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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2015
16. Jahrgang
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1. Zur Rechtswidrigkeit des Angriffs im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB bei hoheitlichem Handeln. (BGHSt)
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich die Rechtmäßigkeit des Handelns von staatlichen Hoheitsträgern bei der Ausübung von Hoheitsgewalt – sowohl bezüglich § 32 Abs. 2 StGB als auch § 113 Abs. 3 StGB – weder streng akzessorisch nach der materiellen Rechtmäßigkeit des dem Handeln zugrundeliegenden Rechtsgebiets (meist des materiellen Verwaltungsrechts) noch nach der Rechtmäßigkeit entsprechend dem maßgeblichen Vollstreckungsrecht. Die Rechtmäßigkeit des hoheitlichen Handelns in einem strafrechtlichen Sinne hängt vielmehr lediglich davon ab, dass „die äußeren Voraussetzungen zum Eingreifen des Beamten“ gegeben sind, „er also örtlich und sachlich zuständig“ ist, er die vorgeschriebenen wesentlichen Förmlichkeiten einhält und der Hoheitsträger sein - ihm ggf. eingeräumtes - Ermessen pflichtgemäß ausübt (vgl. BGHSt 4, 161, 164). Befindet sich allerdings der Hoheitsträger in einem schuldhaften Irrtum über die Erforderlichkeit der Amtsausübung, handelt er willkürlich oder unter Missbrauch seines Amtes, so ist sein Handeln rechtswidrig (vgl. BGHSt 21, 334, 363). (Bearbeiter)
3. Die Grenzen der Pflicht zur Duldung einer nach den maßgeblichen außerstrafrechtlichen Rechtsvorschriften rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme sind dort erreicht, wo diese mit dem Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) schlechthin unvereinbar sind (vgl. BVerfG NJW 1991, 3023). Das ist jedenfalls bei Willkür und bei Nichtigkeit des Verwaltungshandelns der Fall). Bei der Verwaltungsvollstreckung endet die Duldungspflicht des Betroffenen auch bei der Nichtigkeit von Verwaltungsakten im Schweregrad entsprechenden Verletzungen der Voraussetzungen der Verwaltungsvollstreckung. Das Handeln ist dann stets rechtswidrig im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB. (Bearbeiter)
4. Diese Auslegung des einfachen Gesetzesrechts mit der teilweisen Ablösung des strafrechtlichen Rechtswidrigkeitsbegriffs im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB (und § 113 Abs. 3 StGB) von der Rechtmäßigkeit des hoheitlichen Handelns nach Maßgabe der jeweils einschlägigen außerstrafrechtlichen Rechtsvorschriften ist entgegen der von Teilen der Strafrechtswissenschaft vorgetragenen Kritik verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. (Bearbeiter)
5. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat bedingten Tötungsvorsatz, wer den Eintritt des Todes als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns
erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen getrennt voneinander geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen. In die Prüfung sind dabei neben der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung und der konkreten Angriffsweise des Täters auch seine psychische Verfassung bei Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen (vgl. BGH NJW 2014, 3382, 3383). (Bearbeiter)
6. Bei einer generell lebensgefährlichen Gewalttat, die spontan, unüberlegt und in affektiver Erregung begangen wird, kann aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten auf eine billigende Inkaufnahme des Erfolgseintritts geschlossen werden (vgl. BGH NJW 2014, 3382, 3383 mwN). (Bearbeiter)
Die Billigung des Todes des eigenen Kindes setzt regelmäßig die Überschreitung einer besonders hohen Hemmschwelle voraus. Sofern die Angeklagte keine Kenntnis von der Ursache eines auch für Laien erkennbar schwerwiegenden Krankheitszustandes des Kindes hat (hier: Gewalthandlung des Lebensgefährten), ist in vorsatzkritischer Hinsicht zu prüfen, ob die begründete Hoffnung bestand, der Tod werde nicht eintreten. Die Annahme von Eventualvorsatz erfordert in einem solchen Fall, dass das tödliche Ende der Krankheit geistig vorweggenommen und gebilligt wird.
Stehen äußere Umstände einer Tatvollendung nicht entgegen, kann es gleichwohl an der Freiwilligkeit des Abbruchs der weiteren Tatausführung fehlen, wenn willensunabhängige Tatumstände das Weiterhandeln unmöglich machen. Solche können gegeben sein, wenn der Täter an der weiteren Tatbegehung wegen unwiderstehlicher innerer Hemmungen, etwa infolge Schocks oder seelischen Drucks (hier: Panikreaktion) gehindert ist. Entscheidend ist in diesen Fällen, ob der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ bleibt und die Ausführung seines Tatplans noch für möglich hält.
1. Eine in einer objektiven Notwehrlage verübte Tat ist nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn es sich bei ihr um das mildeste zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führende Mittel handelt, das dem Angegriffenen oder seinem Helfer in der konkreten Situation zur Verfügung stand (st. Rspr.). Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven ex-ante-Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden (vgl. BGH StraFo 2014, 29).
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfährt das Notwehrrecht unter dem Gesichtspunkt der Gebotenheit der Verteidigung unter anderem dann eine Einschränkung, wenn der Verteidiger gegenüber dem Angreifer ein pflichtwidriges Vorverhalten an den Tag gelegt hat, das bei vernünftiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalles den folgenden Angriff als eine adäquate und voraussehbare Folge der Pflichtverletzung des Angegriffenen erscheinen lässt. In einem solchen Fall muss der Verteidiger dem Angriff unter Umständen auszuweichen suchen und darf zur lebensgefährlichen Trutzwehr nur übergehen, wenn andere Abwehrmöglichkeiten erschöpft oder mit Sicherheit aussichtslos sind (vgl. BGHSt 26, 143, 145). Darüber hinaus vermag auch bereits ein sozialethisch zu missbilligendes Vorverhalten das Notwehrrecht einzuschränken, wenn zwischen diesem Vorverhalten und dem rechtswidrigen Angriff ein enger zeitlicher und räumlicher Ursachenzusammenhang besteht und es nach Kenntnis des Täters auch geeignet ist, einen Angriff zu provozieren (vgl. BGHSt 42, 97, 100).
1. Eine in einer objektiven Notwehrlage verübte Tat ist nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung stand. Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven ex-ante-Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden. Auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel muss der Angegriffene grundsätzlich nur dann zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unter den gegebenen Umständen unzweifelhaft ist und
genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Angesichts der schweren Kalkulierbarkeit des Fehlschlagrisikos dürfen an die regelmäßig in einer zugespitzten Situation zu treffende Entscheidung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH NStZ 2012, 272, 274).
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfährt das Notwehrrecht jedoch dann eine Einschränkung, wenn der Verteidiger gegenüber dem Angreifer ein pflichtwidriges Vorverhalten an den Tag gelegt hat, das bei vernünftiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalles den folgenden Angriff als eine adäquate und voraussehbare Folge der Pflichtverletzung des Angegriffenen erscheinen lässt (vgl. BGH NStZ 2009, 626, 627), wenn mithin zwischen dem sozialethisch zu missbilligenden Vorverhalten und dem rechtswidrigen Angriff ein enger zeitlicher und räumlicher Ursachenzusammenhang besteht und es nach Kenntnis des Täters auch geeignet ist, einen Angriff zu provozieren (vgl. BGHSt 42, 97, 100).
3. Wer durch ein solchermaßen sozialethisch zu beanstandendes Vorverhalten einen Angriff auf sich schuldhaft provoziert hat, darf nicht bedenkenlos von seinem Notwehrrecht Gebrauch machen und sofort ein lebensgefährliches Mittel einsetzen, auch wenn er den Angriff nicht in Rechnung gestellt haben sollte oder gar beabsichtigt hat. Er muss vielmehr dem Angriff nach Möglichkeit ausweichen und darf zur Trutzwehr mit einer lebensgefährdenden Waffe erst übergehen, nachdem er alle Möglichkeiten der Schutzwehr ausgenutzt hat; nur wenn sich ihm diese Möglichkeit verschließt, ist er zu entsprechend weitreichender Verteidigung befugt (vgl. BGHSt 26, 143, 145).
4. § 33 StGB entfällt nicht schon, wenn der Täter den Angriff aus rechtlichen Gründen provoziert hat oder wenn er sich dem Angriff hätte entziehen können. Für seine Anwendung ist vielmehr grundsätzlich auch dann Raum, wenn infolge der von dem Angegriffenen schuldhaft mitverursachten Notwehrlage ein nur eingeschränktes Notwehrrecht nach § 32 StGB besteht, sofern der Täter die Grenzen der (eingeschränkten) Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschreitet (vgl. BGHSt 39, 133, 140).
1. Die Besitzschutzrechte und damit auch die Besitzkehr nach § 859 Abs. 2 BGB sind Ausdruck eines allgemeinen Friedensschutzes, indem sie die auf dem Besitz beruhende vorläufige Güterzuordnung aufrecht erhalten (vgl. BGH NJW 2001, 1865, 1867). Für ihre Anwendung ist aber kein Raum, wenn der konkrete Besitz als solcher, wie beim unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln, bei Strafe verboten ist und eine im Anschluss an eine Besitzentziehung geübte Besitzkehr deshalb erneut zu einer strafrechtswidrigen Besitzlage führen würde.
2. Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315b Abs. 1 StGB liegt erst dann vor, wenn durch eine der in § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (vgl. BGH NStZ 2015, 278). Hierzu sind konkrete Feststellungen erforderlich, aus denen sich ergibt, dass durch die Tathandlung ein so hohes Verletzungs- oder Schädigungsrisiko begründet worden ist, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob es zu einer Rechtsgutsverletzung kommt. Die Gefährdung des dem Täter nicht gehörenden, aber als Tatwerkzeug benutzten Fahrzeugs genügt dazu nicht (vgl. BGH NStZ 1992, 233, 234).
3. Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allenfalls Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann, sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 239, 240).
4. Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen, um den Erfolg herbeizuführen. Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten vgl. BGH NStZ-RR 2012, 239, 240).
5. Fehlgeschlagen ist der Versuch erst, wenn der Täter erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, sodass sich das Geschehen aus der Perspektive eines Dritten nicht mehr als ein einheitlicher Lebenssachverhalt darstellen würde (vgl. BGHSt 39, 221, 232).
1. Nimmt der Tatrichter eine erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit des Täters an, so muss er darüber befinden, ob diese sodann zum Fehlen der Unrechtseinsicht geführt oder ob der Täter gleichwohl das Unrecht der Tat eingesehen hat. Hat ihm die Einsicht gefehlt, so ist weiter zu prüfen, ob ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann.
2. Fehlt es an der Vorwerfbarkeit des Fehlens der Einsichtsfähigkeit, so ist auch bei nur verminderter Einsichtsfähigkeit nicht § 21 StGB, sondern § 20 StGB anwendbar. Nur wenn dem Täter die Einsicht gefehlt hat, dies ihm aber zum Vorwurf gemacht werden kann, liegen die Voraussetzungen des § 21 StGB in den Fällen verminderter Einsichtsfähigkeit vor.
3. Hat dagegen der Angeklagte ungeachtet seiner erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit das Unrecht seines Tuns zum Tatzeitpunkt tatsächlich eingesehen, so ist seine Schuld nicht gemindert und § 21 StGB im Hinblick auf die verminderte Einsichtsfähigkeit nicht anwendbar. Im Gegensatz dazu führt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit ohne Weiteres zur Anwendung des § 21 StGB.
4. Die Anwendung des § 21 StGB kann daher nicht auf beide Alternativen - erheblich verminderte Einsichts- und Steuerungsfähigkeit - zugleich gestützt werden. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen hat der Tatrichter sich vielmehr Klarheit darüber zu verschaffen, welche Alternative des § 21 StGB vorliegt.
1. Zwar gibt es keinen gesicherten Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien regelmäßig vom Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung auszugehen ist. Bei einem Wert von über 2 ‰ ist eine erhebliche Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit aber je nach den Umständen des Einzelfalles in Betracht zu ziehen, naheliegend oder gar in hohem Maße wahrscheinlich (vgl. BGHSt 43, 66, 75 f.). Bei Tötungsdelikten ist ab einer Blutalkoholkonzentration von 2,2 ‰ eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit in Betracht zu ziehen.
2. Für die Beantwortung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 21 StGB gegeben sind, kommt es demnach - gesamtwürdigend - sowohl auf die Höhe der Blutalkoholkonzentration als auch auf die psychodiagnostischen Kriterien an (vgl. BGHSt 43, 66, 75 f.). Dabei steht das Fehlen von Ausfallerscheinungen einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit nicht unbedingt entgegen; gerade bei alkoholgewöhnten Tätern können äußeres Leistungsverhalten und innere Steuerungsfähigkeit durchaus weit auseinander fallen (vgl. BGH NStZ 2007, 696).
1. Ein Minderjähriger wird grundsätzlich nicht im Sinne des § 174a Abs. 1 StGB auf behördliche Anordnung verwahrt, wenn er sich in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung befindet, wie sie § 34 SGB VIII vorsieht. (BGHSt)
2. Die Entscheidung, eine stationäre Jugendhilfemaßnahme für ein Kind oder einen Jugendlichen in Anspruch zu nehmen, obliegt allein dem Sorgeberechtigten, vorrangig den Eltern. Eine gesetzliche Grundlage für die Unterbringung Minderjähriger – und damit den Anknüpfungspunkt für eine behördliche „Anordnung“ i.S.d. § 174a Abs. 1 StGB – enthält § 34 SGB VIII nicht. (Bearbeiter)
3. Das Schutzbedürfnis der in Heimen untergebrachten Kinder und Jugendlichen, deren Situation unter anderem durch eingeschränkte Fortbewegungsmöglichkeit und existenzielle Abhängigkeit vom Personal gekennzeichnet sein kann, mag womöglich ein Strafbedürfnis darstellen, auf das der Tatbestand des § 174a Abs. 1 StGB indes gerade nicht erstreckt worden ist. Vielmehr hat der Gesetzgeber in Kenntnis der Problematik ausdrücklich darauf verzichtet, die Einrichtungen der freiwilligen Erziehungshilfe in den Schutzbereich des § 174a Abs. 1 StGB einzubeziehen (BT-Drucks. VI/3521, S. 26 f.). (Bearbeiter)
1. Zur „Asche“ im Sinne des § 168 Abs. 1 StGB gehören sämtliche nach der Einäscherung verbleibende Rückstände, d.h. auch die vormals mit einem Körper fest verbundenen, nicht verbrennbaren Bestandteile. (BGHSt)
2. Insbesondere handelt es sich bei Zahngold um „Asche“ im Sinne des § 168 Abs. 1 StGB. Diese Auslegung ist mit dem allgemeinen Sprachgebrauch zu vereinbaren und überschreitet nicht die äußerste Wortlautgrenze. Für sie streiten zudem historische, systematische und teleologische Erwägungen. (Bearbeiter)
3. Schutzgüter des § 168 Abs. 1 StGB sind jedenfalls das Pietätsgefühl der Allgemeinheit sowie der postmortale Persönlichkeitsschutz des Toten. Dabei sind der Körper des verstorbenen Menschen sowie auch seine Verbrennungsreste in ihrer Gesamtheit zu schützen. Diese sind auch nicht deshalb weniger schutzbedürftig, weil vom verstorbenen Menschen abgetrennte Teile, wie etwa Zahngold nach dem Verbrennungsvorgang, ebenso wie abgetrennte Teile des lebenden Körpers mit der Abtrennung Sachqualität erlangen. (Bearbeiter)
1. Die verfassungsrechtlich gewährleistete richterliche Unabhängigkeit erfordert keine „Sperrwirkung“ des Rechtsbeugungstatbestandes dergestalt, dass diese sich auch auf ein Handeln des Richters erstreckt, das nicht erst im Zusammenhang mit einer nach außen hin zu treffenden Entscheidung, Anordnung oder Maßnahme der Verhandlungsleitung zur Erfüllung eines Straftatbestands führt, sondern bereits für sich alleine gegen Strafgesetze verstößt.
2. Der Richter, der nachträglich die Niederschrift der Urteilsformel (§ 268 Abs. 2 Satz 1 StPO) abändert, handelt regelmäßig „bei der Leitung einer Rechtssache“ i.S.d. § 339 StGB.
3. In dem nachträglichen Abändern der Ratenhöhe in der Niederschrift der Urteilsformel ist in der Regel kein den Vorwurf der Rechtsbeugung begründender schwerer und elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege (dazu zuletzt BGH HRRS 2013 Nr. 767) zu sehen, da es schon objektiv an einem Bezug zum Kern der Verurteilung des Angeklagten fehlt. Zudem steht es der Annahme einer tatbestandsmäßigen Rechtsbeugung entgegen, wenn der Handelnde in subjektiver Hinsicht einen von ihm erkannten offensichtlichen Fehlgriff bei der Bemessung der Höhe der Raten rückgängig machen will.
4. Verändert ein Richter nachträglich die Höhe der auf eine ausgeurteilte Geldstrafe zu zahlenden Raten in der Niederschrift der Urteilsformel, verwirklicht er hierdurch hingegen regelmäßig den Tatbestand der Urkundenfälschung unter Missbrauch einer Stellung als Amtsträger. Denn jedenfalls mit dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung ist die Niederschrift auch der Abänderung durch den erkennenden Richter entzogen. Der Bestrafung wegen Urkundenfälschung steht in diesem Fall eine „Sperrwirkung“ des § 339 StGB (vgl. Leitsatz 1) nicht entgegen.
An einer Begehung der gefährlichen Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) fehlt es, wenn sich mehrere Opfer jeweils nur einem Angreifer ausgesetzt sehen, ohne dass die Positionen ausgetauscht werden. In diesem Fall stehen dem jeweiligen Opfer die Beteiligten gerade nicht gemeinschaftlich gegenüber und es fehlt damit es an dem Grund für die Strafschärfung des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, der in der erhöhten abstrakten Gefährlichkeit der Tat liegt, weil einem Geschädigten mehrere Angreifer körperlich gegenüber stehen und er deshalb in seiner Verteidigungsmöglichkeit tatsächlich oder vermeintlich eingeschränkt ist.
1. Es fehlt an einer unbefugten Verwendung von Daten gem. § 263a Abs. 1 Var. 4 StGB, wenn zum einen der Zahlungsdienstleister von der Inkassostelle grundsätzlich zur Durchführung des Einzugsermächtigungsverfahrens zugelassen wurde und zum anderen die Kunden ihre Kontodaten freiwillig preisgegeben haben. Insoweit besteht kein Unterschied zu den Fallgestaltungen, in denen eine EC-Karte durch ihren Inhaber vertragswidrig oder eine vom Berechtigten einem Dritten überlassene EC-Karte absprachewidrig eingesetzt wird.
Senat kann offenlassen, ob er der Auffassung des 1. Strafsenats folgen könnte, wonach in der Eingabe einer Ziffer zur Bestimmung des anzuwendenden Lastschriftverfahrens regelmäßig eine Erklärung über die Tatsache der Ermächtigung hierzu liege (vgl. BGH HRRS 2013 Nr. 339), oder ob es sich insoweit lediglich um einen Steuerungscode handelt, der als solcher weder richtig noch unrichtig sein kann.
3. Ein Gericht ist aufgrund des Zweifelssatzes nicht gehalten, Einlassungen der Angeklagten, für deren Richtigkeit es keine zureichenden Anhaltspunkte gibt, ohne Weiteres als unwiderlegt hinzunehmen, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Vielmehr muss die Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Behauptung aufgrund des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme gewonnen werden.
Bei Betrugstaten zum Nachteil arbeitsteilig tätiger Unternehmen sind regelmäßig Feststellungen dazu erforderlich, wer auf welcher Grundlage und mit welchen Vorstellungen irrtumsbedingt über das Vermögen verfügt hat. Die Irrtumsfrage kann sich insbesondere dann als problematisch erweisen, wenn Vorgesetzte oder Organe einer juristischen Person bessere Erkenntnisse als der irrende Verfügende gehabt und unter Verstoß gegen ihre Pflichten eine entsprechende Information oder Weisung zur Verhinderung der Verfügung unterlassen haben.
1. Es ist für eine gewerbsmäßige Urkundenfälschung nicht erforderlich, dass der Täter seine Einnahmen unmittelbar aus der Urkundenfälschung selbst erzielen muss. Es reicht vielmehr aus, wenn die Urkundenfälschungen dazu dienen sollen, durch andere vom Täter oder Dritten beabsichtigte Straftaten Gewinn zu erzielen (vgl. BGH wistra 1999, 465).
2. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass zur Begründung von Gewerbsmäßigkeit ein mittelbarer Vorteil des Täters ausreicht, wenn er ohne weiteres darauf zugreifen kann oder sich selbst geldwerte Vorteile aus den Taten über Dritte verspricht. Einen mittelbaren Vorteil erlangt der Täter auch dann aus der Tat, wenn diese nicht selbst direkt zu einer Einnahme führt, aber notwendige Zwischenstufe für eine Handlung ist, aus der Einnahmen erzielt werden. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Urkundenfälschung selbst unmittelbar der Gewinnerzielung dient, etwa bei der Herstellung einer unechten Urkunde oder der Verfälschung einer echten Urkunde gegen Bezahlung.
1. Eine Strafbarkeit wegen erpresserischen Menschenraubs gem. § 239a Abs. 1 Var. 2 StGB setzt voraus, dass der Täter die physische Herrschaftsgewalt über das Opfer gewonnen, eine stabile Bemächtigungslage geschaffen und diese Lage zu einer Erpressung oder zum Raub ausgenutzt hat. Zwar muss der stabilisierten Bemächtigungslage mit Blick auf das Vermögensdelikt eigenständige Bedeutung zukommen. Damit ist aber nur gemeint, dass sich über die in jeder mit Gewalt oder Drohungen verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherrschungssituation hinaus eine weiter gehende Drucksituation aus der stabilen Bemächtigungslage ergeben haben muss.
2. In einem menschlich verständlichen Vergeltungsbedürfnis nach einer Provokation kann ein Strafmilderungsgrund liegen. Der Beweggrund der Vergeltung ist jedoch nicht stets strafmildernd. Wer erst nach längerer Zeit Vergeltung übt, steht einem Täter, der auf der Stelle zur Vergeltungstat hingerissen worden ist, nicht gleich. Artet der Beweggrund in reine Rachsucht aus, so kann darin ein strafschärfender niedriger Beweggrund liegen.
Ein Straßenschuh von üblicher Beschaffenheit ist regelmäßig als gefährliches Werkzeug anzusehen sei, wenn damit einem Menschen gegen den Kopf getreten wird.
Das Tatbestandsmerkmal „bei der Tat“ in § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) StGB bezieht sich auf die finale Verknüpfung von Gewalt und Vermögensverfügung, durch die die Erpressungsdelikte geprägt sind. Es ist daher nur erfüllt, wenn die schwere körperliche Misshandlung zur Erzwingung der Vermögensverfügung oder zumindest zur Sicherung der Beute verübt wird. Ein schlichter räumlich-zeitlicher Zusammenhang zwischen einer räuberischen Erpressung und einer schweren Misshandlung genügt hierfür hingegen nicht (vgl. bereits BGH HRRS 2009 Nr. 400). Das gilt unabhängig davon, ob die Misshandlung der Erpressung zeitlich nachfolgt oder aber ihr vorausgeht.
1. Werden bei einem vorgetäuschten Überfall auf eine Tankstelle Gegenstände entwendet, an denen der in die Tat eingeweihte Kassierer Alleingewahrsam hat (hier: Bargeld), sowie solche, bzgl. derer dies nicht der Fall ist (hier: Zigaretten), steht einer Verurteilung wegen der durch die Zueignung jener Gegenstände verwirklichten Unterschlagung die Subsidiaritätsklausel (§ 246 Abs. 1 StGB) entgegen.
2. Ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen § 251 Abs. 4 S. 1 StPO (hier: durch die fehlende Anordnung der Verlesung eines ärztlichen Attests im Beschlusswege) kann ausgeschlossen sein, wenn den Verfahrensbeteiligten Grund und Umfang der Verlesung bekannt und damit die der Anordnung der Verlesung zu Grunde liegenden Erwägungen rechtlich überprüfbar sind. Wird die Verlesung lediglich durch den Vorsitzenden angeordnet, muss hinzukommen, dass die persönliche Vernehmung der Person, von der die Erklärung stammt, nicht zur weiteren Aufklärung hätte beitragen können.
1. Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 StGB liegt erst dann vor, wenn durch eine der in § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (vgl. BGH NStZ 2015, 278).
2. Dies ist der Fall, wenn die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing (sog. Beinahe-Unfall), ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (vgl. BGH NStZ 2013, 167).
3. Bei Vorgängen im fließenden Verkehr muss zu einem bewusst zweckwidrigen Einsatz eines Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Absicht ferner hinzukommen, dass das Fahrzeug mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz missbraucht wurde (vgl. BGH NStZ 2014, 86).
4. Ein Kfz kann zwar nicht als „Waffe“ im Sinne des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB angesehen werden (vgl. BVerfG, NJW 2008, 3627, 3629). Es kommt aber als „gefährliches Werkzeug“ in Betracht (vgl. BGH NStZ 2000, 530).
5. Das Regelbeispiel des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB setzt eine bedingt vorsätzlich herbeigeführte konkrete Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsbeschädigung voraus, die durch eine Gewalttätigkeit herbeigeführt worden sein muss. Als eine solche Gewalttätigkeit kann zwar auch das schnelle Zufahren auf eine Person in Betracht kommen. Die konkrete Gefahr muss aber mit bestimmten Tatsachen belegt werden.
1. Gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB macht sich strafbar, wer seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält. In allen Varianten muss vom Täter ein bestimmender Einfluss auf das Opfer genommen werden; eine bloße Unterstützung der Prostitutionsausübung reicht nicht aus. Erforderlich ist vielmehr ein Verhalten des Täters, das geeignet ist, die Prostituierte in Abhängigkeit von ihm zu halten, ihre Selbstbestimmung zu beeinträchtigen, sie zu nachhaltiger Prostitutionsausübung anzuhalten oder ihre Entscheidungsfreiheit in sonstiger Weise nachhaltig zu beeinflussen (vgl. BGHSt 48, 314, 317). Kontrollmaßnahmen, wie sie auch einem Arbeitgeber möglich sind, müssen von dirigierenden Handlungen im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB abgegrenzt werden (vgl. BGH NStZ 2010, 274).
2. Beim Überwachen im Sinne der ersten Variante des § 181a Abs. 1 Nr. StGB geht es um eine andauernde Kontrolle der Geldeinnahmen, der Buchführung und der Preisgestaltung für die sexuellen Dienstleistungen, die eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Prostituierten bewirken kann, welche ihr eine Lösung aus der Prostitution erschwert.
3. Das Bestimmen der Umstände der Ausübung der Prostitution muss zur Erfüllung des Tatbestands gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 2 2. Var. StGB in einer Weise erfolgen, dass sich die Prostituierte den Weisungen nicht entziehen kann. Freiwilliges Akzeptieren von Bedingungen schließt dirigierende Zuhälterei in diesem Sinne aus.
4. Die dritte Variante des § 181a Abs.1 Nr. 2 StGB liegt schließlich vor, wenn der Täter, der Beziehungen zu der Prostituierten unterhält und um des eigenen Vermögensvorteils willen handelt, Maßnahmen ergreift, welche das Opfer davon abhalten sollen die Prostitution aufzugeben. Erfasst werden hiervon nur Vorkehrungen, die das Opfer in seiner Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen geeignet und darauf gerichtet sind, ihm den Weg aus der Prostitution zu verbauen (vgl. BGH NStZ 2014, 453, 455).
Ein Gegenstand ist nach der Rechtsprechung nur dann ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wenn er neben der objektiven Beschaffenheit des Werkzeugs und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (st. Rspr.)
Für die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses bei mehrfach hintereinander begangenen Vergewaltigungen kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich darauf an, ob der Nötigung des Tatopfers ein einheitliches Tun des Angeklagten zugrunde liegt. Bei einheitlicher Gewaltanwendung liegt ebenso wie bei fortgesetzter oder fortwirkender Drohung trotz mehrfach dadurch erzwungener Beischlafhandlungen nur eine Tat im Rechtssinne vor (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 235).