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HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 807

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 190/15, Beschluss v. 30.06.2015, HRRS 2015 Nr. 807


BGH 4 StR 190/15 - Beschluss vom 30. Juni 2015 (LG Essen)

Gewerbsmäßige Urkundenfälschung (mittelbarer Vorteil des Täters).

§ 267 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Es ist für eine gewerbsmäßige Urkundenfälschung nicht erforderlich, dass der Täter seine Einnahmen unmittelbar aus der Urkundenfälschung selbst erzielen muss. Es reicht vielmehr aus, wenn die Urkundenfälschungen dazu dienen sollen, durch andere vom Täter oder Dritten beabsichtigte Straftaten Gewinn zu erzielen (vgl. BGH wistra 1999, 465).

2. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass zur Begründung von Gewerbsmäßigkeit ein mittelbarer Vorteil des Täters ausreicht, wenn er ohne weiteres darauf zugreifen kann oder sich selbst geldwerte Vorteile aus den Taten über Dritte verspricht. Einen mittelbaren Vorteil erlangt der Täter auch dann aus der Tat, wenn diese nicht selbst direkt zu einer Einnahme führt, aber notwendige Zwischenstufe für eine Handlung ist, aus der Einnahmen erzielt werden. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Urkundenfälschung selbst unmittelbar der Gewinnerzielung dient, etwa bei der Herstellung einer unechten Urkunde oder der Verfälschung einer echten Urkunde gegen Bezahlung.

Entscheidungstenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 29. Januar 2015 werden als unbegründet verworfen; die Revision des Angeklagten A. mit der Maßgabe, dass in den Fällen II.9 und 18 des Urteils jeweils Einzelstrafen in Höhe von vier Monaten verhängt sind und die in den Fällen II.9, 18 und 26 des Urteils verhängten Einzelstrafen von jeweils sechs Monaten entfallen. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

Die Beschwerdeführer haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten E. wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in zwei Fällen, wegen versuchter gewerbsmäßiger Hehlerei, wegen Urkundenfälschung in 16 Fällen, davon tateinheitlich in sechs Fällen mit versuchtem Betrug, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Den Angeklagten A. hat es wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei, wegen Urkundenfälschung in zwölf Fällen, davon tateinheitlich in fünf Fällen mit versuchtem Betrug, wegen Beihilfe zur Urkundenfälschung und wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Es hat außerdem die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten A. vor Ablauf von sechs Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Im Übrigen hat das Landgericht beide Angeklagte freigesprochen. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die - beim Angeklagten E. näher ausgeführte - Sachrüge gestützten Revisionen. Das Rechtsmittel des Angeklagten A. hat nur geringfügig Erfolg, das Rechtsmittel des Angeklagten E. bleibt erfolglos.

Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

1. Das Landgericht hat bei beiden Angeklagten zu Recht den Regelfall der schweren Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 3 Nr. 1 StGB bejaht. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Angeklagten hinsichtlich der Urkundenfälschungen ebenfalls mit der Absicht gehandelt hätten, sich eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Zwar habe nicht die einzelne Urkundenfälschung unmittelbar dazu gedient, einen Erlös zu erwirtschaften. Die Angeklagten hätten allerdings bezweckt, mit den gefälschten Urkunden Betrugstaten zu begehen und aus diesen Erlöse zu erzielen. Eine solche Absicht, erst durch ein anderes Delikt mit den Urkunden Gewinne zu erzielen, reiche aus.

Diese Rechtsauffassung trifft zu. Es ist für gewerbsmäßiges Handeln nicht erforderlich, dass der Täter seine Einnahmen unmittelbar aus der Urkundenfälschung selbst erzielen muss. Es reicht vielmehr aus, wenn die Urkundenfälschungen dazu dienen sollen, durch andere vom Täter oder Dritten beabsichtigte Straftaten Gewinn zu erzielen (BGH, Urteil vom 2. November 2010 - 1 StR 579/09, juris Rn. 57; Urteil vom 21. Juni 2007 - 5 StR 532/06, juris Rn. 4, 25; Beschluss vom 17. September 1999 - 2 StR 301/99, wistra 1999, 465; Schönke/Schröder/Heine/Schuster, StGB, 29. Aufl., § 267 Rn. 104; Fischer, StGB, 62. Aufl., vor § 52 Rn. 62).

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass zur Begründung von Gewerbsmäßigkeit ein mittelbarer Vorteil des Täters ausreicht, wenn er ohne weiteres darauf zugreifen kann oder sich selbst geldwerte Vorteile aus den Taten über Dritte verspricht (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2015 - 4 StR 21/15, Rn. 11 mwN). Einen mittelbaren Vorteil erlangt der Täter auch dann aus der Tat, wenn diese nicht selbst direkt zu einer Einnahme führt, aber notwendige Zwischenstufe für eine Handlung ist, aus der Einnahmen erzielt werden. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Urkundenfälschung selbst unmittelbar der Gewinnerzielung dient, etwa bei der Herstellung einer unechten Urkunde oder der Verfälschung einer echten Urkunde gegen Bezahlung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Schutzgut der Urkundenfälschung die Sicherheit des Rechtsverkehrs ist. Der Gesetzgeber hat das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit, das in verschiedenen Tatbeständen Eingang gefunden hat, nicht an die unmittelbare Verletzung des jeweiligen Gesetzeszwecks geknüpft, sondern an das Handeln des Täters. Würde man eine unmittelbare Verknüpfung des spezifischen Merkmals der Gewinnerzielungsabsicht mit dem Schutzzweck des jeweiligen Tatbestands verlangen, liefen Tatbestände, die keine Vermögensdelikte sind, wie etwa § 335 Abs. 2 Nr. 3 StGB weithin ins Leere (BGH, Beschluss vom 17. September 1999 aaO).

2. Der Strafausspruch bedarf im Falle des Angeklagten A. entsprechend der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Klarstellung.

a) Soweit das Landgericht hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten A. in den Fällen II.9 und 18 der Urteilsgründe jeweils zwei Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten (UA 33) bzw. vier Monaten (UA 34) verhängt hat, beruht dies auf einem offensichtlichen Versehen. Der Senat hat das angefochtene Urteil aus Gründen der Klarstellung dahin ergänzt, dass der Angeklagte in diesen Fällen jeweils (nur) zu einer Einzelstrafe von vier Monaten verurteilt ist.

b) Entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts war zudem zur Klarstellung die vom Landgericht im Fall II.26 gegen den Angeklagten A. versehentlich verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten aufzuheben. Dieser Fall betrifft alleine den Angeklagten E., weshalb das Landgericht auch keine Feststellungen zu einer Straftat des Angeklagten A. in diesem Fall getroffen hat.

c) Der Senat schließt angesichts der verbleibenden Einzelstrafen von zwölfmal sechs Monaten, zweimal vier Monaten und zweimal 60 Tagessätzen aus, dass die Strafkammer ohne die drei entfallenden Einzelstrafen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 807

Externe Fundstellen: NStZ 2016, 28

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel