HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 768
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 30/15, Urteil v. 24.06.2015, HRRS 2015 Nr. 768
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 10. November 2014 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde; im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte seit etwa zehn Jahren an einer chronischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, in deren Verlauf er sich im Jahre 2007 in ambulante psychiatrische Behandlung begab und im Jahre 2009 auch einmal stationär behandelt wurde. Der Angeklagte ist bisher wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, Sachbeschädigung und unerlaubten Entfernens vom Unfallort strafrechtlich in Erscheinung getreten.
Während des Zusammenlebens mit der Zeugin S. kam es seit dem Jahre 2005 mehrfach zu körperlichen Übergriffen, die aber nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Der Verurteilung liegen folgende Sachverhalte zugrunde:
1. Am 6. August 2011 kam es zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und der Zeugin, woraufhin der Angeklagte sie mit der Hand auf die Schulter schlug. Nach diesem nicht angeklagten Geschehen zog sich die Zeugin in ihr Zimmer zurück und ging schlafen. Sie erwachte, als der Angeklagte auf ihren Körper, der mit einer Decke bedeckt war, von oben herab mit einem Ledergürtel einschlug. Sie verspürte Schmerzen von den Schlägen, die sich wie Peitschenhiebe anfühlten. Anschließend zerstörte er mit einer herbeigeholten Axt den der Zeugin gehörenden DVD-Player und ihr Radio. Die Zeugin geriet in Todesangst. Im Anschluss entleerte der Angeklagte den Inhalt einer Katzentoilette auf Kleidungsstücke der Zeugin und verbot ihr, diese in der Waschmaschine zu waschen. Die Zeugin S. wusch sie daraufhin in der Badewanne aus und hing sie dort auf, was den Angeklagten veranlasste, Rohrreiniger über den Sachen auszuschütten.
2. Am nächsten Morgen verlangte der Angeklagte Frühstück. Die Zeugin S. wies ihn darauf hin, es befinde sich zubereitet im Kühlschrank. Er wurde wütend, nahm erneut den Gürtel und schlug mehrfach von oben wahllos auf die am Boden sitzende Zeugin ein, die ihr Gesicht mit einer Decke zu schützen versuchte. Mehrere Schläge trafen sie am Oberschenkel, am Knie, an den Armen und am Gesäß. Sie trug zahlreiche Hämatome davon und nutzte die nächste Gelegenheit, die gemeinsame Wohnung zu verlassen. Die Zeugin sah sich in der Folgezeit verschiedenen Versuchen des Angeklagten ausgesetzt, an sie heranzutreten. Sie hatte seit dem Übergriff vom 6. August 2011 panische Angst vor dem Angeklagten und „psychische Probleme“. Sie erwirkte Ende des Jahres 2011 eine Anordnung gemäß § 1 Gewaltschutzgesetz und erstattete im Februar 2012 Strafanzeige. Ab Ende des Jahres 2012 versuchte der Angeklagte nicht mehr, Kontakt zu der Zeugin aufzunehmen.
3. Das Landgericht hat den Angeklagten hinsichtlich des ersten Vorfalls am Abend des 6. August 2011 lediglich wegen einfacher Körperverletzung verurteilt. Eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB hat das Landgericht - anders als beim Geschehen am nächsten Tag - ausgeschlossen, da der Angeklagte bei der Tat kein gefährliches Werkzeug verwendet habe.
4. Von einer Unterbringung des Angeklagten nach § 63 StGB hat die Strafkammer abgesehen. Der Angeklagte leide zwar an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis und habe die ihm vorgeworfenen Taten deshalb im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen. Eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Begehung weiterer Taten von ähnlichem Gewicht hat die Kammer - entgegen der Ansicht der gehörten Sachverständigen - im Rahmen der vom Gesetz geforderten Gesamtwürdigung allerdings nicht feststellen können. Dabei hat das Landgericht u.a. darauf abgestellt, dass die Anlasstaten mehr als drei Jahre zurücklägen und der Angeklagte seit November 2011 nicht mehr gewalttätig in Erscheinung getreten sei. Trotz langjähriger Erkrankung habe er sich nur vereinzelt strafbar gemacht, allenfalls die Verurteilung aus dem Jahre 2011 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zeige aggressive Züge des Angeklagten, wobei die festgestellte hohe Intoxikation mit Amphetamin zu bedenken sei. Zu den gewaltsamen Übergriffen zu Lasten der Zeugin S. vor dem 6. August 2011 hätten nähere Feststellungen nicht getroffen werden können. Sie hätten aber das Gepräge von beziehungsbedingten Tätlichkeiten.
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
1. Die Verurteilung lediglich wegen einfacher Körperverletzung im Fall II.1 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe beim Einsatz des Gürtels kein gefährliches Werkzeug verwendet und sich deshalb nicht nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar gemacht, wird von den Feststellungen getragen. Ein Gegenstand ist nach der Rechtsprechung nur dann ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wenn er neben der objektiven Beschaffenheit des Werkzeugs und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2007, 95 zu Schlägen mit einem Ledergürtel bei leichten Hautrötungen). Da abgesehen von Hämatomen auch keine erheblichen Verletzungen verursacht worden sind, der Angeklagte mit dem Gürtel auf das durch eine Decke geschützte Opfer geschlagen hat, und dem zu entnehmen ist, dass er auch keine gravierenden Verletzungsfolgen herbeiführen wollte, ist die für die Annahme einer gefährlichen Körperverletzung notwendige potentielle Gefährlichkeit der konkreten Benutzung des Werkzeugs hier nicht gegeben.
2. Auch die Entscheidung des Landgerichts, von einer Unterbringung nach § 63 StGB abzusehen, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Die Strafkammer hat in einer umfassenden Gesamtwürdigung festgestellt, dass die erforderliche erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Begehung weiterer erheblicher Straftaten nicht gegeben ist. Dabei hat sie alle hierfür bedeutsamen Umstände gesehen und in vertretbarer Weise gewichtet. Die in der Revisionsbegründung gegen die landgerichtliche Würdigung erhobene Einwendung, die Strafkammer habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass lediglich drei straffreie Jahre seit der Anlasstat vergangen seien, vermag einen Rechtsfehler der landgerichtlichen Prognose, die die Revisionsführerin lediglich durch eigene Wertungen ersetzt, nicht aufzuzeigen.
HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 768
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel