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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2013
14. Jahrgang
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1. Zum Beweiswert der Informationen, die sich auf einer Steuer-CD hinsichtlich eines im Ausland bei der LGT-Bank geführten Kontos befinden, unter dem Gesichtspunkt der Steuerhinterziehung.
2. Lässt sich einer Daten-CD letztlich allenfalls ein bestimmter Kontostand zu einem bestimmten Zeitpunkt und die Berechtigung der Angeklagten hieran entnehmen, genügt dies allein – unabhängig von der Frage, ob die auf dem Datenträger vorhandenen Unterlagen verwertbar sind –, nicht für den Tatnachweis einer Steuerhinterziehung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine Überführung des Vermögens in andere, nicht steuerpflichtige Werte möglich ist. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass nicht benötigte Gelder zinsträchtig angelegt werden, genügt für die Überzeugungsbildung nicht. Letztlich ist nur eine recht wahrscheinliche, für eine Verurteilung indes nicht ausreichende Vermutung der Steuerhinterziehung begründet.
1. Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung kann verfassungsrechtlich geboten sein, wenn nur auf diese Weise die Gewährung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit, insbesondere eine beschleunigte Behandlung von Strafsachen, erreicht werden kann. Das Beschleunigungsgebot lässt indes das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht vollständig zurücktreten. Vielmehr besteht Anspruch auf eine zügige Entscheidung durch diesen. Daher muss in derartigen Fällen das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter mit dem rechtsstaatlichen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden (vgl. BGHSt 53, 268, 270 f.).
2. § 21e Abs. 3 GVG lässt - ohne dass insoweit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entgegenstünde - eine Änderung der Zuständigkeit auch für bereits anhängige Verfahren zu, jedenfalls dann wenn die Neuregelung generell gilt, zum Beispiel mehrere anhängige Verfahren und eine unbestimmte Vielzahl künftiger, gleichartiger Fälle erfasst und nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht. In jedem Fall ist aber erforderlich, dass jede Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres, die bereits anhängige Verfahren erfasst, geeignet ist, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Änderungen der Geschäftsverteilung, die hierzu nicht geeignet sind, können vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689, 2690 mwN).
3. Eine Überlastung des Spruchkörpers im Sinne des § 21e Abs. 3 GVG liegt vor, wenn über einen längeren Zeitraum ein erheblicher Überhang der Eingänge über die Erledigungen zu verzeichnen ist, sodass mit einer Bearbeitung der Sachen innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht zu rechnen ist und sich die Überlastung daher als so erheblich darstellt, dass der Ausgleich nicht bis zum Ende des Geschäftsjahrs zurückgestellt werden kann.
4. Die Entscheidung des Präsidiums nach § 21e Abs. 3 GVG unterliegt nicht lediglich einer Vertretbarkeits- oder Willkürkontrolle, sie ist vielmehr einer vollständigen
revisionsgerichtlichen Überprüfung unterworfen, insbesondere auch daraufhin, ob eine Überlastung einer Strafkammer vorgelegen hat und die vom Präsidium getroffenen Maßnahmen erforderlich waren (vgl. BGHSt 53, 268, 275 f.). Dabei sind vom Revisionsgericht nur solche Umstände heranzuziehen, die bis zur Entscheidung der neu zur Entscheidung berufenen Strafkammer über einen in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwand bekannt gemacht sind (vgl. BGHSt 53, 268, 282 f.).
1. Zwar sieht § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO die Angabe einer Unter- und einer Obergrenze der Strafe vor. Damit ist nach dem Regelungsgehalt der Vorschrift aber nicht die Mitteilung der sogenannten Sanktionsschere gemeint, sondern allein der für den Fall einer erfolgreichen Verständigung – deren Bestandteil in aller Regel ein Geständnis ist (vgl. § 257c Abs. 2 Satz 2 StPO) – konkret in Betracht kommende Strafrahmen.
2. Rügt die Revision, dem Angeklagten sei „bei einem voll umfassenden Geständnis … im Sinne der Anklage“ lediglich „eine Strafuntergrenze von drei Jahren und neun Monaten“ zugesichert, nicht aber eine Strafobergrenze „für den Fall des Bestreitens“ genannt worden, damit er seinen prozessualen Vorteil erkennen könne, richtet sich der Angriff eindeutig nur auf die seitens des Tatgerichts unterlassene Mitteilung einer Strafobergrenze „im Bestreitensfalle“; sie erweist sich als nicht auslegungsfähig. Damit ist dem Senat eine Prüfung verwehrt, ob das Landgericht durch Nichtangabe einer Strafobergrenze im Sinne des § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO rechtsfehlerhaft gehandelt haben könnte. Die Angriffsrichtung bestimmt den Prüfungsumfang seitens des Revisionsgerichts.
Zwar dient auch die Vorschrift des § 243 Abs. 4 StPO der Transparenz des Strafverfahrens, weil ihr Sinn und Zweck auch ist, die Öffentlichkeit über etwaige Vorgespräche der Verfahrensbeteiligten zu informieren. Allerdings kann der Verstoß gegen Mitteilungspflichten über Vorgänge außerhalb der Hauptverhandlung nicht mit einem Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht (§ 169 Satz 1 GVG) gleichgesetzt werden. Denn die Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 StPO sichert in erster Linie den Informationsgleichstand sämtlicher Verfahrensbeteiligter. Demgegenüber bezieht sich § 169 Satz 1 GVG auf die unmittelbare Öffentlichkeit im Sinne einer Möglichkeit der Teilnahme an der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht (vgl. BGHSt 36, 119, 122).
Es bestehen besondere Anforderungen an die tatrichterliche Beweiswürdigung in Fällen, in denen sich in Ermangelung objektiver Beweisanzeichen die gegensätzlichen Aussagen des Angeklagten und des Tatopfers gegenüberstehen oder in denen ein Zeuge, auf dessen Aussage die Verurteilung des Täters maßgeblich gestützt wird, bereits wegen Beteiligung an derselben Tat verurteilt wurde oder die Angaben des betreffenden Zeugen auf eine verfahrensbeendende Absprache in seinem eigenen Strafverfahren zurückzuführen sind (st. Rspr). Die Urteilsgründe müssen dann erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, in seine Überlegungen einbezogen und in einer Gesamtschau gewürdigt hat. Bei einem Tatbeteiligten oder Mitangeklagten ist je nach den Umständen des Falles in Betracht zu ziehen, dass dieser den Angeklagten um eigener Vorteile willen zu Unrecht belasten könnte.
1. Auch wenn Verbindung und Trennung von Verfahren grundsätzlich dem Ermessen des Tatrichters überlassen sind, kann ein Beschwerdeführer im Revisionsverfahren mit der Verfahrensrüge geltend machen, dass der Tatrichter das ihm zustehende Ermessen missbraucht hat (vgl. BVerfG StV 2002, 578). Ob die Trennung hingegen zweckmäßig war, hat das Revisionsgericht anders als das Beschwerdegericht nicht zu überprüfen.
2. Für Schöffen gelten keine anderen Maßgaben für die Unvoreingenommenheit als bei Berufsrichtern, auch wenn es sich um schwierige Beweissituationen handelt (vgl. BGHSt 42, 191, 193 f.). Mithin stellt eine Vorbefassung mit dem Sachverhalt durch Verurteilung eines Mittäters für sich genommen keinen Ablehnungsgrund dar.
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schluss-
folgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.).
2. Glaubt das Gericht in Teilen der Aussage des Belastungszeugen, obwohl es ihr in anderen Teilen nicht folgt, bedarf dies regelmäßig einer besonderen Begründung (vgl. BGHSt 44, 153).
Das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten ist dem Nebenkläger, der nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung beantragt, nach dem allgemeinen Verfahrensgrundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen (st. Rspr.). Deshalb erfordert die Begründung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung aller zwischen dem Beginn und Ende der versäumten Frist liegenden Umstände, die für die Frage bedeutsam sind, wie und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zur Versäumung gekommen ist; zu dem erforderlichen Tatsachenvortrag gehört dabei auch, dass der Antragsteller einen Sachverhalt vorträgt, der ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Verschulden ausschließt (BGH, Beschluss vom 17. März 2010 - 2 StR 27/10 mwN).
Der Grundsatz materieller Unmittelbarkeit ist in § 250 StPO auf den Vorrang des Personalbeweises vor dem Urkundenbeweis begrenzt. Eine Ausweitung auf das allgemein sachnächste Beweismittel ergibt sich aus § 250 StPO nicht.
Eine Frist kann nur derjenige versäumen, der sie einhalten wollte, aber nicht eingehalten hat. Wer von einem befristeten Rechtsbehelf bewusst keinen Gebrauch macht, war nicht im Sinne des § 44 Satz 1 StPO verhindert (vgl. BGH NStZ 2001, 160).
Mit einer Sache befasst im Sinne des § 462a Abs. 1 ist ein Gericht schon, sobald eine nachträgliche Entscheidung von Amts wegen erforderlich sein kann, weil Tatsachen aktenkundig sind, die einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung erfordern können (vgl. BGHSt 30, 189). Befasst ist ein Gericht auch dann, wenn es zunächst nichts veranlasst, sondern den Ausgang des neuen Verfahrens abwartet, aus dem sich Widerrufsgründe ergeben können.