HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1179
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, StB 44/23, Beschluss v. 27.07.2023, HRRS 2023 Nr. 1179
Die Beschwerde der Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 27. Juni 2023 (2 BGs 791/23) wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Die Beschuldigte ist am 31. Mai 2023 aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 22. Mai 2023 (2 BGs 630/23) festgenommen worden und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Dieser Haftbefehl ist durch einen neuen, erweiterten Haftbefehl vom 27. Juni 2023 (2 BGs 791/23) ersetzt worden.
Gegenstand des aktuellen Haftbefehls ist der Vorwurf, die Beschuldigte habe im Zeitraum vom 19. Mai 2020 bis zum 18. November 2020 durch 17 selbständige Handlungen die terroristische Vereinigung im Ausland „Islamischer Staat“ (IS) unterstützt, deren Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§ 6 VStGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) oder Kriegsverbrechen (§ 8 ff. VStGB) zu begehen, und dabei jeweils zugleich gegen das Bereitstellungsverbot der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 139 vom 29. Mai 2002, S. 9) veröffentlichten unmittelbar geltenden Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, verstoßen. Die Beschuldigte sei mithin dringend verdächtig, sich gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 52, 53 StGB, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission der Europäischen Union vom 28. Juni 2013 (ABl. L 179 vom 29. Juni 2013, S. 85) strafbar gemacht zu haben.
Gegen den Haftbefehl vom 27. Juni 2023 wendet sich die Beschuldigte mit ihrer Beschwerde vom 28. Juni 2023, der vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs nicht abgeholfen worden ist.
Der Generalbundesanwalt hat mit Zuschrift vom 29. Juni 2023 beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Die gemäß § 304 Abs. 5 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die rechtlichen Voraussetzungen für einen Haftbefehl und dessen Vollzug sind gegeben.
1. Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
a) Die Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region „ash-Sham“ - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden „Gottesstaat“ unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als „Feind des Islam“ begreift; die Tötung solcher „Feinde“ oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des „Kalifats“ am 29. Juni 2014 von „Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien“ (ISIG) in „Islamischer Staat“ (IS) umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 Abu Bakr al-Baghdadi inne. Die Vereinigung setzte ihre Ziele durch offenen militärischen Bodenkampf im Irak und in Syrien sowie durch Sprengstoff- und Selbstmordanschläge, aber auch durch Entführungen, Erschießungen und spektakulär inszenierte, grausame Hinrichtungen durch. Die Vereinigung teilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements ein und errichtete einen Geheimdienstapparat; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch in Gegnerschaft zum IS stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus beging der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin, die Verantwortung.
Im Irak gelang es dem IS im Jahr 2014, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt Mossul, die bis zu der Offensive der von den USA unterstützten irakischen Armee Ende 2016 der zentrale Ort seiner Herrschaft im Irak war. In den Jahren 2013 und 2014 gelang es dem IS zudem, weite Teile im Norden und Osten Syriens unter seine Gewalt zu bringen.
Seit Januar 2015 wurde die Vereinigung schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von Mossul, die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27. August 2017 wurde der IS aus seiner letzten nordirakischen Hochburg in Tal Afar verdrängt. Die irakischen Sicherheitskräfte erklärten im Dezember 2017 den Krieg gegen den IS für beendet, nachdem sie in einem letzten Schritt die Kontrolle von Gebieten an der syrisch-irakischen Grenze vollständig zurückerlangt hatten.
Auch in Syrien büßte der IS im Laufe des Jahres 2018 große Gebiete ein. Ende 2018 verblieb dem IS nur noch ein kleines Territorium im Raum Baghuz in der Provinz Deir Ezzor, in das sich die IS-Kämpfer zurückziehen konnten. Am 9. Februar 2019 begann die finale Offensive der Syrian Democratic Forces (SDF) um den Ort Baghuz, wobei sie Luftunterstützung durch die Anti-IS-Koalition erhielten. Am 23. März 2019 kapitulierten dort die letzten IS-Kämpfer; tausende von ihnen sowie zehntausende Frauen und Kinder wurden in Gefängnissen und Lagern - etwa in Al-Hol oder Roj im Nordosten Syriens - interniert. Damit brach das territoriale Kalifat des IS mit quasi staatlichen Strukturen zusammen. Weitere Rückschläge erlitt die Vereinigung durch die Tötung ihres Anführers Abu Bakr al-Baghdadi und ihres offiziellen Sprechers in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober 2019 im Rahmen einer US-amerikanischen Militäraktion in der syrischen Provinz Idlib.
Trotz des Zusammenbruchs des Kalifats war der IS als militant-dschihadistische und international agierende Organisation nicht vollständig zerstört. Vielmehr verblieb die Vereinigung unter Aufrechterhaltung ihrer ideologischen Ausrichtung in der Folgezeit in ihrem Kerngebiet Syrien/Irak, insbesondere in der syrisch-irakischen Grenzregion sowie der syrischen Wüste. Auch passte sich der IS an die veränderten Rahmenbedingungen an: So benannte er kurz nach der Tötung der beiden Führungspersonen einen neuen Sprecher und einen neuen Emir, setzte seine Propagandatätigkeiten fort und operierte zunehmend aus dem Untergrund heraus. Schätzungen zufolge verfügt er im Kerngebiet weiterhin über 4.000 bis 6.000 aktive Kämpfer. In den Jahren 2019 bis 2021 verübte er mehrere tausend terroristische Anschläge in Syrien und im Irak in Form von Sturm- und Raketenangriffen sowie Selbstmord- und Sprengstoffanschlägen. Derartige militärische Operationen führte er auch in Somalia, Ägypten/Sinai, Jemen, Nigeria, Tschad und Burkina Faso aus. Daneben nahm er gezielt Tötungen und Hinrichtungen von Einzelpersonen wie beispielsweise sunnitischen Stammesältesten, Kämpfern des SDF und solchen des syrischen Regimes vor.
Der IS ist auch weiterhin in der Provinz Idlib aktiv. So gelang es der Vereinigung Ende Dezember 2017 nach tagelangen Kämpfen mit der Hai´At Tahrir Al-Sham (HTS), die in dieser Provinz militärisch, wirtschaftlich und politisch stark vertreten war, dort mehrere Dörfer einzunehmen. In den Jahren 2018 bis 2021 folgten zahlreiche Kämpfe zwischen beiden Gruppierungen, ohne dass der IS aus der von der HTS kontrollierten Region vollständig verdrängt werden konnte.
Mit der Ausrufung weltweiter Provinzen außerhalb seines ursprünglichen Kerngebiets und fortwährender terroristischer Aktivitäten in zahlreichen Staaten in Afrika und Asien, vor allem in Ägypten/Sinai, West- und Zentralafrika sowie in der Provinz Khorasan bestehend aus den Ländern Afghanistan, Pakistan und Tadschikistan - dort agierend unter der Bezeichnung „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ (ISPK) - unterstreicht der IS seinen Anspruch, ein global agierender Akteur zu sein.
b) Die in der Bundesrepublik lebende Beschuldigte war jedenfalls im Jahr 2020 Anhängerin eines radikal-salafistischen Islam, sympathisierte mit der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) und unternahm es, diese von Deutschland aus zu unterstützen.
aa) Gemeinsam mit ihrem mitbeschuldigten Ehemann sammelte sie im Jahr 2020 Geldspenden für Frauen, die - wie sie wusste - dem IS angehörten und in den von kurdischen Kräften betriebenen Flüchtlingslagern Al-Hol und Roj im Nordosten Syriens interniert waren. Die Beschuldigte sorgte für den Transfer der erhaltenen Gelder an IS-Angehörige in den Lagern, um den Empfängerinnen mit den Finanzmitteln eine Ausschleusung aus der Internierung, einen Freikauf oder aber ein Leben in den - von einer weitgehenden Selbstorganisation der IS-Insassen geprägten - Lagern entsprechend den Vorgaben des IS und unter fortwährender Zugehörigkeit zu der Vereinigung zu ermöglichen.
Die Beschuldigte und ihr Ehemann betrieben hierfür ab dem 16. April 2020 einen Telegram-Kanal, über den sie Geldspenden einwarben und organisierten. Dieser trug anfänglich den Namen“ “; am 10. Mai 2020 nannten sie ihn in“ “ um. Die Beschuldigte, die sich den Gepflogenheiten des IS entsprechend einen besonderen Namen („ “) gegeben hatte und als“ “ bezeichnete, hatte die Funktion einer Ansprechpartnerin für spendenwillige Frauen; ihr Ehemann diejenige einer Kontaktperson für männliche Geldgeber.
Aufgrund ihrer Spendenaufrufe über den Telegram-Kanal“ “ erhielten die Beschuldigte und ihr Ehemann in größerer Zahl Geldspenden in teils beträchtlicher Höhe, die von den Geldgebern für in den Gefangenenlagern im Nordosten Syriens untergebrachte und dem IS zugehörige Frauen bestimmt waren. Im Zeitraum von Mai 2020 bis November 2020 transferierte die Beschuldigte über ein ihr zuzuordnendes Bankkonto so eingenommene Spendengelder in Höhe von mehr als 40.000 € mittels des Finanztransferdienstleisters „Transfer-Wise“ (nunmehr: „Wise“) an Personen in der Türkei, die als Finanzmittler agierten und die Gelder jeweils entsprechend der Weisung der Beschuldigten - erfolgreich - an die vorgesehenen Empfängerinnen in den Lagern weiterleiteten.
bb) Im Einzelnen besteht der dringende Tatverdacht jedenfalls folgender 17 solcher Geldtransfers im Zeitraum von Mai 2020 bis November 2020:
(1) Am 19. Mai 2020 transferierte die Beschuldigte einen Geldbetrag in Höhe von 7.371,87 € an den Finanzmittler Y. .
(2) Am 23. Mai 2020 übersandte die Beschuldigte 320 € an den Mittelsmann K. .
(3) Am 28. Mai 2020 transferierte sie an Y. einen Betrag in Höhe von 5.988,59 €.
(4) Gemeinsam mit ihrem Ehemann leitete die Beschuldigte im Zeitraum vom 30. Mai 2020 bis 2. Juni 2020 einen Geldbetrag in Höhe von 1.900 €, der zuvor von der gesondert Verfolgten O. als Spende an die Beschuldigte gezahlt worden war, über eine Finanzmittlerin an die seinerzeit im Lager Al-Hol befindliche IS-Angehörige Ö. weiter. Das IS-Mitglied Ö. agierte als solches auch aus dem Gefangenlager heraus. Sie betrieb einen eigenen Telegram-Kanal, mit dem sie zu Spenden für den Freikauf von dem IS zugehörigen Insassinnen des Lagers Al-Hol aufrief. Die hierdurch veranlassten Spenden wurden - in Absprache zwischen ihr und der Beschuldigten - jedenfalls teilweise über die Beschuldigte wie beschrieben abgewickelt. Auch die Spende der O. war durch einen Spendenaufruf der Ö. motiviert worden; dieses Geld wurde von Ö. zum - erfolgreichen - Freikauf einer IS-Angehörigen aus dem Lager verwendet. Ferner organisierte Ö., die im Lager Al-Hol eine Vormachtstellung gegenüber anderen zum IS gehörenden oder diesem jedenfalls nahestehenden Frauen hatte, solche Ausschleusungen.
(5) Am 6. Juli 2020 transferierte die Beschuldigte einen Geldbetrag in Höhe von 5.249,91 € an den Finanzmittler A. .
(6) Am 28. Juli 2020 transferierte die Beschuldigte einen Geldbetrag in Höhe von 2.777,21 € an den Finanzmittler Al. .
(7) Am 7. August 2020 transferierte die Beschuldigte einen Geldbetrag in Höhe von 300 € an den Finanzmittler D. .
(8) Am 8. August 2020 transferierte die Beschuldigte einen Geldbetrag in Höhe von 3.000 € an den Finanzmittler Al. .
(9) Am 12. August 2020 transferierte die Beschuldigte einen Geldbetrag in Höhe von 2.070 € an den Finanzmittler A. .
(10) Am 15. August 2020 transferierte die Beschuldigte einen Geldbetrag in Höhe von 232,79 € an den Finanzmittler B. .
(11) Am 23. August 2020 transferierte die Beschuldigte einen Geldbetrag in Höhe von 1.798,09 € an den Finanzmittler Al. .
(12) Am 29. August 2020 transferierte die Beschuldigte einen Geldbetrag in Höhe von 3.622,01 € an den Finanzmittler Al. .
(13) Am 17. September 2020 transferierte die Beschuldigte einen Geldbetrag in Höhe von 407,98 € an den Finanzmittler N. .
(14) Am 21. September 2020 transferierte die Beschuldigte einen Geldbetrag in Höhe von 4.523,42 € an den Finanzmittler Al. .
(15) Am 14. Oktober 2020 transferierte die Beschuldigte einen Geldbetrag in Höhe von 1.028,79 € an den Finanzmittler S. .
(16) Am 6. November 2020 transferierte die Beschuldigte einen Geldbetrag in Höhe von 930,50 € an den Finanzmittler Ba. .
(17) Am 18. November 2020 transferierte die Beschuldigte einen Geldbetrag in Höhe von 998,92 € an den Finanzmittler Di. .
2. Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) begründet sich wie folgt:
a) Die Entstehung, Ziele, Vorgehensweise und (gegenwärtige) Struktur des IS sind bereits vielfach Gegenstand von Entscheidungen des Senats gewesen, dem aus diesen Verfahren Auswertungen des Bundeskriminalamts und gutachterliche Ausführungen insbesondere des Islamwissenschaftlers Dr. St. bekannt sind, aus denen sich der dringende Tatverdacht ergibt, dass es sich bei der Vereinigung „Islamischer Staat“ um eine terroristische Vereinigung im Ausland handelt.
b) Die Beschuldigte hat eingeräumt, Mitbetreiberin des Kanals“ “ gewesen zu sein. Die Richtigkeit dieser Einlassung wird bestätigt durch Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Die Daten zu den einzelnen Geldtransfers ergeben sich aus Übersichten, die der Finanztransferdienstleister „Wise“ (ehemals „Transfer-Wise“) den Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt hat. Bei dem dort jeweils verzeichneten Ausgangskonto handelt es sich um ein Bankkonto der Angeklagten, für das nur sie verfügungsberechtigt war. Es ist hochwahrscheinlich, dass alle Geldbeträge jeweils ihre beabsichtigten Empfängerinnen in den Lagern erreicht haben. Denn die Beschuldigte und ihr Ehemann veröffentlichten auf ihrem Telegram-Kanal im Tatzeitraum wiederholt entsprechende „Erfolgsmeldungen“; mutmaßlich, um weitere Spenden zu akquirieren. In den Kanal in diesem Kontext eingestellte Bilder, die dem Anschein nach in den Lagern aufgenommen wurden, zeigen Geldscheine und Schilder mit dem Namen des von der Beschuldigten betriebenen Telegram-Kanals. Anzeichen dafür, dass einzelne transferierte Gelder die IS-Angehörigen, für die sie bestimmt waren, nicht erreichten, obgleich die Beschuldigte ersichtlich über Mittel und Wege verfügte, sich in den Lagern aufhaltenden Personen auch größere Geldbeträge zukommen zu lassen, gibt es dagegen nicht. Daher steht der Annahme eines dringenden Tatverdachts nicht entgegen, dass hinsichtlich der haftbefehlsgegenständlichen 17 Transfers (bislang) - mit Ausnahme von Fall 4 - keine konkreten Erkenntnisse zum jeweiligen Erfolg der betreffenden Geldübermittlung haben gewonnen werden können.
Es ist hochwahrscheinlich, dass es sich bei den Empfängerinnen der Gelder um dem IS angehörende Frauen in Internierungslagern im Nordosten Syriens handelte. Dies lässt sich namentlich aus den Umständen des vierten Spendentransfers an die gesondert Verfolgte Ö. ableiten. Aus den im angefochtenen Haftbefehl im Einzelnen dargelegten Gründen, insbesondere aufgrund von Bekundungen der Zeugin M., ist davon auszugehen, dass die Geldempfängerin Ö. auch im Zeitraum ihrer Lagerhaft im Jahr 2020 IS-Mitglied war und im Lager Al-Hol für den IS agierte. Den Ermittlungserkenntnissen zufolge betrieb Ö. aus dem Lager heraus einen Telegram-Kanal, mit dem sie zu Spenden für dem IS zugehörige Frauen in den Lagern aufrief. Zudem stand sie, wie sichergestellte und ausgewertete Chatkommunikation zeigt, im Zuge der Abwicklung des Spendentransfers im Fall 4 in direktem Chatkontakt mit der Spenderin U., die ihrerseits eine Chatkommunikation mit der Beschuldigten führte. Den Chats sind insbesondere der Ablauf des Geldtransfers, die Tätigkeit der Beschuldigten bei der Annahme des Geldes durch die Spenderin und dessen Weiterleitung sowie das erfolgreiche Erlangen des Spendengeldes durch Ö. und dessen Verwendung für den - gelungenen - Freikauf einer IS-Angehörigen aus dem Lager Al-Hol im haftbefehlsgegenständlichen Fall 4 zu entnehmen. Die Chatverkehre lassen überdies erkennen, dass der Beschuldigten bekannt war, dass Ö. IS-Mitglied war und die eingeworbenen Spendengelder im Sinne der Vereinigung verwendete. Die Detailerkenntnisse zum vierten Transferfall lassen in Verbindung mit den Inhalten des von der Beschuldigten und ihrem Ehemann betriebenen Telegram-Kanals“ “ jedenfalls im Sinne eines dringenden Tatverdachts den Schluss zu, dass in allen Transferfällen die Empfängerinnen IS-Mitglieder waren und der Beschuldigten dies bekannt war. Zwar wurde in dem Telegram-Kanal der Beschuldigten und ihres Ehemannes nicht ausdrücklich zu Spenden für IS-Frauen aufgerufen, sondern für in Flüchtlingslagern in Syrien untergebrachte Frauen. Aus anderen Inhalten in dem Kanal wird indes ersichtlich, dass eingeworbene Gelder mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Beschuldigten und ihrem Ehemann speziell zur Unterstützung von IS-Angehörigen bestimmt waren. So konnte ein in den Kanal eingestelltes Video festgestellt werden, das den Titel „ISIS foreign children at Syria’s Al-Hol camp“ trägt, mit einem einer offiziellen IS-Medienstelle zuzurechnenden Nashid hinterlegt ist und Kinder zeigt, die mit Händen Schießbewegungen und eine Enthauptung andeuten. Weitere in den Kanal eingestellte Aufnahmen zeigen Frauen und Kinder mit dem ausgestreckten „Tauhid“-Finger, einer typischen IS-Symbolik. Hinzuweisen ist zudem darauf, dass der Ehemann der Beschuldigten auf seinem Facebook-Profil im Juli 2020 ein Video einstellte, in dem eine weibliche Person mehrfach affirmativ das Fortbestehen des IS verkündet („The Islamic State is remaining!“). Das lässt auf eine IS-Affinität des Mitbeschuldigten und damit angesichts der eng miteinander verbundenen gemeinsamen Tätigkeit der Beschuldigten und ihres Ehemannes, insbesondere dem gemeinschaftlichen Betreiben des Spendenkanals, auf eine entsprechende Einstellung der Beschuldigten und die Zielsetzung ihrer Aktivitäten schließen, Angehörige des IS und damit letztlich die Vereinigung selbst zu unterstützen. Schließlich hat die Beschuldigte bei der Eröffnung des ersten Haftbefehls am 1. Juni 2023 gegenüber dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs eingeräumt, gemeinsam mit ihrem Ehemann über ihren Kanal“ “ Spenden für IS-Angehörige gesammelt zu haben; die ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe seien richtig. Soweit die Beschuldigte angegeben hat, sie distanziere sich vom IS, hat sie dies ergänzt mit dem Bemerken, sie würde „das nie wieder machen“ und sei „jetzt einer ganz anderen Auffassung“. Die behauptete Distanzierung vom IS hat sich mithin nicht auf den Tatzeitraum bezogen.
Ergänzend nimmt der Senat Bezug auf die Darlegungen zur Begründung des dringenden Tatverdachts im angefochtenen Haftbefehl (dort unter IV.).
3. In rechtlicher Hinsicht ist daher auszugehen von einer hochwahrscheinlichen Strafbarkeit der Beschuldigten wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in 17 Fällen, jeweils in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 139 vom 29. Mai 2002, S. 9) veröffentlichten unmittelbar geltenden Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 52, 53 StGB, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission der Europäischen Union vom 28. Juni 2013 (ABl. L 179 vom 29. Juni 2013, S. 85).
a) Hinsichtlich der mutmaßlichen Strafbarkeit der Beschuldigten wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland gilt Folgendes:
aa) Unter einem Unterstützen im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, NStZ-RR 2022, 13; Urteile vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 136). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft (vgl. etwa BGH, Urteile vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17; vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 101). Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich auch und - wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt - sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, NStZ-RR 2022, 13; Urteile vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 136; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345 Rn. 16 ff.). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn die Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 18; Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6 Rn. 5; Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 134; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345 Rn. 11). In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 18; Beschluss vom 11. Juli 2013 - AK 13/13 u.a., BGHSt 58, 318 Rn. 19; Urteile vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 134; vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243, 244).
bb) Hieran gemessen hat die Beschuldigte hochwahrscheinlich in mehrfacher Hinsicht in für den IS objektiv nützlicher Weise gehandelt und damit die Vereinigung im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB unterstützt (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, juris Rn. 11; vom 9. Januar 2020 - AK 61/19, juris Rn. 29 f.). Zum einen hat sie - wie sich exemplarisch und mit besonderer Deutlichkeit im haftbefehlsgegenständlichen Fall 4 zeigt - mit den 17 Geldzahlungen IS-Mitgliedern in Flüchtlingscamps im Nordosten Syriens ermöglicht, in den Lagern mit den Geldern im Sinne des IS und für diesen zu agieren, etwa, indem Ausschleusungen und Freikäufe anderer IS-Frauen organisiert wurden, oder aber dort ein Leben im Sinne der Vereinigung zu führen und sich für ein anderweitiges Engagement im IS nach einer Freilassung zur Verfügung zu halten. Zum anderen hat die Beschuldigte in allen haftbefehlsgegenständlichen Fällen mit dem Betreiben des Spendenkanals und den Geldtransfers den IS als Gesamtorganisation unmittelbar gefördert. Denn die Taten zeigten dem Sympathisantenkreis der Vereinigung, dass der IS sich auch um internierte IS-angehörige Frauen kümmerte und es der Vereinigung immer wieder mit Geldzahlungen gelang, diese aus der Lagerhaft „zu befreien“. Dies war geeignet, den Glauben an die fortbestehende Wirkmacht der Vereinigung und die Loyalität zu dieser zu stärken.
b) Jeweils tateinheitlich hierzu (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, juris Rn. 25; vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 46 mwN) hat sich die Beschuldigte hochwahrscheinlich gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG strafbar gemacht. Die Übermittlung der Gelder an IS-Mitglieder in Syrien verstieß gegen das in Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 normierte Bereitstellungsverbot (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2023 - 3 StR 483/21, juris Rn. 22; vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, juris Rn. 16 ff. mwN; vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 40 mwN). Denn der IS ist seit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission vom 28. Juni 2013 (ABl. L 179 vom 29. Juni 2013, S. 85) eine in der Verordnung gelistete Vereinigung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2023 - 3 StR 483/21, juris Rn. 22; vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, juris Rn. 16; Urteil vom 29. Juli 2021 - 3 StR 156/20, NStZ 2022, 423 Rn. 9; Beschluss vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 40 mwN). Gemäß Art. 2 Abs. 2 der Verordnung dürfen gelisteten Gruppierungen weder direkt noch indirekt Gelder zur Verfügung gestellt werden.
Indem die Beschuldigte hochwahrscheinlich dafür sorgte, dass Gelder an IS-Mitglieder im (früheren) Hauptagitationsgebiet der Vereinigung gelangten und von diesen im Sinne der Vereinigung verwendet werden konnten, stellte sie finanzielle Ressourcen im Sinne des Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 zur Verfügung. Denn angesichts der Struktur des IS und des Umstandes, dass es sich bei der Vereinigung um einen Personenverband handelt, werden Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen jedenfalls dann bereits dem IS selbst unmittelbar zur Verfügung gestellt, wenn sie einem im Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation befindlichen und agierenden Mitglied, das in die dortigen Vereinigungsstrukturen eingebunden ist, zur Verwendung für die Ziele und Zwecke der Vereinigung zufließen. Insofern ist nicht erforderlich, dass die Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen in die direkte Verfügungsgewalt eines Führungsverantwortlichen oder eines für Finanzangelegenheiten zuständigen Vereinigungsmitglieds gelangen oder solche höherrangigen Mitglieder eine eigene Zugriffsmöglichkeit erhalten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2023 - 3 StR 483/21, juris Rn. 22; vom 18. November 2021 - AK 47/21, wistra 2022, 207 Rn. 17 ff.; vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, juris Rn. 18 ff.; Urteil vom 29. Juli 2021 - 3 StR 156/20, NStZ 2022, 423 Rn. 18 ff.; Beschlüsse vom 14. Juli 2021 - AK 37/21, juris Rn. 40; vom 24. Februar 2021 - AK 6/21, juris Rn. 33, 37 f.).
Unerheblich ist insofern, dass die Empfängerinnen zu dieser Zeit in von kurdischen Milizen kontrollierten Lagern interniert waren. Denn sie konnten auch dort weitgehend selbstorganisiert ein Leben entsprechend den Vorstellungen des IS führen und für die Vereinigung tätig werden, wie nicht zuletzt von dort aus initiierte und organisierte erfolgreiche Ausschleusungen und Freikäufe von IS-Frauen aus den Lagern aufzeigen.
c) Die Taten, derer die Beschuldigte dringend verdächtig ist, unterfallen der deutschen Strafgewalt nach dem Territorialitätsprinzip, weil sie in Deutschland tätig wurde (§ 3 StGB i.V.m. § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB).
4. Die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten im Zusammenhang mit der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) hat das Bundesministerium der Justiz - als Neufassung einer früheren Verfolgungsermächtigung - am 13. Oktober 2015 erteilt.
5. Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts für die Strafverfolgung und damit die des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass des angefochtenen Haftbefehls folgt aus § 142a Abs. 1 i.V.m. § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG.
6. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Die Beschuldigte hat angesichts des Umfangs und des Gewichts ihrer Taten mit einer längeren Freiheitsstrafe zu rechnen. Denn bei dem IS handelt es sich - auch zur Tatzeit und, wie nicht zuletzt seine derzeit im Raum Afghanistan unter der Bezeichnung „Islamischer Staat Provinz Khorasan - ISPK“ entfalteten Aktivitäten zeigen, gegenwärtig - um eine besonders gefährliche und grausam agierende Vereinigung, was Unterstützungsaktivitäten ein besonderes Gewicht verleiht. Schon aus der Straferwartung resultiert ein signifikanter Fluchtanreiz. Hinzu kommt, dass die Beschuldigte die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik ablehnt und stattdessen einem islamistisch-salafistischen Staats- und Gesellschaftsbild anhängt. Auch wenn sie nunmehr beteuert, sich vom IS zu distanzieren, liegen belastbare Indizien für eine endgültige Abkehr von der Vereinigung nicht vor. Dies spricht gegen eine fluchthemmende Bindung der Beschuldigten an Deutschland und begründet einen weiteren Fluchtanreiz. Zwar ist die Beschuldigte verheiratet und Mutter von drei Kindern, indes befindet sich ihr Ehemann ebenfalls in Untersuchungshaft und sind die Kinder in der Obhut des Jugendamtes. Mithin ist auch keine tatsächliche familiäre Einbindung der Beschuldigten ersichtlich, die einer Flucht entgegenstünde. Hinzu kommt, dass die Beschuldigte ausweislich der Ermittlungsergebnisse bereits vor ihrer Festnahme am 31. Mai 2023 plante, aus Deutschland auszureisen und in Ägypten Wohnsitz zu nehmen, wobei sie ausweislich einer Chatkommunikation zumindest in Erwägung zog, dies ohne ihren Ehemann zu tun. Es erscheint lebensnah, dass die erfolgte Inhaftierung und das anhängige Strafverfahren diesen Ausreisewunsch verstärkt haben.
7. Die Untersuchungshaft ist angesichts der Straferwartung, der bisherigen - kurzen - Haftdauer sowie den aus den Verfahrensakten ersichtlichen stringenten und dem Beschleunigungsgrundsatz genügenden Ermittlungen verhältnismäßig (§ 120 StPO). Vor dem Hintergrund der vorgenannten die Fluchtgefahr begründenden Umstände kommt eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 StPO) jedenfalls derzeit nicht in Betracht.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1179
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede