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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2009
10. Jahrgang
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1. Zur Anwendbarkeit der Vorschrift des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB (im Anschluss an BGHSt 52, 205). (BGHR)
2. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung war auch dann „im Zeitpunkt der Verurteilung aus rechtlichen Gründen nicht möglich“ im Sinne des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB, wenn eine entsprechende Rechtsgrundlage für die Anordnung der Sicherungsverwahrung insgesamt noch nicht geschaffen war. Denn die Anwendung des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB bei der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung setzt nicht voraus, dass die betreffende Rechtsgrundlage der Anordnung der Sicherungsverwahrung schon erlassen war und lediglich aus besonderen rechtlichen Gründen – etwa aufgrund räumlicher und/oder zeitlicher Begrenzung der Norm – bei der Vorverurteilung nicht anzuwenden war. (Bearbeiter)
1. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf Grund der Hauptverhandlung die wesentlichen ent- und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nach ständiger Rechtsprechung nur eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen wird oder sich die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt (BGHSt 34, 345, 349; 29, 319, 320).
2. Dies gilt auch für den minder schweren Fall. Geht der Tatrichter aber dabei von tatbezogenen Gesichtspunkten aus, die auf unzutreffenden Maßstäben beruhen, liegt ein revisibler Rechtsfehler vor.
3. Das Streichen unbekleideter Schamlippen und beischlafähnliche Handlungen zwischen dem Angeklagten und der minderjährigen Geschädigten können nicht als „im unteren Bereich des denkbaren Spektrums sexualbezogener Handlungen“ liegend gewertet werden. Dies steht im Widerspruch zu Wertungen des Gesetzgebers, die im Übrigen mit das Gebiet der Europäischen Union betreffenden Tendenzen übereinstimmen (vgl. den Rahmenbeschluss 2004/68/JI des Rates der Europäischen Union vom 22. Dezember 2003, ABl der Europäischen Union L 13/44 vom 20. Januar 2004).
Auch dem jugendlichen Angeklagten steht das Recht zu, sich effektiv gegen den Schuldvorwurf zu verteidigen, ohne befürchten zu müssen, dass ihm daraus Nachteile erwachsen (BGH StraFo 2003, 206, 207; BGH, Urteil vom 4. Dezember 1997 – 5 StR 468/97). Bestreitet der Angeklagte die Tat, darf ihm keine fehlende Reue strafschärfend vorgeworfen werden.
1. Ein Abhängigkeitssyndrom ist nicht zwingende Voraussetzung für die Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 StGB. Denn hierunter fällt nicht nur eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit, sondern es genügt eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, ohne dass diese den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss.
2. Hebt das Revisionsgericht auf die Revision ein Urteil insoweit auf, als eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist, so scheidet die Erstreckung der Aufhebung gemäß § 357 StPO auf einen Nichtrevidenten gleichwohl aus, da die Entscheidung nach § 64 StGB bei jedem Angeklagten auf individuellen Erwägungen beruht.
Der kurzfristige Besitz eines Gehilfen, der das Entgelt aus einem Rauschgiftgeschäft unverzüglich an einen Verkäufer weiterleiten soll, reicht grundsätzlich nicht aus, um das Geld als an ihn zugeflossen anzusehen. Ein solcher Gehilfe erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB den Besitz nur „gelegentlich“ seiner Tat und übt ihn von Anfang an nur für den Verkäufer aus, an den er den Erlös absprachegemäß übergeben will.
Die Gesamtstrafe ist gem. § 54 StGB durch Erhöhung der höchsten Einzelstrafe (sog. Einsatzstrafe) zu bilden und darf die Summe der einbezogenen Einzelstrafen nicht erreichen. Ihre Bildung ist ein eigenständiger Strafzumessungsakt, der sich – innerhalb des von § 54 StGB genannten Rahmens – nicht an der Summe der Einzelstrafen oder an rechnerischen Grundsätzen zu orientieren hat, sondern an gesamtstrafenspezifischen Kriterien (vgl. BGH NStZ 2003, 295).