HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1421
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, StB 63/23, Beschluss v. 19.10.2023, HRRS 2023 Nr. 1421
1. Die Beschwerde der Angeklagten gegen den Haftbefehl des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 10. Juli 2023 wird verworfen, soweit sie nicht durch den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 27. September 2023 gegenstandslos geworden ist.
2. Die Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 27. September 2023 wird verworfen.
3. Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels des Generalbundesanwalts und die der Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Die Angeklagte ist aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 25. August 2021 (2 BGs 358/21) am 30. August 2021 festgenommen worden und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Der vorgenannte Haftbefehl ist am 5. Oktober 2021 durch einen neu gefassten Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tag (2 BGs 434/21) ersetzt worden.
Mit - nicht rechtskräftigem - Urteil vom 8. Februar 2023 (6-2 StE 12/21) hat das Oberlandesgericht Stuttgart die Angeklagte nach einjähriger Hauptverhandlung wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland - der Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) - in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit einer Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Union, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, sowie wegen Nichtanzeige einer geplanten Straftat zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen die Verurteilung der Angeklagten hat der Generalbundesanwalt Revision eingelegt (3 StR 368/23), die dem Bundesgerichtshof noch nicht vorliegt.
Nach mehreren Haftfortdauerbeschlüssen hat das Oberlandesgericht am 10. Juli 2023 einen neuen Haftbefehl gegen die Angeklagte erlassen, der dieser am 18. Juli 2023 verkündet worden ist. Dieser Haftbefehl basiert auf den tatsächlichen Feststellungen, der Beweiswürdigung sowie der rechtlichen Würdigung der vorliegenden schriftlichen Gründe des Urteils vom 8. Februar 2023. Er ist auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützt.
Gegen den Haftbefehl vom 10. Juli 2023 hat die Angeklagte mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 15. September 2023 Beschwerde eingelegt. Daraufhin hat das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 27. September 2023 den Haftbefehl gegen Weisungen und Auflagen außer Vollzug gesetzt.
Der Generalbundesanwalt hat gegen den Außervollzugsetzungsbeschluss des Oberlandesgerichts vom 27. September 2023 unter dem 28. September 2023 Beschwerde eingelegt und beantragt, diesen Beschluss aufzuheben sowie den Haftbefehl in Vollzug zu belassen. Diesem Rechtsmittel hat das Oberlandesgericht nicht abgeholfen, indes - einem hierauf gerichteten Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend - mit Beschluss vom 29. September 2023 gemäß § 307 Abs. 2 StPO die Aussetzung der Vollziehung des Außervollzugsetzungsbeschlusses bis zu einer Entscheidung über die Beschwerde angeordnet.
1. Die Beschwerden der Angeklagten und des Generalbundesanwalts sind gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
2. Zum Gegenstand der Beschwerden gilt Folgendes:
a) Da die Angeklagte zur Begründung ihrer mit keinem konkreten Antrag verbundenen Haftbeschwerde vom 15. September 2023 primär vorgebracht hat, es bestehe keine Fluchtgefahr, weshalb eine Haftfortdauer unverhältnismäßig sei, und nur nachrangig geltend gemacht hat, einer Fluchtgefahr könne durch geeignete Auflagen und Weisungen entgegengewirkt werden, ist die Beschwerde mit dem Generalbundesanwalt im Rechtsschutzinteresse der Angeklagten dahin auszulegen (§ 300 analog StPO), dass die Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise dessen Außervollzugsetzung begehrt wird. Daher ist das Rechtsmittel - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts - mit der angeordneten Außervollzugsetzung des Haftbefehls nicht vollständig erledigt, sondern weiterhin anhängig und, soweit es den ebenfalls angefochtenen Bestand des Haftbefehls anbelangt, entscheidungsbedürftig. Einer Beschwerdeentscheidung steht nicht entgegen, dass das Oberlandesgericht keine Nichtabhilfeentscheidung getroffen hat, soweit sich die Beschwerde der Angeklagten auch gegen den Haftbefehl als solchen richtet. Denn eine Entscheidung im Abhilfeverfahren ist keine Sachentscheidungsvoraussetzung für einen Beschluss des Beschwerdegerichts (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 306 Rn. 10 mwN; KK-StPO/Zabeck, 9. Aufl., § 306 Rn. 19).
b) Auf die Beschwerde des Generalbundesanwalts, die auch zugunsten der Angeklagten wirkt (§ 301 StPO), hat der Senat nicht nur den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 27. September 2023, mit dem der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt worden ist, sondern auch den Haftbefehl vom 10. Juli 2023 zu prüfen; denn die vom Generalbundesanwalt erstrebte Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft gegeben sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 2022 - StB 28/22, NStZ-RR 2022, 351, 352; vom 18. Oktober 2007 - StB 34/07, BGHR StPO § 116 Rechtsmittel 1 Rn. 2).
Beide Rechtsmittel bleiben in der Sache ohne Erfolg. Die Voraussetzungen für einen Haftbefehl sind gegeben; allerdings hat das Oberlandesgericht zu Recht dessen Außervollzugsetzung angeordnet.
1. Im Sinne eines dringenden Tatverdachts ist - in Übereinstimmung mit den im Urteil des Oberlandesgerichts vom 8. Februar 2023 getroffenen Feststellungen - von folgendem Sachverhalt auszugehen:
a) Die Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region „ash-Sham“ - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden „Gottesstaat“ unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als „Feind des Islam“ begreift; die Tötung solcher „Feinde“ oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des „Kalifats“ am 29. Juni 2014 von „Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien“ (ISIG) in „Islamischer Staat“ (IS) umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 Abu Bakr al-Baghdadi inne. Die Vereinigung setzte ihre Ziele durch offenen militärischen Bodenkampf im Irak und in Syrien sowie durch Sprengstoff- und Selbstmordanschläge, aber auch durch Entführungen, Erschießungen und spektakulär inszenierte, grausame Hinrichtungen durch. Die Vereinigung teilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements ein und errichtete einen Geheimdienstapparat; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch in Gegnerschaft zum IS stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus beging der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin, die Verantwortung.
Im Irak gelang es dem IS im Jahr 2014, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt Mossul, die bis zu der Offensive der von den USA unterstützten irakischen Armee Ende 2016 der zentrale Ort seiner Herrschaft im Irak war. In den Jahren 2013 und 2014 gelang es dem IS zudem, weite Teile im Norden und Osten Syriens unter seine Gewalt zu bringen.
Seit Januar 2015 wurde die Vereinigung schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von Mossul, die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27. August 2017 wurde der IS aus seiner letzten nordirakischen Hochburg in Tal Afar verdrängt. Die irakischen Sicherheitskräfte erklärten im Dezember 2017 den Krieg gegen den IS für beendet, nachdem sie in einem letzten Schritt die Kontrolle von Gebieten an der syrisch-irakischen Grenze vollständig zurückerlangt hatten.
Auch in Syrien büßte der IS im Laufe des Jahres 2018 große Gebiete ein. Ende 2018 verblieb dem IS nur noch ein kleines Territorium im Raum Baghuz in der Provinz Deir Ezzor, in das sich die IS-Kämpfer zurückziehen konnten. Am 9. Februar 2019 begann die finale Offensive der Syrian Democratic Forces (SDF) um den Ort Baghuz, wobei sie Luftunterstützung durch die Anti-IS-Koalition erhielten. Am 23. März 2019 kapitulierten dort die letzten IS-Kämpfer; tausende von ihnen sowie zehntausende Frauen und Kinder wurden in Gefängnissen und Lagern - etwa in Al-Hol oder Roj im Nordosten Syriens - interniert. Damit brach das territoriale Kalifat des IS mit quasi staatlichen Strukturen zusammen. Weitere Rückschläge erlitt die Vereinigung durch die Tötung ihres Anführers Abu Bakr al-Baghdadi und ihres offiziellen Sprechers in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober 2019 im Rahmen einer US-amerikanischen Militäraktion in der syrischen Provinz Idlib.
Trotz des Zusammenbruchs des Kalifats war der IS als militant-dschihadistische und international agierende Organisation nicht vollständig zerstört. Vielmehr verblieb die Vereinigung unter Aufrechterhaltung ihrer ideologischen Ausrichtung in der Folgezeit in ihrem Kerngebiet Syrien/Irak, insbesondere in der syrisch-irakischen Grenzregion sowie der syrischen Wüste. Auch passte sich der IS an die veränderten Rahmenbedingungen an: So benannte er kurz nach der Tötung der beiden Führungspersonen einen neuen Sprecher und einen neuen Emir, setzte seine Propagandatätigkeiten fort und operierte zunehmend aus dem Untergrund heraus. Schätzungen zufolge verfügt er im Kerngebiet weiterhin über 4.000 bis 6.000 aktive Kämpfer. In den Jahren 2019 bis 2021 verübte er mehrere tausend terroristische Anschläge in Syrien und im Irak in Form von Sturm- und Raketenangriffen sowie Selbstmord- und Sprengstoffanschlägen. Derartige militärische Operationen führte er auch in Somalia, Ägypten/Sinai, Jemen, Nigeria, Tschad und Burkina Faso aus. Daneben nahm er gezielt Tötungen und Hinrichtungen von Einzelpersonen wie beispielsweise sunnitischen Stammesältesten, Kämpfern des SDF und solchen des syrischen Regimes vor.
Der IS ist auch weiterhin in der Provinz Idlib aktiv. So gelang es der Vereinigung Ende Dezember 2017 nach tagelangen Kämpfen mit der Hai´at Tahrir Al-Sham (HTS), die in dieser Provinz militärisch, wirtschaftlich und politisch stark vertreten war, dort mehrere Dörfer einzunehmen. In den Jahren 2018 bis 2021 folgten zahlreiche Kämpfe zwischen beiden Gruppierungen, ohne dass der IS aus der von der HTS kontrollierten Region vollständig verdrängt werden konnte.
Mit der Ausrufung weltweiter Provinzen außerhalb seines ursprünglichen Kerngebiets und fortwährender terroristischer Aktivitäten in zahlreichen Staaten in Afrika und Asien, vor allem in Ägypten/Sinai, West- und Zentralafrika sowie in der Provinz Khorasan bestehend aus den Ländern Afghanistan, Pakistan und Tadschikistan - dort agierend unter der Bezeichnung „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ (ISPK) - unterstreicht der IS seinen Anspruch, ein global agierender Akteur zu sein.
b) Die in Deutschland geborene und aufgewachsene sowie durchgängig hier lebende Angeklagte konvertierte 2015 zum Islam. In der Folgezeit - ab 2016 - radikalisierte sie sich in ihrem Glauben und wurde überzeugte Anhängerin eines salafistisch-jihadistischen Glaubensverständnisses. Sie sympathisierte mit der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ und befürwortete die Ideologie und das Vorgehen des IS. Im Jahr 2018 ging sie eine Beziehung - und Ehe nach islamischem Ritus - mit dem gleichfalls in der Bundesrepublik lebenden Mitangeklagten A. ein. Dieser teilte die islamistische Ideologie der Angeklagten und war - obgleich auch er allein von Deutschland aus agierte - Mitglied des IS und durch einen abgeleisteten Treueeid an die Vereinigung gebunden. Ihm oblag es in enger Absprache mit dem ihm übergeordneten und sich in Syrien aufhaltenden IS-Mitglied“ “, in Deutschland bei Gleichgesinnten Spendengelder für den IS einzuwerben und zum IS nach Syrien oder in dortige Nachbarländer zu transferieren. Die Angeklagte, die keinen Treueeid auf den IS geleistet hatte und selbst nicht mit höherrangigen IS-Mitgliedern in Kontakt stand, die befugt gewesen wären, über ihre Aufnahme in die Vereinigung zu befinden, half dem Mitangeklagten A., dem sie sich unterordnete, nach dessen näheren Weisungen bei seiner Tätigkeit für den IS. Dies tat sie mit der Intention, damit den IS zu stärken und einzelne IS-Mitglieder bei deren Agieren für die Vereinigung zu unterstützen.
aa) Ab Juli 2020 bis mindestens Ende Oktober 2020 war der Mitangeklagte auf Aufforderung des“ “ damit befasst, in Deutschland Geld zu sammeln für eine Ausschleusung der dem IS angehörenden G. aus dem kurdischen Flüchtlingslager Al-Hol, in dem diese mit ihren fünf Kindern seit Anfang 2019 interniert war. Zudem war er in die organisatorischen Bemühungen des IS eingebunden, die G. mit Schleuserhilfe aus dem Lager zu befreien und ihr eine Rückkehr zur Vereinigung in die syrische Region Idlib zu ermöglichen. An diesen Aktivitäten des Mitangeklagten beteiligte sich die Angeklagte in enger Absprache mit ihm. Weisungsgemäß übernahm sie ab Anfang Juli 2020 in der ihr vom Mitangeklagten zugedachten Rolle als „Informationsmittlerin“ die Kommunikation mit G. und informierte diese fortlaufend über den Stand der Spendensammlung und der organisatorischen Bemühungen. Auch mit der Zweitfrau des“ “ hielt sie Kontakt und tauschte im Auftrag des Mitangeklagten Informationen aus. Der Mitangeklagte wollte - seinem streng salafistischen Weltbild entsprechend - nicht selbst unmittelbar mit IS-Frauen kommunizieren. Die Angeklagte richtete zudem - gleichfalls auf Anweisung des Mitangeklagten - im August 2020 ein Spendenkonto („Moneypool“) beim Zahlungsdienstleister PayPal ein und verfasste in Absprache mit dem Mitangeklagten den Text eines Spendenaufrufes. Die Spendensammlung verlief jedoch schleppend; letztlich kam es nicht zu einer Ausschleusung der G. aus dem Lager und wurde kein Geld hierfür bereitgestellt (Tat 1).
bb) Im September 2020 erfuhr die Angeklagte, dass die sich beim IS in der Region Idlib in Syrien aufhaltende D., die sich dort als IS-Mitglied für die Vereinigung betätigte, Geld für ein neues Mobiltelefon und Winterkleidung benötigte. Zudem wollte sie der weiterhin im Lager Al-Hol internierten G. unabhängig von den diese betreffenden Ausschleusungsbemühungen des IS Geld zukommen lassen, um diese finanziell dabei zu unterstützen, im Lager entsprechend den Vorstellungen des IS zu leben und sich weiterhin für eine Rückkehr zum IS bereitzuhalten. Sie informierte den Mitangeklagten, der auf ihre Initiative hin sowie in Absprache mit ihr und“ “ über Mittelsmänner 300 € an“ “ nach Syrien transferierte. Dieser händigte der D. einen Geldbetrag im Wert von 100 € aus und leitete US-Dollar im Gegenwert von 200 € vereinbarungsgemäß an G. weiter. Das Geld erreichte jeweils die Empfängerinnen, worüber die Angeklagte von G. und D. unterrichtet wurde; diese Nachricht gab sie - ihrer Aufgabe als Informationsmittlerin entsprechend - an den Mitangeklagten weiter (Tat 2).
cc) Am 16. Februar 2021, etwa sechs Wochen nach der Verhaftung des Mitangeklagten, transferierte die Angeklagte eigenständig eine aus ihrem Vermögen erbrachte Geldspende in Höhe von 100 € an die sich weiterhin in Idlib (Syrien) aufhaltende D., um dieser eine Fortsetzung ihrer dortigen Betätigung für den IS zu ermöglichen. Das Geld erreichte die Empfängerin (Tat 3).
dd) Der Mitangeklagte hatte seit langem den Wunsch, aus Deutschland auszureisen und für den IS als Kämpfer im „bewaffneten Jihad“ tätig zu werden. Nachdem sein Ansprechpartner“ “ sein wiederholt geäußertes Begehren lange abschlägig beschieden hatte, weil die Vereinigung ihn weiterhin in Deutschland als Spendensammler einsetzen wollte, erhielt er im Dezember 2020 vom IS die Erlaubnis, zur Vereinigung auszureisen und fortan in Syrien oder im Sudan nach einer dortigen militärischen Unterweisung als Kämpfer für den IS tätig zu werden. Hierfür beschaffte er sich einen gefälschten Ausweis und fuhr am 2. Januar 2021 mit dem Zug von Deutschland in Richtung Schweiz, um von dort aus per Flugzeug zum IS weiterzureisen. Kurz vor der Einfahrt des Zuges in die Schweiz wurde er bei einer grenzpolizeilichen Kontrolle von der Bundespolizei festgenommen.
Die Angeklagte hatte spätestens ab Mitte Dezember 2020 Kenntnis von der festen Ausreiseabsicht des Mitangeklagten, seinen diesbezüglichen Absprachen mit“ “, seinem Plan, sich in Syrien oder im Sudan militärisch unterweisen und dann als IS-Kämpfer tätig zu werden, sowie seinen Ausreisevorbereitungen. Sie informierte indes die Behörden nicht über diesen Sachverhalt - die geplante Straftat des Mitangeklagten (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a Abs. 1 und 2a StGB) - und unternahm nichts, um ihn von einer Ausreise zum IS abzuhalten (Tat 4).
ee) Wegen weiterer Einzelheiten der Taten der Angeklagten nimmt der Senat Bezug auf die diesbezüglichen Ausführungen im Haftbefehl des Oberlandesgerichts vom 10. Juli 2023 (dort unter I.) und im Urteil vom 8. Februar 2023 (dort unter A. III.).
2. Die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das Oberlandesgericht nach Durchführung der erstinstanzlichen Hauptverhandlung und tatgerichtlicher Verurteilung eines Angeklagten auf der Basis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung vorgenommen hat, unterliegt nur eingeschränkt der gerichtlichen Überprüfung durch den Senat im Haftbeschwerdeverfahren. Denn das Beschwerdegericht verfügt über keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme vor dem Tatgericht. Hinzu kommt, dass die Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung des Oberlandesgerichts, die zur Verurteilung eines Angeklagten geführt hat, auf die eingelegte Revision allein noch der Überprüfung auf Rechtsfehler unterliegt. Diesen Verfahrensstand hat der Senat bei der Bewertung des Tatverdachts nach erstinstanzlicher Verurteilung zu berücksichtigen, da die Prognose, ob der Beschwerdeführer mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtskräftig verurteilt werden wird, nunmehr allein vom Erfolg der Revision abhängt. Der Senat könnte daher von der Beurteilung des Oberlandesgerichts nur dann abweichen, wenn bereits jetzt erkennbar wäre, dass dessen Beweiswürdigung revisionsrechtlicher Prüfung nicht standhalten kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. September 2023 - StB 55/23, juris Rn. 12; vom 28. April 2020 - StB 12/20, juris Rn. 6; vom 28. Oktober 2005 - StB 15/05, NStZ 2006, 297 Rn. 1; OLG Bremen, Beschluss vom 20. Oktober 2022 - 1 Ws 107/22, juris Rn. 20; OLG Hamburg, Beschluss vom 23. Dezember 2021 - 2 Ws 124/21, juris Rn. 22). Die Kontrolle ist deshalb beschränkt auf eine Überprüfung der Darlegungen des Tatgerichts zum Ergebnis der Beweisaufnahme dahin, ob die Beweiswürdigung zwingend oder mit großer Wahrscheinlichkeit durch Rechtsfehler beeinflusst ist (BGH, Beschlüsse vom 28. April 2020 - StB 12/20, juris Rn. 6; vom 28. Oktober 2005 - StB 15/05, NStZ 2006, 297 Rn. 1). Die Darlegungen müssen so ausführlich sein, dass dem Beschwerdegericht diese beschränkte Prüfung möglich ist. Diese Voraussetzungen erfüllt der Haftbefehl vom 10. Juli 2023, denn er nimmt in statthafter Weise Bezug auf die umfassenden Ausführungen zur Beweiswürdigung in den Gründen des - dem Senat vorliegenden - Urteils vom 8. Februar 2023 (vgl. insofern BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2020 - StB 37/20, juris Rn. 9).
Hieran gemessen ergibt sich der dringende Tatverdacht aus dem verurteilenden Erkenntnis und der in den schriftlichen Urteilsgründen dargelegten Beweiswürdigung. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese einer revisionsrechtlichen Kontrolle nicht standhalten könnte. Denn ausweislich der Urteilsgründe ist die Angeklagte umfassend geständig gewesen; die Richtigkeit ihres Geständnisses ist durch die in der Hauptverhandlung erfolgte Beweisaufnahme, insbesondere durch die aus der Auswertung von Chatkommunikationen der Angeklagten gewonnenen Erkenntnisse, bestätigt worden. Wegen der Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht begründenden Umstände nimmt der Senat Bezug auf die Beweiswürdigung des Urteils vom 8. Februar 2023 (dort unter B. II bis VII).
3. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass sich die Angeklagte - entsprechend der Verurteilung - mit hoher Wahrscheinlichkeit strafbar gemacht hat wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit einer Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 139 vom 29. Mai 2002, S. 9) veröffentlichten unmittelbar geltenden Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, sowie wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten. Mithin ist auszugehen von einer Strafbarkeit der Angeklagten nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 Alternative 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 89a Abs. 2a StGB, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002, §§ 52, 53 StGB.
a) Zur hochwahrscheinlichen Strafbarkeit der Beschuldigten wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland - des IS - ist Folgendes auszuführen:
aa) Bei dem IS handelt es sich um eine terroristische Vereinigung im Ausland (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - StB 44/23, juris Rn. 7 ff., 38).
bb) Unter einem Unterstützen im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 Alternative 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB ist grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2023 - StB 44/23, juris Rn. 44; vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, NStZ-RR 2022, 13; Urteile vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 136). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn die Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 18; Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6 Rn. 5; Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 134; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345 Rn. 11). In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 18; Beschluss vom 11. Juli 2013 - AK 13/13 u.a., BGHSt 58, 318 Rn. 19; Urteile vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 134; vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243, 244).
cc) Hiervon ausgehend ist das Agieren der Angeklagten - entsprechend der rechtlichen Würdigung des Urteils vom 8. Februar 2023 - als Unterstützung des IS (in drei Fällen) zu werten.
(1) Die Angeklagte war zwar Befürworterin der Ideologie und des Agierens des IS; auch stand sie in engem Kontakt mit dem Mitangeklagten, der hochwahrscheinlich IS-Mitglied war, sowie Angehörigen dieser Vereinigung in Syrien. Auch zielten ihre Handlungen darauf ab, den IS zu stärken und zu fördern. Die Urteilsfeststellungen zeigen indes nicht auf, dass sich die Angeklagte im Einvernehmen mit dem IS in die Organisation eingliederte und an dieser gewissermaßen von innen heraus mitwirkte, also deren Mitglied war (vgl. zu den Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft BGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 2022 - AK 33/22, juris Rn. 33; vom 21. April 2022 - AK 18/22, juris Rn. 5; vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 35). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass sie - wie der Mitangeklagte (vgl. zu diesem BGH, Beschluss vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 33 ff.) - einen Treueeid auf den IS leistete. Sie hielt sich zu keinem Zeitpunkt an Orten auf, von denen aus die Vereinigung maßgeblich gesteuert wurde, sondern agierte ausschließlich von ihrem bayerischen Wohnort aus (vgl. zur Problematik der „Distanzmitgliedschaft“ BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 36; vom 24. Februar 2021 - AK 9/21, juris Rn. 19; vom 9. Dezember 2020 - AK 38/20, juris Rn. 17; vom 12. November 2020 - AK 34/20, juris Rn. 17; vom 22. Juli 2020 - AK 16/20, juris Rn. 18; Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 128). Soweit sie in Kontakt mit IS-Mitgliedern stand, handelte es sich um Personen, die keine höherrangigen Funktionäre der Vereinigung waren und - so die Urteilsfeststellungen - keine Befugnis hatten, über die Aufnahme weiterer Mitglieder zu befinden.
(2) Der für eine Strafbarkeit nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 Alternative 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 bis 3 StGB erforderliche Unterstützungserfolg ist bei den Taten 1 bis 3 jeweils gegeben. Die erfolgreichen Geldtransfers (Taten 2 und 3) halfen den Empfängerinnen, in kurdischer Haft beziehungsweise in Syrien ein Leben im Sinne der Vereinigung zu führen und sich für ein anderweitiges Engagement in der Organisation nach einer Freilassung zur Verfügung zu halten beziehungsweise in Syrien für die Vereinigung tätig zu sein (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 21. September 2023 - StB 56/23, juris Rn. 38; vom 23. August 2023 - StB 47/23, juris Rn. 7 ff.; vom 27. Juli 2023 - StB 44/23, juris Rn. 15 ff., 42 ff.; vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, juris Rn. 11; vom 9. Januar 2020 - AK 61/19, juris Rn. 29 f.). Aber auch die intensiven Bemühungen der Angeklagten um eine Finanzierung und Organisation der Ausschleusung einer IS-Angehörigen aus einem kurdischen Internierungslager (Tat 1) waren konkret wirksam und für den IS objektiv nützlich. Denn bereits diese Bemühungen, in welche die designierte Geldempfängerin durch ihre Kommunikation mit der Angeklagten eng eingebunden war, stärkten diese in ihrem Glauben an den IS und ihrer Bereitschaft, sich weiterhin für die Vereinigung zu engagieren. Zudem wird mit der finanziellen Unterstützung insbesondere inhaftierter IS-Frauen beziehungsweise den darauf abzielenden Bemühungen das Signal an Mitglieder und Sympathisanten des IS ausgesandt, dass sich die Vereinigung intensiv um gefangen genommene oder aus anderen Gründen unterstützungsbedürftige Angehörige kümmert. Dies ist geeignet, die Überzeugung von der fortbestehenden Wirkmacht der Vereinigung und die Loyalität zu dieser zu stärken (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 21. September 2023 - StB 56/23, juris Rn. 38; vom 23. August 2023 - StB 47/23, juris Rn. 7 ff.; vom 27. Juli 2023 - StB 44/23, juris Rn. 15 ff., 42 ff.).
In Bezug auf die Taten 1 und 2 kommt hinzu, dass sich die Unterstützungshandlungen der Angeklagten in der Sache als Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Beteiligung des Mitangeklagten am IS darstellten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2023 - 3 StR 483/21, juris Rn. 20; vom 30. Juni 2022 - StB 25/22, juris Rn. 16; vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, NStZ-RR 2022, 13; Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17). In dieser Konstellation der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung kommt es nicht darauf an, ob die Unterstützungshandlung dergestalt wirksam wird, dass sie der Vereinigung als solcher einen objektiv messbaren Nutzen bringt. Vielmehr genügt es regelmäßig, wenn ein Beteiligungsakt eines Mitglieds, das im Auftrag der Vereinigung tätig ist, wirksam gefördert wird; der Feststellung eines noch weitergehenden positiven Effekts der Handlungen des Nichtmitglieds für die Vereinigung als solche bedarf es in der Regel nicht. Da als Folge des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt, regelmäßig bereits hierin ein ausreichender Nutzen für die Vereinigung zu sehen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Täter - wie hier - ein Mitglied der Vereinigung bei der Erfüllung einer Aufgabe unterstützt, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist. Denn die Mitwirkung an der Erfüllung eines Auftrags, den die Vereinigung selbst einem Mitglied erteilt hat, erweist sich nicht allein für das betroffene Mitglied als im hier relevanten Sinne vorteilhaft; der ausreichende, nicht notwendigerweise spezifizierte Nutzen wirkt sich in einem solchen Fall vielmehr auch auf die Organisation als solche aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2023 - 3 StR 483/21, juris Rn. 20; vom 30. Juni 2022 - StB 25/22, juris Rn. 17; vom 7. Oktober 2021 - StB 31 u. 32/21, juris Rn. 18; Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 19; Beschlüsse vom 14. Dezember 2017 - StB 18/17, NStZ-RR 2018, 72, 74; vom 11. Juli 2013 - AK 13 u. 14/13, BGHSt 58, 318 Rn. 24; LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 129 Rn. 124; MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 111).
dd) Die für die Verfolgung von Straftaten der Unterstützung der außereuropäischen Vereinigung IS gemäß § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung des Bundesministeriums der Justiz liegt vor.
b) In den Fällen 2 und 3 tritt zur Strafbarkeit wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland jeweils tateinheitlich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2023 - StB 44/23, juris Rn. 46; vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, juris Rn. 25; vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 46 mwN) eine Strafbarkeit wegen Verstoßes gegen ein Bereitstellungsverbot nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG hinzu (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 23. August 2023 - StB 47/23, juris Rn. 10; vom 27. Juli 2023 - StB 44/23, juris Rn. 15 ff.; 42 ff.; vom 7. Februar 2023 - 3 StR 483/21, juris Rn. 22; vom 18. November 2021 - AK 47/21, juris Rn. 10 ff.; vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 32).
Die Übermittlung von Geldern an IS-Mitglieder in Syrien verstieß gegen das in Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 normierte Bereitstellungsverbot (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2023 - StB 44/23, juris Rn. 46; vom 7. Februar 2023 - 3 StR 483/21, juris Rn. 22; vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, juris Rn. 16 ff. mwN; vom 18. November 2021 - AK 47/21, juris Rn. 10 ff.; vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 40 mwN). Denn der IS ist seit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission vom 28. Juni 2013 (ABl. L 179 vom 29. Juni 2013, S. 85) eine in der Verordnung gelistete Vereinigung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2023 - 3 StR 483/21, juris Rn. 22; vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, juris Rn. 16; Urteil vom 29. Juli 2021 - 3 StR 156/20, BGHR AWG § 18 Abs. 1 Nr. 1 Bereitstellungsverbot 3 Rn. 9; Beschluss vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 40 mwN). Gemäß Art. 2 Abs. 2 der Verordnung dürfen gelisteten Gruppierungen weder direkt noch indirekt Gelder zur Verfügung gestellt werden.
Indem die Angeklagte dafür sorgte, dass Gelder an IS-Mitglieder im (früheren) Hauptagitationsgebiet der Vereinigung gelangten und von diesen im Sinne der Vereinigung verwendet werden konnten, stellte sie finanzielle Ressourcen im Sinne des Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 zur Verfügung. Denn angesichts der Struktur des IS und des Umstandes, dass es sich bei der Vereinigung um einen Personenverband handelt, werden Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen jedenfalls dann bereits dem IS selbst unmittelbar zur Verfügung gestellt, wenn sie einem im Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation befindlichen und agierenden Mitglied, das in die dortigen Vereinigungsstrukturen eingebunden ist, zur Verwendung für die Ziele und Zwecke der Vereinigung zufließen. Insofern ist nicht erforderlich, dass die Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen in die direkte Verfügungsgewalt eines Führungsverantwortlichen oder eines für Finanzangelegenheiten zuständigen Vereinigungsmitglieds gelangen oder solche höherrangigen Mitglieder eine eigene Zugriffsmöglichkeit erhalten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2023 - StB 44/23, juris Rn. 47; vom 7. Februar 2023 - 3 StR 483/21, juris Rn. 22; vom 18. November 2021 - AK 47/21, wistra 2022, 207 Rn. 17 ff.; vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, juris Rn. 18 ff.; Urteil vom 29. Juli 2021 - 3 StR 156/20, BGHR AWG § 18 Abs. 1 Nr. 1 Rn. 18 ff.; Beschlüsse vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 40; vom 24. Februar 2021 - AK 6/21, juris Rn. 33, 37 f.). Unerheblich ist, dass das IS-Mitglied G. in einem von kurdischen Milizen kontrollierten Lager interniert war. Denn dort konnte sie weitgehend selbstorganisiert ein Leben entsprechend den Vorstellungen des IS führen und für die Vereinigung tätig werden (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - StB 44/23, juris Rn. 48).
c) Dadurch, dass die Angeklagte die beabsichtigte Ausreise des Mitangeklagten zum IS den Behörden nicht mitteilte, hat sie sich hochwahrscheinlich wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht. Die geplante Straftat war die vom Mitangeklagten unternommene Ausreise zum IS, mithin dessen Straftat nach § 89a Abs. 2a StGB. Der Unterlassungsstrafbarkeit der Angeklagten steht nicht entgegen, dass sie zur Tatzeit mit dem Mitangeklagten liiert war; ungeachtet dessen war ihr eine Anzeige angesichts der hohen vom Mitangeklagten und dessen Ausreise ausgehenden Gefahr zumutbar, zumal eine solche grundsätzlich auch anonym erstattet werden kann (vgl. MüKoStGB/Hohmann, 4. Aufl., § 138 Rn. 14; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 138 Rn. 10). Der Strafausschließungsgrund des § 139 Abs. 3 Satz 1 StGB ist vorliegend nicht gegeben. Zum einen war der Mitangeklagte für die Angeklagte kein Angehöriger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 139 Rn. 5; MüKoStGB/Hohmann, 4. Aufl., § 139 Rn. 11). Zum anderen entfaltete sie keine Bemühungen, ihn von einer Ausreise zum IS abzuhalten.
d) Die Taten stehen zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB).
e) Sie unterfallen der deutschen Strafgewalt gemäß § 3 StGB, denn die Angeklagte handelte im Inland. Deshalb - und weil die Angeklagte Deutsche ist - sind auch die strafbarkeitsbegründenden Voraussetzungen des § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB erfüllt.
4. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für den Erlass des Haftbefehls folgt aus § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 1 StPO, wobei die Zuständigkeit für die Strafverfolgung wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138 StGB; Tat 4) zwar nicht durch § 120 Abs. 1 Nr. 7 GVG begründet wird, weil die betreffende Tat (§ 89a Abs. 2a StGB) nicht dem Katalog des § 120 Abs. 1 GVG unterfällt, wohl aber als Annexzuständigkeit (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 12. August 2021 - 3 StR 441/20, BGHSt 66, 226 Rn. 14; vom 20. September 2012 - 3 StR 314/12, juris Rn. 20; vom 13. Januar 2009 - AK 20/08, BGHSt 53, 128 Rn. 39; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 120 GVG Rn. 2) gegeben ist. Diese Tat steht in einem derart engen persönlichen und deliktsspezifisch-sachlichen Zusammenhang mit den übrigen Taten der Angeklagten, dass eine getrennte Verfolgung und Aburteilung auch unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern als in hohem Maße sachwidrig erschiene.
5. Es besteht - entgegen dem Beschwerdevorbringen der Angeklagten - der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände besteht nach wie vor die Gefahr, dass sich die Angeklagte dem weiteren Strafverfahren durch Flucht entziehen wird.
Zwar befindet sich die zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilte Angeklagte derzeit bereits 25 Monate in Untersuchungshaft. Die Dauer der gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB auf die Strafe anzurechnenden Untersuchungshaft übersteigt mithin zwei Drittel der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe; im Falle einer Rechtskraft des Urteils wäre der Zeitpunkt für eine Strafrestaussetzung zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 StGB bereits erreicht. Dieser Umstand steht der Annahme von Fluchtgefahr indes nicht entgegen, auch wenn bei der Beurteilung der Dauer der noch zu vollstreckenden Sanktion als ein Fluchtanreiz setzender Faktor nicht auf die Höhe der mit dem Urteil verhängten Strafe, sondern auf die „Nettostraferwartung“ unter prognostischer Berücksichtigung einer etwaigen Strafrestaussetzung zur Bewährung abzustellen ist (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 20. Juli 2023 - StB 43/23, juris Rn. 7; vom 3. Mai 2023 - StB 26/23, juris Rn. 13; vom 9. Februar 2023 - StB 4/23, juris Rn. 13; vom 5. Oktober 2022 - StB 41/22, juris Rn. 14; vom 30. Mai 2018 - StB 12/18, NStZRR 2018, 255). Denn eine Strafrestaussetzung zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 StGB ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht wahrscheinlich. Die Beschuldigte nimmt zwar an Einzelgesprächen beim Kompetenzzentrum für Deradikalisierung und Risikoanalyse beim Bayerischen Landeskriminalamt teil. Zudem hat sie eine Abkehr von ihrer salafistisch-jihadistischen Ideologie kundgetan und ihre Verschleierung abgelegt. Indes stehen die Deradikalisierungsgespräche noch am Anfang und sind belastbare Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der geltend gemachten Abkehr von ihrer Grundhaltung um einen von echter Einsicht und innerer Umkehr getragenen, belastbaren und dauerhaften Wandel handelt, jedenfalls derzeit nicht gegeben. Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Angeklagte noch kurz vor ihrer Inhaftierung Dritten gegenüber dahin äußerte, sich im Falle einer Festnahme und eines Strafverfahrens taktisch verhalten zu wollen, um eine milde Bestrafung zu erreichen. Daher ist bei der Beurteilung der Fluchtgefahr in Rechnung zu stellen, dass die Beschuldigte zum gegenwärtigen Zeitpunkt wahrscheinlich noch acht Monate Freiheitsstrafe zu verbüßen hat. Schon dies begründet einen Fluchtanreiz. Zudem hat der Generalbundesanwalt gegen das Urteil zum Nachteil der Angeklagten Revision eingelegt, mit der er ausweislich seines Beschwerdevorbringens ihre Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an der terroristischen Vereinigung im Ausland „Islamischer Staat“ statt wegen Unterstützung dieser Vereinigung erstrebt. Insofern besteht für die Verurteilte ein gewisses Risiko einer Urteilsaufhebung in der Revision verbunden mit der Verhängung einer höheren Gesamtfreiheitsstrafe in einem zweiten Rechtsgang, wenngleich die Urteilsfeststellungen nach vorläufiger Beurteilung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens die Annahme einer mitgliedschaftlichen Eingliederung der Angeklagten in die Vereinigung „Islamischer Staat“ nicht tragen. Da aber zumindest nicht auszuschließen ist, dass die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte Revision des Generalbundesanwalts Erfolg hat, griffe es zu kurz, zur Beurteilung des Fluchtanreizes die weitere Straferwartung allein ausgehend von der mit dem vorliegenden Urteil verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zu prognostizieren (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Mai 2018 - StB 12/18, NStZ-RR 2018, 255).
Hinzu kommt, dass die Angeklagte zwar weiterhin über eine Wohnung an ihrem früheren Wohnort verfügt, indes weder dort noch anderswo sozial oder beruflich fest verankert ist. Kontakt zu ihren Eltern und Geschwistern besteht erst seit Kurzem wieder; dieser ist (noch) nicht verfestigt. Die Angeklagte hat keine abgeschlossene Berufsausbildung und war zuletzt arbeitslos. Über eine tragfähige berufliche Perspektive verfügt sie nicht. Das Sorgerecht für ihre Kinder ist ihr entzogen; diese leben in einer staatlichen Einrichtung beziehungsweise beim Kindsvater. Eine Rückführung der Kinder in ihre Obhut ist nicht abzusehen. Wie bereits ausgeführt, liegen jedenfalls derzeit keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine gefestigte Abkehr der Angeklagten von ihrer (früheren) salafistisch-jihadistischen Ideologie und ihrer Zustimmung zu den Zielen und den Tätigkeiten der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ vor. Nach wie vor verfügt sie über Kontakte in das Ausland, zu Angehörigen des IS und zu weiteren Personen aus dem Unterstützerkreis dieser Vereinigung.
6. Dagegen ist abweichend von der Auffassung des Generalbundesanwalts der (subsidiäre) Haftgrund der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO) nicht gegeben. Denn der Straftatbestand der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB) unterfällt dem Straftatenkatalog des § 112 Abs. 3 StPO nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2022 - StB 16/22, NStZ-RR 2022, 209, 210). Das Gleiche gilt für die weiteren ausweislich des Urteils des Oberlandesgerichts erfüllten Straftatbestände. Die Feststellungen des Urteils des Oberlandesgerichts vermögen - bei einer vorläufigen Bewertung im Beschwerdeverfahren - wie dargetan eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB), bei welcher der Haftgrund der Schwerkriminalität grundsätzlich gegeben sein kann, nicht zu tragen.
7. Das Oberlandesgericht hat zu Recht mit seinem Beschluss vom 27. September 2023 gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 StPO den Vollzug des mithin allein wegen Fluchtgefahr gerechtfertigten Haftbefehls unter Anordnung der dort aufgeführten Weisungen und Auflagen außer Vollzug gesetzt. Denn die verfügten Maßnahmen begründen gesamtwürdigend hinreichend die Erwartung, dass der Zweck der Untersuchungshaft - die Verhinderung einer Flucht der Angeklagten - auch durch sie erreicht werden kann. Die gegenteilige Auffassung des Generalbundesanwalts vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen.
Das Oberlandesgericht hat die Außervollzugsetzung des Haftbefehls davon abhängig gemacht, dass die - vor ihrer Verhaftung zuletzt von Sozialleistungen lebende - Angeklagte eine Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000 € Bargeld erbringt. Zudem ist sie unter anderem angewiesen worden, an ihrem früheren Wohnort, wo ihr die vor der Verhaftung bewohnte Wohnung weiterhin zur Verfügung steht, Wohnsitz zu nehmen, sich zweimal wöchentlich bei der örtlichen Polizeidienststelle zu melden, ihre Ausweispapiere abzugeben und monatlich an fünf Gesprächsterminen beim Kompetenzzentrum für Deradikalisierung und Risikoanalyse beim Bayerischen Landeskriminalamt teilzunehmen.
Schon der drohende Verfall der - mittlerweile erbrachten - Sicherheit wirkt voraussichtlich fluchthemmend, zumal eine Fluchtgefahr - wie ausgeführt - zwar gegeben, aber angesichts der nicht sonderlich hohen weiteren Straferwartung nicht besonders groß ist. Durch den Einbehalt ihrer Ausweispapiere wird der Angeklagten eine Flucht in das Ausland zumindest deutlich erschwert. Die erteilten Weisungen zur engmaschigen Kontrolle der Angeklagten sowie die Anweisung wöchentlich wahrzunehmender Termine beim Kompetenzzentrum für Deradikalisierung und Risikoanalyse werden es voraussichtlich ermöglichen, etwaige Fluchtüberlegungen oder sogar -vorbereitungen frühzeitig zu erkennen und ihnen gegebenenfalls durch eine erneute Inhaftierung der Angeklagten rechtzeitig entgegenzuwirken.
Zwar ist dem Generalbundesanwalt dahin beizupflichten, dass die erst kürzlich wieder aufgenommenen Kontakte der Angeklagten zu Familienangehörigen (noch) nicht verfestigt sind und das Verhältnis der Angeklagten zu diesen vor ihrer Verhaftung in hohem Maße konfliktbehaftet war. Doch besteht immerhin eine ausdrücklich erklärte Bereitschaft des familiären Umfelds der Angeklagten, dieser im Falle einer Freilassung unterstützend zur Seite zu stehen. Auch ist nicht zu verkennen, dass die Gespräche der Angeklagten mit Mitarbeitern des Kompetenzzentrums für Deradikalisierung und Risikoanalyse noch am Anfang stehen und im dortigen Kontakt noch keine differenzierte Auseinandersetzung der Angeklagten mit ihren Taten und der ihnen zu Grunde liegenden Ideologie erfolgt ist. Gleichwohl aber besteht dieser Gesprächskontakt und wird er von der Angeklagten befürwortet und genutzt. Zudem ergibt sich aus einer Mitteilung des Kompetenzzentrums vom 26. September 2023, dass es erste Gespräche über die ihren Taten zu Grunde liegende Ideologie der Angeklagten gegeben und diese hieran aktiv mitgewirkt hat.
Im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im Außervollzugsetzungsbeschluss des Oberlandesgerichts vom 27. September 2023.
8. Der Haftbefehl ist, zumal angesichts seiner Außervollzugsetzung gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 StPO, verhältnismäßig (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO; zu den insoweit nach st. Rspr. geltenden Maßstäben s. etwa BGH, Beschluss vom 20. April 2022 - StB 16/22, NStZ-RR 2022, 209, 210 mwN; zur Relevanz des Verhältnismäßigkeitsgebots bei außer Vollzug gesetzten Haftbefehlen vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 120 Rn. 5 mwN). Insofern ist zu berücksichtigen, dass das Verfahren ohne Verzögerung betrieben worden ist und voraussichtlich weiter betrieben werden wird. Die Taten, wegen derer die Angeklagte verurteilt worden ist, wiegen schwer. Zudem liegt bereits eine erstinstanzliche Verurteilung der Angeklagten vor, wodurch das Gewicht der Unschuldsvermutung stark reduziert ist. Ferner hat die Angeklagte angesichts einer gegenwärtig eher unwahrscheinlichen Strafrestaussetzung zur Bewährung voraussichtlich noch mehrere Monate Strafhaft zu verbüßen, so dass es gilt, die Vollstreckung eines durchaus erheblichen Strafrestes durch den Haftbefehl zu sichern. Der Umstand, dass die Angeklagte bereits jetzt - ausgehend von der erstinstanzlich verhängten Strafe - den Zwei-Drittel-Termin des § 57 Abs. 1 StPO erreicht hat, führt für sich genommen nicht zur Unverhältnismäßigkeit des Haftbefehls, vielmehr ist die Wahrscheinlichkeit einer Strafrestaussetzung zur Bewährung in eine Gesamtwürdigung einzustellen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 2023 - StB 26/23, juris Rn. 20; vom 20. April 2022 - StB 15/22, StV 2022, 634 Rn. 25 mwN; vom 30. Mai 2018 - StB 12/18, NStZ-RR 2018, 255 mwN).
Mit dieser Entscheidung entfällt die vom Oberlandesgericht mit Beschluss vom 29. September 2023 gemäß § 307 Abs. 2 StPO statthaft (vgl. KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 120 Rn. 19; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 120 Rn. 12; KK-StPO/Zabeck, 9. Aufl., § 307 Rn. 2: § 120 Abs. 2 StPO findet keine Anwendung) angeordnete Aussetzung der Vollziehung des Außervollzugsetzungsbeschlusses vom 27. September 2023, ohne dass es einer ausdrücklichen Aufhebung dieser Entscheidung bedarf (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 307 Rn. 2; KK-StPO/Zabeck, 9. Aufl., § 307 Rn. 9).
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1421
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede