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HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 934

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 116/13, Beschluss v. 10.07.2013, HRRS 2013 Nr. 934


BGH 2 StR 116/13 - Beschluss vom 10. Juli 2013 (LG Aachen)

Recht auf den gesetzlichen Richter (nachträgliche Änderung des Geschäftsverteilungsplans: Voraussetzungen, revisionsrechtliche Überprüfbarkeit; Verhältnis zum Beschleunigungsgrundsatz).

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung kann verfassungsrechtlich geboten sein, wenn nur auf diese Weise die Gewährung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit, insbesondere eine beschleunigte Behandlung von Strafsachen, erreicht werden kann. Das Beschleunigungsgebot lässt indes das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht vollständig zurücktreten. Vielmehr besteht Anspruch auf eine zügige Entscheidung durch diesen. Daher muss in derartigen Fällen das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter mit dem rechtsstaatlichen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden (vgl. BGHSt 53, 268, 270 f.).

2. § 21e Abs. 3 GVG lässt - ohne dass insoweit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entgegenstünde - eine Änderung der Zuständigkeit auch für bereits anhängige Verfahren zu, jedenfalls dann wenn die Neuregelung generell gilt, zum Beispiel mehrere anhängige Verfahren und eine unbestimmte Vielzahl künftiger, gleichartiger Fälle erfasst und nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht. In jedem Fall ist aber erforderlich, dass jede Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres, die bereits anhängige Verfahren erfasst, geeignet ist, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Änderungen der Geschäftsverteilung, die hierzu nicht geeignet sind, können vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689, 2690 mwN).

3. Eine Überlastung des Spruchkörpers im Sinne des § 21e Abs. 3 GVG liegt vor, wenn über einen längeren Zeitraum ein erheblicher Überhang der Eingänge über die Erledigungen zu verzeichnen ist, sodass mit einer Bearbeitung der Sachen innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht zu rechnen ist und sich die Überlastung daher als so erheblich darstellt, dass der Ausgleich nicht bis zum Ende des Geschäftsjahrs zurückgestellt werden kann.

4. Die Entscheidung des Präsidiums nach § 21e Abs. 3 GVG unterliegt nicht lediglich einer Vertretbarkeits- oder Willkürkontrolle, sie ist vielmehr einer vollständigen revisionsgerichtlichen Überprüfung unterworfen, insbesondere auch daraufhin, ob eine Überlastung einer Strafkammer vorgelegen hat und die vom Präsidium getroffenen Maßnahmen erforderlich waren (vgl. BGHSt 53, 268, 275 f.). Dabei sind vom Revisionsgericht nur solche Umstände heranzuziehen, die bis zur Entscheidung der neu zur Entscheidung berufenen Strafkammer über einen in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwand bekannt gemacht sind (vgl. BGHSt 53, 268, 282 f.).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 19. September 2012, soweit es ihn betrifft und er verurteilt worden ist, mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, eine Verfallsentscheidung gegen ihn getroffen und ihn im Übrigen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hat mit der Besetzungsrüge Erfolg, soweit sie beanstandet, die Übertragung des Verfahrens auf eine andere Strafkammer sei nicht gesetzmäßig erfolgt, so dass diese zur Verhandlung und Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht berufen und das erkennende Gericht somit vorschriftswidrig besetzt gewesen sei (§ 338 Nr. 1 StPO i.V.m. § 21e Abs. 3 GVG).

1. Der Rüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:

Mit Datum vom 2. Juli 2012 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage beim Landgericht, die der Vorsitzende Richter der nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen 6. großen Strafkammer mit Verfügung vom 12. Juli 2012 zustellte.

Am 18. Juli 2012 stellte das Präsidium des Landgerichts Aachen in einem Vermerk Folgendes fest:

"Die 6. große Strafkammer (zugleich 1. große Wirtschaftsstrafkammer und 3. Kammer für Bußgeldsachen) hat Probleme, alle bei ihr anhängigen Haftsachen zeitnah zu verhandeln. Die Kammer verhandelt derzeit seit dem 24.02.2012 die Haftsache gegen K. u.a. (66 KLs 15/11), Hauptverhandlungstermine sind derzeit bis zum 01.10.2012 bestimmt. Parallel dazu wird neben kleineren Verfahren seit dem 16.04.2012 die Wirtschaftsstrafsache gegen A. u.a. (86 KLs 12/08) verhandelt; Hauptverhandlungstermine sind hier bis zum 21.08.2012 bestimmt. In der Zeit vom 28.08.2012 - 31.08.2012 ist die Strafsache gegen S. (66 KLs 8/12; OLG-Frist 01.06.2012) terminiert. Im September und Oktober 2012 sind bereits Termine in einer weiteren Haftsache (86 KLs 11/12; OLG-Frist 03.07.12) mit der Verteidigung abgestimmt; zudem sind einzelne Kammermitglieder in der zweiten Septemberhälfte bzw. Anfang Oktober 2012 in Urlaub. In der Zeit vom 16.10.2012 - 20.11.2012 ist eine weitere alte Wirtschaftsstrafsache gegen Sch. u.a. (86 KLs 30/08) terminiert. Obwohl es sich um eine Nichthaftsache handelt, scheidet eine Aufhebung des Termins aus. Die Hauptverhandlung in dieser Sache musste bereits einmal aufgehoben werden; bei einer erneuten Aufhebung könnte Verjährung drohen.

Noch nicht terminiert ist die am 09.07.2012 eingegangene Strafsache gegen P. u.a. (66 KLs 16/12; OLG-Frist 09.09.2012). Dieses Verfahren könnte die 6. große Strafkammer frühestens im Anschluss an die Wirtschaftsstrafsache gegen Sch. u.a. ab dem 21.11.2012 verhandeln.

Eine teilweise Entlastung der 6. großen Strafkammer ist durch die 1. große Strafkammer möglich. Diese Kammer hat ab Anfang September 2012 noch Termine für Haftsachen frei. Frühere Hauptverhandlungstermine stehen auch bei den übrigen großen Strafkammern des Landgerichts Aachen nicht zur Verfügung".

Am gleichen Tag fasste das Präsidium folgenden Beschluss:

"Aus den vorstehenden Gründen wird beschlossen:

1. Anstelle der 6. großen Strafkammer werden alle nach dem Geschäftsplan des Landgerichts Aachen für das Geschäftsjahr 2012 in die Zuständigkeit der 6. großen Strafkammer (ohne 1. große Wirtschaftsstrafkammer und 3. Kammer für Bußgeldsachen) fallenden, beim Landgericht Aachen erhobenen Anklagen und Anträge in Sicherungsverfahren gemäß § 413 StPO der 1. großen Strafkammer zur Bearbeitung zugewiesen, soweit die Anklagen und Anträge im Sicherungsverfahren

- in der Zeit vom 01.07.2012 bis zum Ablauf des heutigen Tages beim Landgericht Aachen eingegangen sind oder noch eingehen und

- bis zum Ablauf des gestrigen Tages noch nicht eröffnet oder noch nicht durch Urteil oder eine sonstige verfahrensbeendende Entscheidung erledigt worden sind.

2.......".

Mit Beschluss vom 13. August 2012 eröffnete die 1. große Strafkammer des Landgerichts Aachen das Verfahren gegen den Angeklagten u.a. und bestimmte fünf Hauptverhandlungstermine, beginnend ab 4. September 2012. Am ersten Tag der Hauptverhandlung rügte ein Verteidiger eines Mitangeklagten die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts, dem sich die Verteidigerin des Angeklagten P. anschloss. Mit Beschluss vom 17. September 2012 wies die 1. große Strafkammer die Besetzungsrüge der Angeklagten zurück. Zur Begründung führte sie aus:

"Mit Blick auf das Beschleunigungsgebot war die Ableitung des Verfahrens von der 6. großen Strafkammer auf die 1. große Strafkammer geboten. Zur weiteren Begründung wird auf den zitierten Vermerk des Präsidiums des Landgerichts Aachen vom 18.07.2012 verwiesen, in dem nachvollziehbar dargelegt wird, dass die 6. große Strafkammer zu entlasten war und eine Zuweisung der Sache an die 1. große Strafkammer zu erfolgen hatte, die als einzige Kammer in der Lage war, innerhalb der Frist des § 121 StPO mit der Hauptverhandlung zu beginnen".

Der Präsident des Landgerichts Aachen nahm mit Schreiben vom 17. Dezember 2012 zur Besetzungsrüge des Angeklagten Stellung. Dabei teilte er mit, warum sich das Präsidium entschieden habe, das Verfahren an eine andere Strafkammer zu übertragen. Bei einem Verhandlungsbeginn ab dem 21. November 2012 wäre die OLG-Frist (des § 121 Abs. 1 StPO) um rund 2 1/2 Monate überschritten gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung des für die Haftentscheidung zuständigen Senats des Oberlandesgerichts Köln müsse eine Hauptverhandlung innerhalb von drei Monaten nach Eröffnung beginnen. Bei einem Eingang der Sache am 9. Juli 2012 hätte die Kammer erfahrungsgemäß am 9. August 2012 über eine Eröffnung entscheiden können. Die Hauptverhandlung hätte danach jedenfalls am 9. November 2012 beginnen 11 12 13 müssen. Auch dieser Termin wäre von der 6. großen Strafkammer jedoch nicht einzuhalten gewesen.

2. Die Rüge ist begründet. Die Übertragung des den Angeklagten betreffenden Verfahrens auf die 1. große Strafkammer ist nicht gesetzmäßig erfolgt. Diese war deshalb nicht zur Verhandlung und Entscheidung im vorliegenden Verfahren berufen, das erkennende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 338 Nr. 1 StPO).

a) Das Präsidium darf gemäß § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG die nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung getroffenen Anordnungen im Laufe des Geschäftsjahrs ändern, wenn dies wegen Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird. Eine solche liegt vor, wenn über einen längeren Zeitraum ein erheblicher Überhang der Eingänge über die Erledigungen zu verzeichnen ist, sodass mit einer Bearbeitung der Sachen innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht zu rechnen ist und sich die Überlastung daher als so erheblich darstellt, dass der Ausgleich nicht bis zum Ende des Geschäftsjahrs zurückgestellt werden kann. Die Rechtsprechungstätigkeit der Gerichte wird immer wieder mit nicht vorhersehbaren Ereignissen und Entwicklungen konfrontiert. Derartige Umstände erfordern ein Eingreifen des Spruchkörpers oder des Präsidiums, um die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung kann auch verfassungsrechtlich geboten sein, wenn nur auf diese Weise die Gewährung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit, insbesondere eine beschleunigte Behandlung von Strafsachen, erreicht werden kann. Das Beschleunigungsgebot lässt indes das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht vollständig zurücktreten. Vielmehr besteht Anspruch auf eine zügige Entscheidung durch diesen. Daher muss in derartigen Fällen das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter mit dem rechtsstaatlichen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden (BGHSt 53, 268, 270 f.); vgl. auch BVerfG NJW 2005, 2689, 2690).

§ 21e Abs. 3 GVG lässt - ohne dass insoweit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entgegenstünde - eine Änderung der Zuständigkeit auch für bereits anhängige Verfahren zu, jedenfalls dann wenn die Neuregelung generell gilt, zum Beispiel mehrere anhängige Verfahren und eine unbestimmte Vielzahl künftiger, gleichartiger Fälle erfasst und nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht. In jedem Fall ist aber erforderlich, dass jede Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres, die bereits anhängige Verfahren erfasst, geeignet ist, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Änderungen der Geschäftsverteilung, die hierzu nicht geeignet sind, können vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689, 2690 mwN; BGHSt 53, 268, 272).

Die Entscheidung des Präsidiums nach § 21e Abs. 3 GVG unterliegt nicht lediglich einer Vertretbarkeits- oder Willkürkontrolle, sie ist vielmehr einer vollständigen revisionsgerichtlichen Überprüfung unterworfen, insbesondere auch daraufhin, ob eine Überlastung einer Strafkammer vorgelegen hat und die vom Präsidium getroffenen Maßnahmen erforderlich waren (BGHSt 53, 268, 275 f.). Dabei sind vom Revisionsgericht nur solche Umstände heranzuziehen, die bis zur Entscheidung der neu zur Entscheidung berufenen Strafkammer über einen in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwand (§ 222b StPO) bekannt gemacht sind (vgl. BGHSt 53, 268, 282 f.).

b) Den sich danach ergebenden Anforderungen an eine Änderung der Geschäftsverteilung nach § 21e Abs. 3 GVG, durch die bereits bei einer ordentlichen Strafkammer anhängige Verfahren übertragen werden, genügt die hier beanstandete Entscheidung des Präsidiums nicht.

Die in dem Vermerk des Präsidiums vom 18. Juli 2012 dargelegten Umstände belegen eine Überlastung der 6. großen Strafkammer nicht, die eine Übertragung des gegen den Angeklagten gerichteten Verfahrens mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rechtfertigen könnte. Insoweit kann dahinstehen, ob es sich um eine bedenkliche Zuweisung eines einzigen Verfahrens handelt.

Dem Präsidiumsvermerk lässt sich zwar entnehmen, dass bei der 6. großen Strafkammer eine Auslastung vorgelegen hat, die eine Terminierung des gegen den Angeklagten gerichteten Verfahrens nicht vor dem 21. November 2012 zugelassen hätte. Es ergibt sich daraus aber keine solche Überlastung der Strafkammer mit anhängigen Verfahren, dass eine unangemessene Bearbeitungszeit von Verfahren gedroht hätte, die ein Einschreiten des Präsidiums während des laufenden Geschäftsjahres rechtfertigen hätte können. Es ist im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass mit der Verhandlung eines gegen mehrere Angeklagte gerichteten Verfahrens nicht vor Ablauf von vier Monaten nach ihrem Eingang bei einer großen Strafkammer begonnen wird. Die Zustellung der Anklage, die Einräumung einer der Bedeutung und der Schwierigkeit des Verfahrens angemessenen Stellungnahmefrist für die Angeschuldigten und die sich anschließende, eine Kenntnis des vollständigen Aktenlage voraussetzende Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens erfordern ebenso einem maßgeblichen zeitlichen Aufwand wie die Vorbereitung und Terminierung einer Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden. Vor diesem Hintergrund liegt es jedenfalls fern, eine an starren Fristen vorgegebene Betrachtung bei der Frage zugrunde zu legen, ob eine unangemessene Bearbeitungszeit einzelner Verfahren im Raum steht.

Dies gilt auch mit Blick auf den insbesondere in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgrundsatz, der zwar vor allem auch in der Haftprüfungsfrist des § 121 Abs. 1 StPO seinen Ausdruck findet, aber keinen für alle Verfahren gleichermaßen geltenden Zeitpunkt festlegt, wann mit der Hauptverhandlung einer Sache nach Inhaftierung oder Anklageerhebung zu beginnen ist. Insofern gibt wie hier der bloße Zeitablauf zwischen Anklageerhebung und möglichem Beginn der Hauptverhandlung allein keinen tragfähigen Anhalt dafür, dass bei einem Hauptverhandlungsbeginn erst im November 2012 eine unangemessene Verzögerung des Verfahrens vorgelegen hätte. Dies ergibt sich im Übrigen schon daraus, dass der Vollzug von Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus vom Oberlandesgericht unter Abwägung des Freiheitsanspruchs des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse des Staates angeordnet werden kann.

Nichts anderes ergibt sich, soweit sich der Präsident des Landgerichts im Revisionsverfahren darauf beruft, eine Überleitung habe vorgenommen werden müssen, weil das Oberlandesgericht Köln als Haftprüfungsgericht fordere, dass eine Hauptverhandlung drei Monate nach der Eröffnung des Verfahrens begonnen haben müsse. Da das Landgericht erfahrungsgemäß einen Monat nach Eingang des Verfahrens am 9. August 2012 über die Eröffnung habe entscheiden können, hätte die Hauptverhandlung spätestens am 9. November 2012 beginnen müssen. Ungeachtet dessen, dass diese im landgerichtlichen Verfahren nicht vorgebrachten Umstände im Revisionsverfahren unbeachtlich sind, wären auch sie nicht geeignet, eine zum sofortigen Handeln zwingende Überbelastung der 6. großen Strafkammer zu belegen. Es gibt schon keinen Grundsatz, der dazu veranlassen müsste, in jedem Fall einen Monat nach Eingang des Verfahrens über dessen Eröffnung zu entscheiden. Wie lange Zeit hierfür benötigt wird, hängt von vielfältigen Umständen, etwa der Schwierigkeit und dem Umfang des Verfahrens, der Zahl der Beschuldigten und der sonstigen Belastung des Gerichts ab, die es verbieten, eine solche eng bemessene Bearbeitungsfrist regelmäßig zu setzen. Selbst wenn man aber davon ausginge, liegt es auf der Hand, dass die Überschreitung eines nach Maßgabe des Oberlandesgerichts Köln berechneten Beginns der Hauptverhandlung um 12 Tage keine solche Verzögerung der Sache darstellt, die im Sinne von § 21e Abs. 3 GVG einen Eingriff in das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rechtfertigen könnte. Die abweichende Ansicht des Präsidiums des Landgerichts lässt demgegenüber erkennen, dass es in seinem Bemühen um Ausgleich zwischen dem Recht auf den gesetzlichen Richter und dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz die hohe verfassungsrechtliche Bedeutung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG aus dem Blick verloren hat.

HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 934

Externe Fundstellen: StV 2014, 6

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel