dass die Erziehungswirkung als einziger Gesichtspunkt heranzuziehen ist. Vielmehr sind daneben andere Strafzwecke zu beachten, insbesondere bei Gewaltdelikten mit erheblichen Folgen für das Opfer auch das Erfordernis gerechten Schuldausgleichs. Das Gewicht des Tatunrechts muss gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Verurteilten abgewogen werden. Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen dabei regelmäßig nicht im Widerspruch.
Berührungen anderer Körperstellen als der Geschlechtsteile stellen nicht ohne Weiteres Handlungen „von einiger Erheblichkeit“ im Sinne des § 184g Nr. 1 StGB dar.