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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 644

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 456/21, Beschluss v. 08.03.2022, HRRS 2022 Nr. 644


BGH 3 StR 456/21 - Beschluss vom 8. März 2022 (LG Bad Kreuznach)

Gewerbsmäßige Bandenhehlerei (gemischte Banden; Absatzerfolg; Drittverschaffen); Einziehung von Wertersatz für Wertschwankungen unterliegende Einziehungsgegenstände.

§ 73 StGB; § 73c StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die Straftatbestände der Bandenhehlerei (§ 260 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei (§ 260a Abs. 1 StGB) erfassen Taten im Rahmen einer Verbindung mehrerer Täter zu einer reinen Hehlerbande, Fälle, in denen ein Hehler als Mitglied einer Diebes- oder Räuberbande handelt, sowie Hehlereitaten in sogenannten gemischten Banden, die aus Dieben bzw. Räubern und Hehlern bestehen. Gruppierungen aus Hehlern und Betrügern sind nicht erfasst.

2. Bei der Anordnung der Einziehung eines dem Wert des Erlangten entsprechenden Geldbetrages nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB kommt es für die Wertbestimmung bei Einziehungsgegenständen, die Wertschwankungen unterliegen, auf den Zeitpunkt des Eintritts der Voraussetzungen für die Wertersatzeinziehung ankommt. Denn die Abschöpfung muss spiegelbildlich dem Vermögensvorteil entsprechen, den der Täter aus der Tat zog. Wertsteigerungen oder -verluste, die der ursprüngliche Gegenstand erfährt, bevor der Täter ihn erlangt oder nachdem er ihn nicht mehr innehat, tangieren sein Vermögen nicht.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 6. Juli 2021 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben diejenigen zu den unter II. 2. bis II. 4. der Urteilsgründe dargestellten Betrugstaten jeweils bis einschließlich der Abholung durch den Fahrer aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „schwerer“ (gemeint: gewerbsmäßiger) Bandenhehlerei in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Außerdem hat es den Wert von Taterträgen in Höhe von 534.030,63 € und ein Mobiltelefon eingezogen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat weitgehend Erfolg.

I.

Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen erklärte sich der Angeklagte gegenüber einem in der Türkei lebenden Kontaktmann dazu bereit, in B. Geld- und Goldlieferungen von verschiedenen Fahrern entgegenzunehmen, aufzulisten, zu fotografieren, zu taxieren und zu verpacken. Er wusste, dass es sich um Beute aus Straftaten handelte, kannte jedoch insoweit keine Einzelheiten. Tatsächlich erlangten die Hintermänner die Sachen mittels der sogenannten Polizeitrick-Masche. Aus einem türkischen Callcenter heraus veranlassten sie meist ältere Personen telefonisch unter Vorspiegelung eines vermeintlichen Polizeieinsatzes dazu, Bargeld und Wertgegenstände zur angeblichen Sicherung durch Polizisten an einem bestimmten Ort bereitzulegen. Von dort wurden sie abgeholt und von Fahrern der Gruppe zum Angeklagten verbracht. Dieser kam für einen Lohn von 100 bis 200 € seiner Aufgabe nach, wobei er Kontakt mit den türkischen Hinterleuten hielt. Jeweils noch am selben Tag gab er die Lieferungen an Personen weiter, die sie, wie er wusste, in die Türkei transferierten.

Das Landgericht hat drei Betrugstaten zum Nachteil verschiedener Geschädigter festgestellt, bei denen jeweils große Mengen Gold und in einem Fall zusätzlich Bargeld erbeutet wurden. Der Angeklagte erfüllte in allen drei Fällen die ihm zugeschriebene Funktion und erhielt die vereinbarte Vergütung.

II.

1. Die Urteilsfeststellungen tragen die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei nicht.

a) Der Tatbestand der Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter eine bemakelte Sache ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft. Lediglich im Fall II. 2. der Urteilsgründe ist auf der Grundlage der Feststellungen die Tatvariante des Sichverschaffens insoweit gegeben, als der Angeklagte einen geringen Teil der Tatbeute als seinen Lohn für sich behielt; im Übrigen nahm er keine Hehlereihandlung vor.

aa) Ein für die Tatbestandsmerkmale des Absetzens und der Absatzhilfe erforderlicher Absatzerfolg, mithin die entgeltliche Übertragung der Verfügungsgewalt auf einen Erwerber (vgl. im Einzelnen BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 2013 - 3 StR 69/13, BGHSt 59, 40 Rn. 10 ff.; vom 31. Oktober 2018 - 2 StR 281/18, BGHSt 63, 228 Rn. 15 ff. mwN), ist nicht festgestellt. Es ist lediglich bekannt, dass die ertrogenen Wertgegenstände vom Angeklagten aus über weitere Mittelsmänner in die Türkei verbracht wurden und damit offenbar zu den Hinterleuten, also Personen, welche die jeweiligen Betrugstaten begingen. Eine monetäre Verwertung der Beute ist in diesem Vorgang nicht zu erblicken. Dass die Betrugstäter die Wertgegenstände abgesetzt hätten, ist nicht festgestellt.

bb) Es liegt auch kein Drittverschaffen vor. § 259 Abs. 1 StGB unterscheidet den Vortäter als „anderen“ von dem „Dritten“, dem die Sache verschafft werden kann, weshalb ein Verschaffen an den Vortäter nicht unter den Tatbestand fällt (BGH, Beschluss vom 22. August 2019 - 1 StR 205/19, NStZ-RR 2019, 379, 380; vgl. auch BGH, Urteil vom 18. Mai 1995 - 4 StR 41/95, BGHR StGB § 259 Abs. 1 Absatzhilfe 6).

cc) Schließlich verschaffte sich der Angeklagte in den Fällen II. 3. und II. 4. der Urteilsgründe die Tatbeute nicht selbst, im Fall II. 2. der Urteilsgründe größtenteils nicht selbst.

Das Sichverschaffen setzt voraus, dass der Täter eigene Verfügungsgewalt über die Sache erlangt, mithin über sie unabhängig vom Willen des Vortäters zu eigenen Zwecken verfügen kann und dies auch will. Dafür muss er den Gegenstand in seinem wirtschaftlichen Wert vom Vortäter übernehmen (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2020 - 2 StR 611/19, juris Rn. 9 mwN; MüKoStGB/Maier, 4. Aufl., § 259 Rn. 85 mwN). Nach den getroffenen Feststellungen sollte der Angeklagte die Lieferungen jedoch lediglich sichten und schätzen, bevor er sie für den Transport in die Türkei verpackte und weitergab. Eigenständig verfügen durfte und wollte er über die Wertgegenstände nicht.

Eine Ausnahme gilt nur, soweit er in Fall II. 2. der Urteilsgründe seinen Lohn direkt der Beute entnahm; allein diesen verschaffte er sich im Sinne des § 259 Abs. 1 StGB.

b) Überdies ist die Gewerbsmäßigkeit nicht belegt. Die Urteilsfeststellungen erschöpfen sich in der Angabe, dem Angeklagten sei klar gewesen, dass die „Geschäfte“ auf Wiederholung angelegt gewesen seien und sich „neben“ seinem Kontaktmann „auch“ die in Deutschland eingesetzten Fahrer zur wiederholten Tatbegehung zusammengeschlossen hätten. Daraus geht nicht hervor, dass er selbst sich durch wiederholte (Hehlerei-)Taten eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang verschaffen wollte (vgl. hierzu etwa BGH, Beschluss vom 27. Februar 2014 - 1 StR 15/14, BGHR StGB § 260 Gewerbsmäßig 4). Nicht ausschließbar ist der Strafkammer aus dem Blick geraten, dass es sich bei der Gewerbsmäßigkeit um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB handelt (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 17. Oktober 2019 - 3 StR 521/18, BGHR StGB § 28 Abs. 2 Merkmal 3; Beschluss vom 20. April 2021 - 3 StR 343/20, juris Rn. 4).

c) Außerdem sind die Voraussetzungen für die Bande nicht erfüllt. Die Straftatbestände der Bandenhehlerei (§ 260 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei (§ 260a Abs. 1 StGB) erfassen Taten im Rahmen einer Verbindung mehrerer Täter zu einer reinen Hehlerbande, Fälle, in denen ein Hehler als Mitglied einer Diebes- oder Räuberbande handelt, sowie Hehlereitaten in sogenannten gemischten Banden, die aus Dieben bzw. Räubern und Hehlern bestehen (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2014 - 4 StR 70/14, StV 2015, 113 Rn. 9; Urteil vom 6. November 2019 - 2 StR 87/19, BGHR StGB § 260a Bande 3). Gruppierungen aus Hehlern und Betrügern sind nicht erfasst. Weitere Hehler, mit denen der Angeklagte eine Bande hätte bilden können, sind nicht vorhanden, da die Urteilsfeststellungen ebenfalls nicht belegen, dass die in Deutschland eingesetzten Fahrer und Transferpersonen den Tatbestand des § 259 Abs. 1 StGB verwirklichten.

2. Infolgedessen unterliegt der Schuldspruch der Aufhebung. Dies entzieht dem Strafausspruch und den Einziehungsentscheidungen die Grundlage.

Die Feststellungen zu den Vortaten zulasten der drei Geschädigten sind hingegen rechtsfehlerfrei getroffen. Sie werden von den aufgezeigten rechtlichen Mängeln nicht berührt und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO), wobei die Formulierung, das Betrugsopfer aus Fall II. 2. der Urteilsgründe sei von „Mittätern“ des Angeklagten angerufen worden (s. UA S. 8), nicht im rechtstechnischen Sinne zu verstehen und im Hinblick auf seine Beteiligung oder ein von ihm begangenes Anschlussdelikt nicht bindend ist. Weitergehende Feststellungen, die den aufrechterhaltenen nicht widersprechen, sind möglich.

3. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache erneuter Verhandlung und Entscheidung. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Sollte das neue Tatgericht wiederum feststellen, dass der Angeklagte die Geld- und Goldlieferungen entgegennahm und nach Sichtung und Schätzung weitergab, wird es auch die Tatbestände der Begünstigung (§ 257 StGB) und - nach einer gegebenenfalls gebotenen Wiedereinbeziehung (§ 154a Abs. 3 StPO) - der Geldwäsche (§ 261 StGB) in den Blick zu nehmen haben. Je nach den neuerlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite kommt ebenfalls eine Beihilfe zum Betrug namentlich durch eine im Vorfeld gegebene Zusage in Betracht (zum Gehilfenvorsatz vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Februar 2012 - 3 StR 435/11, wistra 2012, 302 Rn. 4; vom 28. November 2017 - 3 StR 272/17, juris Rn. 33).

b) Sollte die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wiederum auf die Einziehung eines dem Wert des Erlangten entsprechenden Geldbetrages nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB erkennen, wird sie bei der Wertbestimmung zu beachten haben, dass es bei Einziehungsgegenständen, die - wie der Goldpreis - Wertschwankungen unterliegen, hierfür auf den Zeitpunkt des Eintritts der Voraussetzungen für die Wertersatzeinziehung ankommt. Denn die Abschöpfung muss spiegelbildlich dem Vermögensvorteil entsprechen, den der Täter aus der Tat zog. Wertsteigerungen oder -verluste, die der ursprüngliche Gegenstand erfährt, bevor der Täter ihn erlangt oder nachdem er ihn nicht mehr innehat, tangieren sein Vermögen nicht (s. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018 - 4 StR 569/17, NJW 2018, 3325 Rn. 24 ff. zu Bitcoins; Urteil vom 19. Januar 2021 - 5 StR 291/20, juris Rn. 12 zu Edelmetalllegierungen; MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 73d Rn. 12 ff.; LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 73c Rn. 15; Schönke/ Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 73c Rn. 10). In den vorliegenden Fällen ist mithin für die Höhe des Wertersatzes der Verkaufspreis maßgeblich, den die erbeuteten Goldbarren und -münzen an denjenigen Tagen im Inland erzielt hätten, an denen der Angeklagte sie in den Händen hielt. Sollten insoweit genaue Feststellungen, besonders die Münzen betreffend, nicht möglich sein, kann der Wert nach § 73d Abs. 2 StGB geschätzt werden.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 644

Bearbeiter: Christian Becker