HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 840
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, AK 37/21, Beschluss v. 14.07.2021, HRRS 2021 Nr. 840
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.
Der Beschuldigte ist am 2. Januar 2021 vorläufig festgenommen worden und befindet sich seit dem 3. Januar 2021 zunächst aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Karlsruhe vom 3. Januar 2021 (31 Gs 8/21) und ab dem 29. April 2021 aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tage (2 BGs 201/21) ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Gegenstand des aktuellen Haftbefehls vom 29. April 2021 ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich in der Zeit von Anfang 2020 bis zu seiner vorläufigen Festnahme am 2. Januar 2021 in S., in G. und an anderen Orten in der Bundesrepublik Deutschland durch sechs rechtlich selbständige Handlungen als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§ 6 VStGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) und Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 und 12 VStGB) zu begehen. In einem dieser Fälle habe er zudem durch dieselbe Handlung eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet. Der Haftbefehl geht insofern von einer mutmaßlichen Strafbarkeit des Beschuldigten gemäß § 89a Abs. 2a, § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 52, 53 StGB aus.
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts die Akten dem Bundesgerichtshof zur besonderen Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 StPO vorgelegt. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen. Der Verteidiger des Beschuldigten ist dem Antrag des Generalbundesanwalts mit Schriftsatz vom 8. Juli 2021 entgegengetreten.
Es kann dahinstehen, inwieweit es sich bei den Taten, die Gegenstand des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 29. April 2021 sind, um neue Taten handelt. Denn die Taten, auf die sich der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs stützt, waren ausweislich eines Auswertungsvermerks der Polizei vom 26. Januar 2021 und eines polizeilichen Zwischenberichts vom 27. Januar 2021 bereits zu diesem Zeitpunkt im Sinne eines dringenden Tatverdachts bekannt.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.
a) Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region „ash Sham“ - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden „Gottesstaat“ unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als „Feind des Islam“ begreift; die Tötung solcher „Feinde“ oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des „Kalifats“ am 29. Juni 2014 von „Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien“ (ISIG) in „Islamischer Staat“ (IS) umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 Abu Bakr al Baghdadi inne. Inzwischen wurde ein Nachfolger ernannt. Bei der Ausrufung des Kalifats war al Baghdadi von seinem Sprecher zum „Kalifen“ erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem „Kalifen“ unterstehen ein Stellvertreter sowie „Minister“ als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein „Kriegsminister“ und ein „Propagandaminister“. Zur Führungsebene gehören außerdem beratende „Shura Räte“. Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung „Al Furqan“ produziert und über die Medienstelle „al l'tisam“ verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem „Prophetensiegel“, einem weißen Oval mit der Inschrift „Allah - Rasul - Muhammad“ auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die - zeitweilig mehreren tausend - Kämpfer sind dem „Kriegsminister“ unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.
Die Vereinigung teilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements ein und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch in Gegnerschaft zum IS stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus beging der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin, die Verantwortung.
Im Irak gelang es dem IS im Jahr 2014, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt Mossul, die bis zu der Offensive der von den USA unterstützten irakischen Armee Ende 2016 der zentrale Ort seiner Herrschaft im Irak war. Seit Januar 2015 wurde die Vereinigung schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von Mossul, die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27. August 2017 wurde der IS aus seiner letzten nordirakischen Hochburg in Tal Afar verdrängt; im Frühjahr 2019 verlor er auch die von ihm zuletzt noch kontrollierten Gebiete im Norden Syriens. Heute hat der IS sein ehemaliges Herrschaftsgebiet in Syrien und im Irak verloren, ohne dass aber die Vereinigung als solche zerschlagen wäre.
bb) Der aus dem Irak stammende, dort aufgewachsene und seit 2016 in der Bundesrepublik Deutschland lebende Beschuldigte, der sich als „A.“ bezeichnet, radikalisierte sich in Deutschland in seinem islamischen Glauben und wurde Anhänger eines extremistisch-islamistischen Weltbildes. Spätestens seit Dezember 2018 identifizierte er sich mit der Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) sowie deren Ideologie, Vorgehensweise und Zielen.
Spätestens Anfang 2020 gliederte er sich - von Deutschland aus - im Einvernehmen mit der Vereinigung in den IS ein, wobei er einige Zeit später auch ein Treuegelöbnis auf die Organisation ablegte. Fortan unterwarf er sich den an ihn gerichteten Anweisungen des IS und wirkte von Deutschland aus an den Aktivitäten der Vereinigung mit. Hierzu stand er - namentlich über den Messenger-Dienst „WhatsApp“ - in ständiger und enger Verbindung mit dem in Syrien befindlichen, bislang nicht näher identifizierten höherrangigen IS-Mitglied „Ab. ", der ihn anleitete und steuernd auf ihn einwirkte.
(1) Die mit Führungskräften des IS in Syrien abgesprochene Aufgabe des Beschuldigten bestand darin, in der Bundesrepublik Deutschland bei Sympathisanten der Vereinigung Gelder für den IS zu sammeln und anschließend an in Syrien und dem Libanon befindliche IS-Mitglieder zu transferieren. Die Gelder sollten dazu dienen, IS-Mitgliedern, die sich in Syrien oder dem Libanon in Flüchtlingslagern oder in Gewahrsam befanden, insbesondere aus dem Ausland zum IS gereisten Frauen von IS-Kämpfern, eine Rückkehr zum IS und einen erneuten Anschluss an die Vereinigung zu ermöglichen. Der Beschuldigte erörterte die Details der Geldtransfers mit seinem Ansprechpartner „Ab.“ und befolgte dessen Anweisungen.
Im Einzelnen nahm der Beschuldigte nach zuvor in Deutschland erfolgten Geldsammlungen, die er unter Mitwirkung seiner Lebensgefährtin und Ehefrau nach islamischem Ritus, der Konvertitin Se. alias“ ", durchführte, zumindest folgende vier Geldtransfers vor:
Am 12. Juni 2020 transferierte er einen Geldbetrag in Höhe von 2.250 US-$ an ein IS-Mitglied in Syrien. Dieses Geld war bestimmt für eine nicht identifizierte „russische Schwester mit vier Töchtern“, die aus einem Flüchtlingslager in der nordsyrischen Stadt Ay. geflohen war. Das Geld sollte dazu dienen, der Frau eine Rückkehr zum IS und den erneuten Anschluss an die Vereinigung in der syrischen Provinz Idlib zu ermöglichen.
Im Zeitraum vom 28. Juni 2020 bis 28. Juli 2020 übermittelte der Beschuldigte einen Geldbetrag in Höhe von 8.220 US-$ an ein IS-Mitglied in Syrien, um die Ausschleusung einer nicht identifizierten somalischen „Glaubensschwester“ namens „U.“ aus einem Flüchtlingslager im nordsyrischen H. und deren Rückkehr zum IS zu ermöglichen.
Am 8. September 2020 transferierte der Beschuldige einen Geldbetrag in Höhe von 100 US-$ an das in Idlib im Nordwesten Syriens befindliche IS-Mitglied D. alias“ " sowie einen Geldbetrag in Höhe von 200 US-$ an das im Flüchtlingslager im nordsyrischen H. befindliche IS-Mitglied Gr. alias“ ", um beide Frauen bei ihrer beabsichtigten Rückkehr zum IS zu unterstützen.
Ende Juni 2020 übermittelte der Beschuldigte einen Geldbetrag in Höhe von 1.600 € an ein IS-Mitglied namens“ Ah.“ im Libanon. Das Geld sollte dazu dienen, das IS-Mitglied F. alias“ " aus dem Gefängnis R. in der Nähe von Beirut (Libanon) heraus und zum IS zu schleusen. Obwohl das Geld seinen Empfänger erreichte, gelang dies jedoch nicht.
(2) Der Beschuldigte trug sich seit längerem mit dem Gedanken, aus Deutschland auszureisen, sich dem IS in dessen Kerngebiet anzuschließen und für die Vereinigung als Kämpfer tätig zu werden. Er kommunizierte diesbezüglich wiederholt mit seinem Ansprechpartner „Ab. ". Der IS wies ihn allerdings lange Zeit an, in Deutschland zu verbleiben und dort für die Vereinigung als Geldbeschaffer tätig zu sein. Schließlich bekam er Ende 2020 die Genehmigung des IS für eine Ausreise zur Organisation und versuchte Anfang 2021, seinen Ausreiseplan zu realisieren. Er wollte in den Sudan reisen, sich dort einem IS-Verband anschließen und zunächst militärisch unterweisen lassen, um danach, abhängig von weiteren Weisungen der Vereinigung, dem IS in Afrika oder in Syrien als Kämpfer zu dienen.
Um die Ausreise zum IS bewerkstelligen zu können, beschaffte er sich im Dezember 2020 einen gefälschten irakischen Reisepass mit seinem Lichtbild. Zudem erwarb er ein Flugticket für einen einfachen Flug von B. über I. nach K. (Sudan).
Am 2. Januar 2021 reiste der Beschuldigte in der vorbeschriebenen Absicht mit dem Zug von Fr. in Richtung B., von wo aus er noch am selben Tag über I. in den Sudan fliegen wollte. Er wurde jedoch im Bereich der deutschschweizerischen Grenze in dem von Fr. ohne Zwischenhalt nach B. fahrenden Zug von Kräften der Bundespolizei kontrolliert und festgenommen.
b) Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) beruht auf Folgendem:
aa) In Bezug auf die außereuropäische terroristische Vereinigung „Islamischer Staat“ ergibt sich der dringende Tatverdacht, wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, insbesondere aus Gutachten des Sachverständigen Dr. St., umfangreichen Auswertevermerken des Bundeskriminalamts und Behördenerklärungen des Bundesnachrichtendienstes.
bb) Hinsichtlich der gegen den Beschuldigten erhobenen Vorwürfe gilt:
Der dringende Tatverdacht, dass der Beschuldigte eine radikalislamistische Grundhaltung vertrat und sich zur Vereinigung „Islamischer Staat“ bekannte, ergibt sich aus zahlreichen bei ihm aufgefundenen Bild- und Videodateien. Darunter befinden sich Bilder, die den Beschuldigten mit erhobenem Zeigefinder („Tauhid-Finger“) und einer Langwaffe zeigen, sowie IS-Propaganda-Videos. Der Beschuldigte verbreitete über die Plattform „Instagram“ und Telegram-Kanäle Propagandamaterialien des IS sowie ein Bild von sich mit der Bildunterschrift „Unterstützer des Staates des Islam“. Ferner bezeichnete er sich im Rahmen eines Telegramchats als Anhänger des IS.
Die Annahme, dass der Beschuldigte, obgleich er sich in Deutschland aufhielt, als Mitglied in die Vereinigung „Islamischer Staat“ aufgenommen wurde und für diese als Spendensammler und Finanzagent agierte, folgt aus sichergestellter Kommunikation zwischen ihm und dem in Syrien befindlichen IS-Mitglied „Ab ". Aus dem Inhalt dieser Kommunikation lässt sich zum einen ableiten, dass „Ab.“ sich in Syrien als Mitglied der Vereinigung beim IS aufhielt und seinerseits in direktem Kontakt mit hohen IS-Funktionären stand. Zum anderen lässt die WhatsApp-Kommunikation zwischen dem Beschuldigten und „Ab.“ erkennen, dass der Beschuldigte einen Treueeid auf den IS ablegte und - eingegliedert in den IS - in enger Absprache mit „Ab.“ und auf dessen Weisungen hin für die Vereinigung tätig wurde, indem er in Deutschland für den IS Gelder sammelte und an andere Vereinigungsmitglieder in Syrien und im Libanon transferierte.
Hinzu kommt, dass der Beschuldigte im Rahmen eines umfangreichen WhatsApp-Chats mit seiner Lebensgefährtin, der Zeugin Se., seine Spendensammlungen und Geldtransfers ins Ausland erörterte. Hinzuweisen ist ferner darauf, dass die mit dem IS sympathisierende Zeugin Se. in einem Chat mit der zu diesem Zeitpunkt in Syrien beim IS befindlichen D. vom 31. Dezember 2020 schilderte, der Beschuldigte und sie hätten eigenes sowie bei Dritten gesammeltes Geld zum IS transferiert, um „Schwestern“ „freizukaufen“.
Auch der dringende Tatverdacht hinsichtlich der dem Beschuldigten konkret zur Last gelegten vier Geldtransfers ergibt sich aus WhatsApp-Chats zwischen ihm und „Ab. ", welche die einzelnen Transaktionen zum Gegenstand hatten.
Dass der Beschuldigte am 2. Januar 2021 nach B. fuhr, um weiter in den Sudan zu reisen, sich dort militärisch unterweisen zu lassen und anschließend als Kämpfer für den IS tätig zu werden, ergibt sich im Sinne eines dringenden Tatverdachts gleichfalls aus WhatsApp-Kommunikation des Beschuldigten mit „Ab. ". Ausgewertete WhatsApp-Nachrichten zeigen, dass der Beschuldigte sich im Laufe des Jahres 2020 wiederholt an „Ab.“ wandte, um einen gefälschten Reisepass zu erlangen und vom IS, der Wert darauf legte, dass der Beschuldigte in Deutschland als Spendensammler aktiv war, gleichwohl das Placet und Unterstützung für eine Ausreise zu erhalten. Hinzuweisen ist zudem darauf, dass der Beschuldigte bei seiner Festnahme am 2. Januar 2021 ein Ticket für einen einfachen Flug über I. nach K. bei sich hatte, gegenüber den ihn festnehmenden Beamten einräumte, in den Sudan reisen zu wollen, und bei ihm eine Zeichnung aufgefunden wurde, bei der es sich mutmaßlich um ein Selbstbildnis des Beschuldigten handelt und die mit einem Text versehen ist, mit dem zur Teilnahme am „Jihad“ aufgerufen wird.
Wegen weiterer Umstände, die den dringenden Tatverdacht begründen, wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 29. April 2021 und die Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 21. Juni 2021 Bezug genommen.
2. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass sich der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und in vier weiteren Fällen jeweils in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 139 vom 29. Mai 2002, S. 9) veröffentlichten unmittelbar geltenden Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, gemäß § 89a Abs. 2a, § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 52, 53 StGB, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission der Europäischen Union vom 28. Juni 2013 (ABl. L 179 vom 29. Juni 2013, S. 85) strafbar gemacht hat.
a) Der Beschuldigte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung am IS dringend verdächtig (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB).
Das gilt sowohl unter Zugrundelegung des früher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblichen Vereinigungsbegriffs (vgl. dazu etwa BGH, Urteile vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 123; vom 20. März 1963 - 3 StR 5/63, BGHSt 18, 296, 299 f.) als auch auf der Grundlage der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 in Verbindung mit § 129a Abs. 1 StGB in der seit dem 22. Juli 2017 gültigen Fassung (vgl. § 2 Abs. 1, 3 StGB; BGH, Beschlüsse vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 24; vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 27), die im Hinblick auf die Organisationsstruktur und die Willensbildung geringere Anforderungen stellt und den Begriff dadurch ausgeweitet hat.
Nach beiden Varianten setzt die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 StGB eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die einer Vereinigung nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern. Die Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung scheidet daher aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (BGH, Beschlüsse vom 20. April 2021 - AK 30/21, juris Rn. 41; vom 13. Juni 2019 - AK 27/19, juris Rn. 20; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 128).
Das Erfordernis einer einvernehmlichen Eingliederung des Täters in die Organisation führt dazu, dass die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt und von Deutschland aus agiert, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung bedarf, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter nie an einem Ort befunden hat, an dem die Vereinigungsstrukturen bestehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2021 - AK 9/21, juris Rn. 19; vom 9. Dezember 2020 - AK 38/20, juris Rn. 17; vom 12. November 2020 - AK 34/20, juris Rn. 17; vom 22. Juli 2020 - AK 16/20, juris Rn. 18; Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 128).
Eine Beteiligungshandlung des Mitglieds kann darin bestehen, unmittelbar zur Durchsetzung der Ziele der Vereinigung beizutragen; sie kann auch darauf gerichtet sein, lediglich die Grundlagen für die Aktivitäten der Vereinigung zu schaffen oder zu erhalten. Ausreichend ist deshalb die Förderung von Aufbau, Zusammenhalt oder Tätigkeit der Organisation. In Betracht kommt etwa ein organisationsförderndes oder ansonsten vereinigungstypisches Verhalten von entsprechendem Gewicht. In Abgrenzung hierzu fehlt es in Fällen einer bloß formalen oder passiven, für das Wirken der Vereinigung bedeutungslosen Mitgliedschaft grundsätzlich an einem aktiven mitgliedschaftlichen Beteiligungsakt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. April 2021 - AK 30/21, juris Rn. 42; vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, NJW 2019, 2552 Rn. 24 mwN).
Daran gemessen ist bei einer Gesamtwürdigung und insbesondere angesichts der Ableistung eines Treueeids des Beschuldigten auf den IS (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2017- AK 42/17, NStZ-RR 2018, 10, 12) und seiner sehr engen Einbindung in das Agieren der Vereinigung über seine Kommunikation mit dem in Syrien befindlichen höherrangigen IS-Mitglied „Ab. ", dessen Anweisungen er Folge leistete, im Sinne eines dringenden Tatverdachts derzeit von einer mitgliedschaftlichen Aufnahme des Beschuldigten in den auszugehen. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass der Beschuldigte von Deutschland aus und damit nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation agierte. Mit den Geldtransfers sowie dem späteren Versuch, selbst zum IS auszureisen, entfaltete der Beschuldigte vereinigungstypische Tätigkeiten für die Zwecke des IS.
Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten im Zusammenhang mit der sich als „Islamischer Staat“ (IS) bezeichnenden ausländischen terroristischen Vereinigung hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz - als Neufassung einer früheren Verfolgungsermächtigung - am 13. Oktober 2015 erteilt.
b) Dadurch, dass der Beschuldigte in vier Fällen in Deutschland gesammelte Gelder an IS-Mitglieder in Syrien beziehungsweise im Libanon transferierte, wo die Gelder vom IS im Interesse der Vereinigung verwendet wurden, ist der dringende Tatverdacht eines nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG strafbaren Verstoßes gegen das Bereitstellungsverbot des Art. 2 Abs. 2 der unmittelbar geltenden Verordnung des Rates der Europäischen Gemeinschaften Nr. 881/2002 (EG) vom 27. Mai 2002 begründet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2021 - AK 6/21, juris Rn. 38; vom 22. Juli 2020 - AK 16/20, juris Rn. 29; vom 14. Mai 2020 - AK 8/20, juris Rn. 30 f.). Denn nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung dürfen den in Anhang I dieses Rechtsaktes aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen, Einrichtungen und Vereinigungen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen. In diesem Anhang I ist seit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission vom 28. Juni 2013 (ABl. L 179 vom 29. Juni 2013, S. 85) auch der IS gelistet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2021 - AK 6/21, juris Rn. 33, 38; vom 22. Juli 2020 - AK 16/20, 39 40 juris Rn. 29; vom 14. Mai 2020 - AK 8/20, juris Rn. 31). Der Transfer von Geldern aus Deutschland an IS-Mitglieder im Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation ist ein Zurverfügungstellen im Sinne des Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 (BGH, Beschluss vom 24. Februar 2021 - AK 6/21, juris Rn. 33, 37 f.). Unerheblich ist insofern, dass der in Deutschland befindliche Beschuldigte nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen zum Zeitpunkt der Geldtransfers selbst IS-Mitglied war (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2020 - AK 16/20, juris Rn. 29; vom 14. Mai 2020 - AK 8/20, juris Rn. 30 ff.; s. auch EuGH, Urteil vom 29. Juni 2010 - C-550/09, NJW 2010, 2413 Rn. 65 ff.).
c) Die versuchte Ausreise des Beschuldigten aus der Bundesrepublik Deutschland am 2. Januar 2021 mit dem Ziel, sich im Sudan durch den IS militärisch unterweisen zu lassen und anschließend in Afrika oder Syrien für den IS als militärischer Kämpfer tätig zu werden, führt nach der derzeitigen Beweislage zum dringenden Tatverdacht einer Strafbarkeit wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a Abs. 2a in Verbindung mit Abs. 1 und 2 Nr. 1 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. August 2019 - StB 19/19, juris Rn. 16, 29; vom 25. Juli 2019 - AK 36/19, juris Rn. 14; vom 13. Juni 2019 - StB 13/19, juris Rn. 20 f., 29, 35 ff.; vom 6. April 2017 - 3 StR 326/16, BGHSt 62, 102 Rn. 6 ff.). Da der Zug, in dem der Beschuldigte kontrolliert und festgenommen wurde, ohne weiteren Halt in die Schweiz fuhr, war die Schwelle von der straflosen Ausreisevorbereitung zum strafbaren Unternehmen der Ausreise zum Zeitpunkt der Kontrolle des Beschuldigten überschritten (vgl. MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 89a Rn. 53). Einer Verfolgungsermächtigung nach § 89a Abs. 4 StGB bedarf es nicht, weil sich der Tatvorwurf auf eine im Inland begangene Tat bezieht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. August 2019 - StB 19/19, juris Rn. 31; vom 25. Juli 2019 - AK 36/19, juris Rn. 17; vom 13. Juni 2019 - StB 13/19, juris Rn. 41; vom 6. April 2017 - 3 StR 326/16, BGHSt 62, 102 Rn. 16).
d) Für die konkurrenzrechtliche Beurteilung der verschiedenen verwirklichten Straftatbestände gilt:
Die mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte, die auch den Tatbestand einer anderen Strafvorschrift erfüllen und der Zwecksetzung der Vereinigung oder ihren sonstigen Interessen dienen, stehen gemäß § 52 Abs. 1 Alternative 1 StGB in Tateinheit mit der jeweils gleichzeitig verwirklichten mitgliedschaftlichen Beteiligung, jedoch - soweit sich nach allgemeinen Grundsätzen nichts anderes ergibt - sowohl untereinander als auch zu der Gesamtheit der sonstigen mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte in Tatmehrheit (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308 Rn. 23 ff.).
aa) Hiervon ausgehend stehen die vier Verstöße gegen das EU-Bereitstellungsverbot und das unabhängig davon verwirklichte Delikt der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat durch die versuchte Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland zueinander in Tatmehrheit.
bb) Da sowohl die Geldtransfers als auch die versuchte Ausreise des Beschuldigten zum IS im Interesse der Vereinigung und für diese förderlich, mithin Beteiligungsakte waren, sind sie für sich jeweils in Tateinheit im Sinne des § 52 StGB zur Mitgliedschaft verwirklicht (BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2020 - AK 16/20, juris Rn. 29; vom 20. Dezember 2016 - 3 StR 355/16, juris Rn. 5).
Insbesondere tritt die Strafbarkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG nicht konkurrenzrechtlich hinter die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung zurück. Denn das Bereitstellungsverbot des Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 bezieht sich auf den tatsächlichen Vorgang des Zur-Verfügung-Stellens, der dazu führt, dass der gelisteten Person oder Einrichtung ein wirtschaftlicher Vorteil zu Gute kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2010 - AK 2/10, BGHSt 55, 94 Rn. 19). Ziel des Bereitstellungsverbots ist es, den gelisteten Personen oder Einrichtungen in tatsächlicher Hinsicht die materiellen Grundlagen ihrer Tätigkeit vorzuenthalten (BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 - 3 StR 62/14, juris Rn. 27). Damit kommt dem Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot auch dann ein eigener Unrechtsgehalt zu, wenn die Überweisung durch ein Mitglied der Vereinigung selbst erfolgt (BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2020 - AK 16/20, juris Rn. 29; vom 14. Mai 2020 - AK 8/20, juris Rn. 32).
cc) In Tatmehrheit (§ 53 StGB) dazu treten alle übrigen, keinen weiteren Straftatbestand erfüllenden mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2020 - AK 16/20, juris Rn. 30; vom 14. Mai 2020 - AK 8/20, juris Rn. 30, 33; vom 20. Dezember 2016 - 3 StR 355/16, juris Rn. 5).
e) Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Dies folgt für die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung entweder unmittelbar aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 2 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2009 - StB 34/09, BGHR StGB § 129b Anwendbarkeit 1) oder - ebenso wie für die weiteren mit hoher Wahrscheinlichkeit verwirklichten Straftatbestände - aus § 3 StGB, weil der Beschuldigte alle Tathandlungen in Deutschland vornahm (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2021 - AK 9/21, juris Rn. 23; vom 24. Februar 2021 - AK 6/21, juris Rn. 39; vom 9. Dezember 2020 - AK 38/20, juris Rn. 21).
3. Es sind die Haftgründe der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO sowie - bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) - der Schwerkriminalität gegeben. Es ist wahrscheinlicher, dass sich der Beschuldigte - sollte er auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm stellen wird.
a) Der Beschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Denn bei der Vereinigung „Islamischer Staat“, für die der Beschuldigte agierte, handelt es sich um eine besonders gefährliche und grausame terroristische Vereinigung. Die mitgliedschaftlichen Betätigungshandlungen des Beschuldigten waren zudem gewichtig. Zum einen trugen sie zur Rückkehr von inhaftierten oder in Flüchtlingslagern befindlichen Personen zum IS bei. Zum anderen wurde mit der finanziellen Unterstützung der betreffenden Frauen das Signal an Mitglieder und Sympathisanten des IS ausgesandt, dass die Vereinigung sich intensiv um gefangengenommene oder anderweitig vom IS getrennte Personen, namentlich Frauen, kümmert, was grundsätzlich geeignet erscheint, die Einsatzbereitschaft von IS-Mitgliedern und Sympathisanten für die Vereinigung zu fördern. Hinzu kommt, dass der Beschuldigte zum Teil erhebliche Geldbeträge an andere IS-Mitglieder transferierte.
b) Dem von der hohen Straferwartung ausgehenden Fluchtanreiz stehen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in dem Schriftsatz vom 8. Juli 2021 keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen.
Der Beschuldigte ist irakischer Staatsangehöriger und kam erst im Jahr 2016 im Alter von 25 Jahren als Flüchtling nach Deutschland. Seine Eltern und Geschwister leben weiterhin im Irak. Mithin ist davon auszugehen, dass er über Möglichkeiten verfügt, in seine frühere Heimat zurückzukehren und dort zu leben. Der Beschuldigte war vor seiner Verhaftung zuletzt ohne festen eigenen Wohnsitz und verfügt über keine tragfähigen sozialen oder beruflichen Bindungen in Deutschland. Er ist der deutschen Sprache nicht mächtig, ging vor seiner Verhaftung keiner regulären Erwerbstätigkeit nach und verfügt in Deutschland über keinen gesicherten Aufenthaltsstatus; sein Asylantrag wurde bestandskräftig abgelehnt. Zwar ist der Beschuldigte seit einigen Jahren mit der Zeugin Se. liiert und hat sich zuletzt überwiegend an ihrem Wohnsitz in G. aufgehalten. Sein erst vor wenigen Monaten unternommener Ausreiseversuch zeigt allerdings, dass er ungeachtet seiner Partnerschaft mit der Zeugin Se. seine Zukunft nicht in der Bundesrepublik sieht, sondern gewillt ist, sich im außereuropäischen Ausland dem bewaffneten Kampf des IS anzuschließen. Dass seine Partnerschaft mit der Zeugin Se. für ihn kein Hemmnis ist, Deutschland zu verlassen, ergibt sich auch aus einem WhatsApp-Chat zwischen ihm und der Zeugin vom 17. Dezember 2020, in dem er ihr gegenüber seine beabsichtigte Ausreise und damit Trennung von ihr zu rechtfertigen versuchte.
c) Der Zweck der Untersuchungshaft kann unter den gegebenen Umständen nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO - die bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO möglich sind - erreicht werden.
4. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Das Verfahren ist bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
Bei einer Durchsuchung am Tag der Festnahme des Beschuldigten sowie einer weiteren, bereits zuvor erfolgten Durchsuchung beim Beschuldigten und bei Dritten, darunter seiner Lebensgefährtin Se., wurden neben zahlreichen weiteren Asservaten, die zwischenzeitlich ausgewertet werden konnten, insgesamt 32 Datenträger, überwiegend Mobiltelefone, sichergestellt. Mit der Auswertung der Datenträger wurde jeweils direkt nach deren Erlangung begonnen. Sie konnte aber wegen des Umfangs der gespeicherten Daten und der vielfach fremdsprachigen Kommunikationsinhalte noch nicht abgeschlossen werden.
Im Hinblick darauf, dass der Beschuldigte intensiv über soziale Medien und Messengerdienste kommunizierte und die bisherigen Ermittlungen gezeigt haben, dass den Kommunikationsereignissen verfahrensrelevante Informationen zu entnehmen sind, bedarf es einer umfangreichen Übersetzung und gründlichen Auswertung der auf den sichergestellten mobilen Endgeräten gespeicherten Chatinhalte.
Mit Blick auf den derzeitigen Ermittlungsstand geht der Senat allerdings davon aus, dass die Ermittlungen in Kürze abgeschlossen werden können. Der Generalbundesanwalt hat bereits in seiner Zuschrift vom 21. Juni 2021 angekündigt, demnächst Anklage gegen den Beschuldigten erheben zu wollen.
5. Schließlich steht die Fortdauer der Untersuchungshaft nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits nicht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 840
Bearbeiter: Christian Becker