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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1508

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 44/24, Urteil v. 31.07.2024, HRRS 2024 Nr. 1508


BGH 2 StR 44/24 - Urteil vom 31. Juli 2024 (LG Köln)

Gefährliche Körperverletzung (gemeinschaftlich: Eigenhändigkeit, bewusste Verstärkung der Körperverletzungshandlung des Täters, Flüchten); Strafzumessung (erheblicher Zeitablauf seit der Tatbegehung; Untersuchungshaft: besondere Vorsichtsmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie; Härteausgleich: zusätzliche Vollstreckung von Strafen, Gerichte anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Voraussetzungen für eine Gesamtstrafenbildung); Strafantrag (konkludente Verneinung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung); Einziehung des Wertes von Taterträgen (Wert); Beweiswürdigung.

§ 224 StGB; § 230 StPO; § 46 StGB; § 73c StGB; § 261 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB macht sich schuldig, wer die Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Die Qualifikation setzt eine Beteiligung voraus, durch die sich die Gefährlichkeit der konkreten Tatsituation für das Opfer erhöht. Für die Verwirklichung des Qualifikationsmerkmals wird Eigenhändigkeit nicht vorausgesetzt; ausreichend ist vielmehr, wenn ein am Tatort anwesender weiterer Beteiligter die Körperverletzungshandlung des Täters - physisch oder psychisch - bewusst in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist.

2. Dies ist der Fall, wenn das Opfer durch die Präsenz mehrerer Personen auf der Verletzerseite insbesondere auch wegen des erwarteten Eingreifens des oder der anderen Beteiligten in seinen Chancen beeinträchtigt wird, dem Täter der Körperverletzung Gegenwehr zu leisten, ihm auszuweichen oder zu flüchten. Daran fehlt es, wenn sich mehrere Opfer jeweils nur einem Angreifer ausgesetzt sehen, ohne dass die Positionen ausgetauscht werden. In einem solchen Fall stehen die Beteiligten dem jeweiligen Geschädigten nämlich gerade nicht gemeinschaftlich gegenüber.

3. Bei der Strafzumessung sind etwaige Härten in den Blick zu nehmen, die durch die zusätzliche Vollstreckung von Strafen drohen, welche von Gerichten anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union verhängt wurden, wenn diesbezüglich in zeitlicher Hinsicht die Voraussetzungen für eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 Abs. 1 StGB erfüllt wären, eine solche aber aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in die Vollstreckungshoheit der Mitgliedstaaten nicht erfolgen kann. Dies gilt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unabhängig davon, ob ein Gerichtsstand in Deutschland eröffnet gewesen wäre. Soweit der Senat mit Urteil vom 10. Juni 2009 eine andere Auffassung vertreten hat, hält er hieran aufgrund der nachträglichen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht mehr fest.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 28. Juli 2023, soweit der Angeklagte verurteilt ist,

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung schuldig ist,

b) aufgehoben, jeweils mit den zugrundeliegenden Feststellungen zum Wert der Tatbeute,

aa) im Strafausspruch,

bb) in der Einziehungsentscheidung.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt, die „Einziehung eines Geldbetrags in Höhe von 588.279,50 EUR als Wertersatz“ als Gesamtschuldner mit den gesondert Verfolgten M. L. und D. D. angeordnet und den Anrechnungsmaßstab für eine in Spanien verbüßte Auslieferungshaft mit 1:1 bestimmt. Hinsichtlich zweier weiterer Tatvorwürfe hat die Strafkammer den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen die Freisprüche in den Fällen 1 und 2 der Anklage. Außerdem beanstandet sie, dass die Strafkammer im Fall 3 der Anklage von einer tateinheitlichen Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4, § 25 Abs. 2, § 52 StGB, zumindest aber wegen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1, § 25 Abs. 2, § 52 StGB abgesehen habe. Das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung haben die Staatsanwaltschaft und der Generalbundesanwalt im Revisionsverfahren ausdrücklich angenommen. Des Weiteren rügt die Staatsanwaltschaft Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten in der Strafzumessung.

Das vom Generalbundesanwalt teilweise vertretene Rechtsmittel hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.

I.

1. Das Landgericht hat zu dem der Verurteilung zugrundeliegenden Fall 3 der Anklage im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der gesondert Verfolgte L. hatte im Spätsommer 2016 Informationen über die Firma F. GmbH in E. erhalten, die Werttransporte mit dem Schwerpunkt Schmuckwaren durchführte. L. fasste den Entschluss, die Fahrer eines solchen Werttransports beim Entladen des Transportfahrzeugs mit Schusswaffen zu überfallen, um die transportierten Schmuckteile und Edelmetalle zu entwenden und gewinnbringend zu veräußern. Notfalls sollte auch physische Gewalt eingesetzt werden. Den gesondert Verfolgten D. l und den Angeklagten gewann er nach Maßgabe dieser Planung für eine Tatbeteiligung.

Am 7. Oktober 2016 fuhren die drei Tatgenossen gemeinsam nach E. zum Gelände der F. GmbH. Als die Werttransportfahrer M. und O. gerade elf Pakete, davon neun Pakete mit Luxusarmbanduhren, Schmuckteilen und Edelmetallen zweier Firmen aus der Schweiz im Wert von 419.845,47 EUR sowie 184.363 CHF aus dem Transporter in das Lager umluden, verließen die mit schwarzen Sturmhauben maskierten und dunkel gekleideten L. und D. ihr Versteck. Beide liefen mit geladener Handfeuerwaffe tatplangemäß auf den Transporter zu. Jedenfalls D. hatte seine Handfeuerwaffe gezogen. Zudem führte er - in Absprache mit L. und dem Angeklagten - einen Teleskopschlagstock bei sich. D. sprang auf das Podest, richtete die mitgeführte Pistole aus einer Distanz von etwa 50 cm auf den Kopf des O. und befahl ihm, in den Transporter zu steigen. Dieser Aufforderung kam O. nach. Zwischenzeitlich war L. zu M. geeilt.

Als dieser sah, dass sein Kollege überfallen wurde, und seine Überraschung darüber äußerte, versetzte L. ihm einen Kinnhaken, um jegliche Gegenwehr zu verhindern. M. stieß infolge dessen mit seinem Kopf gegen die Fahrzeugsäule und mit dem Kiefer gegen die Ladekante des Transporters, woraufhin er bewusstlos zu Boden ging. Mit dieser Gewaltanwendung waren D. und der Angeklagte einverstanden.

Der Angeklagte, der das Geschehen beobachtet und auf die Überwältigung der Fahrer gewartet hatte, fuhr rückwärts an den Werttransporter heran. Zu dritt luden sie die neun werthaltigen Pakete in das Fluchtfahrzeug, um deren Inhalt später gewinnbringend zu veräußern. Sodann flüchteten sie vom Tatort.

Der Inhalt der erbeuteten Pakete, der zum Tatzeitpunkt noch im Eigentum der beiden Firmen aus der Schweiz stand, wurde tatplangemäß erheblich unter Wert an einen von L. organisierten Hehler veräußert. Dem Angeklagten verblieb - genau wie seinen beiden Komplizen - ein Anteil von etwa 30.000 bis 40.000 EUR. Die Beute ist bis heute verschwunden. Der den betroffenen Firmen entstandene Schaden wurde durch deren Versicherer in vollem Umfang reguliert, wobei die Firmen eine Selbstbeteiligung in Höhe von 5.000 CHF bzw. in Höhe von 25.000 CHF zu tragen hatten.

Die Strafkammer hat den Angeklagten aufgrund seiner Beteiligung an dieser Tat wegen besonders schweren Raubes gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1, § 25 Abs. 2 StGB verurteilt. An einer tateinheitlichen Verurteilung wegen eines Körperverletzungsdeliktes hat sie sich gehindert gesehen, da die Körperverletzung zum Nachteil des M. nicht gemeinschaftlich im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB begangen worden sei und hinsichtlich einer Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB weder ein Strafantrag vorliege noch das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung angenommen worden sei (§ 230 Abs. 1 Satz 1 StGB).

2. Die Strafkammer hat den Angeklagten von den unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklagevorwürfen freigesprochen, am 17. Juli 2015 in K. gemeinschaftlich einen Raub (Fall 1 der Anklage) und am 7. Oktober 2016, ebenfalls in K., einen besonders schweren Raub, bei dem er eine andere Person vorsätzlich verletzte und die tatsächliche Gewalt über eine Kriegswaffe ausübte (Fall 2 der Anklage), begangen zu haben. Sie hat detaillierte Feststellungen zu den Raubüberfällen getroffen, konnte sich aber von einer Mitwirkung des Angeklagten an den Taten nicht überzeugen.

II.

Die teilweise vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, soweit sie im Fall 3 der Anklage die unterbliebene Verurteilung wegen eines Körperverletzungsdeliktes und die Strafzumessung beanstandet. Das unbeschränkt eingelegte Rechtsmittel führt zudem zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung. Im Übrigen ist es unbegründet.

1. Der Schuldspruch ist dahingehend zu korrigieren, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit der vom Landgericht tateinheitlich rechtsfehlerfrei festgestellten Körperverletzung gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1, § 223 Abs. 1, § 52 StGB schuldig ist.

a) Entgegen der Ansicht der Revision begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass eine Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB unterblieben ist.

aa) Einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB macht sich schuldig, wer die Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Die Qualifikation setzt eine Beteiligung voraus, durch die sich die Gefährlichkeit der konkreten Tatsituation für das Opfer erhöht (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 - 2 StR 188/16, NJW 2017, 1894). Für die Verwirklichung des Qualifikationsmerkmals wird Eigenhändigkeit nicht vorausgesetzt; ausreichend ist vielmehr, wenn ein am Tatort anwesender weiterer Beteiligter die Körperverletzungshandlung des Täters - physisch oder psychisch - bewusst in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. April 2018 - 2 StR 436/17, NStZ 2019, 612, 613; Beschluss vom 21. Juli 2015 - 3 StR 261/15, Rn. 4). Dies ist der Fall, wenn das Opfer durch die Präsenz mehrerer Personen auf der Verletzerseite insbesondere auch wegen des erwarteten Eingreifens des oder der anderen Beteiligten in seinen Chancen beeinträchtigt wird, dem Täter der Körperverletzung Gegenwehr zu leisten, ihm auszuweichen oder zu flüchten (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2002 - 5 StR 210/02, BGHSt 47, 383, 387). Daran fehlt es, wenn sich mehrere Opfer jeweils nur einem Angreifer ausgesetzt sehen, ohne dass die Positionen ausgetauscht werden. In einem solchen Fall stehen die Beteiligten dem jeweiligen Geschädigten nämlich gerade nicht gemeinschaftlich gegenüber (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2015 - 3 StR 171/15, NStZ 2015, 584, 585; vom 25. Juli 2017 - 3 StR 93/17, NStZ-RR 2017, 339; vom 28. November 2023 - 6 StR 490/23, NStZ-RR 2024, 77).

bb) Hieran gemessen tragen die Feststellungen eine gemeinschaftliche Begehungsweise im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht. Die Strafkammer hat festgestellt, dass der gesondert Verfolgte L. dem Geschädigten M. einen Kinnhaken versetzte, während sich der gesondert Verfolgte D. auf dem Podest in einigen Metern Abstand dem weiteren Geschädigten O. zugewandt hatte, den er mit einer Pistole bedrohte. Etwaige Unterstützungshandlungen hinsichtlich des durch L. ausgeführten Schlages hat die Strafkammer - auf Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung - ausdrücklich nicht festgestellt. Der Angeklagte befand sich während dieses Geschehens abseits im Fluchtfahrzeug, so dass auch von ihm keine Unterstützungshandlungen ausgingen, die die Lage des Geschädigten M. verschlechtert hätten.

Soweit die Revision zutreffend darauf hinweist, dass die gesondert Verfolgten L. und D. sich in unmittelbarer Nähe zueinander aufhielten und D. jederzeit gefahrenerhöhend in das Geschehen hätte eingreifen können, ändert das an dem vorstehenden Befund nichts. Der Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt eine gemeinschaftliche Begehungsweise voraus und lässt nicht genügen, dass eine solche jederzeit möglich gewesen wäre.

b) Nachdem die Staatsanwaltschaft und der Generalbundesanwalt im Revisionsverfahren gemäß § 230 Abs. 1 Satz 1 StGB das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung wegen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) angenommen haben (vgl. dazu BGH, Urteil vom 1. Juni 2011 - 2 StR 90/11, Rn. 16; Beschlüsse vom 13. April 2023 - 4 StR 499/22, Rn. 5 mwN; vom 13. April 2023 - 4 StR 499/22, Rn. 5; MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl., § 230 Rn. 42 mwN), liegen die Prozessvoraussetzungen jedenfalls nunmehr vor. Der Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung in der Revisionsinstanz steht nicht entgegen, dass die Staatsanwaltschaft auf den rechtlichen Hinweis der Strafkammer vom 8. Mai 2023, nach welchem anstelle einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung auch eine Verurteilung wegen Körperverletzung in Betracht komme, eine ausdrückliche Erklärung hinsichtlich des Verfolgungswillens der Staatsanwaltschaft nicht abgegeben hat; eine konkludente Verneinung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ist darin nicht zu sehen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2011 - 5 StR 346/11). Verfolgungsverjährung nach § 78 Abs. 1 und 3 Nr. 4 StGB ist hinsichtlich der vorsätzlichen Körperverletzung nicht eingetreten, da diese durch den Erlass des Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom 3. September 2021 unterbrochen worden ist (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StGB).

c) Der Senat ändert den Schuldspruch in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst. Ergänzende Feststellungen, die zu einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung führen könnten, sind nicht zu erwarten (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2011 - 2 StR 90/11, Rn. 17). Auch § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchkorrektur nicht entgegen, da der Angeklagte am 8. Mai 2023 ausdrücklich auf eine in Betracht kommende Verurteilung wegen Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB hingewiesen worden ist.

2. Der Strafausspruch unterliegt der Aufhebung; er weist durchgreifende Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf.

a) Das folgt indes noch nicht aus einer unterbliebenen Berücksichtigung der tateinheitlich verwirklichten Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB. Die Strafkammer hat diese - auch auf Grundlage ihres Urteilsspruchs rechtlich zutreffend - zu Ungunsten des Angeklagten herangezogen. Sie hat erkannt, dass das Fehlen von Prozessvoraussetzungen oder das Vorliegen von Prozesshindernissen der strafschärfenden Berücksichtigung eines tateinheitlich verwirklichten Tatbestandes nicht entgegensteht (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2009 - 5 StR 521/08, Rn. 78 mwN; Beschluss vom 23. Juni 2022 - 2 StR 134/22, Rn. 6 mwN).

b) Entgegen der Ansicht der Revision durfte die Strafkammer auch den erheblichen Zeitablauf seit der Tatbegehung und die lange Verfahrensdauer strafmildernd berücksichtigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 - 2 StR 344/10, StV 2011, 406 f.; vom 29. September 2015 - 2 StR 128/15, NStZ-RR 2016, 7).

c) Es ist hier auch nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer strafmildernd berücksichtigt hat, dass die Untersuchungshaft des Angeklagten „teilweise noch in die Zeit besonderer Vorsichtsmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie [fiel], was zu zusätzlichen Einschränkungen geführt“ habe. Es stellt einen strafmildernden Umstand dar, wenn die erlittene Untersuchungshaft mit über das Ãœbliche hinausgehenden Beschwernissen für den Angeklagten verbunden ist, die auch aus pandemiebedingten Einschränkungen resultieren können (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2022 - 2 StR 127/22, Rn. 22; Beschluss vom 12. April 2022 - 2 StR 507/21, Rn. 4). Solche hat das Landgericht mit den besonderen Vorsichtsmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie noch hinreichend festgestellt.

d) Indes ist der Strafausspruch zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft, soweit die Strafkammer ihm einen Härteausgleich zugebilligt hat. Die Strafkammer hat insoweit strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte am 23. Mai 2019 durch ein spanisches Gericht aufgrund eines Verstoßes gegen die Verkehrssicherheit rechtskräftig „zu einer Geldstrafe von acht Monaten zu je 5 Euro“ und wegen einer Urkundenfälschung „zu vier Monaten Haft und vier Monaten Geldstrafe á 5 Euro“ verurteilt wurde, wobei die Vollstreckung der Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt wurde. Feststellungen zum Vollstreckungsstand der spanischen Vorverurteilung hat die Strafkammer weder im Hinblick auf die Geldstrafe noch hinsichtlich der bedingten Freiheitsstrafe getroffen. Dem Senat ist hierdurch die Prüfung verwehrt, ob ein Härteausgleich veranlasst war.

aa) Zwar hat die Strafkammer im Ausgangspunkt zutreffend gesehen, dass bei der Strafzumessung etwaige Härten in den Blick zu nehmen sind, die durch die zusätzliche Vollstreckung von Strafen drohen, welche von Gerichten anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union verhängt wurden, wenn diesbezüglich in zeitlicher Hinsicht die Voraussetzungen für eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 Abs. 1 StGB erfüllt wären, eine solche aber aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in die Vollstreckungshoheit der Mitgliedstaaten nicht erfolgen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. März 2014 - 2 StR 202/13, Rn. 15; vom 26. Januar 2022 - 3 StR 461/21, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 29 Rn. 4, und vom 24. Januar 2023 - 1 StR 423/22, Rn. 4 mwN). Dies gilt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unabhängig davon, ob ein Gerichtsstand in Deutschland eröffnet gewesen wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2018 - 1 StR 508/18, Rn. 6; vom 23. April 2020 - 1 StR 15/20, BGHSt 65, 5, 9 Rn. 17; vom 26. Januar 2022 - 3 StR 461/21, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 29 Rn. 4; vom 12. Juli 2023 - 4 StR 495/22, Rn. 6 mwN). Soweit der Senat mit Urteil vom 10. Juni 2009 (2 StR 386/08, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 16) eine andere Auffassung vertreten hat (offen gelassen in BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2023 - 2 StR 310/23, Rn. 5), hält er hieran aufgrund der nachträglichen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteile vom 15. April 2021 - C-221/19, NJW 2021, 3107, 3110 f.; vom 12. Januar 2023 - C-593/22, NJW 2023, 1491, 1492) nicht mehr fest.

bb) Die Strafkammer hat jedoch übersehen, dass die nicht mögliche Gesamtstrafenbildung den Angeklagten nur dann beschwerte, wenn die Geldstrafe oder die Bewährungsstrafe im Wege des Freiheitsentzugs vollstreckt worden wäre. Ob dies der Fall ist, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Denn ein Härteausgleich ist nicht veranlasst, wenn die Geldstrafe durch Zahlung vollstreckt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2021 - 6 StR 15/21, Rn. 11 mwN; Beschlüsse vom 24. Januar 2017 - 5 StR 601/16, Rn. 2 mwN; vom 24. August 2023 - 2 StR 173/23, Rn. 3) und die Bewährungsstrafe erlassen (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 1996 - 2 StR 146/96, Rn. 4; vom 18. August 2004 - 2 StR 249/04, NStZ-RR 2004, 330) ist.

e) Angesichts dessen kommt es nicht darauf an, ob die strafmildernde Berücksichtigung der Schadensregulierung hier auf rechtliche Bedenken stößt. Zwar kann es einen durchgreifenden Rechtsfehler darstellen, Schadensersatzleistungen durch den Versicherer eines Geschädigten einschränkungslos zu Gunsten eines Angeklagten zu berücksichtigen. Denn der Schaden wird damit durch die Solidargemeinschaft reguliert; die Ersatzleistung fußt auf Leistungen, die die Geschädigten gegenüber den Versicherern erbracht haben. Für den Angeklagten stellt dies eine Zufälligkeit dar, die ihn im Rahmen der Strafzumessung nicht entlasten kann (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10, wistra 2011, 139, 141; MüKo-StGB/Maier, 4. Aufl., § 46 Rn. 323; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 593). Die Strafkammer hat hier jedoch ausdrücklich berücksichtigt, dass „der Schaden dadurch letztlich von der Solidargemeinschaft der Versicherten getragen wird und beide Firmen eine nicht unerhebliche Selbstbeteiligung zu tragen hatten“.

3. Auch die Einziehungsentscheidung unterfällt der Aufhebung. Die Berechnung des Einziehungsbetrages hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Als Wert einer Sache im Sinne des § 73c Satz 1 StGB ist hier der Verkehrswert der ursprünglich erlangten Vermögenswerte, mithin der im Inland erzielbare Verkaufspreis bzw. ein gegebenenfalls höherer Verwertungserlös maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2023 - 2 StR 471/22, Rn. 51; Beschlüsse vom 14. November 2018 - 3 StR 447/18, NZI 2019, 305; vom 8. März 2022 - 3 StR 456/21, Rn. 17; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 73c Rn. 10). Wertsteigerungen, die bis zum Eintritt der Unmöglichkeit im Sinne des § 73c Satz 1 StGB eingetreten sind, werden berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2023 - 2 StR 204/22, NZWiSt 2023, 177, 180 Rn. 31; LK-StGB/Lohse, 13. Aufl., § 73c Rn. 18).

b) Diesen Maßstab hat das Landgericht nicht bedacht, indem es die in Lieferscheinen und Ladelisten ausgewiesenen Handelspreise in Schweizer Franken seiner Berechnung zugrunde gelegt und diese Werte in Euro umgerechnet hat. Der Senat kann daher nicht beurteilen, ob der von der Strafkammer ermittelte Einziehungsbetrag dem im Inland erzielbaren Bruttoverkaufspreis bei einem inländischen Juwelier entspricht oder - insoweit zu Gunsten des Angeklagten - hinter diesem zurückbleibt.

4. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei rechtsfehlerfreier Würdigung auf eine höhere Strafe und einen höheren Einziehungsbetrag erkannt hätte. Die Feststellungen sind von den Rechtsfehlern nur insoweit betroffen, als diese den exakten Wert der Tatbeute betreffen; im Übrigen können die Feststellungen bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind - wie stets - möglich und hinsichtlich des Vollstreckungsstandes der spanischen Vorverurteilung geboten.

5. Der Teilfreispruch hält demgegenüber rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 12. Februar 2015 ? 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148; vom 1. Februar 2017 - 2 StR 78/16, Rn. 19; jew. mwN). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Ãœberzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung nähergelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 ? 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die auf die Sachrüge gebotene revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind, weil die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Ãœberzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 1. Juni 2016 ? 1 StR 597/15, Rn. 27; vom 23. Juni 2021 - 2 StR 337/20, Rn. 6; vom 29. Juli 2021 - 3 StR 445/20, Rn. 44, jew. mwN).

b) Hieran gemessen hält der Freispruch rechtlicher Nachprüfung stand. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Beweiswürdigung weder lückenhaft noch widersprüchlich.

aa) Die Strafkammer hat sämtliche der aus den schriftlichen Urteilsgründen ersichtlichen Beweismittel berücksichtigt, gewürdigt und in Bezug zueinander gesetzt. Dass sie auf Grundlage der gebotenen Gesamtwürdigung weder im Fall 1 noch im Fall 2 der Anklage eine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten zu gewinnen vermochte, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

bb) Insbesondere ist revisionsrechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass das Landgericht im Fall 2 der Anklage den Angaben der Vertrauensperson „Quelle 1“, die es nicht selbst vernehmen konnte, nur geringes Gewicht beigemessen hat. Können die Angaben einer Vertrauensperson nur mittelbar eingeführt werden, kommt ihnen lediglich ein eingeschränkter Beweiswert zu, der eine besonders zurückhaltende Beweiswürdigung erfordert. Es ist regelhaft erforderlich, dass die nur mittelbar eingeführten Angaben der Vertrauensperson durch andere gewichtige Beweisanzeichen gestützt werden, um sie einer Ãœberzeugungsbildung zugrunde zu legen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Juni 2000 - 3 StR 84/00, NStZ 2000, 607; vom 7. September 2017 - 1 StR 329/17, NStZ-RR 2018, 21, 22; MüKo-StPO/Kreicker, 2. Aufl., § 250 Rn. 48 mwN). Ausgehend davon hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei in den Blick genommen, dass bereits die Angaben der Vertrauensperson zur Tatausführung vage geblieben sind und auch die weiteren Zeugenangaben sowie Videoaufnahmen kein klares Bild ergeben haben, durch welches die Angaben der Vertrauensperson hätten gestützt werden können.

cc) In Ansehung der verhältnismäßig geringen Wahrscheinlichkeit, mit denen die Sachverständigen Übereinstimmungen zwischen Merkmalen der Personen auf den Bild- bzw. Videoaufnahmen und des Angeklagten festzustellen vermochten, sowie den eher schwachen übrigen Indizien kann auch nicht erkannt werden, dass die Strafkammer in den beiden dem Teilfreispruch zugrundeliegenden Fällen überzogene Anforderungen an ihre Überzeugungsbildung gestellt hat.

III.

Die auf die Revision der Staatsanwaltschaft nach § 301 StPO im Fall 3 der Anklage veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils auf Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten führt ebenfalls zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Beachtung der oben aufgezeigten Maßstäbe zur Ermittlung des genauen Einziehungsbetrags zu einem für den Angeklagten günstigeren Ergebnis geführt hätte. Im Übrigen hat die Überprüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1508

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede