HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 650
Bearbeiter: Stephan Schlegel
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1119/05, Beschluss v. 09.07.2009, HRRS 2009 Nr. 650
1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 3. Juni 2005 - 58 Qs 26/05 - und der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 13. April 2005 - 272 Gs 5572 Js 21389/05 (2184/05) -, verletzen den Beschwerdeführer zu 1. in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit sie die Anordnung der Durchsuchung seiner Privatwohnung betreffen. Der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 3. Juni 2005 - 58 Qs 26/05 - verletzt insoweit den Beschwerdeführer zu 1. auch in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 3. Juni 2005 - 58 Qs 25/05 - und der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 13. April 2005 - 272 Gs 5572 Js 21389/05 (2184/05) -, verletzen den Beschwerdeführer zu 2. in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit sie die Anordnung der Durchsuchung seiner Privatwohnung betreffen. Der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 3. Juni 2005 - 58 Qs 25/05 - verletzt insoweit den Beschwerdeführer zu 2. auch in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 28. Juli 2005 - 58 Qs 37/05 - und der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 27. Juni 2005 - 272 Gs 2950/05 - verletzen den Beschwerdeführer zu 3. in seinen Grundrechten aus Artikel 13 Absatz 1 und Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes, soweit sein Antrag, die Durchsuchung der Geschäftsräume für unzulässig zu erklären, zurückgewiesen wird.
3. Die Beschlüsse werden insoweit aufgehoben und die Sachen an das Landgericht Hannover zur Entscheidung über die Kosten zurückverwiesen.
4. Im Übrigen werden die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen.
5. Das Land Niedersachsen hat den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 1. und zu 2. richten sich jeweils gegen die Anordnung der Durchsuchung von Privatwohnungen und eines Wettbüros wegen des Verdachts der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen gemäß § 284 StGB (Oddset-Sportwetten) in der Zeit vor Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276). Der Beschwerdeführer zu 3. wendet sich gegen die richterliche Bestätigung der Durchsuchung desselben Wettbüros und gegen die Beschlagnahme bei der Durchsuchung des Wettbüros sichergestellter Gegenstände.
Im Januar 2005 wurde die Polizei in Hannover auf ein Sportwettbüro aufmerksam. Eine Überprüfung ergab, dass der Beschwerdeführer zu 2. die Räumlichkeiten gemietet und ein Herr E. zum 6. Januar 2005 bei der Stadt Hannover die Vermittlung von Sportwetten an einen britischen Wettanbieter als Gewerbe in den Räumen angemeldet hatte. Bei einer weiteren Überprüfung am 1. Februar 2005 wurden in den Geschäftsräumen der Beschwerdeführer zu 1. und ein Herr V. angetroffen. Der Beschwerdeführer zu 1. war nach dem Eindruck der ermittelnden Polizeibeamten für die Geschäftsführung verantwortlich. Herr V. gab an, lediglich als Ansprechpartner zu fungieren; Inhaber des Wettbüros seien Herr E. und der Beschwerdeführer zu 2.
Der britische Wettanbieter verfügte über eine britische Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten, die ihm auch die Entgegennahme von über das Internet aus dem Ausland vermittelten Sportwetten gestattete. Die Beschwerdeführer, Herr E. und Herr V. hatten keine behördliche Erlaubnis für die Veranstaltung oder Vermittlung von Sportwetten. Das deutsche Recht sah keinen Erlaubnistatbestand für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten durch Privatpersonen vor. Bei den vermittelten Wetten handelte es sich nicht um Wetten bei öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde, deren Abschluss und Vermittlung nach dem als Bundesrecht fortgeltenden und vom Bundesgesetzgeber mehrfach geänderten Rennwett- und Lotteriegesetz vom 8. April 1922 (RGBl I S. 335, 393) erlaubt werden konnten. Die Länder gestatteten die Veranstaltung von Wetten nur durch den Staat oder von ihm beherrschte Unternehmen in Privatrechtsform. Nach § 3 Abs. 2 NLottG vom 21. Juni 1997 (Nds. GVBl S. 289), geändert durch Art. 10 des Haushaltsbegleitgesetzes 2005 vom 17. Dezember 2004 (Nds. GVBl S. 664), durfte eine Konzession für das Veranstalten öffentlicher Wetten über den Ausgang sportlicher Wettkämpfe (Sportwetten) nur einer Gesellschaft (Wettunternehmen) erteilt werden, an der das Land unmittelbar oder mittelbar beteiligt war und deren andere Beteiligte entweder juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Zusammenschlüsse oder Gesellschaften solcher Personen waren oder die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes 1996 erfüllten.
Mit Beschluss vom 13. April 2005 ordnete das Amtsgericht Hannover die Durchsuchung der Wohnungen der Beschwerdeführer zu 1. und zu 2. und des Herrn E. sowie die Durchsuchung des Wettbüros an. Nach den bisherigen Ermittlungen seien Herr E. und der Beschwerdeführer zu 2. Inhaber des Wettbüros; der Beschwerdeführer zu 1. sei Verantwortlicher oder Geschäftsführer vor Ort. Ihr Verhalten verwirkliche den Tatbestand von § 284 Abs. 1 StGB, weil die von einem anderen europäischen Staat erteilte Buchmachererlaubnis nicht von der Genehmigungspflicht in Deutschland befreie. Es sei zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung im Einzelnen bezeichneter Beweismittel führen werde.
Die Durchsuchungen der Wohnungen der Beschwerdeführer zu 1. und 2. und des Herrn E. sowie die Durchsuchung des Wettbüros wurden am 4. Mai 2005 vollzogen. Im Wettbüro wurden zwei Rechner, ein Faxgerät, Token, Unterlagen und Bargeld sichergestellt, in der Wohnung des Beschwerdeführers zu 1. eine Einkaufsberechtigung und in der Wohnung des Beschwerdeführers zu 2. weitere Unterlagen. In der Wohnung des Herrn E. wurde eine Gewerbeabmeldung vom 5. April 2005 aufgefunden, die als Datum der Betriebsaufgabe den 28. Februar 2005 auswies.
Der Beschwerdeführer zu 1. erhob Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss. Nicht Herr E., sondern der Beschwerdeführer zu 3. sei mittlerweile Inhaber des Wettbüros. Er sei lediglich dessen Aushilfe. Der Beschwerdeführer zu 3. habe die Vermittlung von Sportwetten als Gewerbe angezeigt und streite sich derzeit mit dem Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport über die Zulässigkeit seiner Tätigkeit. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers zu 3. erfülle den Tatbestand von § 284 StGB nicht. Sportwetten seien keine Glücksspiele, sondern auf Wissen basierende Geschicklichkeitsspiele. Der Beschwerdeführer zu 3. habe die Sportwetten nicht veranstaltet, sondern vermittelt. Die Vermittlung und die Veranstaltung von Glücksspielen seien - auch im Hinblick auf das strafrechtliche Analogieverbot - nicht gleichzustellen. Vielmehr sei die Vermittlung eine straflose Vorbereitungshandlung. Der Beschwerdeführer zu 3. habe nicht ohne Erlaubnis gehandelt. § 284 StGB sei gemeinschaftsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass die Konzession des britischen Wettanbieters eine Erlaubnis im Sinne von § 284 StGB sei. Andernfalls werde die Dienstleistungsfreiheit des britischen Wettanbieters verletzt. Lege man die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zugrunde, sei die Vermittlung von Sportwetten sogar ohne behördliche Erlaubnis zulässig. Danach seien Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nur aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls zulässig. Sie müssten Störungen der sozialen Ordnung vorbeugen, den vorhandenen Spieltrieb der Bevölkerung vor Ausbeutung schützen und daher die Spielmöglichkeiten einschränken. Das Sportwettenmonopol des Landes Niedersachsen diene jedoch keinen zwingenden Gründen des Allgemeinwohls, sondern vorrangig fiskalischen Interessen. Die Verbraucher würden systematisch dazu ermuntert, an den staatlich veranstalteten Sportwetten teilzunehmen, um die Landeseinnahmen zu steigern. Das Bundesverfassungsgericht habe in einem Beschluss vom 27. April 2005 (BVerfGK 5, 196) festgestellt, dass erhebliche Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit von § 284 StGB nicht ohne Verstoß gegen das Willkürverbot ausgeschlossen werden könnten. Gegebenenfalls sei daher ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften einzuleiten. Darüber hinaus verstoße die strafrechtliche Verfolgung gegen Art. 12 und Art. 3 Abs. 1 GG. Dem Land Niedersachsen fehle die Gesetzgebungskompetenz für die Errichtung eines staatlichen Sportwettenmonopols, welches ein der ausschließlichen Bundeskompetenz unterliegendes Finanzmonopol (Art. 105 Abs. 1 GG) sei. Das staatliche Sportwettenmonopol verletze ihn in seiner Berufsausübung, die im Sinne einer objektiven Zulassungsschranke verhindert werde. Die ungleiche Behandlung von Pferdewetten, für deren Veranstaltung und Vermittlung nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz eine Erlaubnis erteilt werden könne, und sonstigen Sportwetten verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Er habe nicht vorsätzlich gehandelt. Vielmehr habe er davon ausgehen dürfen, dass die Erlaubnis des britischen Wettanbieters auch in Deutschland gelte, zumal eine Untersagungsverfügung bislang nicht ergangen sei. Zumindest habe er wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums ohne Schuld gehandelt. Denn die Vermittlung von Sportwetten in das europäische Ausland finde in ganz Deutschland statt. Die Durchsuchung sei schließlich nicht erforderlich gewesen, weil er seine Tätigkeit nie bestritten habe.
Auch der Beschwerdeführer zu 2. erhob Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss. Seine Begründung entsprach dem Beschwerdevorbringen des Beschwerdeführers zu 1.. Ergänzend machte er geltend, er habe die durchsuchten Geschäftsräume lediglich gemietet und an den derzeitigen Gewerbetreibenden, den Beschwerdeführer zu 3., untervermietet. Da er dies nie bestritten habe, sei die Durchsuchung nicht erforderlich gewesen.
Der Beschwerdeführer zu 3. stellte einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung und beantragte die Herausgabe der in den Geschäftsräumen sichergestellten Gegenstände. Der Durchsuchungsbeschluss sei nicht gegen ihn gerichtet gewesen, sondern allein gegen den Vorinhaber des Wettbüros, Herrn E., und die Beschwerdeführer zu 1. und zu 2.. Sein Name sei jedoch an der Eingangstür der Geschäftsräume zu sehen gewesen. Daher hätte vor der Durchsuchung ein neuer Durchsuchungsbeschluss ergehen müssen. Im Übrigen entsprach sein Vorbringen dem der Beschwerdeführer zu 1. und zu 2..
Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft erklärte ein Polizeibeamter, der bei der Durchsuchung der Geschäftsräume anwesend gewesen war, dass kein Namensschild gesehen worden sei. Während der Durchsuchung hätten sich auch sonst keine Hinweise auf den Beschwerdeführer zu 3. ergeben. In den Geschäftsräumen sei bei der Durchsuchung lediglich der Bruder des Beschwerdeführers zu 1. angetroffen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelte daraufhin, dass der Beschwerdeführer zu 3. am 5. April 2005 bei der Stadt Hannover die "Vermittlung von Sportwetten für Goal" zum 1. April 2005 als Gewerbe angemeldet hatte.
Mit zwei gleichlautenden Beschlüssen vom 3. Juni 2005 verwarf das Landgericht Hannover die Beschwerden der Beschwerdeführer zu 1. und zu 2. unter Bezugnahme auf die Begründung des Amtsgerichts Hannover. Ergänzend machte es sich eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zu Eigen, die es auszugsweise wie folgt zitierte:
"Wegen der rechtlichen Einordnung der Strafbarkeit verweise ich auf den Beschluss des Nieders. OVG vom 17. März 2005 ... Allerdings hat das BVerfG mit Beschluss vom 27. April 2005 ... eine andere Auffassung vertreten und Zweifel an der Konformität der deutschen Rechtslage mit Gemeinschaftsrecht geäußert, wobei die Konformität "kaum ohne eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ausgeräumt werden könne". Der Verdacht einer Straftat ist damit jedoch nicht ausgeräumt ... Das BVerfG hat in dem genannten Beschluss weder einen Verstoß des § 284 StGB gegen Verfassungsrecht festgestellt, noch einen Verstoß gegen Europarecht (schon da hierfür der Europ. Gerichtshof zuständig ist). In erster Linie beziehen sich die Reichweite und der Aussagegehalt der Entscheidung auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung der verwaltungsrechtlichen Untersagungsverfügung. Es wird allerdings nicht verkannt, dass das BVerfG letztlich Zweifel an der Konformität des § 284 StGB mit Europarecht geäußert hat, die ja letztlich seit der sog. "Gambelli-Entscheidung" des Europ. Gerichtshofs geäußert werden. Ohne dass der Europ. Gerichtshof feststellt, dass die deutschen Vorschriften gegen das Europarecht verstoßen, wird daher hier die Auffassung vertreten, dass der zureichende Anfangsverdacht einer Straftat weiterhin besteht und die Staatsanwaltschaft daher letzlich auch gehalten ist, die erforderlichen Beweise zu sichern."
Mit Beschluss vom 27. Juni 2005 wies das Amtsgericht Hannover den Antrag des Beschwerdeführers zu 3. zurück, die Durchsuchung der Geschäftsräume für unzulässig zu erklären und die sichergestellten Gegenstände zurückzugeben. Zugleich ordnete es die Beschlagnahme der sichergestellten Gegenstände als Beweismittel und des sichergestellten Bargelds als Einziehungsgegenstand an. Der Durchsuchungsbeschluss betreffe die zuvor von den früheren Betreibern und nunmehr vom Beschwerdeführer zu 3. genutzten Geschäftsräume. Eben diese seien auch durchsucht worden. Ein Namensschild des Beschwerdeführers zu 3. sei bei der Durchsuchung der Geschäftsräume nicht gesehen worden. Im Wettbüro sei ein Herr G. angetroffen worden, der sich als Vertreter des Beschwerdeführers zu 1. bezeichnet habe. Der Name des Beschwerdeführers zu 3. sei nicht erwähnt worden. Im Übrigen nahm das Amtsgericht Hannover Bezug auf die Ausführungen des Landgerichts Hannover in den Beschlüssen vom 3. Juni 2005.
Der Beschwerdeführer zu 3. legte gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 27. Juni 2005 Beschwerde ein. Er nahm Bezug auf sein bisheriges Vorbringen und machte ergänzend geltend: Das Amtsgericht habe sich nicht hinreichend mit den europarechtlichen Fragestellungen auseinandergesetzt. Dies verstoße in Anbetracht des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 2005 gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG. Könne ein Gericht nicht von einer Vereinbarkeit des deutschen Rechts mit Europarecht ausgehen, ohne den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anzurufen, müsse es diesen anrufen, zumindest aber von vorläufigen Maßnahmen absehen, die geeignet seien, in europäische Grundfreiheiten einzugreifen. Eine Durchsuchung und die Sicherstellung von Geld und Geschäftsunterlagen seien mit einer sofortigen Vollziehung vergleichbar, die Gegenstand des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 2005 gewesen sei. Zudem sei die Durchsuchung nicht erforderlich gewesen. Es sei unstreitig, dass und an wen er Sportwetten vermittle. Er habe diese Tätigkeit als Gewerbe angezeigt.
Das Landgericht Hannover verwarf die Beschwerde mit Beschluss vom 28. Juli 2005 unter Verweis auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses.
Die Ermittlungsverfahren gegen die drei Beschwerdeführer wurden nach Erlass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) am 1. August 2006 gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt. Dem Beschwerdeführer zu 3. wurden die beschlagnahmten Token, das Faxgerät und die beiden Rechner am 29. August 2006 wieder ausgehändigt; die beschlagnahmten Unterlagen hatte sich der Beschwerdeführer zu 3. bereits am 29. September 2005 kopiert, soweit er sie benötigte. Die Beschwerdeführer halten an ihren Verfassungsbeschwerden fest.
Die Beschwerdeführer - türkische Staatsangehörige - rügen die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 (Berufsfreiheit), Art. 3 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 2 GG.
1. §§ 284 ff. StGB seien verfassungswidrig. Ein legitimes Schutzgut sei nicht feststellbar; es werde bloßes Verwaltungsunrecht pönalisiert. Zu den grundrechtlich geschützten Freiheiten gehöre es, eigenes Vermögen zu gefährden. Die Strafbewehrung sei zum Schutz der Verbraucher nicht erforderlich; ausreichend seien das Lauterkeitsrecht und das Verbraucherschutzrecht. Allein die Absicherung des staatlichen Monopols, welchem das Strafrecht dem Anschein nach diene, könne den damit verbundenen Grundrechtseingriff nicht rechtfertigen.
2. Das niedersächsische Sportwettenmonopol sei verfassungswidrig.
a) Dem Land Niedersachsen fehle für die Errichtung eines Sportwettenmonopols die Gesetzgebungskompetenz, da es sich um ein vorwiegend der Erzielung von Einnahmen dienendes Finanzmonopol im Sinne von Art. 105 Abs. 1 GG handele, für das dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zustehe. Wie sich aus den - im Hinblick auf die Fußballweltmeisterschaft 2006 sogar verstärkten - Werbemaßnahmen der staatlichen Lotterieverwaltung ergebe, werde der Spieltrieb der Menschen ausgebeutet, um Einnahmen zu erzielen. Gründe der Gefahrenabwehr seien vorgeschoben.
b) Das staatliche Sportwettenmonopol begründe eine objektive Zulassungssperre für die Berufsausübung. Der staatliche Wunsch nach Einnahmen sei kein den Eingriff in die Berufsfreiheit rechtfertigender Zweck. Ein legitimer Zweck sei allein die Gefahrenabwehr. Dieses Ziel sei aber durch mildere Mittel als ein staatliches Sportwettenmonopol erreichbar. Es genüge eine gewerberechtliche Zuverlässigkeitskontrolle. Überzogenen Wettangeboten könne durch das Wettbewerbsrecht vorgebeugt werden. Die vom Staat vorgegebenen Ziele würden durch das Monopol sogar besonders schlecht erreicht, da Kontrolleur und Kontrollierter zusammen fielen. Private Unternehmen könnten überwacht werden, ohne dass ein staatlicher Einnahmeverlust zu befürchten sei.
c) Das staatliche Sportwettenmonopol verstoße gegen das Demokratieprinzip, da dem Staat hohe Einnahmen verschafft würden, dem Parlament aber faktisch die Kontrolle über die Mittelverwendung entzogen werde, da die Mittel von der staatlichen Lotterieverwaltung eingesetzt würden.
d) Die ungleiche Behandlung von Pferdewetten, für deren Veranstaltung und Vermittlung nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz eine Erlaubnis erteilt werden könne, und sonstigen Sportwetten verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz.
3. Die Durchsetzung des verfassungswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols im Wege der Durchsuchung verstoße gegen Art. 13 Abs. 1 GG. Die Durchsuchungsanordnung sei auch unverhältnismäßig, weil durch die Gewerbeanmeldung bekannt gewesen sei, dass Sportwetten vermittelt würden.
4. Die Gleichstellung der in § 284 StGB nicht genannten Vermittlung von Sportwetten mit den dort genannten Handlungsalternativen verstoße gegen das strafrechtliche Analogieverbot.
5. Art. 19 Abs. 4 GG sei verletzt, weil die angefochtenen Beschlüsse sich nicht hinreichend mit den schwierigen verfassungs- und europarechtlichen Fragen hinsichtlich der Vermittlung von Sportwetten beschäftigt hätten. Insbesondere fehle eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob angesichts der aktuellen Meinungsverschiedenheiten über die Vereinbarkeit des staatlichen Sportwettenmonopols mit dem Europarecht einschneidende Maßnahmen wie Durchsuchungen bis zu einer Klärung der Rechtslage zu unterbleiben hätten. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 27. April 2005 ausgeführt, dass sich die Frage der Vereinbarkeit von § 284 StGB mit europäischem Gemeinschaftsrecht voraussichtlich nicht ohne vorherige Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften werde klären lassen.
Das Niedersächsische Justizministerium hatte Gelegenheit zur Äußerung; es hat keine Stellungnahme abgegeben. Dem Bundesverfassungsgericht haben die staatsanwaltlichen Akten vorgelegen.
1. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. ist nur zulässig, soweit er sich gegen die Anordnung der Durchsuchung seiner Privatwohnung wendet. Sie ist unzulässig und wird daher nicht zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen die Anordnung der Durchsuchung der Privatwohnungen des Herrn E. und des Beschwerdeführers zu 2. sowie gegen die Anordnung der Durchsuchung der Geschäftsräume richtet. Insoweit fehlt dem Beschwerdeführer zu 1. mangels Selbstbetroffenheit die nach § 90 Abs. 1 BVerfGG erforderliche Beschwerdebefugnis. Diese ergibt sich im Hinblick auf die Durchsuchung der Geschäftsräume insbesondere nicht daraus, dass der Beschwerdeführer zu 1. in den Geschäftsräumen als Aushilfe gearbeitet hat. Bei Geschäftsräumen kommt der Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG grundsätzlich nur dem Unternehmer, nicht auch dem Arbeitnehmer zugute (vgl. Gornig, in: Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 13 Rn. 32; Schmitt Glaeser, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 2. Aufl. 2001, § 129 Rn. 53 m.w.N.; Ziekow/Guckelberger, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, Art. 13 Rn. 43 (Mai 2005) m.w.N.). Besonderheiten, aus denen sich ausnahmsweise auch für den Beschwerdeführer zu 1. hinsichtlich der Geschäftsräume ein Schutz durch Art. 13 Abs. 1 GG ableiten ließe, sind nicht ersichtlich.
2. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2. ist ebenfalls nur zulässig, soweit dieser sich gegen die Anordnung der Durchsuchung seiner Privatwohnung wendet. Sie ist unzulässig und wird daher nicht zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen die Anordnung der Durchsuchung der Privatwohnungen des Herrn E. und des Beschwerdeführers zu 1. und gegen die Anordnung der Durchsuchung der Geschäftsräume richtet. Insoweit fehlt dem Beschwerdeführer zu 2. mangels Selbstbetroffenheit die nach § 90 Abs. 1 BVerfGG erforderliche Beschwerdebefugnis. Diese ergibt sich im Hinblick auf die Durchsuchung der Geschäftsräume insbesondere nicht daraus, dass der Beschwerdeführer zu 2. Untervermieter der Geschäftsräume ist. Der den Wohnraum selbst nicht innehabende Vermieter ist nicht Träger des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG (vgl. Gornig, in: Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 13 Rn. 30; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 13 Rn. 12 (Okt. 1999); Ziekow/Guckelberger, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, Art. 13 Rn. 42 (Mai 2005) m.w.N.).
3. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 3. ist zulässig, soweit sie sich gegen die richterliche Bestätigung der Durchsuchung der Geschäftsräume richtet. Der Beschwerdeführer zu 3. ist insoweit im Gegensatz zu den Beschwerdeführern zu 1. und zu 2. beschwerdebefugt im Sinne von § 90 Abs. 1 BVerfGG, weil er Unternehmer des Wettbüros ist und daher durch die Durchsuchung der Geschäftsräume in Art. 13 Abs. 1 GG verletzt sein kann.
4. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden steht insoweit nicht entgegen, dass die Durchsuchungen bereits vollzogen worden sind. In Fällen besonders tiefgreifender und folgenschwerer Grundrechtsverstöße ist das Bundesverfassungsgericht vom Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses auch dann ausgegangen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kaum erlangen konnte (vgl. BVerfGE 81, 138 <140 f.>; 96, 27 <40>; 110, 77 <86>; 117, 244 <268> ). Ein derart tiefgreifender Grundrechtseingriff kommt vor allem bei Anordnungen in Betracht, die das Grundgesetz vorbeugend dem Richter vorbehalten hat (vgl. BVerfGE 96, 27 <29, 40>; 104, 220 <233>). Hierzu zählen insbesondere Durchsuchungen von Wohn- und Geschäftsräumen (vgl. BVerfGE 96, 27 <29, 41 ff.>; 104, 220 <233>; 117, 244 <269>).
5. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 3. auch gegen die Anordnung der Beschlagnahme der bei der Durchsuchung der Geschäftsräume sichergestellten Gegenstände richtet, ist sie unzulässig. Die Beschlagnahmeanordnung hat sich durch die Rückgabe der beschlagnahmten Gegenstände erledigt und beschwert den Beschwerdeführer zu 3. nicht mehr. Der Beschwerdeführer zu 3. hat keine konkrete Wiederholungsgefahr aufgezeigt; insbesondere ist nicht ersichtlich, ob er überhaupt noch beabsichtigt, künftig von Niedersachsen aus Sportwetten an einen Wettanbieter in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu vermitteln.
Die für Durchsuchungen geltenden Maßstäbe sind auf Maßnahmen, die - wie Beschlagnahmeanordnungen - noch vor ihrer Erledigung gerichtlich überprüft werden können, nicht ohne Weiteres übertragbar (vgl. BVerfGK 1, 65 <66>). Diese unterliegen anders als Durchsuchungen keinem verfassungsrechtlichen, sondern gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 StPO nur einem einfachgesetzlichen Richtervorbehalt. Der Eingriff, der mit einer Beschlagnahme verbunden ist, besteht in der fortdauernden Besitzentziehung und ist daher nicht an Art. 13 GG, sondern an Art. 14 GG zu messen (vgl. BVerfGK 1, 126 <133>). Insoweit kommt es für die Frage, ob ein besonders belastender Grundrechtseingriff vorliegt, auf die Umstände des Einzelfalls an.
Hier ist ein schwerwiegender Grundrechtseingriff durch den vorübergehenden Besitzentzug weder dargetan noch ersichtlich. Die beschlagnahmten Unterlagen hatte sich der Beschwerdeführer zu 3. kopiert, soweit er sie benötigte. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung durch den vorübergehenden Besitzentzug an den Token, dem Faxgerät und den beiden Rechnern hat der Beschwerdeführer zu 3. nicht dargelegt.
Soweit die Verfassungsbeschwerden zulässig sind, nimmt die Kammer sie zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführer angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihnen statt. Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerden, soweit sie zulässig sind, auch offensichtlich begründet sind (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).
1. Die Anordnungen der Durchsuchung der Privatwohnungen der Beschwerdeführer zu 1. und zu 2. verletzen diese jeweils in ihren Grundrechten aus Art. 13 Abs. 1 GG. Die richterliche Bestätigung der Durchsuchung der Geschäftsräume verletzt den Beschwerdeführer zu 3. in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG.
a) Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Auch beruflich genutzte Räume werden durch das Grundrecht geschützt (vgl. BVerfGE 32, 54 <68 ff.>; 42, 212 <219>; 97, 228 <265>). In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein (vgl. BVerfGE 51, 97 <107>; 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.> ). Voraussetzung für die Rechtfertigung dieses schwerwiegenden Eingriffs ist, dass der Verdacht einer strafbaren Handlung vorliegt; es muss mindestens möglich sein, dass der Verdächtige durch das Verhalten, das ihm vorgeworfen wird, eine nach materiellem Strafrecht strafbare Tat begangen hat (vgl. BVerfGE 20, 162 <185> ) und dass deshalb gegen ihn ein Strafverfahren durchgeführt werden kann (vgl. Müller, in: KMR, § 102 Rn. 4 (Juni 2008); Nack, in: Karlsruher Kommentar, 6. Aufl. 2008, § 102 Rn. 1; Schäfer, in: Löwe-Rosenberg, StPO und GVG, 25. Aufl. 2004, § 102 Rn. 8). Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung des von den Fachgerichten angenommenen Verdachts einer Straftat ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts. Es kann nur eingreifen, wenn die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts (§ 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO) als Anlass für die strafprozessuale Zwangsmaßnahme und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Beschwerdeführers beruhen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. März 2003 - 2 BvR 180/03 -, NStZ 2004, S. 160; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2004 - 2 BvR 766/03 -, NStZ-RR 2004, S. 143 <143 f.>). Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn die von den Fachgerichten dem Anfangsverdacht zugrunde gelegte Strafvorschrift wegen eines Verstoßes gegen Grundrechte nicht angewendet werden durfte.
b) Nach diesen Vorgaben verletzen die angegriffenen Beschlüsse die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Art. 13 Abs. 1 GG. Die Fachgerichte haben einen Anfangsverdacht gemäß § 284 StGB bejaht, obwohl die Strafvorschrift im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Beschlüsse wegen eines Grundrechtsverstoßes nicht anwendbar war.
aa) Über den Einwand der Beschwerdeführer, § 284 StGB sei seinerzeit auf die Vermittlung von Sportwetten an einen lizensierten Wettanbieter in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union wegen Verstoßes gegen das europäische Gemeinschaftsrecht nicht anwendbar gewesen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 9. Februar 2004 - 11 TG 3060/03 -, GewArch 2004, S. 153 <154>; AG Heidenheim, Urteil vom 19. August 2004 - 3 Ds 42 Js 5187/03 -, SpuRt 2005, S. 81 <81 f.>; LG Hamburg, Beschluss vom 12. November 2004 - 629 Qs 56/04 -, NStZ-RR 2005, S. 44; LG Baden-Baden, Beschluss vom 2. Dezember 2004 - 2 Qs 157/04 -, SpuRt 2005, S. 80; LG Köln, Beschluss vom 14. Juli 2005 - 105 Qs 80/05 -, juris; VG Köln, Beschluss vom 11. August 2006 - 6 L 736/06 -, juris; VG Arnsberg, Beschluss vom 22. August 2006 - 1 L 633/06 -, juris; OLG München, Urteil vom 26. September 2006 - 5 St RR 115/05 -, NJW 2006, S. 3588 <3591>; Lesch, GewArch 2003, S. 321 <324>; Hoeller/Bodemann, NJW 2004, S. 122 <125>; Lesch, wistra 2005, S. 241 <246>; Arendts, ZfWG 2007, S. 79 <82>; a.A.: BVerwG, Urteil vom 28. März 2001 - 6 C 2/01 -, NJW 2001, S. 2648 <2650 f.>; BGH, Urteil vom 14. März 2002 - I ZR 279/99 -, NJW 2002, S. 2175 <2176>; BGH, Urteil vom 1. April 2004 - I ZR 317/01 -, NJW 2004, S. 2158 <2160>; offen gelassen: BGH, Urteil vom 16. August 2007 - 4 StR 62/07 -, NJW 2007, S. 3078 <3079>), ist nicht zu entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht ist zur Entscheidung der Frage, ob eine innerstaatliche Norm des einfachen Rechts mit einer vorrangigen Bestimmung des europäischen Gemeinschaftsrechts unvereinbar und daher nicht anwendbar ist, nicht zuständig; eine Entscheidung über diese Normenkollision ist der umfassenden Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der zuständigen Gerichte überlassen (vgl. BVerfGE 31, 145 <174 f.>; 82, 159 <191>; 115, 276 <299 f.>).
bb) Im Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Entscheidungen war § 284 StGB auf den vorliegenden Sachverhalt indes von Verfassungs wegen nicht anwendbar.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. März 2006 entschieden, dass das im Zeitpunkt der hier angegriffenen Maßnahmen im Freistaat Bayern bestehende staatliche Wettmonopol angesichts des mit ihm einhergehenden Ausschlusses gewerblicher Wettveranstaltung durch private Wettunternehmer in seiner damaligen gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellte. Denn der - strafbewehrte - Ausschluss gewerblicher Wettangebote durch private Wettunternehmen ist den an entsprechender beruflicher Tätigkeit interessierten Bürgern nur dann zumutbar, wenn das Wettmonopol nicht nur nach den zu seiner Rechtfertigung angeführten Zielen, sondern auch in seiner konkreten Ausgestaltung der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischem Spielverhalten dient (vgl. BVerfGE 115, 276 <303, 309 f.>). Dies war in Bayern jedenfalls in der Zeit vor dem 28. März 2006 nicht der Fall (vgl. BVerfGE 115, 276 <309 ff.> ). Die staatliche Veranstaltung der Sportwette ODDSET verfolgte vielmehr erkennbar auch fiskalische Zwecke. Das tatsächliche Erscheinungsbild entsprach dem der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung. Dem entsprach eine breit angelegte Werbung, in der das Wetten als sozialadäquate, wenn nicht sogar positiv bewertete Unterhaltung dargestellt wurde (vgl. BVerfGE 115, 276 <313 ff.> ). Die Unverhältnismäßigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols in Bayern erfasste auch den Ausschluss der Vermittlung anderer als der vom Freistaat Bayern veranstalteten Wetten, deren Anbieten in Bayern nach der im Urteil vom 28. März 2006 zu Grunde gelegten fachgerichtlichen Auslegung ebenfalls als verboten angesehen wurde (vgl. BVerfGE 115, 276 <300> ). Denn auch der Ausschluss der Vermittlung anderer als vom Freistaat Bayern veranstalteter - vor allem also gewerblich veranstalteter - Wetten lässt sich am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nur rechtfertigen, wenn das Monopol rechtlich und faktisch insbesondere am - legitimen - Ziel der Suchtbekämpfung und Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (vgl. BVerfGE 115, 276 <303, 316>), woran es seinerzeit fehlte.
Diese Aussagen treffen in gleicher Weise auf die damalige Rechts- und Sachlage in Niedersachsen zu (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. Oktober 2007 - 1 BvR 973/05 -, juris).
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits geklärt, dass sich in Anbetracht der verfassungswidrigen Rechtslage jedenfalls für die Zeit vor dem 28. März 2006 eine allein auf § 284 StGB gestützte ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung nicht als rechtmäßig erweisen kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. November 2007 - 1 BvR 2218/06 -, NVwZ 2008, S. 301 <303>).
Gleiches gilt für auf § 284 StGB gestützte richterliche Anordnungen und Bestätigungen von Durchsuchungen. Die seinerzeitige Verfassungswidrigkeit des strafbewehrten Ausschlusses privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten führt nach ganz überwiegender Auffassung einschließlich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu, dass für die hier maßgebliche Zeit vor Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 kein staatlicher Strafanspruch gegen private Vermittler von Oddset-Sportwetten besteht (vgl. OLG München, Urteil vom 26. September 2006 - 5 St RR 115/05 -, NJW 2006, S. 3588 <3589>; Hanseat. OLG Hamburg, Beschluss vom 5. Juli 2007 - 1 Ws 61/07 -, ZfWG 2007, S. 295 <299>; BGH, Urteil vom 16. August 2007 - 4 StR 62/07 -, NJW 2007, S. 3078 <3079 ff.>; BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - I ZR 207/05 -, ZfWG 2008, S. 115 <118>; Krehl, in: LK-StGB, 12. Aufl. 2008, § 284 Rn. 6a; Arendts, ZfWG 2007, S. 457 <458>; Kretschmer, ZfWG 2006, S. 52 <58>; Hecker/Schmitt, ZfWG 2007, S. 364 <366>; Siara, ZfWG 2007, S. 1 <5>; Paster, jurisPR-StrafE 3/2008 Anm. 3; a.A. Meyer, JR 2004, S. 447 <452>; Bethge, ZfWG 2007, S. 169 <179>; Mosbacher, NJW 2006, S. 3529 <3533>; Beckemper/Janz, ZIS 2008, S. 31 <37 ff.>).
Das Entfallen des staatlichen Strafanspruchs ist von Verfassungs wegen geboten. Eine Strafbewehrung der Vermittlung von Sportwetten in der hier maßgeblichen Zeit vor Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 würde infolge der seinerzeitigen Verfassungswidrigkeit des strafbewehrten Ausschlusses privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der deutschen beziehungsweise in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der ausländischen privaten Sportwettenvermittler - so auch in die allgemeine Handlungsfreiheit des Beschwerdeführers zu 3. - darstellen. Jedenfalls die Anwendung von § 284 StGB ist insoweit mit der Verfassung unvereinbar.
Da somit im Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Beschlüsse eine strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers zu 3. als Sportwettenvermittler gemäß § 284 StGB von Verfassungs wegen ausschied, fehlte es auch an der Möglichkeit einer strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers zu 1. als dessen Aushilfe sowie einer strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers zu 2. als Untervermieter des Beschwerdeführers zu 3. wegen der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen oder Beihilfe hierzu.
2. Die Beschlüsse des Landgerichts vom 3. Juni 2005 verletzen darüber hinaus die Beschwerdeführer zu 1. und zu 2. in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG. Gleiches gilt im Hinblick auf den Beschluss des Amtsgerichts vom 27. Juni 2005 und Beschluss des Landgerichts vom 28. Juli 2005 gegenüber dem Beschwerdeführer zu 3..
Art. 19 Abs. 4 GG eröffnet den Rechtsweg gegen jede behauptete Verletzung subjektiver Rechte durch ein Verhalten der öffentlichen Gewalt. Gewährleistet wird nicht nur das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, sondern auch eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 93, 1 <13>; 101, 397 <407>; 107, 395 <401>).
An einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle fehlt es. Die Fachgerichte haben in den genannten Beschlüssen die Vereinbarkeit von § 284 StGB mit europäischem Gemeinschaftsrecht nicht geprüft, weil sie fälschlicher Weise davon ausgegangen sind, eine solche Prüfung nicht vornehmen zu müssen. Das Landgericht ist in seinen Beschlüssen vom 3. Juni 2005, auf die der Beschluss des Amtsgerichts vom 27. Juni 2005 und der Beschluss des Landgerichts vom 28. Juli 2005 Bezug nehmen, zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass angesichts der seinerzeitigen tatsächlichen und rechtlichen Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols erhebliche Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit des § 284 StGB nicht ohne Verstoß gegen das Willkürverbot ausgeschlossen werden konnten (vgl. BVerfGK 5, 196 <203 f.>). Es hat festgestellt, dass an der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit von § 284 StGB seit der so genannten "Gambelli-Entscheidung" des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften allgemein Zweifel geäußert wurden. Das Landgericht ist auch - im Ergebnis - zu Recht davon ausgegangen, dass das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung der Frage, ob eine innerstaatliche Norm des einfachen Rechts mit einer vorrangigen Bestimmung des europäischen Gemeinschaftsrechts unvereinbar und daher nicht anwendbar ist, nicht zuständig ist. Das Landgericht hat jedoch verkannt, dass die Entscheidung über diese Frage der umfassenden Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der zuständigen Fachgerichte - und damit ihm - überlassen ist (vgl. BVerfGE 31, 145 <174 f.>; 82, 159 <191>; 115, 276 <299 f.>).
Die Fachgerichte hätten daher zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes in den genannten Entscheidungen angesichts der von ihnen erkannten und vom Beschwerdeführer auch dargelegten erheblichen Zweifeln an der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit von § 284 StGB zumindest prüfen müssen, ob § 284 StGB aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts anwendbar war. Denn Voraussetzung für die Rechtfertigung des mit einer Durchsuchung verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in Art. 13 Abs. 1 GG ist - wie ausgeführt - der Verdacht einer strafbaren Handlung. Daran hätte es gefehlt, wenn § 284 StGB wegen Verstoßes gegen europäisches Gemeinschaftsrecht nicht anwendbar gewesen wäre.
Die genannten Beschlüsse beruhen auch auf dieser Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichte bei einer vertieften Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (vgl. EuGH, Urteile vom 24. März 1994 - Rs. C-275/92 - (Schindler); vom 21. September 1999 - Rs. C-124/97 - (Läärä); vom 21. Oktober 1999 - Rs. C-67/98 - (Zenatti); vom 11. September 2003 - Rs. C-6/01 - (Anomar); vom 6. November 2003 - Rs. C-243/01 - (Gambelli); vom 14. Oktober 2004 - Rs. C-36/02 - (Omega); vgl. nun auch EuGH, Urteil vom 6. März 2007 - Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04 - (Placanica u.a.), alle veröffentlicht in juris) - gegebenenfalls nach einer von ihnen für erforderlich gehaltenen Vorlage gemäß Art. 234 EG an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - im Hinblick auf die seinerzeitige tatsächliche und rechtliche Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols zu einer Unanwendbarkeit von § 284 StGB gelangt wären.
3. In Anbetracht der festgestellten Grundrechtsverstöße kann dahinstehen, ob durch die angegriffenen Beschlüsse weitere Grundrechte oder grundrechtsähnliche Rechte der Beschwerdeführer verletzt wurden.
Die Entscheidung über die teilweise Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und Zurückverweisung an das Landgericht zur Entscheidung über die Kosten beruht auf § 95 Abs. 2 BVerfGG. Den Beschwerdeführern sind ihre notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren in vollem Umfang zu erstatten. Soweit sich die Verfassungsbeschwerden als begründet erweisen, beruht diese Entscheidung auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Soweit die Verfassungsbeschwerden unzulässig sind, folgt dies aus § 34a Abs. 3 BVerfGG. Die vollumfängliche Auslagenerstattung an die Beschwerdeführer zu 1. und zu 2. ist aus Billigkeitsgründen geboten, weil die angegriffenen Beschlüsse auf Erwägungen gestützt sind, die mit dem Grundgesetz unvereinbar sind (vgl. BVerfGE 81, 142 <156> ). Gleiches gilt, soweit die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 3. gegen die Beschlagnahmeanordnung wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen wird. Die Verfassungsbeschwerde wäre nach der in diesem Verfahren geklärten verfassungsrechtlichen Lage ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses auch insoweit erfolgreich gewesen (vgl. BVerfGE 78, 374 <390> ). Denn es fehlte am Anfangsverdacht einer Straftat nach § 284 StGB, der auch Voraussetzung für die Rechtfertigung des mit einer Beschlagnahmeanordnung verbundenen Eingriffs in Art. 14 Abs. 1 GG ist (vgl. BVerfGE 77, 1 <53>).
HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 650
Externe Fundstellen: NJW 2009, 3712
Bearbeiter: Stephan Schlegel