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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 90

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 310/23, Beschluss v. 26.10.2023, HRRS 2024 Nr. 90


BGH 2 StR 310/23 - Beschluss vom 26. Oktober 2023 (LG Gera)

Strafzumessung (im Ausland verhängte Strafe: Härteausgleich, nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe).

§ 46 StGB; § 55 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 5. April 2023

a) aufgehoben

aa) im Strafausspruch und

bb) soweit die Bestimmung des Anrechnungsmaßstabes für eine in Belgien erlittene Freiheitsentziehung unterblieben ist,

b) im Ausspruch über die Einziehung dahingehend abgeändert, dass gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 3.000 € als Gesamtschuldner angeordnet wird.

2. Im Umfang der Aufhebung wir die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Gera zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit Diebstahl und mit Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Außerdem hat es „die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 3.000,00 € angeordnet“.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten.

II.

1. Die Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg.

2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Prüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuldspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Hingegen hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat nicht erkennbar in den Blick genommen, dass gegen den Angeklagten am 29. April 2021 durch ein Gericht in A. rechtskräftig eine Freiheitsstrafe von vier Monaten wegen eines Betäubungsmitteldeliktes verhängt wurde. Diese Freiheitsstrafe wäre, sofern ein deutsches Gericht sie ausgesprochen hätte, nach § 55 StGB gesamtstrafenfähig. Den Umstand, dass eine im Ausland verhängte Strafe aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in die Vollstreckungshoheit des ausländischen Staates nicht gesamtstrafenfähig ist, muss der Tatrichter regelmäßig unter dem Gesichtspunkt des Härteausgleichs oder des Gesamtstrafenübels berücksichtigen (vgl. Senat, Beschluss vom 26. März 2014 - 2 StR 202/13, juris Rn. 15; BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2022 - 3 StR 461/21, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 29, Rn. 4; vom 24. Januar 2023 - 1 StR 423/22, juris Rn. 4 mwN). Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier (vgl. § 6 Nr. 5 StGB) - die der ausländischen Verurteilung zugrundeliegende Tat auch in Deutschland hätte abgeurteilt werden können (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juni 2009 - 2 StR 386/08, NStZ 2010, 30, 31).

Die demnach gebotene Berücksichtigung der belgischen Vorverurteilung ist nicht erfolgt. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte, wenn sie die hypothetische Gesamtstrafenfähigkeit in den Blick genommen hätte. Der Strafausspruch unterliegt deshalb der Aufhebung.

3. Auch die unterbliebene Bestimmung des Anrechnungsmaßstabes für eine in Belgien erlittene Freiheitsentziehung ist nicht frei von Rechtsfehlern. Die Urteilsfeststellungen legen nahe, dass gegen den Angeklagten vor seiner Überstellung nach Deutschland in hiesiger Sache Auslieferungshaft vollstreckt wurde. Das Urteil teilt insoweit mit, dass der Angeklagte wegen der dem Urteil zugrundeliegenden Tat am 9. Juni 2022 auf Grundlage des Europäischen Haftbefehls vom 8. April 2020 „aus belgischer Strafhaft“ nach Deutschland ausgeliefert wurde. Zugleich ist indes festgestellt, dass die belgische Strafhaft nur bis zum 26. Mai 2022 andauerte. Zu der naheliegenden Frage, ob zwischen dem Ende der Strafhaft und der Auslieferung des Angeklagten in hiesiger Sache (Auslieferungs-)Haft vollstreckt wurde, hat die Strafkammer keine Feststellungen getroffen. Dies wird das zur neuen Entscheidung berufene Tatgericht nachzuholen und gegebenenfalls gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB einen Anrechnungsmaßstab für die in Belgien erlittene Freiheitsentziehung zu bestimmen haben.

4. Die Einziehungsentscheidung war entsprechend § 354 Abs. 1 StPO zu korrigieren. Der Senat kann ausschließen, dass der Beuteanteil des Angeklagten noch gegenständlich in dessen Vermögen vorhanden ist, so dass gemäß § 73c Satz 1 StGB die Einziehung des Wertes von Taterträgen anzuordnen war. Insoweit haftet der Angeklagte zusammen mit seinen Mittätern als Gesamtschuldner. Es beschwert ihn demgegenüber nicht, dass das Landgericht seiner Einziehungsentscheidung fehlerhaft lediglich den eigenen Beuteanteil des Angeklagten und nicht den Gesamtbetrag des durch die Sprengung des Geldautomaten Erlangten in Höhe von 9.000 € zugrunde gelegt hat.

5. Die bisherigen Feststellungen sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen und können bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StGB).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 90

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede