HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 943
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 171/13, Beschluss v. 18.07.2013, HRRS 2013 Nr. 943
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 7. November 2012 im Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, dass gegen den Angeklagten Verfall von Wertersatz in Höhe von 44.355,00 € als Gesamtschuldner angeordnet wird.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Mitglied einer Bande in 23 Fällen, wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und gegen ihn Verfall von Wertersatz in Höhe von 44.355,00 € angeordnet. Seine Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen des Landgerichts verbrachte der Angeklagte in den Fällen II. 1 bis II. 12 der Urteilsgründe im mittäterschaftlichen Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten S. Betäubungsmittel aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland, wo sie jeweils gewinnbringend weiterverkauft wurden. Die Taten hatten jeweils nicht geringe Mengen von Betäubungsmitteln im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zum Gegenstand. Die weiteren vom Landgericht abgeurteilten Taten betreffen den gewinnbringenden Weiterverkauf jeweils großer Mengen Marihuana, das der Angeklagte zuvor jeweils auf Cannabisplantagen geerntet hatte, zu deren Betrieb er sich mit dem gesondert verfolgten S. sowie weiteren Tätern zusammengeschlossen hatte.
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuldspruchs einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht ergeben. Entgegen der Auffassung der Revision hält insbesondere die Beweiswürdigung rechtlicher Nachprüfung stand.
Die Revision weist zwar zutreffend auf die gesteigerten Anforderungen an die tatrichterliche Beweiswürdigung in Fällen hin, in denen sich in Ermangelung objektiver Beweisanzeichen die gegensätzlichen Aussagen des Angeklagten und des Tatopfers gegenüberstehen oder in denen ein Zeuge, auf dessen Aussage die Verurteilung des Täters maßgeblich gestützt wird, bereits wegen Beteiligung an derselben Tat verurteilt wurde oder die Angaben des betreffenden Zeugen auf eine verfahrensbeendende Absprache in seinem eigenen Strafverfahren zurückzuführen sind (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom 17. März 2009 - 4 StR 662/08, NStZ-RR 2009, 212). Die Urteilsgründe müssen dann erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, in seine Überlegungen einbezogen und in einer Gesamtschau gewürdigt hat. Bei einem Tatbeteiligten oder Mitangeklagten ist je nach den Umständen des Falles in Betracht zu ziehen, dass dieser den Angeklagten um eigener Vorteile willen zu Unrecht belasten könnte (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 261 Rn. 11a mN zur Rspr.). Einen Rechtsfehler zeigt die Revision im vorliegenden Fall damit nicht auf. Das Landgericht konnte im vorliegenden Fall - über die in den Urteilsgründen ausführlich behandelten Angaben früherer Mittäter hinaus - nicht nur auf geständnisähnliche Angaben des Angeklagten zurückgreifen, sondern hat sich rechtsfehlerfrei in erheblichem Umfang auf objektive Beweisanzeichen in Gestalt umfangreicher, vom Angeklagten herrührender schriftlicher Aufzeichnungen über seine verschiedenen Betäubungsmittelstraftaten gestützt.
a) Zu den Tatvorwürfen in den Fällen II. 1 bis II. 12 hat sich der Angeklagte dahin eingelassen, er habe es für möglich gehalten, dass der gesondert verfolgte S. die Garagenräumlichkeiten, die er, der Angeklagte, diesem überlassen hatte, zur Durchführung des Cannabishandels genutzt habe. Gleichwohl habe er S. erklärt, wie eine Buchführung zu erfolgen habe. Finanziell sei er an dem Cannabishandel indes nicht beteiligt gewesen. Zu den Fällen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Plantagen hat er ausgesagt, dem gesondert verfolgten S. insgesamt 28.000,00 € für die Anschaffung von Containern und eines Gabelstaplers geliehen zu haben, wobei er später erfahren habe, dass in den Containern Cannabis angebaut werde. Er habe dann den Handel mit den Betäubungsmitteln und die weitere Entwicklung durch von ihm gefertigte Notizen buchmäßig festgehalten, um im Hinblick auf das dem S. gewährte Darlehen einen Überblick über die von diesem erzielten Verdienste zu erlangen.
b) Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer auch angenommen, dass die Angaben der früheren Mittäter des Angeklagten durch zahlreiche objektive Beweismittel Bestätigung gefunden haben. Grundlage der Verurteilung des Angeklagten waren insoweit mehrere Stehordner mit von ihm herrührenden handschriftlichen Aufzeichnungen sowie maschinenschriftlich gefertigte Kassen-, Wareneingangs- und Verkaufsberichte, aus denen die Strafkammer die Einzelheiten der vom Angeklagten durchgeführten Geschäfte sowie seinen maßgeblichen Einfluss auf diese ohne Verstoß gegen § 261 StPO entnehmen konnte, zumal der Angeklagte seine Urheberschaft an den handschriftlichen Schreibleistungen im Laufe der Hauptverhandlung eingeräumt hat.
2. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Entgegen der Auffassung der Revision lässt die Strafzumessung nicht besorgen, dass die Strafkammer keine wirkliche Abwägung aller relevanten Umstände vorgenommen, sondern sich bei der Strafzumessung rechtsfehlerhaft allein an Art und Menge der Betäubungsmittel orientiert haben könnte. Das Landgericht hat vielmehr schon bei der Wahl der anzuwendenden Strafrahmen erkennbar eine umfassende Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände unter Berücksichtigung der Besonderheiten seines Lebenslaufs vorgenommen. Dass das Landgericht daneben - auch angesichts des außergewöhnlichen Umfangs der vom Angeklagten entfalteten Handelstätigkeit - den jeweiligen Mengen sowie den Wirkstoffanteilen bestimmende Bedeutung im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO zugemessen hat, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die zu Lasten des Angeklagten angestellte Erwägung, er habe seine Mittäter in die Taten verstrickt, wird hinsichtlich der gesondert verfolgten C. sowie T. von den Feststellungen getragen (UA 22 f.).
Dass das Landgericht zu Lasten des Angeklagten erwogen hat, er habe als Initiator die Taten mit hoher Professionalität begangen und ein "florierendes Wirtschaftsunternehmen" geschaffen, lässt vor dem Hintergrund der festgestellten Aktivitäten des Angeklagten nach Art, Umfang und Zeitdauer einen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB auch im Hinblick auf die rechtsfehlerfrei angenommene bandenmäßige Begehungsweise nicht besorgen.
3. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 44.355,00 € bezogen auf die Fälle II. 1 bis II. 12 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung jedoch nicht uneingeschränkt stand.
Die Strafkammer hat insoweit zwar festgestellt, dass der gesondert verfolgte S. die von ihm aus den Niederlanden nach Deutschland eingeführten Marihuanamengen an namentlich nicht bekannte Dritte gewinnbringend weiterverkauft hat, ohne dass die Beteiligung des Angeklagten an diesen Absatzgeschäften hätte festgestellt werden können. Er wurde jedoch entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen mit S. hälftig an den erzielten Gewinnen beteiligt. Ausweislich des vom Angeklagten geführten Kassenbuches nahmen der Angeklagte und S. gemeinsam durch die getätigten Verkäufe 173.505,00 DM ein, die abzüglich der getätigten Aufwendungen hälftig untereinander aufgeteilt wurden. Danach hatten beide Mittäter die wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt jedenfalls über die schließlich an den Angeklagten weitergegebenen Beträge; beide haften insoweit als Gesamtschuldner (BGH, Beschluss vom 10. September 2002 - 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198 mwN). Um Unklarheiten bei der Vollstreckung des angefochtenen Urteils auszuschließen, ändert der Senat die Entscheidungsformel entsprechend (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2009 - 3 StR 192/09, Tz. 3). Einer weiter gehenden Anordnung gesamtschuldnerischer Haftung auf den vollen, von dem Angeklagten und dem gesondert verfolgten S. gemeinsam vereinnahmten Betrag steht schon das Verschlechterungsverbot entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels rechtfertigt es nicht, den Angeklagten von einem Teil der Kosten zu entlasten (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 473 Rn. 25 f.).
HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 943
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel