HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 860
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 311/10, Beschluss v. 18.08.2010, HRRS 2010 Nr. 860
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 11. März 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
Das Urteil kann nicht bestehen bleiben.
Die Urteilsgründe belegen nicht, dass der Beschuldigte, der nach den Feststellungen an einer undifferenzierten Schizophrenie verbunden mit einer dissozialen Persönlichkeitsstörung leidet, die ihm vorgeworfene Taten im Zustand zumindest verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB begangen hat. Dies wäre aber Voraussetzung für eine Unterbringung nach § 63 StGB.
Zwar hat der gehörte psychiatrische Sachverständige ausgeführt, "die Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis führe dazu, dass bei einer akuten Phase die Steuerungsfähigkeit vollkommen ausgeschlossen sei, aber ansonsten erheblich eingeschränkt sei" (UA 21). Damit wären die Voraussetzungen einer Anordnung nach § 63 StGB gegeben. Das Landgericht gibt auch vor, den Ausführungen des Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit folgen zu wollen. Tatsächlich aber stellt die Strafkammer darauf ab, die Fähigkeit des Beschuldigten, das Unrecht seiner Taten einzusehen, sei zumindest erheblich vermindert, wenn nicht sogar vollkommen ausgeschlossen gewesen (UA 16, 21). Damit aber scheidet nach ständiger Rechtsprechung die Anwendung des § 21 StGB aus, weil der Täter bei hier möglicherweise nur erheblicher Verminderung der Einsichtsfähigkeit das Unerlaubte erkennt, die Einsicht also tatsächlich hat (Fischer, StGB, 57. Aufl., § 21 Rn. 3 mwN). An eine bloße Verminderung der Einsichtsfähigkeit, die nicht zum Fehlen der Einsicht geführt hat, kann eine Maßregel nach § 63 StGB nicht geknüpft werden (BGHSt 34, 22, 26 f.; NStZ 2006, 682, 683; NStZ-RR 2007, 73). Diese, durch das Revisionsgericht nicht ausräumbaren Widersprüche führen zur Aufhebung des Urteils.
Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen und können aufrechterhalten werden. Ergänzende, nicht im Widerspruch stehende Feststellungen sind zulässig.
HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 860
Bearbeiter: Karsten Gaede