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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juli 2024
25. Jahrgang
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An den Vorsatz des Gehilfen sind geringere Anforderungen als an denjenigen des Täters zu stellen. Derjenige, der lediglich eine fremde Tat fördert, braucht Einzelheiten dieser Tat nicht zu kennen und keine bestimmten Vorstellungen von ihr zu haben. Es ist lediglich ein Mindestmaß an Konkretisierung erforderlich. Der Hilfeleistende muss die zentralen Merkmale der Haupttat, namentlich den wesentlichen Unrechtsgehalt und die wesentliche Angriffsrichtung, im Sinne bedingten Vorsatzes zumindest für möglich halten und billigen.
1. Die von der Rechtsprechung zur sog. rechtlichen Bewertungseinheit bei der Erpressung aufgestellten Maßstäbe sind auch auf den Tatbestand der Nötigung zu übertragen.
2. Danach können mehrere natürliche Handlungen als eine Tat im Rechtssinne anzusehen sein (sog. rechtliche Bewertungseinheit), wenn sie sich als Teilakte einer sukzessiven Tatausführung darstellen. Mehrere Angriffe sind auf die Willensentschließung des Opfers als eine Tat im Rechtssinne zu werten, wenn dabei die anfängliche Drohung lediglich den Umständen angepasst und aktualisiert wird, im Übrigen aber nach wie vor dieselbe Leistung gefordert wird.
3. Dabei stellen ein Wechsel des Angriffsmittels, räumliche Trennungen oder zeitliche Intervalle zwischen den jeweiligen Einzelakten die Annahme einer rechtlichen Bewertungseinheit nicht grundsätzlich in Frage. Diese endet erst dann, wenn der Täter sein Ziel vollständig erreicht hat oder wenn nach den insoweit entsprechend heranzuziehenden Wertungen des Rücktrittsrechts von einem fehlgeschlagenen Versuch auszugehen ist.
1. Bei der Frage des Vorliegens eines Eingangsmerkmals im Sinne des § 20 StGB bei gesichertem psychiatrischen Befund wie auch bei der Prüfung einer aufgehobenen oder erheblich beeinträchtigten Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit handelt es sich um Rechtsfragen. Deren Beurteilung erfordert konkretisierende und widerspruchsfreie Darlegungen dazu, in welcher Weise sich die festgestellte Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat. Das Tatgericht hat die Darlegungen des Sachverständigen insoweit eigenständig zu überprüfen und ist verpflichtet, seine Entscheidung in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise zu begründen.
2. Für die Annahme des Eingangsmerkmals einer schweren anderen seelischen Störung infolge einer diagnostizierten Persönlichkeitsstörung der Feststellung konkreter Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens des Angeklagten auch außerhalb des angeklagten Delikts, was anhand konkreter Umstände zu belegen ist. Erst wenn das Muster des störungsbedingt beeinträchtigten Denkens, Fühlens oder Verhaltens sich im Zeitverlauf als stabil erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen vorliegen, die rechtlich das genannte Eingangsmerkmal erfüllen.
3. Auch bei geplantem und geordnetem Vorgehen kann die Fähigkeit erheblich eingeschränkt sein, Anreize zu einem bestimmten Verhalten und Hemmungsvorstellungen
gegeneinander abzuwägen und danach den Willensentschluss zu bilden. Dem Tatverhalten wie auch dem Verhalten vor und nach der Tat kommt beim Vorliegen einer schweren Persönlichkeitsstörung kein maßgebliches Gewicht zu. Steuerungsfähigkeit darf nicht mit zweckrationalem Verhalten verwechselt werden.
1. Eine erhebliche Minderung der Schuldfähigkeit ist bei einem Rauschgiftsüchtigen nur ausnahmsweise gegeben, etwa wenn ein langjähriger Betäubungsmittelmissbrauch zu schwersten Persönlichkeitsänderungen geführt hat, der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen, oder unter Umständen, wenn er die Tat im Zustand eines akuten Rauschs verübt. Auch die Angst vor unmittelbar bevorstehenden Entzugserscheinungen, die der Täter schon einmal als äußerst unangenehm erlitten hat, kann zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit führen.
2. Eine Beschränkung der Revision innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs ist grundsätzlich möglich. Deren Rechtswirksamkeit setzt aber voraus, dass der Beschwerdepunkt nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von dem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden kann, ohne eine Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen, und die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt. Angesichts der Zweispurigkeit von Strafe und Maßregel besteht zwischen beiden im Regelfall keine Wechselbeziehung, die eine Beschränkung auf den Strafausspruch nicht zuließe; anders ist es hingegen, wenn das Gericht eine solche Wechselbezüglichkeit durch entsprechende Erwägungen in den Urteilsgründen hergestellt hat.
1. Die von der Rechtsprechung zur sog. rechtlichen Bewertungseinheit bei der Erpressung aufgestellten Maßstäbe sind auch auf den Tatbestand der Nötigung zu übertragen.
2. Danach können mehrere natürliche Handlungen als eine Tat im Rechtssinne anzusehen sein (sog. rechtliche Bewertungseinheit), wenn sie sich als Teilakte einer sukzessiven Tatausführung darstellen. Mehrere Angriffe sind auf die Willensentschließung des Opfers als eine Tat im Rechtssinne zu werten, wenn dabei die anfängliche Drohung lediglich den Umständen angepasst und aktualisiert wird, im Übrigen aber nach wie vor dieselbe Leistung gefordert wird.
3. Dabei stellen ein Wechsel des Angriffsmittels, räumliche Trennungen oder zeitliche Intervalle zwischen den jeweiligen Einzelakten die Annahme einer rechtlichen Bewertungseinheit nicht grundsätzlich in Frage. Diese endet erst dann, wenn der Täter sein Ziel vollständig erreicht hat oder wenn nach den insoweit entsprechend heranzuziehenden Wertungen des Rücktrittsrechts von einem fehlgeschlagenen Versuch auszugehen ist.
1. Bei einer von langer Hand geplanten und vorbereiteten Tat kann das heimtückische Vorgehen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB auch in Vorkehrungen liegen, die der Täter ergreift, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, sofern diese bei der Ausführung der Tat noch fortwirken. Wird das Tatopfer etwa planmäßig in einen Hinterhalt gelockt oder ihm gezielt eine raffinierte Falle gestellt, kommt es daher nicht mehr darauf an, ob es zu Beginn der Tötungshandlung noch arglos war (st. Rspr.).
2. Das Fehlen von Kampf- oder Abwehrverletzungen kann schon für sich genommen ein gewichtiges Beweisanzeichen für das Vorliegen von Heimtücke sein.
3. Das Tatopfer kann auch dann arglos (und deshalb wehrlos) sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass
keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren, wobei für die Beurteilung die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs maßgebend ist.
1. „Unbefugt“ i.S.d. § 263a Abs. 1 StGB handelt nicht schon derjenige, der Daten entgegen dem Willen des Berechtigten verwendet oder die verwendeten Daten rechtswidrig erlangt hat. Das Tatbestandsmerkmal erfordert vielmehr eine betrugsspezifische Auslegung. Danach stellt die missbräuchliche Benutzung der vom Berechtigten mitsamt der Geheimnummer erlangten Bankkarte durch den Täter bei Abhebungen am Geldautomaten nur dann einen Computerbetrug nach § 263a Abs. 1 StGB dar, wenn die Abhebung am Bankschalter rechtlich als Betrug im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB zu würdigen wäre.
2. Das Merkmal der unbefugten Verwendung der Daten gilt mithin nicht für denjenigen, der die Bankkarte und die Geheimnummer vom Berechtigten jeweils mit dessen Willen erlangt, mag die Überlassung auch auf einer Täuschung beruhen. Vielmehr begeht derjenige, der vom berechtigten Karteninhaber eine Bankkarte nebst zugehöriger Geheimzahl durch dessen täuschungs- und irrtumsbedingte Verfügung erhält und dabei in der Absicht handelt, unter Einsatz der Karte und Geheimnummer (abrede- und zweckwidrige) Abhebungen an Geldautomaten vorzunehmen, allein einen Betrug nach § 263 Abs. 1 StGB zulasten des Berechtigten und nicht zusätzlich einen Computerbetrug.
1. Nach § 269 Abs. 1 StGB ist erforderlich, dass bei unterstellter visueller Wahrnehmbarkeit eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde. Eine Urkunde ist unecht, wenn sie über den Aussteller täuscht, eine echte Urkunde ist verfälscht, wenn ihre gedankliche Erklärung so verändert wurde, dass der geänderte Inhalt nicht mehr von dem scheinbaren Aussteller herrührt. Nach einer bloßen Anmeldung mit einem bestehenden Nutzerkonto liegt keine unechte oder verfälschte Urkunde vor, da weder über die Ausstellereigenschaft getäuscht noch eine veränderte gedankliche Erklärung abgegeben wird.
2. Im Grundsatz besteht eine Strafbarkeit nach § 269 StGB, wenn der Täter über online-Plattformen an einen Geschädigten unter dem Namen eines Dritten ein konkretes Verkaufsangebot macht, ohne dazu von dem Dritten bevollmächtigt zu sein. Im Falle der Stellvertretung scheidet eine Strafbarkeit nach § 269 StGB bereits tatbestandlich aus, da bei einem Handeln unter fremdem Namen keine Identitätstäuschung vorliegt. Handelt der Erklärende dagegen ohne Vertretungsmacht, kann der Tatbestand des § 269 Abs. 1 StGB erfüllt sein. Die Erklärung über den Vertragspartner stellt eine beweiserhebliche Tatsache dar. Die Datenurkunde ist im Falle des Fehlens von Vertretungsmacht auch unecht, da über den Aussteller getäuscht wird.
3. Unter den Begriff der Daten im Sinne des § 269 StGB fallen zunächst elektronisch gespeicherte Informationen, auch solche, die magnetisch oder sonst nicht sichtbar oder unmittelbar lesbar gespeichert sind. Im Falle der visuellen Wahrnehmbarkeit ist ein Fall des § 267 StGB gegeben. Beweiserheblich sind die Daten, wenn sie geeignet und bestimmt sind, bei einer Verarbeitung im Rechtsverkehr als Beweisdaten für rechtlich erhebliche Tatsachen benutzt zu werden.
Das Regelbeispiel des Vermögensverlustes großen Ausmaßes in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alternative 1 StGB setzt voraus, dass ein solcher Verlust herbeigeführt, also tatsächlich eingetreten, nicht lediglich im Rahmen des Versuchs angestrebt worden ist.
1. Die Feststellungen zur Sache müssen erkennen lassen, welche Tatsachen das Tatgericht als seine Feststellungen über die Tat der rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt hat. Fehlen sie oder sind sie in wesentlichen Teilen unvollständig, so ist dies ein Mangel des Urteils, der auf die Sachrüge zu dessen Aufhebung führt.
2. Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung beugt das Recht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst § 339 StGB vielmehr nur den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege, bei dem sich der Amtsträger bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei vom Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an seinen eigenen Maßstäben ausrichtet.
3. Ob ein elementarer Rechtsverstoß vorliegt, ist auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände zu entscheiden. Bei einem Verstoß gegen Verfahrensrecht kann neben dessen Ausmaß und Schwere insbesondere auch Bedeutung erlangen, welche Folgen dieser für die Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der Richter leiten ließ.
Für die nach § 252 StGB erforderliche Beutesicherungs- oder auch Besitzerhaltungsabsicht genügt es nicht, wenn der Täter das Nötigungsmittel nur deshalb einsetzt, um die Aufklärung der Tat oder die Feststellung seiner Person zu verhindern.
Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach Täter im Sinne des § 174c Abs. 2 StGB nur sein kann, wer berechtigt ist, die Bezeichnung „Psychotherapeut“ im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 4 PsychThG zu führen und sich bei der Behandlung wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren bedient (vgl. BGHSt 54, 169 Rn. 8 ff.).
Bei der Aburteilung in Serie begangener sexueller Missbrauchshandlungen dürfen zur Vermeidung unvertretbarer Strafbarkeitslücken an die Individualisierung der einzelnen Taten im Urteil keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden, da eine Konkretisierung der jeweiligen Straftaten nach genauer Tatzeit und exaktem Geschehensablauf oft nicht möglich ist. Das Tatgericht muss sich aber in objektiv nachvollziehbarer Weise zumindest die Überzeugung verschaffen, dass es in einem gewissen Zeitraum zu einer bestimmten Mindestzahl von Straftaten gekommen ist. Entscheidend ist dabei, dass das Gericht von jeder einzelnen individuellen Straftat, die es aburteilt, überzeugt ist. Ist eine Individualisierung einzelner Taten mangels Besonderheiten im Tatbild oder der Tatumstände nicht möglich, sind zumindest die Anknüpfungspunkte zu bezeichnen, anhand derer das Tatgericht den Tatzeitpunkt eingegrenzt hat und auf die sich seine Überzeugung von der Mindestzahl und der Begehungsweise der Missbrauchstaten des Angeklagten in diesem Zeitraum gründet. Dabei sind grundsätzlich bei Verurteilungen, die den sexuellen Missbrauch von Geschädigten über 14 Jahren betreffen, an die Konkretisierung einzelner Handlungsabläufe größere Anforderungen zu stellen als bei Tatserien zu Lasten von Kindern.