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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
September 2010
11. Jahrgang
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Von Prof. Dr. Diethelm Klesczewski, Univ. Leipzig
Vorliegendes Urteil, das mittlerweile rechtskräftig geworden ist[1], hat in das Sanktionensystem des deutschen Strafrechts wie eine Bombe eingeschlagen. Besondere Sprengkraft zeitigte dabei die Aussage des EGMR, die Sicherungsverwahrung sei im Lichte der Konvention als Strafe einzustufen (Rn. 133)[2]. Seitdem ist die kriminalpolitische Diskussion in Deutschland darum bemüht, die Einschlagstelle wieder zu reparieren.[3] Den einen geht es dabei darum, die Trümmerstücke möglichst ohne große Änderungen wieder so zusammenzusetzen wie zuvor. Andere artikulieren den Willen, das Institut der Sicherungsverwahrung derart umzugestalten, dass es auch als Maßregel einer neuen Prüfung vor dem EGMR standhält.[4] Weniger wurde bisher thematisiert, was es bedeuten würde, wenn man die Sicherungsverwahrung konsequent als Strafe begreifen und ausgestalten würde. Dabei ist diese Option bereits zur Zeit der Strafrechtsreform in der 60iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts vor allem von Hellmuth Mayer[5] in die Diskussion eingebracht und von Michael Köhler[6], dem diese Anmerkung gewidmet ist, vertieft begründet und systematisch entfaltet worden.
Nach einer Analyse des Urteils (I.) möchte ich die weittragenden Konsequenzen des Urteils aufzeigen, zu denen insbesondere eine bestimmte Dauer der Sicherungsverwahrung zählt (II.), und die es nahe legen, sie als eine Modifikation der Strafe zu begreifen und auszugestalten (III.).
Der EGMR hatte über die Individualbeschwerde eines Häftlings zu entscheiden, gegen den das LG Marburg im Jahre 1986 neben der Strafe u. a. wegen versuchten Mordes auch die Sicherungsverwahrung angeordnet hatte, dessen Entlassung die Strafvollstreckungsgerichte aber trotz des Ablaufs der zum Urteilszeitpunkt noch geltenden zehnjährigen Höchstfrist abgelehnt hatten, weil diese seit 1998 aus dem Gesetz gestrichen ist. Der Gerichtshof stützt die Konventionsverletzung auf zwei Artikel der EMRK: Zum einen sei die aufgrund der nachträglichen gesetzlichen Entfristung fortgesetzte Sicherungsverwahrung nicht durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 EMRK gedeckt (1.). Zum anderen liege ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot von Art. 7 Abs. 1. EMRK vor (2.).
a) Der EGMR sieht in der Sicherungsverwahrung zu Recht einen Freiheitsentzug, der sich allenfalls durch einen der in Art. 5 Abs. 1 S. 1 EMRK abschließend aufgezählten Gründe legitimieren lässt (Rn. 86). Von diesen Gründen kommt für den Gerichtshof einzig der erste in Betracht (Rn. 102), während die anderen nicht einschlägig sind. Das stellt der EGMR ausdrücklich und mit aller wünschenswerter Klarheit auch für die Art. 5 Abs. 1 S. 1 lit. c) und lit. e) EMRK fest: Ersterer ist auf die Situation der Abwehr einer konkreten und spezifischen, nach Ort und Zeit bestimmbaren, Straftat gemünzt und passt daher nicht auf die Situation der Sicherungsverwahrung
(Rn. 89, 102)[7]; letzterer greift nur, wenn der Verurteilte psychisch krank ist, woran es im konkreten Fall fehlte (Rn. 103).
b) Alles kam also darauf an, ob die über zehn Jahre andauernde Sicherungsverwahrung sich als eine rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch das zuständige Gericht verstehen lässt, Art. 5 Abs. 1 S. 1 lit. a) EMRK: Rechtmäßig ist eine Freiheitsentziehung, wenn sie den Vorschriften des nationalem Rechts entspricht. Dies hat die EKMR an sich für eine gemäß § 66 StGB angeordnete Sicherungsverwahrung anerkannt[8] und ist auch sonst unstrittig[9]. Fraglos war die Schwurgerichtskammer des LG Marburg auch das nach deutschen Recht zuständige Gericht (§ 74 Abs. 2 Nr. 4 GVG).
Problematisch war hingegen, ob die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über die abgeschaffte Zehnjahresfrist hinaus eine Freiheitsentziehung darstellt, die "nach einer Verurteilung" erfolgt. Vergleichsweise einfach klärt sich dabei, dass es sich bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB um eine "Verurteilung" handelt. Zwar sieht der EGMR als eine Verurteilung in st. Rspr. nur eine gerichtliche Entscheidung an, die einen Schuldspruch enthält (Rn. 87, 95).[10] Doch schränkt dieses nicht nur materiell rechtliche, sondern auch strafprozessuale Kautel die in Art. 5 Abs. 1 S. 1 lit. a) EMRK angesprochenen Freiheitsentziehungen nicht auf Strafen ein. Vielmehr ist damit auch die Verhängung von Sanktionen erfasst, die keinen Schuldausgleich bezwecken, solange sie nur - wie die Sicherungsverwahrung - eine Schuldfeststellung voraussetzen (Rn. 96).[11] Als heikel erwies sich vielmehr die Frage, inwiefern die Sicherungsverwahrung im vorliegenden Fall "nach" einer Verurteilung vollzogen wird. Nach st. Rspr. reicht hierzu ein bloß zeitliches Aufeinanderfolgen nicht aus. Vielmehr bedarf es einer "sufficient causal connection" zwischen beidem (Rn. 88).[12] Damit ist nicht nur ein schlichter Bedingungszusammenhang gemeint, wie der deutsche Strafjurist vielleicht assoziieren mag. Vielmehr ist dazu nach der grundlegend dazu ergangenen Entscheidung erforderlich, dass der Ausspruch einer Freiheitsentziehung sich aus der Verurteilung ergeben und ferner immer zusammen mit dem Schuldspruch und abhängig von ihm ergehen muss (Rn. 88). Das traf zwar auf die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung bis zum Ablauf der Zehnjahresfrist zu (Rn. 96), nicht aber auf die Fortdauer der Unterbringung über diesen Zeitpunkt hinaus. Denn nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Anordnung der Sicherungsverwahrung bedeutete dies eine Höchstdauer des Freiheitsentzuges von 10 Jahren, weil und soweit diese Frist bei der ersten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gesetzlich vorgeschrieben war und daher vom Gericht nicht eigens hatte festgesetzt werden müssen (Rn. 99 f.). Die Fortdauer der Unterbringung über diese Frist hinaus beruhte hingegen maßgeblich auf einer Gesetzesänderung (Rn. 100). Daran ändert nach zutreffender Ansicht des EGMR auch der Umstand nichts, dass die Fortdauer der Sicherungsverwahrung im vorliegenden Fall im Jahre 2001 durch ein Strafvollstreckungsgericht festgestellt wurde. Denn diese Entscheidung enthält selbst keinen Schuldspruch und kann daher - darin liegt ein Gutteil der Sprengkraft der hier zu besprechenden Entscheidung -auch nicht als eine "Verurteilung" i. S. v. Art. 5 Abs. 1 S.1 lit. a) EMRK angesehen werden (Rn. 96).
c) Es deutet sich damit an, dass die EMRK die kriminalrechtlichen Sanktionen auf mit Strafe bedrohter Handlungen in ein binäres Schema einteilt. Sieht man von der auf die Untersuchungshaft zielenden Variante des Art. 5 Abs. 1 S. 1 c) EMRK ab, eröffnet sich einzig folgendes Spektrum: Soweit nicht eine psychische Erkrankung Grund der Tat und der Freiheitsentziehung ist, ist allein eine auf einem Schuldspruch beruhende Verurteilung zur Legitimation einer Freiheitsentziehung konventionskonform. Daraus folgt dann zwar noch nicht die strikte Alternative: Strafe gegen schuldhafte handelnde Delinquenten, Maßregeln gegen schuldunfähige Täter.[13] Wohl aber führt die im Kriterium des Schuldspruchs enthaltene Verschränkung von materiellrechtlicher Gewährleistung und strafprozessualem Kautel dazu, dass die durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 lit. a) EMRK einzig legitimierte Freiheitsentzug sich nach Voraussetzung und Verfahren sehr stark einer Strafe annähert. Daher stand auch eine Verletzung von Art. 7 Abs. 1 EMRK im Raume, mit der sich der Gerichtshof folgerichtig als zweites befasste.
Nach Art. 7 Abs. 1 EMRK darf niemand wegen einer Handlung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem Recht nicht strafbar war. Ob eine in einem Mitgliedsland verhängte Sanktion eine Strafe darstellt, bestimmt der EGMR dabei "autonomous" (Rn. 120): Zu diesen Kriterien zählt nur sekundär, wie das nationale Recht die Sanktion bezeichnet. Primär ist hingegen, ob sie wegen einer schuldhaften Tat angeordnet wurde. Ferner ist Art und Zweck der Maßnahme ebenso von Belang wie die Schwere der Sanktion und die Eigenart des Verfahrens, in dem sie angeordnet wird. Mit Ausnahme des an ersten Stelle genannten Kriteriums sprechen nun alle übrigen nach Ansicht des Gerichtshofs dafür, in der Sicherungsverwahrung eine Strafe zu sehen:
Zwar bezeichnet das deutsche Strafrecht die Sicherungsverwahrung in § 61 Nr. 3 StGB als präventive Maßregel
der Besserung und Sicherung (Rn. 125). Doch setzt sie in allen ihren Formen eine Verurteilung wegen einer schuldhaften Straftat voraus (Rn. 124), die zudem in einem Gerichtsverfahren ausgesprochen wird, das sich in nichts von einem Strafprozess unterscheidet (Rn. 131). Auch in der Art der Ausgestaltung dieser Maßregel sieht der EGMR kaum einen Unterschied zu der der Freiheitsstrafe (Rn. 127). Beide Sanktionen werden meist in denselben Anstalten vollstreckt und der Vollzugsalltag des Verwahrt gleicht nahezu dem des Sträflings. Wenngleich der EGMR zur Kenntnis nimmt, dass der Sicherungsverwahrung dem Zweck der Prävention künftiger Straftaten dienen soll (Rn. 125), sieht er darin keinen Wesensunterschied zur Freiheitsstrafe, die ebenfalls auch präventive Zwecke verfolgen darf und verfolgt (Rn. 130). Darüber hinaus konstatiert er zu Recht, dass sich der Vollzug der Sicherungsverwahrung nicht durch spezielle Resozialisierungsangebote gegenüber dem Strafvollzug auszeichnet und sich von ihm nach Ansicht des Gerichtshof folglich auch nicht durch eine besondere Präventionsorientierung abhebt (Rn. 129). Mangelt es an speziellen Behandlungsangeboten, stellt sich die Sicherungsverwahrung wegen ihrer Länge und der Unbestimmtheit ihrer Dauer als besonders belastend für die Verwahrten dar. In ihrer Schwere steht daher die Sicherungsverwahrung in nichts der Freiheitsstrafe nach. Der Gerichtshof kommt daher ganz richtig zu folgendem Schluss: "Therefore, the Court cannot but find that this measure appears to be among the most severe - if not the most severe - which may be imposed under the German Criminal Code." (Rn. 132).
Zusammengenommen stellt sich die Sicherungsverwahrung daher nach den Kriterien der Konvention als eine Strafe dar, für die das Rückwirkungsverbot von Art. 7 Abs. 1 EMRK gilt. Da die in § 67d Abs. 3 StGB bis 1998 vorgesehene Zehnjahresfrist nach Rechtskraft der Anordnung der Sicherungsverwahrung auch für Altfälle aufgehoben wurde, liegt darin eine rückwirkende Verschärfung einer Strafdrohung, die konventionswidrig ist (Rn. 135).
Das Urteil ist nur zur Entfristung einer gemäß § 66 StGB angeordneten Sicherungsverwahrung ergangen. Seine Bedeutung reicht aber weit darüber hinaus: Mittlerweile folgert der BGH aus dieser Entscheidung auch, dass die Vorschriften zur nachträglichen Sicherungsverwahrung nicht rückwirkend auf Altfälle angewandt werden dürfen.[14] Darüber hinaus ist es überwiegende Auffassung im Schrifttum, dass auch die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung auf Neufälle nicht von Art. 5 Abs. 1 S.1 lit. a) EMRK gedeckt ist, weil sie gerade nicht - wie gefordert - mit einer Schuldfeststellung verbunden ist.[15] Ferner wird bezweifelt, ob dasselbe Verdikt nicht auch die vorbehaltene Sicherungsverwahrung trifft.[16] Angesichts dessen erscheint der rechtspolitische Vorschlag als wenig aussichtsreich, es im Wesentlichen bei dem bisherigen System zu belassen, aber einen getrennten Vollzug der Sicherungsverwahrung unter besonders günstigen Haftbedingungen und mit speziellen Behandlungsangeboten vorzusehen.[17] Indem der EGMR die Sicherungsverwahrung auch in ihrer klassischen Gestalt (§ 66 StGB) als Strafe eingestuft hat, reicht es aber auch nicht aus, deren Anwendungsbereich auf Gewalttaten zu beschränken und die vorbehaltene Sicherungsverwahrung zulasten der nachträglichen Sicherungsverwahrung auszubauen.[18] Vielmehr muss dieses Rechtsinstitut nun überdies all den anderen Vorgaben genügen, welche die Konvention für eine Strafe aufstellt: Im Raume steht, inwiefern in der unbefristeten Sicherungsverwahrung nicht eine erniedrigende oder unmenschliche Strafe zu sehen ist (1.). Darüber hinaus fällt jetzt ins Auge, dass ihr Ausmaß nun gesetzlich bestimmt sein muss (2.). Schließlich legt es die Rechtsprechung des BVerfG zur Überlänge einer Maßregelvollstreckung nahe, die erkennenden Gerichte dazu zu verpflichten, Sicherungsverwahrung zeitlich bestimmt zu verhängen (3.).
Nach Art. 3 EMRK darf niemand unmenschlicher oder erniedrigender Strafe unterworfen werden.[19] Die Mitgliedsstaaten des Europarates haben dementsprechend am 26. 11. 1987 ein Europäisches Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe geschlossen (BGBl. 1989 II, S. 946). Gemäß Art. 1 dieses Übereinkommens ist ein Komitee gebildet worden, dem es obliegt, u. a. durch Besuche von Haftanstalten in den Mitgliedsstaaten zu prüfen, ob die Garantien von Art. 3 EMRK gewährleistet sind. Das Komitee firmiert unter dem englischen Kürzel
CPT. Es hat im Jahre 2005 auch eine JVA besucht, in der Sicherungsverwahrte untergebracht sind. Es stellte fest, dass trotz eines allgemein bestehenden Behandlungskonzeptes die Kontakte der Vollzugsbediensteten zu den Verwahrten minimal ausfielen.[20] Die meisten von diesen seien "vollkommen demotiviert" gewesen und hätten ihre Zeit träge verbracht.[21] Ausdrücklich stellt der Bericht dabei einen Zusammenhang her zur unbegrenzten Dauer der Sicherungsverwahrung.[22] Angesichts dessen empfiehlt das CPT, "mit hoher Dringlichkeit" eine humanen und kohärenten Behandlungsstrategie umzusetzen, und stellt dabei zudem fest: "Dies muss in einem kohärenten Rahmen stattfinden, der Fortschritte in Richtung Entlassung ermöglicht, wobei die Entlassung eine realistische Möglichkeit sein sollte."[23] Der Nachdruck, mit dem das CPT diese Empfehlung ausspricht, lässt kaum einen anderen Schluss zu, als dass es in diesem Vollzug der Sicherungsverwahrung ohne die genannten Verbesserungen einen Verstoß gegen Art. 3 EMK sieht. Das korrespondiert mit der Feststellung des EGMR, wonach eine lebenslange Freiheitsstrafe nur dann nicht zu Art. 3 EMRK im Widerspruch steht, wenn das nationale Recht de jure und de facto eine bedingte Entlassung vorsieht.[24]
Für die Frage der Bestimmtheit der Rechtsfolge ist meines Erachtens der Konnex, den der Bericht zur völligen Offenheit des Endes der Sicherungsverwahrung herstellt, von besonderer Bedeutung. Damit ist nämlich auch die in Art. 7 Abs. 1 EMRK enthaltene Garantie berührt. Diese umfasst nicht nur ein Rückwirkungsverbot, sondern auch das Gebot gesetzlicher Umschreibung der Strafe als Rechtsfolge.[25] Freilich hat der EGMR den Umfang dieser Gewährleistung bisher nicht näher konkretisiert. Er hat sich jedoch mit der Frage der gesetzlichen Bestimmtheit der Androhung einer lebenslangen Freiheitsstrafe befasst.[26] Hier besteht eine Nähe zur unbestimmten Dauer der Sicherungsverwahrung. Denn anders als bei einem auf zeitige Freiheitsstrafe lautenden Rechtsfolgenausspruch setzt die Verurteilung zu lebenslanger Haft den Zeitpunkt von deren Ende nicht selbst fest, sondern bestimmt ihn durch ein außer ihr selbst liegendes Ereignis (den Tod des Verurteilten). Die lebenslange Freiheitsstrafe ist daher als eine Sanktion von "relativ unbestimmter Dauer" im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz als problematisch angesehen worden.[27] Gleichwohl hat der Gerichtshof die gesetzliche Androhung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nicht als konventionswidrig angesehen, soweit die nötigen Regelungen zur bedingten Entlassung präzise gefasst und voraussehbar sind.[28] Die hier zu besprechende Entscheidung sieht aber gerade in der unbestimmten Dauer der Sicherungsverwahrung eine erhebliche Erschwerung der Resozialisierung (Rn. 129). Es bleibt daher abzuwarten, ob der Gerichtshof das innere Verwiesensein der Einhaltung des Verbots unmenschlicher oder erniedrigender Strafe auf die zeitliche Bestimmtheit ihrer Vollstreckung in einer zukünftigen Entscheidung für den Menschenrechtsschutz fruchtbar macht.
Zieht man das Grundgesetz heran, präzisiert sich dagegen die Rechtslage schon jetzt. Es lässt sich hier nämlich plausibel machen, dass ohne eine Bemessung der Dauer der Unterbringung eine Maßregel ihren Zweck, die Resozialisierung des Täters, nicht erreichen kann. Ich möchte diese These in drei Schritten untermauern. Zunächst will ich auf die Schwierigkeiten hinweisen, die eine JVA bzw. eine Strafvollstreckungskammer bekommt, wenn sie das Resozialisierungsziel innerhalb eines zeitlich unbestimmt angeordneten Freiheitsentzuges erreichen sollen[a)]. Sodann möchte ich versuchen, den Lösungsansatz fruchtbar zu machen, den das Bundesverfassungsgericht zu der parallelen Problematik der lebenslangen Freiheitsstrafe entwickelt hat[b)]. Schließlich will ich anhand der Rspr. zur Unverhältnismäßigkeit überlanger Unterbringung Kriterien entwickeln, mit denen schon bei Anordnung der Maßregel deren Vollstreckungsdauer näher bestimmt werden kann[c)].
a) Genauso wie im Maßregelvollzug ist der Entlassungszeitpunkt bei der lebenslangen Haft im Unterschied zur zeitigen Freiheitsstrafen nicht bestimmbar. Für einen auf Wiedereingliederung verpflichteten Strafvollzugs ist dies ebenso misslich wie für die Gefangenen selbst. § 15 Abs. 3 und 4 StVollzG[29] macht Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung von bestimmten, durch den Entlassungstag festgelegten Fristen abhängig. Gleiches gilt nach Nr. 4 Abs. 2 a) der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zu § 13 StVollzG[30] für die Gewährung von Hafturlaub
aus dem geschlossenen Vollzug. Dies wirkt sich auch auf die Bewilligung anderer Lockerungen (Ausführung, Ausgang) aus, die häufig gerade auch angeordnet werden, um zu erproben, ob der Gefangene in die Urlaubsregelung übernommen werden kann.[31] Ist nun der Entlassungstermin nicht bestimmbar, so können die Zeiträume, in denen diese auf Wiedereingliederung zielenden Maßnahmen in Betracht kommen, ebenfalls nicht hinreichend genau festgelegt werden.[32] Folglich lassen sich auch Behandlungsangebote nur unzureichend planen, mit denen dem Gefangenen geholfen werden kann, sich für die Gewährung von Lockerungen zu qualifizieren. Die Gefahr liegt nahe, dass der Anspruch des StVollzG, auch den Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe am Vollzugsziel auszurichten, bloß auf dem Papier steht.
Aus diesem Grund hatte es sich schon vor der Entscheidung des BVerfGE 86, 288 in den meisten Bundesländern eingebürgert, dass alle Instanzen, die am Aussetzungsverfahren beteiligt waren, schon vorher mehr oder weniger informell zueinander Kontakt aufnahmen, um die Einschätzungen hinsichtlich des möglichen Entlassungszeitpunktes auszutauschen. Dies geschah bei lebenslangen Freiheitsstrafen frühestens (in Hamburg) nach 9 Jahren und spätestens (in Thüringen) nach 13 1/4 Jahren Verbüßungszeit. Art und Weise, ferner Dichte und Verlässlichkeit der im Rahmen dieser Kontaktaufnahmen abgegebenen Stellungnahmen gestalteten sich sehr unterschiedlich. Die Transparenz dieser Abstimmungen war für den Gefangenen kaum gewährleistet. Direkt beteiligt war er daran jedenfalls selten. Sowohl dieser informelle "Planungsverbund" als auch das Aussetzungsverfahren litten aber an einem Grundmangel: Die Vollstreckungsgerichte sahen sich nicht in der Lage, sich auf einen bestimmten Entlassungstermin festzulegen.
Soweit ersichtlich, gaben die Vollstreckungsgerichte allenfalls in dem nicht tragenden Teil der Gründe ihrer ablehnenden Beschlüsse (bzw. schon früher) zu erkennen, wie lange die besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung noch gebiete. Wenn dies geschah, so wurden derartigen Stellungnahmen häufig Formulierungen vorangestellt, die eine Bindung des Spruchkörpers oder einen entsprechenden Vertrauenstatbestand ausschließen sollten. Zu den gebräuchlichen Vorbehaltsklauseln gehörten Sätze wie etwa: "Die Kammer in der derzeitigen Besetzung nach heutigem Erkenntnisstand ..."[33]. Selbst nach Ablauf der in § 57a StGB vorgesehenen Mindestverbüßungszeit war so keine Gewissheit über das voraussichtliche Vollstreckungsende zu gewinnen.
Auch bei gutem Willen auf allen Seiten war es so nicht ausgeschlossen, dass die Vollzugsbehörden von unzutreffenden Vorstellungen über den Entlassungszeitpunkt ausgingen: Entweder begannen sie zu früh damit, auf Lockerungen und Entlassung vorzubereiten, und mussten dann aufgrund einer anders lautenden Entscheidung oder Stellungnahme des Vollstreckungsgerichtes ihre Vollzugsplanung zulasten des Gefangenen revidieren; oder aber sie leiteten diese Maßnahmen zu spät ein mit dem Resultat, dass dem Gefangenen zu wenig Möglichkeiten geboten wurden, seine persönlichen Verhältnisse so zu bessern, dass er Aussicht auf eine günstige Sozialprognose hatte. Beide Male wurden aber Chancen des Gefangenen vereitelt, seine Freiheit wiederzuerlangen.
b) Hierdurch sieht nun das BVerfG Art. 2 Abs. 2 GG nicht genügend beachtet. Dieses Grundrecht verlangt, dass der Betroffene über das Ausmaß des Freiheitsentzuges nicht im Ungewissen gelassen werden darf. Anknüpfend an seine Konkretisierung der Schuldschwereklausel fordert das BVerfG dabei, dass der Gesetzgeber materielle Maßstäbe für die Art und Dauer der Strafvollstreckung festzulegen hat.[34]. Indem das BVerfG in seiner Entscheidungen zuvor den § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB wie einen Strafschärfungsgrund interpretiert hat, hat es diese vom Gesetzgeber bisher unterlassene Konturierung in verfassungskonformer Auslegung gleichsam nachgeholt. Abschließend zieht es nun Folgerungen für die Verfahrensweise der Vollstreckungsgerichte: Spätestens zwei Jahre vor Ablauf der Mindestverbüßungsdauer ist das Aussetzungsverfahren einzuleiten. Schon jetzt muss das Gericht im Falle der Ablehnung der bedingten Entlassung festlegen, welche zusätzliche Vollstreckungszeit durch die Schwere der Schuld geboten wird. Nur mit dieser Gewissheit über den Entlassungstag kann nämlich das Vollzugs-ende und die ihm vorausgehenden und an ihm orientierten Lockerungen sinnvoll vorbereitet werden. Nur so kann also dem Resozialisierungsanspruch[35] des Gefangenen genügt werden. Mittlerweile orientieren sich die Gerichte bei der Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafen überwiegend an der in § 454 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) StPO niedergelegten Verbüßungszeit von 13 Jahren.[36]
Diese Grundsätze lassen sich meine Ertrachtens auf den Maßregelvollzug übertragen. Zunächst einmal stellen sich die Probleme hier wie dort ähnlich.[37] Jedenfalls gilt dies für die Maßregel nach § 66 StGB. Die Dauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist seit 1998 - jedenfalls bei Gewalttätern - gesetzlich nicht befristet. Demnach hängt die Vollzugsplanung genauso in der Luft wie (bisher) bei der Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die Unbestimmtheit des Vollzugsendes steht hier wie dort einer langfristig betriebenen Entlassungsvorbereitung entgegen. Hier wie dort konterkariert es diese Unbestimmtheit daher, das Vollzugsziel zu erreichen. Dies alles spricht dafür, die vom BVerfG zur
Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe entwickelten Grundsätze auch auf den Maßregelvollzug zu anzuwenden.[38]
Gegen diese Übertragbarkeit könnte freilich sprechen, dass Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Entscheidung nur der Teil der lebenslangen Freiheitsstrafe war, der zum Ausgleich der besonderen Schwere der Schuld geboten war. Wären die Ausführungen des BVerfG nur als Aussagen über die Unzulässigkeit zeitlich nicht begrenzter Tatvergeltung zu verstehen, dann würde sich daraus kein Argument für die Maßregelbemessung herleiten lassen. Dem ist aber nicht so. Tragende Überlegung ist, "... daß der Gesetzgeber in Ausfüllung des Gesetzesvorbehalts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG die materiellen Maßstäbe für die Art und Dauer der Vollstreckung festzulegen hat ..."[39] Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ist nicht beschränkt auf die Vollstreckung von Freiheitsstrafen. Dieses Grundrecht regelt jede Form von Freiheitsentzug. Folglich gelten die Aussagen des BVerfG zum Freiheitsentzug kraft Strafe ebenso auf für den Freiheitsentzug durch Maßregel. Ist dem so, dann dürfen die Strafvollstreckungskammern bei einer Ablehnung der Maßregelaussetzung den voraussehbaren Entlassungszeitpunkt ebenfalls nicht offen lassen. Vielmehr zwingt die hohe Bedeutung des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG nebst dem aus dem Sozialstaatsgebot folgenden Resozialisierungsanspruch sie dazu, das voraussichtliche Ende der Maßregel zum frühest möglichen Zeitpunkt festzulegen.
c) Fordert das Freiheitsgrundrecht nicht nur für die Freiheitsstrafe, sondern auch für Maßregel die Bestimmbarkeit des Entlassungszeitpunktes, stellt sich abschließend die Frage, nach welchen Kriterien die Dauer der Maßregel bemessen werden soll.
Zur Beantwortung dieser Frage kann eine nähere Analyse der Rspr. zu der übermäßigen Dauer einer Maßregelvollstreckung dienen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt entgegen dem Wortlaut von § 62 StGB nicht nur für die Anordnung einer Maßregel, sondern auch für die nach § 67e StGB erforderlichen Entscheidungen über die Fortdauer der Unterbringung in einer Maßregel.[40] § 67e StGB ist im Lichte von Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG zu würdigen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die vom Verurteilten ausgehende Gefahr zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs in das Verhältnis zu setzen.[41] Die Beurteilung hat sich dabei nicht nur darauf zu erstrecken, welche Art von rechtswidriger Tat zu erwarten ist, welches Gewicht den durch sie bedrohten Rechtsgütern zukommt, und wie häufig und in welcher Frequenz der Verurteilte bisher rückfällig geworden ist. Vielmehr ist auch und gerade in Rechnung zur stellen, dass dem Freiheitsgrundrecht umso größere Bedeutung zukommt, je länger die Unterbringung dauert. Ist eine Unterbringung lang andauernd, dann kehrt sich - so lässt sich das BVerfG methodisch verstehen - der in § 62 StGB niedergelegte Maßstab um: Nach dieser Vorschrift soll die Anordnung nur dann nicht unterbleiben, wenn sie außer Verhältnis zu dem Gewicht der begangenen und der drohenden Taten steht. Diese Richtschnur gleicht der Gewichtung der Rechtsgüter des Störers im Defensivnotstand (vgl. § 228 BGB). Der Störer muss die zur Gefahrenabwehr notwendigen Eingriffe stets dulden, es sei denn seine Interessen überwiegen die durch die Notstandshandlung geschützten Interessen wesentlich.[42] Hieraus folgt jedenfalls, dass Eingriffe in die Fortbewegungsfreiheit des Störers stets verhältnismäßig sind, wenn sie zur Abwehr von Gefahren Leben, Leib oder die Fortbewegungsfreiheit eines anderen dienen.
Gewinnt nun das Freiheitsgrundrecht des Verurteilten bei einer lang andauernden Unterbringung derart an Gewicht, dass es sogar die Beendigung der Maßregel trotz fortbestehender Gefahr erheblich rechtwidriger Taten herbeizwingen kann[43], dann gilt der in § 62 StGB statuierte Vorrang der Schutzes der Allgemeinheit nicht mehr. Vielmehr müssen die Interessen des Untergebrachten und die der Allgemeinheit in anderer Weise zueinander in das Verhältnis gesetzt werden. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass das BVerfG als Anhaltspunkt für die Überlänge einer Unterbringung namentlich auf die Strafrahmen abhebt, die auf die Taten gesetzt sind, die der Verurteilte begangen hat bzw. die von ihm drohen.[44] In seiner dem hier zu besprechenden Urteil des EGMR vorangegangenen Entscheidung hat das BVerfG die Umkehr dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses an der Negativ-Formulierung in § 67d Abs. 3 StGB festgemacht, nach der im Unterschied zu dem bei Strafende anzuwendenden § 67d Abs. 2 StGB nach 10 Jahren die Entlassung i. d. R. anzuordnen ist, es sei denn es besteht die Gefahr einer Gewalttat.[45] Ohne Not hat es jedoch den Bezug zu den Strafrahmen der Anlasstaten und deren konkrete Gewichtung unterschlagen.
Aus den in BVerfGE 70, 297 entwickelten Grundsätzen folgt jedoch: Sind die herausgehobenen Indizien für die Überlänge einer Unterbringung die Strafrahmen der begangenen bzw. der drohenden Taten, dann lässt sich an Hand dessen schon im Zeitpunkt der Anordnung einer Maßregel ermessen, welcher Vollstreckungszeitraum noch verhältnismäßig ist. Ist dem so, hat schon das erkennende Gericht einen Ansatzpunkt, um die (Höchst-) Dauer einer Maßregel zu bemessen. So besteht dann schließlich die Möglichkeit, der Vollzugsplanung gewisse Zeitvorgaben zu machen mit der Folge, dass die Behandlung im Vollzug, die Vollzugslockerungen und die Entlassungsvorbereitung zugunsten der Resozialisierung des Verurteilten in einen sinnvolle Abfolge gebracht werden können. Gegen diese Übertragung auf die Sicherungsverwahrung spricht auch nicht die Gefahr einer Verdoppelung der Höchstdauer der Freiheitsstrafe auf einen Freiheitsentzug
auf 30 Jahre.[46] Das übersieht, dass das Ausmaß zu befürchtender künftiger Straftaten sich ableitet aus Art und Ausmaß der Anlasstaten. So wie diese einer Bemessung zugänglich sind, so auch jene.
Diese Möglichkeit stellt das BVerfG auch in seiner jüngsten Entscheidung nicht in Abrede. Es sieht lediglich keine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG darin, falls der Gesetzgeber es unterlässt, den Gerichten aufzugeben, bereits bei Anordnung eine Höchstfrist festzusetzen.[47] Es sieht darüber hinaus den Resozialisierungsanspruch des Verwahrten durch die jeweils in Abstand von zwei Jahren vorzunehmende richterliche Überprüfung der Fortdauer der Vollstreckung gemäß § 67d Abs. 2 StGB als gewährleistet an.[48] Dies greift meines Erachtens zu kurz. Dass die Strafvollstreckungskammern die Frage der Fortdauer des Vollzuges alle zwei Jahre prüfen, ändert nichts daran, dass es an festen Maßstäben fehlt, aus denen man Zeitvorgaben ableiten und daran die Vollzugsplanung ausrichten kann. Anders lässt sich auch kaum die deprimierende Vollzugswirklichkeit erklären, von der das CPT berichtet. Das hier zu besprechende Urteil des EGMR bietet Anlass, diese These des BVerfG im Lichte der EMRK zu überdenken.
Überblickt man die geschilderten normativen Mechanismen, ist es meines Erachtens nur noch ein kleiner Schritt zu der Erkenntnis, die Sicherungsverwahrung nicht mehr als Maßregel der Strafe entgegenzusetzen, sondern sie stattdessen als eine Modifikation der Strafe zu begreifen.
Die Maßregeltheorie befindet sich trotz der weitgreifenden Habilitationsschrift Desseckers[49] noch nicht auf dem gleichen Niveau wie die Straftheorie.[50] Diese Anmerkung ist auch nicht der Platz, diese Lücke zu füllen. So sei es mir gestattet, auf anderweitig Entwickeltes[51] Bezug zu nehmen, um sodann Köhlers Ansatz vorzustellen.
Recht lässt sich im Anschluss an das Menschenbild des Grundgesetzes definieren als gemeinverträgliche Ordnung zwischenmenschlicher Freiheitsausübung.[52] Diese Ordnung wird elementar betroffen nicht durch jedwede Rechtsgutsverletzung, sondern erst durch einen Angriff auf fremde Rechtsfähigkeit.[53] Derartigen Rechtsbrüchen hat der Staat entsprechend seiner aus Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Schutzpflicht notfalls mit den Mitteln des Strafrechts zu begegnen.[54] Dies geschieht in erster Linie durch Strafe, die primär dem Schuldausgleich dient, diesen jedoch nicht als Selbstzweck verfolgen darf, sondern legitimerweise nur, soweit er auch zur Vorbeugung weiterer Taten erforderlich ist, um die Geltung des Rechts wiederherzustellen.[55] Demgegenüber sollen Maßregeln der sich in einer rechtswidrigen Tat manifestierenden Wiederholungsgefahr vorbeugen.[56]
Überwiegend sieht man ausgehend von F. v. Liszt[57] und C. Stooss[58] den Zweck der Maßregeln einheitlich in der Gefahrenabwehr und legitimiert sie mit dem Schutz des Gemeininteresses.[59] Richtig daran ist, dass es dem Staate obliegt, den Einzelnen vor schweren Gewalttaten zu bewahren. So wichtig auch der Schutz von Gewaltopfern ist, so folgt daraus allein keine einseitige Unterordnung der Rechte des Delinquenten.[60] Nicht zuletzt hat dies die oben referierte Rechtsprechung zur Unverhältnismäßigkeit überlangen Maßregelvollzugs gezeigt[s. o. II. 3. c)]. Zwar sieht BVerfGE 109, 133 bei einem "chronisch unverbesserlichen Hangtäter" notfalls auch einen mehrere Jahrzehnte währenden Vollzug nicht als verfassungswidrig an.[61] Bezeichnend ist aber, dass der 2. Senat hierbei nicht ohne eine Verantwortungszuschreibung auskommt: "Dass in diesem Falle das Resozialisierungsziel nicht mehr zum Tragen kommt, beruht … auf dem Verhalten des Betroffenen"[62], der jede Behandlung dauerhaft verweigert habe.
Dies bringt den Ansatz in die Nähe zur Theorie von der Freiheitsverwirkung.[63] Leitender Gedanke ist hier: "Alle äußere oder soziale Freiheit rechtfertigt sich letztlich aus dem Besitz der inneren oder sittlich gebundenen Freiheit. Wer dieser inneren, von sittlicher Selbstbestimmung gelenkten Freiheit überhaupt nicht fähig (wie Geisteskranke) oder infolge von schlechten Anlagen, Lastern und Gewohnheiten nicht mehr hinreichend mächtig ist, kann die volle soziale Freiheit nicht beanspruchen."[64]
Soweit es um die Legitimation von strafersetzenden Maßregeln gegen rückfallgefährdete Schuldunfähige geht, wird man dem im Kern zustimmen können.[65] Sofern dagegen die Rechtfertigung einer neben der Strafe angeordneten strafergänzenden Maßregeln gegen einen schuldhaft handelnden Täter im Raume steht, liegt hier ein unvermittelter Widerspruch vor: Man kann nicht einesteils einen Schuldvorwurf erheben und damit die Fähigkeit zu sittlicher Selbstbestimmung annehmen, und anderenteils den Täter aufgrund eines Mangels dieser Fähigkeit als gefährlich ansehen und eine zusätzliche Freiheitseinbuße verhängen.[66]
Der Hinweis auf schlechte Anlagen, Laster und Gewohnheiten birgt freilich eine Schuldüberlegung[67], an der die Deutung der Sicherungsverwahrung als Strafe ansetzt. Hellmuth Mayer versteht sie als Sicherungsstrafe. "Wer das Leben eines Gewohnheitsverbrechers geführt hat, der hat unbemessene Freiheitsstrafe verdient."[68] Doch folgt das eine nicht aus dem anderen. Mayer legt nämlich nicht - was von Grund auf problematisch wäre - eine diffuses Lebensführungsschuldkonzept zugrunde, sondern er knüpft an eine Lebensentscheidungsschuld[69] an, sich zu dauerhaft krimineller Betätigung entschlossen und diesen Willen in mehreren Delikten verwirklicht zu haben.[70] So wird zwar das Tatschuldprinzip im Ansatz gewahrt. Bezieht sich der Schuldspruch demnach auf bestimmte geschehene Taten, so sind diese aber immer auch zu bemessen und rechtfertigen daher keine unbefristete Strafe.[71]
Es zeigt sich damit eine erstaunliche Koinzidenz traditionell einander entgegen gesetzter Prinzipien: Sowohl der Zweck des Schuldausgleichs der Freiheitsstrafe als auch ihre Sicherungsaufgabe verlangen - recht verstanden - einen bestimmten Strafausspruch, um zu funktionieren. So wie die lebenslange Freiheitsstrafe dem Schuldprinzip widerspricht, wenn sie nicht mit der realen Chance verbunden ist, die Freiheit wieder zu erlangen[72], so fordert der verfassungsrechtliche Resozialisierungsgrundsatz eine "Neuorientierung der Sicherungsfunktion"[73], wodurch diese nicht (allein) auf den Schutz der Allgemeinheit durch Einsperrung bezogen wird, sondern gerade auf die Zeit nach der Entlassung, zu der der Verurteilte wieder fähig sein soll, in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (vgl. § 2 S. 1 StVollzG)[74]. Es gehört zu den Lebensleistungen Michael Köhlers, diesen Zusammenhang aufgedeckt und die Konsequenzen daraus systematisch entwickelt zu haben.[75]
Der angesprochene Zusammenhang besteht darin, Verbrechen und Strafe nach Freiheitsgesetzen zu bestimmen. Strafe setzt Schuld voraus. Sie ist freilich zureichend erst begriffen, wenn man sie als Verkehrung der eigenen Einsicht in das rechtlich Richtige, als Willensschuld versteht.[76] Sie setzt neben der Zurechnungsfähigkeit ein potenzielles Normwissen voraus, dessen Anwendung dem Täter erst in concreto spezifische Unrechteinsicht vermittelt.[77] Der Mensch muss dieses potenzielle Normwissen in lebensgeschichtlicher Praxis erwerben.[78] Habitualität ist also eine anthropologische Konstante, die zweite Natur des Menschen[79].
Wer in gelungenen sozialen Bezügen lebt, dem wird sein Normhabitus dabei helfen, auch schwierige Interessenkollisionen zu meistern. Selbst wenn er sich gegen andere vergeht, trägt dann sein bisheriger rechtschaffener Lebenswandel die Erwartung, er werde sich bereits die Verurteilung zur Warnung dienen lassen. Die einzelne Tat erscheint dann als Episode und von geringerem Gewicht.[80] Daraus bezieht z. B. das Institut der Strafaussetzung zur Bewährung seine Überzeugungskraft. Das geltende Recht (§ 56 StGB) verdeckt diesen Zusammenhang eher dadurch, dass es den Akt der Strafzumessung von der Entscheidung über die Aussetzung trennt.[81] Indem die Gerichte bei der Kriminalprognose vor allem tatschuldbezogene Umstände heranziehen[82], führen sie die künstlich aufgespaltenen Elemente der Straffestsetzung in diesen Fällen wieder zusammen.
Auf der anderen Seite wirkt eine zu wiederholter Kriminalität tendierende Normhaltung naturgemäß eher belastend für den Täter. Bisher pflegt man dies vornehmlich unter dem präventiven Aspekt der Wiederholungsgefahr zu thematisieren. Recht betrachtet drückt sich darin aber vorzugsweise eine durch die Habitualität gesteigerte Schuld aus, die es erlaubt, die dadurch ausgezeichnete Tat schärfer zu ahnden. Darin liegt keine (unzulässige) Strafe für noch zu begehende Delikte.[83] Vielmehr prägt sich hier nur besonders aus, was alle Straftaten wesentlich kennzeichnet: Jede schuldhafte Tat gründet in der Abkehr des Täters von dem von ihm ursprünglich anerkannten Recht zugunsten der ihn leitenden Unrechtsmaxime.[84] Seine Tat enthält damit eine Geltungsanmaßung, dass das mit ihr Angerichtete so sein soll[85], und weist damit über sich hinaus. Nur so lässt sich unter Wahrung des Schuldprinzips überhaupt begründen, dass Strafe trotz Schadensersatzes sein muss.[86] Handelt es sich bei der Tat nun um einen (erneuten) Rückfall, manifestiert sich in ihr, dass der Täter mit kontinuierlicher Grundsätzlichkeit die Rechte anderer in bestimmter Weise zu verletzen trachtet.[87] Darin liegt ein wesentlicher Straferhöhungsgrund[88], der sich je nach Schwere der Taten und der darin zum Vorschein kommenden Konstanz der Fehlhaltung bemessen lässt.[89]
Blickt man von hier aus auf die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB, dann kristallisiert sich heraus: Im materiellen Kriterium des Hanges findet sich dieser unrechts- und schulderhöhende Umstand wieder. Das zeigt sich besonders daran, dass Art und Ausmaß der wiederholten Kriminalität den wesentlichen Anhaltspunkt für die Feststellung eines Hanges bilden.[90] Zwar ist es ein Gemeinplatz, dass es nach der Konzeption des StGB auf die Entstehungsgründe des Hanges nicht ankommen soll.[91] Das schließt es aber (jedenfalls praeter legem) nicht aus, den Hang auch hier als schulderhöhendes Element anzusehen. Denn weil und soweit die Sicherungsverwahrung stets eine Verurteilung wegen einer schuldhaften Tat voraussetzt, lässt sich selbst für den (seltenen) Fall, dass den Täter für die Entstehung des Hanges überhaupt keine Schuld trifft, ein (erhöhter) Schuldvorwurf rechtfertigen: Wer als Schuldfähiger Einsicht in das Unrecht seiner Tat hat, der hat schon definitionsgemäß auch die Kraft und die Obliegenheit, den zur Tat drängenden Neigungen zu widerstehen, egal wie es zu deren Verfestigung gekommen ist.[92] Gibt er sich ihnen trotz Vorstrafen erneut hin, begründet dies seine (erhöhte) Schuld. Darüber hinaus zeigt sich, dass die qualifizierten Rückfallerfordernisse in § 66 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 StGB nicht bloß formal sind, sondern einen sachhaltigen Grund haben. Sie zeichnen typisierend den erneuten Rückfall als besonders gravierend aus, weil die Vortaten gewisse Schwere haben und weder eine strafprozessuale Aufarbeitung noch eine auf Resozialisierung ausgerichtete Behandlung im Vollzug den Täter davon abgehalten haben, erneut zu delinquieren. Darin drückt sich (wie auch der ganz ähnlich aufgebaute § 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB a. F. zeigte[93]) typischerweise ein schulderhöhendes Element aus.
Geht man die Dinge so an, kommt auch die soziale Mitverantwortung bei der Entstehung eines Hanges in den Blick.[94] Menschliches Handeln bezieht sich zumeist auf andere. Schlechte Angewohnheiten verfestigen sich daher immer auch deswegen, weil die anderen nicht oder nicht richtig reagiert haben. Selten beruht daher eine kriminelle Karriere auf einem einsam gefassten und dann stur verfolgten Beschluss. Häufig werden die Täter in sie durch ein ungünstiges soziales Milieu Schritt für Schritt verstrickt. Als gerecht empfundene Strafe mag hier vielen zur Warnung dienen und sie zur Umkehr bewegen. Oft verbindet sich aber mit der Strafe auch ein stigmatisierender Effekt, der dann einer Legalbewährung im Wege steht und unter Umständen beim Verurteilten sogar zur Verfestigung seines Kriminalität einkalkulierenden Selbstbildes führt. Speziell bei der besondere Schwierigkeiten bereitenden Gruppe der rückfälligen Sexualtäter gehen die schweren Persönlichkeitsstörungen, die bei ihnen zumeist zu konstatieren sind, auf eigene Gewalterfahrungen in der Familie und einen gravierenden Mangel an ursprünglicher Zuwendung zurück. Das Ausbleiben der Grunderfahrung einer auf Respekt und Fürsorge beruhenden Nahbeziehung befördert bei ihnen dann die Einwurzelung einer andere objektivierenden, selbstbezüglich narzisstischen Lebenseinstellung.[95] Die je eigene Art des sozialen Bedingtseins habitueller Kriminalität gibt dann auch der einzelnen Tat ihren besonderen Charakter und macht nun einsichtig, warum diese Tätergruppe einen Anspruch auf besonders qualitätsvolle Resozialisierungsleistungen hat.
Auf dieser Grundlage lässt sich die Sicherungsverwahrung gänzlich in eine modifizierte Strafe transformieren.[96] Ohne Reform des geltenden Rechts ist dieses Ziel freilich nicht zu erreichen: Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist wegen ihres Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 S. 1 lit a) EMRK abzuschaffen. Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung lässt sich nur halten, wenn sie strikt angelehnt an das Probationsmodell von § 27 JGG konstruiert bleibt. Darüber hinaus bedarf der in den §§ 66-66b StGB zugrunde gelegte Begriff des Hanges erstens näherer gesetzlicher Bestimmung durch typologische Unterscheidung verschiedener Weisen habitueller Delinquenz[97]; zweitens ist durchgehend zum qualifizierten Rückfallerfordernis des § 66 Abs. 1 StGB zurückzukehren[98]; zum Dritten sind Modifikationen der Strafrahmen vorzusehen, welche die habituelle Schuld je nach Hangtypologie abstrakt-allgemein bemessen und insbesondere
die Reaktion darauf durch eine Höchstgrenze limitieren.[99] Zum Vierten definiert sich die Länge des im Einzelfall zu bemessenden Freiheitsentzuges nun maßgeblich durch die Zeit, welche die Resozialisierung des Täters voraussichtlich in Anspruch nimmt.
Ausgehend von diesen Vorgaben könnten dann die erkennenden Gerichte - nach einem dann notwendigen Schuldinterlokut[100] - angelehnt an der Rechtsprechung zur Überlänge der Maßregelvollstreckung den Zeitraum bestimmen, ab dem eine Strafe unverhältnismäßig, weil nicht mehr schuldangemessen, ist. Anderenteils könnten sie - unter sachverständiger Beratung von Vollzugspraktikern gemäß §§ 80a, 246a StPO - die Höhe der nun als Strafe ausgestalteten Sicherungsverwahrung danach präzisieren, welche Stufungen des Vollzuges (Therapie im geschlossenen Vollzug, Lockerungen zur Erprobung, Übernahme in die Urlaubsregelung, Entlassungsvorbereitung) der Verurteilte in welchen Zeiträumen voraussichtlich zu durchlaufen hat, um das Resozialisierungsziel zu erreichen.
Auf das Ganze gesehen, so scheint mir, käme man mit einer solchen Reform dem Spruch des EGMR am nächsten.
* Prof. Dr. Michael Köhler zur Emeritierung in tiefer Verbundenheit gewidmet.
[1] Der EGMR hat den Antrag der Bundesregierung auf Verweisung an die Große Kammer abgelehnt, s. die Pressemitteilung: http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/view.asp?action=html&documentId=867589&portal=hbkm&source=externalbydocnumber&table=F69A27FD8FB86142BF01C1166DEA398649
[2] Randnummern (Rn.) in Klammern verweisen im Folgenden auf die entsprechenden Absätze des zu besprechenden Urteils. Die Entscheidung ist besprochen von: A. Boetticher jurisPR-StrafR 4/2010 Anm. 2; U. Eisenberg NJW 2010, 1507; J. Kinzig NStZ 2010, 233; Ch. Laue JR 2010, 198; J. Peglau jurisPR-StrafR 1/2010 Anm. 2
[3] Die Diskussion ist in der Süddeutschen Zeitung repräsentativ nachgezeichnet: Die einzelnen Artikel und Kommentare können über das Stichwort "Sicherungsverwahrung" auf www.sueddeutsche.de abgerufen werden.
[4] Zu den Reformvorschlägen s. u. II. der Anmerkung.
[5] Hellm. Mayer, Strafrecht, Allgemeiner Teil (1953), S. 40, 379 ff.; vgl. a. ders., Strafrecht, Allgemeiner Teil, Studienbuch (1967), S. 184 f.
[6] M. Köhler , Der Begriff der Strafe (1986), S. 80-82; ders. Festschrift für Karl Lackner, hrsg. v. W. Küper u. a., (1987), S. 11, 36 f. u. ö.; ders. Strafrecht, Allgemeiner Teil (1997), S. 55 ff., 642 f.; ders.; in: Festschrift für Günther Jakobs, hrsg. v. M. Pawlik u. a. (2007), S. 273, 285; ebenfalls für die Umwandlung bzw. (Um-) Deutung der Sicherungsverwahrung in eine Strafe: M. Kahlo, Die Handlungsform der Unterlassung als Kriminaldelikt (2001), S. 80 f. Fn. 303; J. Kinzig, Die Sicherungsverwahrung auf dem Prüfstand (1996), S. 599; M. Walter, in: Festgabe für Karl Peter Rotthaus hrsg. v. H. Müller-Dietz (1995), S. 191, 196.
[7] So aber Th. Würtenberger/G. Sydow NVwZ 2001, 1201 1204; vgl. w. J. Peglau NJW 2001, 2436, 2438.
[8] EKMR, Entscheidung v. 7. 7. 1992, Az.: 19969/92, Dax v. Deutschland, m. w. N.
[9] Vgl. L. Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 53. Aufl. (2010), Art. 5 MRK Rn. 2.
[10] Grundlegend: EGMR; Urt. v. 24. 6. 1982, Az.: 7906/77, van Droogenbroeck vs. Belgien, Series A Band 50, Rn. 35 (= EuGRZ 1984, 6).
[11] J. Kinzig NStZ 2010, 233, 235.
[12] Grundlegend: EGMR, Urt. v. 2. 3. 1987, Az.: 9787/82, Weeks vs. Vereinigtes Königreich, Series A Band 114, Rn. 42.
[13] Der EGMR schließt ausdrücklich nicht aus (Rn. 103), dass jemand sowohl wegen einer psychischen Erkrankung als auch aufgrund eines Schuldspruches der Freiheit beraubt werden dürfte (Die Rspr. hierzu ist bisher nicht einheitlich, vgl. den Überblick bei H.-U. Paeffgen, in: Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung, hrsg. v. H.-J. Rudolphi u. a., 64. Lieferung,[Stand Okt. 2009], Art. 5 Rn. 17.). Freilich würde dies nichts daran ändern, dass dann die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 S.1 lit. a) ebenfalls vorliegen müssten.
[14] BGH HRRS 2010 Nr. 648, Rn. 12; m. Anm. J. Peglau jurisPR-StrafR 13/2010 Anm. 3; u. Anm. K. Gaede HRRS 2010, 329, der die methodische Problematik deutlich herausarbeitet und sehr überzeugend zugunsten einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung für das Rückwirkungsverbot löst. -Anders der 1. Strafsenat des BGH bezüglich der nachträglichen Sichwerungsverwahrung gegen einen nach Jugendstrafrecht Verurteilten, NStZ 2010, 381 (383 f.) (= HRRS 2010 Nr. 454) m. abl. Anm. J. Renzikowski NStZ 2010, 506.
[15] C. Finger, Vorbehaltene und Nachträgliche Sicherungsverwahrung (2008), S. 216 f.; A. Flaig, Die nachträgliche Sicherungsverwahrung (2009), S. 97; J. Kinzig NJW 2001, 1455, 1458; ders. NStZ 2004, 655, 660; ders. NStZ 2010, 233, 239; H. E. Müller StV 2010, 207, 211 f.; T. Mushoff, Strafe - Maßregel - Sicherungsverwahrung (2008), S. 456; J. Renzikowski NStZ 2010, 506, 507; D. Rzepka R&P 2003, 191, 208; kriminologisch fundierte Kritik bei Hen. Schneider StV 2006, 99, 103 a. A. R. Rissing-van Saan /J. Peglau, in: Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 12. Aufl., hrsg. v. H. W. Laufhütte u. a., Band 3 (2008), § 66b Rn. 61.
[16] Kinzig NStZ 2010, 233, 239; Rzepka R&P 2003, 191, 208.
[17] So der Vorschlag der Hamburger CDU-Justizexpertin V. Spethmann, vgl. Ph. Volkmann-Schluck, Die Hamburger CDU fordert ein Spezialgefängnis, auf: www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article1586013/Die-Hamburger-CDU-fordert-ein-Spezialgefaengnis.html
[18] So die Eckpunkte des Bundesjustizministeriums, abrufbar unter dem Stichwort Sicherungsverwahrung auf: www.bmj.bund.de ; zu den "Gemeinsamen Eckpunkten" von Innen- und Justizministerium s. u. bei Fn. 66.
[19] Überblick bei: Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl. (2009), § 20 Rn. 23-25; SK-StPO/Paeffgen (Fn. 13), Art. 3 Rn. 13 ff.
[20] Bericht an die deutsche Regierung über den Besuch des Europäischen Ausschusses zur Verhütung der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe in Deutschland (CPT) vom 20. November bis 2. Dezember 2005, www.cpt.coe.int/documents/deu/2007-18-inf-deu.pdf ,, S. 43. Der Bericht wird auch in dem zu besprechenden Urteil mehrfach zu Entscheidungsfindung herangezogen (Rn. 77, 129).
[21] CPT, aaO. (Fn. 20), S. 42. Andere Untersuchungen ergaben Ähnliches: vgl. die konzise Sekundäranalyse bei T. Mushoff, aaO. (Fn. 15), S. 366 ff. m. w. N.
[22] CPT, aaO. (Fn. 20), S. 42.
[23] CPT, aaO. (Fn. 20), S. 43.
[24] EGMR (GK); Urt. v. 12. 2. 2008, Az. 21906/04, Kafkaris vs. Zypern ; Rn. 96.
[25] EGMR, Urt. v. 25. 5. 1993; Kokkinakis vs. Griechenland, Serie A 260 A Rn. 52 (= ÖJZ 1994, 59); EGMR (GK); Urt. v. 12. 2. 2008, Az. 21906/04; Kafkaris vs. Zypern ; Rn. 138; vgl. w. Ch. Grabenwarter, EMRK (Fn. 19), § 24 Rn. 127.
[26] EGMR (GK); Urt. v. 12. 2. 2008, Az. 21906/04; Kafkaris vs. Zypern, Rn. 143-152.
[27] G. Kaiser, Kriminologie, 3. Aufl. (1996), S. 994; zust. F. Dünkel, in: Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch hrsg. v. U. Kindhäuser u. a., 3. Aufl. (2010), § 38 Rn. 30.
[28] EGMR (GK); Urt. v. 12. 2. 2008, Az. 21906/04; Kafkaris vs. Zypern, Rn. 152.
[29] Zu den nahezu gleich lautenden Regelungen in Bayern, Hamburg und Niedersachsen: Th. Ullenbruch, in: Strafvollzugsgesetz - Bund und Länder, 5. Aufl., hrsg. v. H.-D. Schwind, A. Böhm u. a., 2009, § 15 Rn. 12-15.
[30] Zu den Regelungen in Bayern, Hamburg und Niedersachsen: Schwind/Böhm/Ullenbruch (Fn. 29), § 13 Rn.48-50. Bei lebenslanger Freiheitsstrafe ist zudem die Mindestverbüßungsfrist von 10 Jahren zu beachten, § 13 Abs. 3 StVollzG. In Bayern gilt hier eine 12 Jahresfrist, Art. 14 Abs. 3 BayStVollzG.
[31] Darin besteht ihr faktisch wichtigste Bedeutung: Schwind/Böhm/Ullenbruch, (Fn. 29), § 11 Rn. 1; zum Maßregelvollzug ähnlich: H. Pollähne, Lockerungen im Maßregelvollzug, 1993, S. 42.
[32] Vgl. zur - revidierbaren - Stufung des Vollzuges näher: H. Pollähne, aaO. (Fn. 31), S. 43 f.; Schwind/Böhm/Ullenbruch (Fn. 29), § 11 Rn. 4, § 13 Rn. 1.
[33] Vgl. dazu etwa auch die in BVerfGE 86, 288, 307 wiedergegebene Stellungnahme des Saarlandes, das aus diesem Grunde informelle Kontakte zwischen Gerichten, Staatsanwaltschaften und Vollzugsbehörden ablehnt.
[34] St. Rspr.: BVerfGE 33, 1, 10; 58, 358, 366 f.; 86, 288, 326.
[35] BVerfGE 35, 202, 238, 45, 187, 239.
[36] J. Hubrach; in: Leipziger Kommmentar zum Strafgesetzbuch, 12. Aufl., hrsg. v. H. W. Laufhütte u. a., Band 3 (2008), § 57a Rn. 28, wobei auch frühere Entscheidungszeitpunkte praktiziert werden.
[37] Vgl. K. Koepsel, in: Strafvollzugsgesetz - Bund und Länder, 5. Aufl., hrsg. v. H.-D. Schwind, A. Böhm u. a., (2009), §§ 129, 130 Rn. 8.
[38] Ähnlich auch Köhler, in: Jakobs-FS (Fn. 6), S. 273, 288.
[39] BVerfGE 86, 288, 326.
[40] BVerfG 70, 297, 312; BVerfG, NJW 1995, 3048; zur Übertragung auf den Vollzug der Sicherungsverwahrung, BVerfG, StV 1994, 93; NJW 1994, 510.
[41] BVerfG 70, 297, 313; BVerfG NJW 1995, 3048; für die Sicherungsverwahrung: BVerfGE 109, 133, 159 (= HRRS 2004 Nr. 166).
[42] Näher D. Klesczewski, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2008, Rn. 333.
[43] BVerfG NJW 1995, 3048, 3049.
[44] BVerfGE 70, 297, 316; ebenso K. Bernsmann, in: Straftäter in der Psychiatrie hrsg. v. G. Blau u. a. (1984), S. 142, 149; krit. dagegen: M. Koller, in: Festschrift für Ulrich Venzlaff, hrsg v. H. Duncker u. a. (2006), S. 229, 248; LK/Rissing-van Saan/Peglau (Fn. 15), § 67d Rn. 54.
[45] BVerfGE 109, 133, 160 f.
[46] So aber das Bedenken A. Desseckers, Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit (2004), S. 383 f.
[47] BVerfGE 109, 133, 152.
[48] Ibid.
[49] Dessecker, Gefährlichkeit (Fn. 46), vor allem: S. 32 ff.; 37 f.;.59 ff.; 70 ff.; 78 ff.; 90 ff.; 104 ff. Eingehendere Darstellungen der Maßregeltheorie finden sich auch bei G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl. (1991), Rn. 1/54 ff.; M. Köhler, AT (Fn. 6), S. 55 ff.; E.-W. Hanack; in: Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 11. Aufl., hrsg. v. B. Jähnke u. a. (1992), Vor § 61 Rn. 20 ff.
[50] Kritisch so: G. Jakobs, AT (Fn. 49), Rn. 1/54; M. Köhler, Der Begriff der Strafe, 1986, S. 82 Fn. 113; H. Schöch; in: Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 12. Aufl., hrsg. v. H. W. Laufhütte u. a., Band 3 (2008), Vor § 61 Rn. 48.
[51] D. Klesczewski, Die Rolle der Strafe in Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft, 1991, S. 131 f., 325 ff., 331 ff., 346 ff., 377 ff.; ders. AT (Fn. 42), Rn. 27 ff.
[52] Klesczewski, AT (Fn. 42), Rn. 1.
[53] Klesczewski, AT (Fn. 42), Rn. 13.
[54] BVerfGE 39, 1, 46 f.
[55] BGHSt. 20, 264, 266 f.; vgl. w. Klesczewski, AT (Fn. 42), Rn. 24 ff.
[56] Jakobs, AT (Fn. 49), Rn. 1/53.
[57] F. v. Liszt, Der Zweckgedanke im Strafrecht (1883/83); hier zitiert nach Th. Vormbaum, Strafrechtstheorie der Neuzeit, Bd. 2, 1993, S. 171 ff.
[58] C. Stooss SchwZStr 44 (1930), 261, 262.
[59] W. Stree/J. Kinzig, in: Strafgesetzbuch Kommentar, hrsg. v. A. Schönke/H. Schröder u. a., 28. Aufl., 2010, Vor §§ 61 ff. Rn. 2 m. w. N.
[60] Vgl. Köhler, AT (Fn. 6), S. 57.
[61] BVerfGE 109, 133, 161 f.
[62] BVerfGE 109, 133, 162.
[63] Grundlegend: H. Welzel, Das deutsche Strafrecht, 11. Aufl., 1969, S. 244 ff., vgl. w. D. Lang-Hinrichsen, in: Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 9. Aufl., hrsg. v. P. Baldus u. a., Band 1 (1974), Vor § 42a Rn. 13 m. w. N.
[64] Welzel Strafrecht (Fn. 62), S. 245. Nahe stehend: G. Jakobs, Rechtszwang und Personalität, in: Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften Vorträge G 418 hrsg. v. Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften, 2008, S. 41 ff.: Jeden treffe eine Obliegenheit zu nicht bedrohlicher Selbstdarstellung: Wer diese Obliegenheit durch wiederholte Straftaten verletze, mache sich gesellschaftsunfähig. Seine Freiheit könne daher beschränkt werden, soweit dies präventiv erforderlich sei.
[65] Näher: Klesczewski, AT (Fn. 42), Rn. 28.
[66] Köhler , AT (Fn. 6), S. 56 f.; ähnlich: Jakobs, AT (Fn. 49), Rn. 1/54. - Auch die g emeinsamen "Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz und des Bundesministeriums des Innern für die Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und begleitende Regelungen" (abrufbar unter: www.bmj.bund.de ) stehen in der Gefahr, diesem Widerspruch zu erliegen. Sie sehen für die Altfälle, die nach dem Urteil des EGMR aus der Haft zu entlassen sind, und die als schuldfähig anzusehen sind, eine weitere Unterbringung vor, soweit sie sich als "psychisch gestörte Gewalttäter" klassifizieren lassen.
[67] Köhler, Begriff der Strafe (Fn. 6), S. 82 Fn. 133.
[68] Mayer, AT (Fn. 5), S. 40.
[69] Grundlegend: P. Bockelmann, Studien zum Täterstrafrecht, Band 2, 1940, S. 152 ff.; näher zu diesem Konzept:
Klesczewski, aaO. (Fn. 50), S. 120 ff., insbes. S. 126 f.
[70] Mayer, AT (Fn. 5), S. 63.
[71] So zu Recht Jakobs, AT (Fn. 49), Rn. 1/54; Köhler, Jakobs-FS (Fn. 6), S. 273, 289.
[72] BVerfGE 45, 187, 222, 228 ff.; vgl. w. Köhler, AT (Fn. 6), S. 641.
[74] Zu den teils anders akzentuierten Regelungen in Bayern, Hamburg und Niedersachsen vgl. A. Böhm/J.-M. Jehle, in: Strafvollzugsgesetz - Bund und Länder, hrsg. v. H.-D. Schwind, A. Böhm u. a., 6. Aufl. (2009), § 2 Rn. 21 ff.
[75] Vgl. vor allem: Köhler, AT (Fn. 6), S. 585 ff.
[76] Köhler, AT (Fn. 6), S. 361 f.
[77] Köhler, AT (Fn. 6), S. 353 f.
[78] Aristoteles, Nikomachische Ethik, hier zitiert nach von F. Dirlmeier besorgten Ausgabe, 7. Aufl., 1979, NE III. 7. (1111a Zeile 11 ff.); näher dazu: Klesczewski, Rolle der Strafe (Fn. 51), S. 105 ff.
[79] G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, 3. Aufl., 1830, § 410 Anm., hier zitiert nach der Theorie Werkausgabe hrsg. v. E. Moldenhauer u. K. M. Michel, 1970, Band 10, S. 184; ausf. dazu: Klesczewski, Rolle der Strafe (Fn. 51), S. 114 ff.
[80] Vgl. w. Klesczewski, Rolle der Strafe (Rn. 51), S. 180.
[81] Vgl. zur Systematik und den Interdependenzen: R. Maurach/H. Zipf, Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2, 7. Aufl. (1989), § 62 Rn. 20 f.
[82] Vgl. die eindrucksvolle empirische Analyse H.-J. Albrechts, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität (1994), S. 439 ff.
[83] So aber kritisch: Jakobs, aaO. (Fn. 64), S. 40 f.
[84] Köhler, AT (Fn. 6), S. 362.
[85] Das betont auch Jakobs, AT, Rn. 1/9; 6/11; 6/24 ff.
[86] Grundlegend: E. A. Wolff, ZStW 97 (1985), S. 786, 820.
[87] Köhler, Jakobs-FS (Fn. 6), S. 273, 287.
[88] Vgl. Maurach/Zipf, AT 2 (Fn. 80), § 63 Rn. 162 ff. m. w. N.
[89] Köhler, Jakobs-FS (Fn. 6), S. 273, 289.
[90] BGHSt. 24, 160, 162; zust. LK/Rissing-van Saan/Peglau (Fn. 15), § 66 Rn. 119, 131 m. w. N.
[91] LK/Rissing-van Saan/Peglau (Fn. 15), § 66 Rn. 124 ff. m. w. N.
[92] R. Lange, ZStW 62 (1944), S. 175, 192 ff., 196 ff.; daran anschließend: Klesczewski, Rolle der Strafe (Fn. 51), S. 128 f.
[93] Vgl. BVerfG NJW 1979, 1037 (1037 f.).
[94] Vgl., auch zum Folgenden, Köhler, AT (Fn. 6), S. 438 ff.
[95] Köhler, AT (Fn. 6), S. 358 f., 440 f.
[96] Köhler, Jakobs-FS (Fn. 6), S. 273, 285.
[97] Köhler, Jakobs-FS (Fn. 6), S. 273, 287 mit Verweis auf ders., AT (Fn. 6), S. 438 ff.
[98] Vgl. Köhler, Jakobs-FS (Fn. 6), S. 273, 276.
[99] Köhler, Jakobs-FS (Fn. 6), S. 273, 291.
[100] Dazu: C. Roxin/B. Schünemann, Strafverfahrensrecht, 26. Aufl., 2009, § 44 Rn. 62 f.