HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Dezember 2009
10. Jahrgang
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Schrifttum

Heidelberger Kommentar zur Strafprozessordnung; bearbeitet von Karl-Peter Julius u.a., 4., völlig neu bearb. Aufl., C.F. Müller, 2578 Seiten, 198,00 €, Heidelberg 2009.

Nach der letzten Auflage des Heidelberger Kommentars aus dem Jahre 2001 liegt nunmehr die neueste Auflage vor. Die ersten drei Auflagen waren in relativ schneller Zeitabfolge erschienen (Erstauflage 1997). Somit war es höchste Zeit, die zwischenzeitlich erfolgen Gesetzesänderungen und Entwicklungen in der Rechtsprechung aufzuarbeiten. Es verwundert dann auch nicht, wenn sich der Umfang im Gegensatz zur Vorauflage um mehr als 600 Seiten erweitert hat. Um es aber bereits hier vorwegzunehmen: Der Kommentar ist trotzdem sehr gut als handliche Arbeitshilfe - auch als so gen. Praktikerkommentar z.B. im Rahmen einer Hauptverhandlung - zu gebrauchen und steht vergleichbaren Werken in keinem Aspekt nach.

Das bisherige Autorenteam wurde deutlich erweitert. Neu in das Autorenteam eingetreten sind Gercke, der - durch entsprechende Fachveröffentlichungen ausgewiesen - nunmehr die Vorschriften über Beschlagnahme, Durchsuchung, Überwachung des Fernmeldeverkehrs und die technischen Ermittlungsmaßnahmen bearbeitet, sowie Woynar und Pollähne, die - ebenfalls Rechtsanwälte - die oftmals vernachlässigten Vorschriften über die Strafvollstreckung kommentieren. Aus dem Bereich der Rechtswissenschaft konnte Zöller als Autor gewonnen werden, der den Gerichtsstand, die Vorbereitung der Anklage und das beschleunigte Verfahren erläutert. Zusammenfassend darf man sagen, dass es damit gelungen ist, ein Team von Praktikern aus unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern zu gewinnen, wodurch die Kommentierung - die sich bereits bislang durch einen starken Praxisbezug sowie eine strenge rechtsstaatliche Orientierung ausgezeichnet hat - gewonnen hat.

Der starke Praxisbezug wird auch in der sehr übersichtlichen Darstellung deutlich; einzelne Fragen lassen sich schnell in der Kommentierung verorten. Hervorzuheben ist, dass die Kommentierung äußerst umfassend gestaltet ist (ohne dass die Erläuterungen überladen wirken). So werden häufig praxisrelevante Fragen in der Kommentierung mit erörtert, was in anderen Werken so nicht der Fall ist. Beispielsweise wird die sehr umstrittene Frage der Vergütung des Zeugenbeistands bei der Erläuterung des § 68 a StPO mit erörtert, was die Zuhilfenahme eines weiteren Kommentars entbehrlich macht. In der Vorbemerkung zu §§ 94 ff. StPO werden die - gar nicht selten auftauchenden - Probleme bezüglich der Erhebung und Verwertung von Beweisen im Ausland für ein deutsches Strafverfahren angemessen kurz, aber äußerst tiefgehend mit beachtlicher Gedankenschärfe dargestellt. Dem Rezensenten ist kein Werk bekannt, in dem diese häufigen Probleme so mustergültig auf den Punkt gebracht werden.

Besonders hervorzuheben ist hier, dass die Normen der MRK nicht - wie dies in anderen Werken üblich ist - separat oder gar nicht kommentiert werden, sondern in die Erläuterung der einzelnen Vorschriften an der jeweiligen Stelle eingearbeitet sind. So wird z.B. die Garantie der "unentgeltlichen Unterstützung durch einen Dolmetscher" (Art 6 Abs. 3 lit e) EMRK) bei der Kommentierung der Kostenvorschrift des § 464 a StPO (Rn. 4), bei der Erläuterung des (zu engen) § 259 StPO, bei der Erörterung der notwendigen Verteidigung (vor §§ 140 - 145, Rn. 1) und bei der Frage der Überwachung des Besuchs in der U-Haft eingehend dargestellt (§ 148 Rn. 20).

Insgesamt merkt man es der Kommentierung im Sinne sehr guter Lesbarkeit an, dass das Werk in weiten Teilen neu bearbeitet ist und nicht nur eine bisherige Kommentierung fortgeschrieben wurde. Ausführungen zu in der täglichen Arbeit auftauchenden Problemkomplexen lassen sich leicht auffinden und bringen den Leser schnell auf den Stand der von der Rechtsprechung vertretenen Ansicht. Darüber hinaus ist die Kommentierung aber auch immer "problembewusst" und bietet Argumentationshilfen für nicht im Fokus der Rechtsprechung stehende Komplexe, ohne ins rein wissenschaftliche zu verfallen.

Leider konnte offenbar der Beschluss des BGH vom 11. Dezember 2008 (veröffentlicht z.B. in NJW 2009, 1429, 4 StR 318/08) nicht mehr in der Kommentierung zu § 4 StPO (oder § 266 StPO) berücksichtigt werden, mit dem der 4. Strafsenat - entgegen dem 1. Strafsenat in StV 2008, 226 - ausgesprochen hat, dass die Vorschriften über die Nachtragsanklage nicht dadurch umgangen werden dürfen, dass separat zu einer laufenden Hauptverhandlung Anklage erhoben wird und nach Eröffnung des Hauptverfahrens eine Verbindung vorgenommen wird.

Die Problematik des "Deals" wird ausführlich durch Temming in der Einleitung dargestellt. Angesichts der nunmehr erfolgten gesetzlichen Regelung, die entgegen dem Stand zum Zeitpunkt der Kommentierung durchaus etwas neues bringt (z.B. das Verbot eines Rechtsmittelverzichts), sollte der Verlag überlegen, diese Vorschriften

durch eine separate Nachlieferung kommentieren zu lassen. Angesichts des doch recht hohen Preises von 198,00 € könnte eine solche Nachlieferung den Käufern möglicherweise auch unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.

Unabhängig davon kann das Werk allen Praktikern nur empfohlen werden. Die Kommentierung taugt in der Praxis uneingeschränkt als Ersatz für herkömmliche Werke - auch und gerade in schwierigen Situationen wie einer laufenden Hauptverhandlung.

Rechtsanwalt Dr. Matthias Rahmlow, Duisburg

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Heghmanns, Michael / Scheffler, Uwe: Handbuch zum Strafverfahren; 1. Auflage; C.H.Beck; 1.274 S.; 125 €, München 2008.

Die bereits vorhandene Literatur zum Strafprozessrecht ist sehr umfangreich, angesichts der Vielzahl von Kommentaren, Lehrbüchern und berufsspezifischen Abhandlungen sogar schon fast unüberschaubar. Trotzdem haben sich Heghmanns/Scheffler dazu entschlossen, mit dem "Handbuch zum Strafverfahren" ein weiteres Werk zum Strafprozessrecht zu veröffentlichen. Angesichts dessen drängt sich natürlich die Frage auf, was Heghmanns/Scheffler zu diesem Schritt bewogen hat bzw. welchen grundlegend anderen Ansatzpunkt die Herausgeber mit ihrem Werk verfolgen wollen, um berechtigten Grund für die Annahme zu haben, sich auf dem Markt strafprozessualer Literatur behaupten zu können. Die Antwort auf diese Frage findet sich bereits im Vorwort: Völlig zu Recht haben die beiden Herausgeber nämlich festgestellt, dass trotz der Fülle an strafprozessualer Literatur ein klassisches Handbuch in der Tradition der großen Strafprozesshandbücher wie etwa diejenigen von Mittermaier, v. Planck, Zachariae, v. Holtzendorff oder Glaser seit langem fehlt. Genau hier setzen die Herausgeber an und schließen diese Lücke mit ihrem "Handbuch zum Strafverfahren".

Von der inhaltlichen Konzeption her wendet sich das Handbuch von Heghmanns/Scheffler nicht an eine bestimmte Berufsgruppe - etwa nur Strafverteidiger -, sondern es richtet sich an alle Verfahrensbeteiligte gleichermaßen, unabhängig von deren konkreten Rolle im Strafprozess. Die Lektüre empfiehlt sich aber nicht nur für Richter, Staatsanwälte und Verteidiger, sondern dürfte für polizeiliche Ermittler gleichermaßen interessant sein, was auch Rezensionen in den einschlägigen Zeitschriften belegen.

Das "Handbuch zum Strafverfahren" eignet sich zur systematischen Erarbeitung und Vertiefung aktueller Problemfelder im Bereich des Strafprozessrechts ebenso, wie als Nachschlagewerk zur Lösung spezifischer Fragestellungen aus der strafverfahrensrechtlichen Praxis und stellt deshalb für jeden Praktiker eine wertvolle Ergänzung der bestehenden strafrechtlichen Bibliothek dar.

Das Werk von Heghmanns/Scheffler setzt seinen Schwerpunkt auf die Darstellung praxisbezogener prozessualer Probleme und liefert zahlreiche Hilfestellungen, Argumentationsansätze sowie weiterführende Gedanken, die zu einer Durchdringung, möglichen Lösung und Vertiefung beitragen sollen. Das Handbuch verfolgt dabei den Anspruch, denjenigen unterstützend zur Seite zu stehen, die sich in ihrer Praxis einer strafprozessualen Fragestellung gegenübersehen und dafür eine wissenschaftlich fundierte und vielleicht sogar innovative Lösung suchen. Anders als Kommentare oder Lehrbücher orientiert sich das vorliegende "Handbuch zum Strafverfahren" dabei nicht an der Reihenfolge der gesetzlichen Vorschriften oder theoretisch-systematischen Ordnungen, sondern am Verlauf des Strafverfahrens. Es beginnt also mit der Einleitung des Ermittlungsverfahrens und endet mit der Geltendmachung von Kosten und Entschädigung nach Prozessende.

Dass das "Handbuch zum Strafverfahren" seinem hohen Anspruch vollumfänglich gerecht wird, verdankt es insbesondere den elf Autoren, die ausnahmslos als ebenso wissenschaftlich wie praktisch ausgewiesene Experten gelten dürfen. Die zahlreichen Querverweise, die zudem die gute Abstimmung zwischen den verschiedenen Autoren erkennen lassen und gleichzeitig unnötige textliche Überschneidungen vermeiden, vermitteln dem Leser sowohl den verfahrensrechtlichen Aufbau des Strafprozesses als auch die inneren Zusammenhänge der Materie. Dabei fällt besonders die stets anzutreffende wissenschaftliche Sorgfalt auf, mit der jedes einzelne Kapitel verfasst wurde - ebenso, dass deutlich gekennzeichnet wird, wie sich die h. M. bzw. Rechtsprechung zur jeweiligen Fragestellung und der eigenen Position des Autors stellt. Daneben kennzeichnen das Buch ein sehr ausführliches und gut strukturiertes Stichwortverzeichnis sowie der Umstand, dass jedem Kapitel ein eigenes, umfangreiches Literaturverzeichnis und eine detaillierte Gliederung beigefügt wurden. Schließlich verdient auch der Fußnotenapparat mit seinen vielen weiterführenden Hinweisen Anerkennung. Dieser entlastet den Text, gewährleistet eine gute Lesbarkeit und stellt dennoch sicher, dass die jederzeitige Möglichkeit besteht, einzelnen Fragestellungen vertiefend nachzugehen.

Das vorliegende Werk besteht aus 13 Kapiteln, beginnend mit der "Einleitung und Einstellung des Ermittlungsverfahrens" (Kapitel I) sowie der "Durchführung des Ermittlungsverfahrens" (Kapitel II). Es folgen Darstellungen zu den "Zwangsmitteln" (Kapitel III), der "Untersuchungshaft" sowie der "Anklageentscheidung" (Kapitel IV bzw. V) bis hin zu den Ausführungen zum "Zwischenverfahren und der Vorbereitung der Hauptverhandlung" (Kapitel VI). Der "Hauptverhandlung" (Kapitel VII), der "Verständigung" (Kapitel VIII), dem "Urteil und Anfechtung" (Kapitel IX) sowie der "Revision" (Kapitel X) werden weitere Kapitel gewidmet, bevor schließlich noch auf die Bereiche "Wiederaufnahme" (Kapitel XI), die "Strafvollstreckung" (Kapitel XII) sowie die "Kosten und Entschädigung" (Kapitel XIII) näher eingegangen wird.

Da das "Handbuch zum Strafverfahren" im Jahr März 2008 erschienen ist, konnten die weitreichenden Änderungen zu Beginn des Jahres 2008 sowie insbesondere diejenigen kurz vor Auslaufen der Legislaturperiode Mitte 2009 naturgemäß nicht mehr berücksichtigt wer-

den, zumal Rechtsprechung und Literatur des Handbuchs sogar überwiegend noch auf dem Stand von Anfang 2007 sind. Zu den relevanten Neuerungen gehören beispielsweise die weitreichenden Änderungen bei der Telekommunikationsüberwachung ebenso, wie die zwischenzeitlich erfolgte gesetzliche Regelung der Verständigung in Strafsachen oder der Bereich der Untersuchungshaft. Deshalb hat sich zwischenzeitlich das ein oder andere inhaltlich sicherlich überholt, jedoch ändert dies nichts an dem durchweg positiven Eindruck, den das "Handbuch zum Strafverfahren" hinterlässt, zumal dieses Manko angesichts der inflationären Tendenzen bei der gesetzgeberischen Arbeit und eines derart umfangreichen und komplexen Werks kaum vermeidbar erscheint.

Marvin Schroth, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht, Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth), Karlsruhe

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Gerhard Janssen: Gewinnabschöpfung im Strafverfahren; C.F. Müller, 159 Seiten, 39,- €, Heidelberg 2008.

I. "Die Begehung von Straftaten darf sich nicht lohnen. Kriminelle Gewinne müssen deshalb abgeschöpft werden und den Opfern zugute kommen. Die Staatsanwaltschaft ist dieser Vermögensabschöpfung in den vergangenen Jahren zunehmend nachgegangen - und hat damit auch die Organisierte Kriminalität, die insbesondere durch ihr Gewinnstreben gekennzeichnet ist, effektiv bekämpft. Mit dem jetzt verabschiedeten Gesetz sind die Instrumentarien weiter verbessert worden", so Zypries in einer Pressemitteilung des BMJ (http://www.bmj.bund.de/enid/Pressestelle/Presse-mitteilungen_58.html?druck=1&pmc_id=2570).

Eines der Ziele der Vermögensabschöpfung ist, dem Täter, ursprünglich in Fällen der Organisierten Kriminalität der Organisation, durch die Entziehung des illegal erlangten Vermögens den Anreiz weiterer Straftaten zu nehmen.

Neben diesem Ziel ist gerade bei international agierenden Täterkreisen auch die Strafverfolgung und damit die Überführung von Straftätern ein beabsichtigter Zweck. Versuchen Straftäter ihr erworbenes Kapital unter der Legende einer legalen Herkunft in den Wirtschaftskreislauf einzuführen, verliert es - jedenfalls zu diesem Zeitpunkt kurzfristig - seine Tarnung und gibt den Strafverfolgungsbehörden damit die Möglichkeit, Schlüsse auf die Herkunft der Mittel und die dahinter stehenden Täter zu ziehen.

Ein dritter Zweck, mit welchem die Gewinnabschöpfung im Rahmen der Einziehung und des Verfalls begründet wird, ist der Opferschutz. Da in einer Reihe von Fällen die Gewinne aus Straftaten als Kehrseite eine Vielzahl von Geschädigten hervorbringen, soll über die vorläufige Sicherstellung und den nachrangigen Anspruch des Staates ein Täter-Opfer-Ausgleich in Form eines Anspruchs der Geschädigten gegen das sichergestellte Vermögen - unter anderem auch im Wege einer Rückgewinnungshilfe - realisiert werden.

Spätestens mit dem "Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnhilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten", welches seit 01.01.2007 in Kraft getreten ist, ist die Gewinnabschöpfung noch stärker in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden gerückt. Wurde die Abschöpfung illegalen Vermögens bereits 1974 in das Strafgesetzbuch aufgenommen und 1992 mit dem Übergang vom Netto- zum Bruttoprinzip noch einmal verschärft, fand es in den Anfangsjahren kaum Beachtung in Rechtsprechung und Justiz. Nach und nach wurden jedoch die Eingriffsvoraussetzungen abgesenkt und das ursprünglich komplexe Regelungsgefüge vereinfacht, so dass nunmehr bereits bei einem einfachen Tatverdacht vorläufige Maßnahmen bis zu einem Jahr aufrechterhalten werden können. Dies alles führte dazu, dass sich Einziehung und Verfall als Grundpfeiler der Vermögensabschöpfung im Strafrecht auch bei den Ermittlungsbehörden durchgesetzt und in der Folge auch die Aufmerksamkeit der Justiz auf sich gezogen haben.

Während bei den lokalen Polizeidienststellen eigens eingerichtete Finanzermittler bereits zu Beginn eines Ermittlungsverfahrens Beschuldigte auf deren Vermögen hin durchleuchten und entsprechende Maßnahmen ergreifen, findet landesüberschreitend ein regelrechter Wettlauf in Bezug auf eingezogenes Vermögen statt. Dass diese Vorgehensweise nicht nur rechtstaatliche Probleme aufwirft, sondern vielmehr jeden Strafverteidiger zunehmend in die Pflicht nimmt und dessen Aufmerksamkeit fordert, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass bereits die vorläufigen Maßnahmen geeignet sind, die wirtschaftliche Existenz des eigenen Mandanten nachhaltig zu bedrohen.

II. Gerhard Janssen richtet sich mit seinem Buch in erster Linie an Strafverteidiger und bietet einen Einstieg in die Materie - auch unter Berücksichtigung der zivilrechtlichen Aspekte. Im vierten Teil seines Werks werden daneben auch die für Nebenklage und Adhäsionsverfahren relevanten Themen angerissen.

1. Während in einem allgemein gehaltenen ersten Teil die Geschichte und Bedeutung der Gewinnabschöpfung und deren Konsequenzen für die Verteidigung und Mandatsübernahme skizziert wird, steigt Janssen bereits in Teil zwei tief in die Verfahrensregelungen nach §§ 111b ff StPO zur vorläufigen Sicherung von Vermögenswerten ein.

2. Auf gut 90 Seiten erfolgt eine Darstellung der der Strafverfolgung möglichen Maßnahmen während des Ermittlungsverfahrens, geordnet nach den zu bildenden Fallgruppen der Sicherung durch Beschlagnahme, Sicherung durch dinglichen Arrest und der Rückgewinnungshilfe im Wege der Beschlagnahme oder des dinglichen Arrestes.

Aufgezeigt werden jeweils die Anordnungsvoraussetzungen der Maßnahmen samt möglicher Rechtsbehelfe sowie in einem weiteren Teil die Durchführung der Beschlagnahme bzw. Vollziehung des Arrestes. Geboten wird dem Leser hierbei eine breit angelegte Übersicht über das Instrumentarium der §§ 111b ff StPO einschließlich der Beschlagnahme von Schriften als Sonderform der Beschlagnahme und Checklisten für den Verteidiger zur

vereinfachten Prüfung bereits vorgenommener Sicherungsmaßnahmen. Letztere geben zusammenfassend einen wiederholenden guten Überblick über die behandelten Komplexe, sollten jedoch nicht dazu verleiten, alleine auf die verkürzten Checklisten zu vertrauen.

Trotz des breit angelegten Überblicks, welcher in diesem Teil vermittelt werden soll, gelingt es Janssen - wenigstens knapp - auch auf Besonderheiten der Umsetzung der Beschlüsse zur vorläufigen Sicherung in Bezug auf die jeweils zu sichernden Gegenstände einzugehen. Aufgrund der Vielzahl von unterschiedlichen Fallvarianten wirken diese Detaildarstellungen teilweise wie aneinander gereihte Bausteine, wobei dem Autor zu Gute zu halten ist, dass eine ausführlichere Behandlung nicht nur das Werk, sondern auch den mit ihm verbundenen Zweck, einen ersten und umfassenden Einstieg in die Materie zu erleichtern, sprengen würde.

In einem dritten Abschnitt wird die letzte Fallgruppe der vorläufigen Maßnahmen, die Zurückgewinnungshilfe, welche im Laufe der Gesetzgebung starke Veränderungen erfahren hat, behandelt. Um das Verständnis der hinter diesen Regelungen stehenden Ziele zu erleichtern, skizziert Janssen vorab die geschichtliche Entwicklung dieser Vorschriften. In einem weiteren Schritt stellt er die Voraussetzungen und die Umsetzung der Sicherung zum Zweck der Rückgewinnungshilfe dar.

3. Im dritten Teil seines Buches verlässt Janssen den Bereich der vorläufigen Maßnahmen und wendet sich den materiell-rechtlichen Vorschriften des Verfalls als Folge einer vorläufigen Maßnahme zu. Unterteilt in die Maßnahmen nach dem Strafgesetzbuch und Sanktionen nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht werden die Voraussetzungen des Verfalls, der Ausschluss des Verfalls, der Verfall bei Nutzungen und Surrogaten sowie die Anordnung des Verfalls bei Dritten beleuchtet.

Abschließend wird auf die in der Praxis häufig herangezogene Härtevorschrift des § 73c StGB und der erweiterte Verfall nach § 73d StGB eingegangen. Im Vergleich mit der Darstellung der vorläufigen Maßnahmen im zweiten Teil gerät die materiell-rechtliche Darstellung des Verfalls relativ kurz. Wer erwartet, weiterführende Informationen, insbesondere auch in Bezug auf revisions-, steuer- und insolvenzrechtliche Maßnahmen zu erhalten, wird enttäuscht. Nichts desto weniger bietet Janssen auch in diesem Kapitel einen guten Überblick über die Struktur und den Anwendungsbereich der §§ 73 ff StGB und offeriert dem Leser anhand ausreichender Quellen- und Literaturverweise die Möglichkeit, weiterführende Informationen zu den jeweils angerissenen Aspekten leicht aufzufinden.

Erwähnenswert ist ferner die Darstellung der Gewinnabschöpfung aus ordnungswidrigkeitenrechtlicher Sicht. Dies deshalb, da eine Reihe vergleichbarer Literatur diesen Aspekt vollständig außen vor lässt, obgleich es sich um einen Bereich handelt, der gerade von Strafverteidigern, welche auch juristische Personen beraten bzw. "verteidigen", nicht unberücksichtigt bleiben darf.

4. Wie bereits angesprochen, richtet sich das Werk in insbesondere an Verteidiger, welche einen Einstieg in die auf den ersten Blick komplexe Regelung der Vermögensabschöpfung gewinnen möchten. Gleichwohl ist schon aus dem Regelungszweck des Täter-Opfer-Ausgleichs eine Auseinandersetzung mit diesem Thema auch für Vertreter der Nebenklage und Adhäsionskläger unabdingbar.

In seinem vierten Teil geht Janssen auf diese Tätigkeitsbereiche ein, verlässt allerdings den Kernbereich der Vermögensabschöpfung bzw. Rückgewinnungshilfe und beschränkt sich im Wesentlichen auf allgemeine Ausführungen zu den Voraussetzungen und Zwecken der Nebenklage bzw. des Adhäsionsklägers.

Lohnenswert ist dieses Vorgehen insofern, als dass diese beiden Bereiche seitens der meisten Strafrechtler kaum Beachtung erhalten; wünschenswert wäre jedoch, dem engagierten Vertreter der Nebenklage auch in Bezug auf Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der Rückgewinnungshilfe bzw. der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen weiterführende Informationen an die Hand zu geben.

5. Quasi als Annex geht Janssen auf knapp 15 Seiten auf die Anordnung des Verfalls durch das Gericht im Wege des Urteils, des Strafbefehls oder im selbständigen Verfahren bzw. durch nachträgliche Anordnung durch Beschluss ein.

Für den Verteidiger insofern interessant als die Anordnung des Verfalls im Rechtsmittelverfahren - auch isoliert - überprüfbar ist und ihm somit bereits während des Hauptverfahrens in erster Instanz ein "Druckmittel" bzw. Verhandlungsmasse bei Absprachen mitgegeben wird.

Auf wenigen Seiten dargestellt verschafft Janssen dem Leser einen guten Überblick über die Möglichkeiten der Anordnung des Verfalls und deren Anfechtung. Diese sind, wie dem gesamten Buch zugrunde gelegt ,mit einer Vielzahl von weiterführenden Nachweisen und Fundstellen belegt, um ein entsprechend vertieftest Studium - sofern im Detail notwendig - zu ermöglichen.

III. Als Fazit kann gezogen werden, dass die Gewinnabschöpfung im Strafrecht dem Titel der Reihe Praxis der Strafverteidigung gerecht wird und jedem Strafverteidiger einen guten Einstieg in die zunehmend in den Fokus der Strafverfolgung und Justiz rückende Gewinnabschöpfung bietet.

Da nicht nur in Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren, sondern zunehmend auch in Betäubungsmittelsachen, Betrugs- und Hehlereiverfahren Vermögenswerte, sofern solche durch die Finanzermittler aufgefunden, eingezogen werden, wird man im Bereich der Strafverteidigung nicht umhin kommen, sich mit der Abschöpfung von Gewinnen aus Straftaten auseinander zu setzen. Durch die Absenkung der Eingriffsvoraussetzungen und den damit verbundenen massiven Eingriffsmöglichkeiten der Ermittlungsbehörden sowie den nur unzulänglichen Schadensersatz- und Härtefallregelungen ist eine Verteidigung bereits im Vorverfahren auch in diesem Hinblick unerlässlich. Hierfür bietet Janssen einen gelungenen Einstieg in das Zusammenspiel der entsprechenden Rege-

lungen in StPO und StGB und bietet durch seinen umfangreichen Fußnotenapparat darüber hinaus die Möglichkeit, weiterführende Fragen zu beantworten.

Franz Heinz, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Erlangen, Akademischer Rat an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

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Dirk Sauer: Konsensuale Verfahrensweisen im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht; Praxis der Strafverteidigung, Bd. 37, Verlag C.F.Müller, 254 Seiten, 45 €, Heidelberg 2008.

In dem Vorwort zu seiner Arbeit führt Sauer aus, bei einer gesetzlichen Regelung von Absprachen sei zu erwarten, dass schlicht diejenige Dogmatik der Urteilsabsprache, die der BGH entwickelt habe, in ganz wesentlichen Teilen in Gesetzesform gegossen werde. Deshalb seien Verteidiger gut beraten, sich mit den Regeln ganz unabhängig davon vertraut zu machen, ob sie bereits in die StPO aufgenommen worden seien oder nicht. Das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 28. Mai 2009 hat die vom BGH entwickelten Regeln teilweise übernommen, teilweise abweichende Regelungen getroffen, etwa an die Stelle der gerichtlichen Zusage einer Strafobergrenze bei einem Geständnis die Vereinbarung des Gerichts mit der Zusage einer Unter- und Obergrenze der Strafe gesetzt (§ 257c III StPO), ohne zwingend ein Geständnis zu verlangen (§ 257c II 2 StPO), und ein gegenüber der Rechtsprechung des BGH erleichtertes Abgehen des Gerichts von der Vereinbarung eingeführt (§ 257c IV StPO). Dies alles berührt die Grundtendenz des Werkes nicht, das allenthalben zur Vorsicht in der Handhabung konsensualer Verfahrenserledigungen mahnt, ohne sie zu verteufeln. Wichtig ist vor allen Dingen, dass Sauer mehrfach hervorhebt, jede Absprache setze eine vollständige, alle Risiken und Vorteile abwägende Information des Mandanten voraus.

Im 1. Teil beschäftigt sich Sauer zunächst mit den hergebrachten Möglichkeiten konsensualer Verfahrenserledigungen, also mit dem Strafbefehlsverfahren und den Einstellungen nach §§ 153, 153a StPO (S. 1-9). Dabei hebt er zu Recht hervor, dass die Einführung des § 153a StPO, die Erweiterungen der Einstellungsmöglichkeiten bis weit in den Bereich der mittleren Kriminalität und die Ausdehnung des Strafbefehlsverfahrens einen besonders schweren Eingriff in das Gefüge des deutschen Strafprozessrecht darstellten (S. 3). Die praktische Bedeutung im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht bleibe davon unberührt. Der Verteidiger stehe tagtäglich vor der Notwendigkeit, über konsensuale Erledigungen durch Strafbefehl oder durch ein Austauschgeschäft nach § 153a StPO nachzudenken und seinen Mandanten über Verständigungsmöglichkeiten aufzuklären (S. 7 ff). Dies habe auch zu einem veränderten Bild des Strafverteidigers geführt, der nicht nur die Rolle des "engagierten Streiters", sondern auch die des Konsensorganisators beherrschen müsse (S. 9). Sauer wendet sich dann in dem 2. Abschnitt dieses Teils dem Streit um die Urteilsabsprache zu (S. 10-52). Den Schwerpunkt dieses Teils bildet die "Positionsbestimmung" (S. 20-52). Dabei hebt Sauer zu Recht hervor, dass sich bei einvernehmlichen Verfahrenserledigungen der Verteidiger in der schwierigsten Situation befindet, weil er den Interessen des Mandanten verpflichtet ist und folglich sich Angeboten seitens des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft nicht entziehen kann, sondern verpflichtet ist, zu prüfen, ob sein Mandant durch eine konsensuale Lösung Vorteile oder eher Nachteile zu besorgen hat (S. 20 ff). Dabei könne er die Rechtsprechung - und dies gilt heute ebenso für § 257c StPO - nicht ignorieren und sich nicht schlicht auf den Standpunkt zurückziehen, die Rechtsprechung sei auf Abwege geraten und er wirke an Absprachen nicht mit. Freilich müsse er sich stets eine eigene Position in dem Meinungsstreit bilden. Sauer sieht die Ursachen für die Ausbreitung konsensualer Verfahren nicht in einem Verfall der Rechtskultur, sondern in einer Anpassung der Praxis an gewandelte Wertvorstellungen und Anforderungen an das Rechtssysten, denen sich auch die Strafjuristen nicht entziehen könnten (S. 24 f.). Er sieht die mutmaßlichen Ursachen in dem Paradigmenwechsel von der Vergeltung zur Prävention (S. 25 f.), in der Stärkung der Rolle des mutmaßlichen Opfers (S. 26 f.) und in der Fehlentwicklung des materiellen Strafrechts mit der Folge der Unklarheit über den Ausgang eines langen, den Beschuldigten belastenden Verfahrens, oft medial aufbereitet "zu einem gesellschaftlichen Großereignis mit unübersehbaren Ursachen und Wirkungen" (S. 27 ff.). Sauer ist darin zuzustimmen, dass gerade der letzte Punkt zu dem ständigen Bestreben führt, einen Verfahrensabschluss ohne Hauptverhandlung oder in einer kurzen, abgesprochenen Hauptverhandlung anzustreben. Die Auseinandersetzung Sauers mit der Rechtsprechung und ihren Kritikern (S. 32 ff.) ist auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren noch lesenswert, weil sie an der unbestritten stets möglichen offenen und transparenten Hauptverhandlung anknüpft und schrittweise erwägt, welche Schritte gesetzwidrig, welche ohne weiteres zulässig und welche problematisch sind.

Im 2. Teil beschäftigt sich Sauer mit dem normativen Rahmen für konsensuale Verfahrensweisen (S. 53-166). Vorwegzuschicken ist, dass Sauers Betrachtungen auch nach der gesetzlichen Regelung der Verständigung vollständige Beachtung verdienen. Prägnant führt er aus, der "klassische" Verteidiger, der sich sorgfältig mit dem Sachverhalt unter allen rechtlichen Aspekten vertraut gemacht habe und alle für seinen Mandanten sprechenden Gesichtspunkte kunstgerecht in das Verfahren eingeführt habe, trage keine Verantwortung für eine Verurteilung und die persönlichen, wirtschaftlichen und beruflichen Folgen für den Mandanten. Die Möglichkeit eines konsensualen Verfahrensabschlusses stelle den "neuen Strafverteidiger" vor die Entscheidung, ob und wann er die Verteidigung einstelle, nicht weil sie aussichtslos geworden sei, sondern weil es aus übergeordneten Gründen sinnvoll erscheine, dem Mandanten die Belastungen und die Risiken einer "klassischen Verteidigung" zu ersparen, auch um den Preis einer Geldauflage oder einer (geringeren) Bestrafung. Damit übernehme der Verteidiger zugleich die Verantwortung (und die zivilrechtliche Haftung) für sämtliche Folgen, die bei Fortführung des streitigen Verfahrens vielleicht vermeidbar gewesen wären. Dies gelte umgekehrt auch für die Verweigerung

eines konsensualen Verfahrensabschlusses (S. 53 f.). Dies führe zu einer gänzlich neuen Verteidigerrolle, die Sauer wie folgt umschreibt (S. 56):

Der Verteidiger müsse erkennen, welche Nachteile bzw. Risiken auf der einen und welche Vorteile bzw. Chancen auf der anderen Seite mit der einvernehmlichen Verfahrensweise für den Mandanten verbunden sein könnten; er müsse wissen, wie sich durch sein Verhandeln der Nutzen mehren und der Schaden verringern ließe; er müsse beurteilen können, wie das Ganze ggf. sachgerecht umgesetzt werden könne; er müsse auf der umfassend erarbeiteten, aber trotzdem unsicheren Grundlage einschätzen, welcher der beiden Wege - Konsens oder Konflikt - im Ergebnis vorzuziehen sei (S. 56). Dabei seien die möglichen außerstrafrechtlichen Folgen, zum Beispiel berufsrechtliche, stets sorgfältig zu prüfen.

Sauer geht dann auf die verfahrensbeendenden Verständigungen im Einzelnen ein, zunächst auf die Einstellungen nach §§ 153 ff. StPO (S. 59 ff.), alsdann auf das Strafbefehlsverfahren (S. 72 ff.) und schließlich auf die Urteilsabsprache (S. 78 ff.). Die jeweiligen rechtlichen Voraussetzungen legt er knapp und klar dar, wobei er zu Recht prognostiziert, eine gesetzliche Regelung der Absprachen werde sich nicht allzu weit von der Rechtsprechung des BGH entfernen (S. 96 ff). Auf die Ausführungen zu strafzumessungsrelevanten Gesichtspunkten bei Absprachen (S. 99 ff.) folgen detaillierte und gründliche Erläuterungen zu außerstrafrechtlichen Folgen (S. 111 ff.), insbesondere zu beruflichen Auswirkungen, die erfahrungsgemäß oft nicht berücksichtigt werden, genauso wie häufig nicht bedacht wird, dass Informationen über das Strafverfahren an Berufsorgane zwingend erfolgen. Auch die Darstellung dazu (S. 131 ff.) ist hervorragend. Gelungene Ausführungen zum Steuerstrafverfahren und zum Besteuerungsverfahren (S. 138 ff.) sowie zu konsensualen Verfahrensweisen im Ermittlungsverfahren unter Hervorhebung des jeweiligen "Verständigungspotentials" (S. 151 ff.) schließen diesen Teil der Arbeit ab.

"Was man tun kann (oder lassen sollte): Praxishinweise" lautet die Überschrift des letzten Teils (S. 167 ff.). Wer hier eine Checkliste erwartet, wird enttäuscht. Wer Antworten darauf sucht, wie man sich als Verteidiger strafprozessual korrekt und verantwortungsvoll gegenüber dem Mandanten (und den anderen Beteiligten) verhält, wird reich belohnt. Die Überschriften zu den einzelnen Abschnitten verdeutlichen, dass und warum es Sauer um die Grundlinien eines Verhaltskodex geht: Kein grundsätzlicher Gegensatz zwischen Prozessrecht und Mandanteninteresse (S. 169 ff.), weder Wunderwaffe noch Bankrotterklärung der Verteidigung (S. 172 f.), kein durchgängiger Widerspruch zwischen Konflikt und Konsens (S. 173 f.), Achtung des Selbstbestimmungsrechts des Mandanten (S. 174 ff.), keine Mitwirkung an Verurteilungen auf unzureichender oder unzutreffender Tatsachengrundlage (S. 176 ff.), keine Beliebigkeit hinsichtlich der Gegenstände von Verständigungen (S. 178 f.), kein "Strafverfahren light" (S. 179 f.). Richtig verstanden, so führt Sauer zutreffend aus, kämen konsensuale Verfahrensweisen für die Verteidigung so weit, aber auch nur so weit als Handlungsalternativen in Betracht, wie die Spielräume zum Wohle des Mandanten genutzt werden könnten, ohne mit dem geltenden Recht - jetzt also ohne mit § 257c StPO - in Konflikt zu kommen (S. 180). Überlegungen zur konsensualen Gestaltung des Verfahrensablaufs und einzelner Verfahrensschritte (S. 181 ff.) schließen die Arbeit ab.

Sauers Abhandlung ist in der Reihe "Praxis der Strafverteidigung" erschienen. Sie geht aber weit über eine Praxisorientierung hinaus, weil sie den gelungenen Versuch darstellt, ein Verteidigerethos bei Absprachen zu entfalten, das zeitlos und unabhängig von der jetzt geltenden gesetzlichen Regelung Beachtung fordert und deshalb Pflichtlektüre für jeden Strafverteidiger sein sollte.

Prof. Dr. Heinz Wagner, Ahrensburg/Universität Kiel (em.)

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Till Soyka: Untreue zum Nachteil von Personengesellschaften; Duncker & Humblot, Strafrechtliche Abhandlungen - Neue Folge, Bd. 200, 282 Seiten, 74,- €, Berlin 2008.

I. Die Literatur zur Untreue (§ 266 StGB) zu Lasten von Kapitalgesellschaften bzw. von Juristischen Personen überhaupt hat mittlerweile ein nicht mehr zu überschauendes Ausmaß erreicht. Primär gilt das seit jeher für die GmbH-Untreue. Bedingt durch die Entscheidung des BGH im Fall "Mannesmann/ Vodafone" (BGHSt 50, 331 ff.) ist in den letzten Jahren auch die Untreue durch die Organe einer Aktiengesellschaft verstärkt in den Blick genommen worden. Die wissenschaftliche und dogmatische Aufarbeitung ist des Weiteren auch nicht an den Juristischen Personen des BGB vorbeigegangen: der Stiftung (vgl. Lassmann, Stiftungsuntreue, Berlin 2008; ders., NStZ 2009, 473 ff.) und dem eingetragenen Verein (vgl. Eisele, GA 2001, 37 ff.).

Vergleichsweise gering ist hingegen das Interesse, was die Untreue im Zusammenhang mit Personengesellschaften angeht. Diese Abstinenz verwundert aus mehreren Gründen. Zum einen ist die Anzahl der in Deutschland registrierten Handelsgesellschaften nur unwesentlich kleiner als die der Gesellschaften mbH. Anders als bei Verbänden mit Rechtspersönlichkeit (e.V., GmbH, AG, eG) herrscht zum anderen bei Personengesellschaften (OHG, KG, GbR, nichtrechtsfähiger Verein) nicht nur begrifflich, sondern auch inhaltlich erhebliche Unsicherheit in der Festlegung ihrer gesellschaftsrechtlichen Struktur: eine Unsicherheit, die sich naturgemäß auf die strafrechtlichen Wertungen niederschlagen muss (und sollte). Vermutlich liegt es gerade an dieser "Grundlagenungewissheit" (Beuthien, NJW 2005, 855), dass sich die Strafrechtslehre weitgehend zurückhält und die einschlägige BGH-Rechtsprechung unwidersprochen hinnimmt.

Die hier zu besprechende Untersuchung, eine von Rönnau betreute Hamburger Dissertation, füllt demnach eine Lücke und soll, wie Soyka am Ende schreibt, "zumindest

Anlass geben, über die bisherige Handhabung der Untreue zum Nachteil von Personengesellschaften noch einmal kritisch nachzudenken."

II. Zentrales Thema der Abhandlung ist die Frage, wem das Vermögen einer Personengesellschaft zuzuordnen ist. Gleich zu Anfang gibt Soyka zu bedenken, dass die Antwort darauf mit weitreichenden Konsequenzen verbunden ist. So hat das Einverständnis der Gesellschafter in Schädigungsakte nur dann tatbestandsausschließende Wirkung, wenn ihnen die Vermögensdispositionsbefugnis zuzusprechen ist. Wäre das anzunehmen, wäre überdies etwa bei einer Familien-KG für die Strafverfolgung ein Strafantrag erforderlich, §§ 266 Abs. 3, 247 StGB, und schließlich kann die Vermögensinhaberschaft auch für die Schadensberechnung und damit für die Strafzumessung bedeutsam sein.

1. In den "Vorüberlegungen" zeigt Soyka auf, dass insgesamt fünf Lösungen in Betracht kommen: Zu nennen ist erstens die Konzeption, die das Vermögen anteilig den einzelnen Gesellschaftern zuschlägt. Dem steht zweitens die Lehre gegenüber, nach der das Gesellschaftsvermögen als gebundenes Sondervermögen den Gesellschaftern zusammen, d.h. in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zusteht. Eine Sonderstellung nimmt drittens die Meinung ein, der zufolge - wie bei der Juristischen Person - das Vermögen allein der Gesellschaft gehört (K. Schmidt). Eine vierte Ansicht (Nelles) löst sich von den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben und entwickelt ein originär strafrechtliches Konstrukt: Weil es der Gesellschaftergesamtheit vorbehalten ist, über den Vermögenseinsatz zu entscheiden, muss zwangsläufig ihr das Vermögen der Gesellschaft zugeordnet werden. Als fünften und letzten Ansatz wird von Soyka selbst das Modell einer "Doppelzuständigkeit" herausgearbeitet. Vermögensnachteile betreffen das Sondervermögen und zugleich das Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter in Gestalt ihrer Mitgliedschaftsrechte.

2. Diese Thesen werden in den Folgekapiteln wieder aufgegriffen, konkretisiert und analysiert. Hierbei geht Soyka jeweils ausführlich auf die rechtlichen Konsequenzen - Vermögensbetreuungspflicht, Einverständnis, Schaden, Strafantrag - ein.

a) Unter - nach Soyka: fälschlicher - Berufung auf die gebotene Zivilrechtsakzessorietät gehen BGH und h.L. davon aus, dass mit Rücksicht auf die fehlende Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft als Geschädigte i.S. des § 266 StGB nur die einzelnen Gesellschafter in Betracht kommen. Demgemäß schließt ein Einverständnis aller Gesellschafter die Strafbarkeit aus, während das Einverständnis eines oder mehrerer Mitgesellschafter die Höhe des Schadens entsprechend verringert. Breiten Raum nimmt in diesem Zusammenhang die informative Darstellung der möglichen Schadensposten ein (S. 64-93), bei der Soyka zwischen den einzelnen Gesellschaftstypen differenziert und zudem das Gesellschaftsgeflecht der GmbH & Co. KG in die Betrachtung einbezieht. In seiner Kritik deckt Soyka vor allem die unübersehbaren Schwachstellen in der Schadensdogmatik des BGH auf, der er letztlich "Konzeptlosigkeit und Unklarheit" bescheinigt (S. 138).

b) Den Vorzug gibt Soyka der im Gesellschaftsrecht überwiegenden Auffassung, die das Vermögen der Gesellschaftergesamtheit zuweist (S. 139-166). Abermals werden die Folgerungen dieser Prämisse nachgezeichnet, wonach das Einverständnis grundsätzlich von allen Gesellschaftern getragen werden muss und ein Strafantrag nur notwendig ist, wenn sämtliche Gesellschafter zum Personenkreis des § 247 StGB gehören. Für ein straflos stellendes Einverständnis soll es nach Soyka allerdings auch ausreichen, wenn der Beschluss der Gesellschafter mit Mehrheit zustande gekommen ist (S. 149), es sei denn, es ist ein Einstimmigkeitsprinzip vorgesehen. Wenn Soyka darüber hinaus den Standpunkt einnimmt, der Beschluss dürfe gegenüber den überstimmten Mitgesellschaftern nicht treuwidrig sein (S. 152), hätte man sich gerade zu diesem Punkt nähere Ausführungen gewünscht.

c) Vernachlässigt werden kann an dieser Stelle die Theorie, die die Personengesellschaft selbst als Vermögensinhaberin wertet. Zum einen ist nicht zu erwarten, dass sich dieser Ausgangspunkt im Strafrecht jemals durchsetzen könnte. Zum anderen bereitet hier die Schadensberechnung keine Schwierigkeiten, und es ist auch klar, dass es ein Strafantragserfordernis nicht gibt. Die Frage ist nur, ob und inwieweit beim Einverständnis auf GmbH-Grundsätze zurückgegriffen werden kann (dazu ausführlich Soyka, S. 169-192).

d) Keine Abweichungen zu b) ergeben sich auf der Grundlage der Sichtweise, die sich vom Gesellschaftsrecht zu emanzipieren sucht (S. 196-200) und das Ergebnis einer Gesamtzuständigkeit lediglich auf eine autonom strafrechtliche Herleitung stützt.

e) Hiernach entwickelt Soyka sein eigenes Lösungsmodell (S. 201-246): Schädigungen des Gesellschaftsvermögens fallen auf die Wertigkeit der Mitgliedschaftsrechte des einzelnen Gläubigers zurück. Die Treupflicht des Geschäftsleiters gegenüber den Gesellschaftern wird dabei - was nicht unangreifbar erscheint - auf ein tatsächliches Treueverhältnis zurückgeführt. Der (mittelbare) Individualschaden berechnet sich nach der entsprechenden Verlustquote, ablesbar aus der Verringerung des jedem einzelnen zugewiesenen Kapitalkontos. In Bezug auf seinen Geschäftsanteil kann jeder Gesellschafter mit (insoweit) strafbefreiender Wirkung sein Einverständnis erklären. Zivilrechtlich wirksame (und überdies treugemäße) Mehrheitsbeschlüsse muss der Überstimmte gegen sich gelten lassen, mit der Folge, dass eine Untreue zu seinem Nachteil ausgeschlossen ist.

3. Im Schlusskapitel (S. 247-268) stellt Soyka die fünf Lösungsvorschläge nochmals wertend (mit Schaubild, S. 249) einander gegenüber und wirft zuletzt die Frage auf, wie sich die beiden von ihm favorisierten Sichtweisen konkurrenztechnisch zueinander verhalten. Sein Ergebnis lautet, dass die Untreue zum Nachteil des Gesellschafts(sonder-)vermögens im Wege der Konsumtion von der Untreue zu Lasten der einzelnen Gesellschafter verdrängt wird: Formaljuristisch seien zwar getrennte Vermögensmassen betroffen; gleichwohl sei der Unrechtsgehalt beider Taten im Kern identisch.

Dies freilich lässt Bedenken zurück. Denn gerade bei der Untreue ist es gang und gäbe, dass es trotz einer Schädigungsaktion zu Verdoppelungen oder sogar zu Vervielfachungen kommt. Erinnert sei nur an den Insolvenzverwalter, der sich im Umgang mit dem ihm anvertrauten Vermögen zu unredlichen Machenschaften versteigt. Obwohl hier nur ein Vermögen - die Konkursmasse - in Rede steht, ist dennoch auf zwei - eigenständige - Taten zu erkennen: Untreue zu Lasten des Schuldners und zum Nachteil der Insolvenzgläubiger.

III. Resümierend kann festgehalten werden, dass die von Soyka aufgezeigten Ergebnisse sich nur marginal von der Einzelbetrachtung der im Strafrecht h.A. unterscheiden. Zu Abweichungen kommt es nur mit Blick auf Mehrheitsbeschlüsse der Gesellschafter, die sich aber praktisch kaum auswirken, weil Soyka insoweit das Korrektiv der Treuwidrigkeit einbaut. Dementsprechend liegt das Verdienst des Werkes nicht darin, ein Gegenkonzept vorzustellen. Es ist vielmehr darin zu sehen, dass die h.M. in Annäherung an die Erkenntnisse im Gesellschaftsrecht auf eine solidere dogmatische Grundlage gestellt wird.

Professor Dr. Jürgen Seier, Universität zu Köln