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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 868

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 80/24, Beschluss v. 14.03.2024, HRRS 2024 Nr. 868


BGH 5 StR 80/24 - Beschluss vom 14. März 2024 (LG Kiel)

Abgrenzung von Computerbetrug und Betrug bei abredewidriger Verwendung täuschungsbedingt erlangter Bankkarte.

§ 263 StGB; § 263a StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. „Unbefugt“ i.S.d. § 263a Abs. 1 StGB handelt nicht schon derjenige, der Daten entgegen dem Willen des Berechtigten verwendet oder die verwendeten Daten rechtswidrig erlangt hat. Das Tatbestandsmerkmal erfordert vielmehr eine betrugsspezifische Auslegung. Danach stellt die missbräuchliche Benutzung der vom Berechtigten mitsamt der Geheimnummer erlangten Bankkarte durch den Täter bei Abhebungen am Geldautomaten nur dann einen Computerbetrug nach § 263a Abs. 1 StGB dar, wenn die Abhebung am Bankschalter rechtlich als Betrug im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB zu würdigen wäre.

2. Das Merkmal der unbefugten Verwendung der Daten gilt mithin nicht für denjenigen, der die Bankkarte und die Geheimnummer vom Berechtigten jeweils mit dessen Willen erlangt, mag die Überlassung auch auf einer Täuschung beruhen. Vielmehr begeht derjenige, der vom berechtigten Karteninhaber eine Bankkarte nebst zugehöriger Geheimzahl durch dessen täuschungs- und irrtumsbedingte Verfügung erhält und dabei in der Absicht handelt, unter Einsatz der Karte und Geheimnummer (abrede- und zweckwidrige) Abhebungen an Geldautomaten vorzunehmen, allein einen Betrug nach § 263 Abs. 1 StGB zulasten des Berechtigten und nicht zusätzlich einen Computerbetrug.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 15. November 2023 aufgehoben

in den Fällen II.2 bis 9, 13, 15, 16, 19 bis 28, 30 der Urteilsgründe; die Verurteilung wegen gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetrugs entfällt;

b) in den Fällen II.1, 12, 14, 18, 29 der Urteilsgründe im Einzel- sowie im Gesamtstrafenausspruch.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in acht Fällen und gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetrugs in 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Zudem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die mit der unausgeführten Formel- und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der Angeklagte war ab April 2022 Teil einer Gruppierung, die nach der Betrugsmasche „falsche Polizeibeamte“ vornehmlich Senioren um ihr Erspartes brachte. Seine Rolle war die eines „Abholers“. In dieser Funktion beteiligte er sich an acht Betrugstaten (Fälle II.1, 10 bis 12, 14, 17, 18 und 29 der Urteilsgründe). In fünf dieser Fälle (Fälle II.1, 12, 14, 18, 29) wurden die getäuschten Opfer dazu veranlasst, ihre Bankkarten nebst Geheimnummer auszuhändigen, was der Angeklagte in 22 Fällen zu Bargeldabhebungen an Geldautomaten ausnutzte (Fälle II.2 bis 9, 13, 15, 16, 19 bis 28, 30 der Urteilsgründe).

2. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen seiner Beteiligung als „Abholer“ bei der betrügerischen Erlangung der Vermögenswerte des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in acht Fällen schuldig gesprochen. Soweit er die dabei erlangten Bankkarten und Geheimnummern in 22 Fällen für Bargeldabhebungen nutzte, hat es ihn darüber hinaus jeweils wegen gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetrugs verurteilt. Seiner Einziehungsentscheidung nach §§ 73, 73c StGB hat es den Wert der betrügerisch erlangten Gegenstände sowie die abgehobenen Geldbeträge zugrunde gelegt, soweit die Opfer die Tatbeute nicht zurückerlangt haben. Im Umfang der an die Hintermänner weitergeleiteten Vermögenswerte hat das Landgericht eine gesamtschuldnerische Haftung ausgesprochen.

II.

Das Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand.

1. Die Verurteilung wegen gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetrugs ist rechtsfehlerhaft, weil der Angeklagte die betrügerisch erlangten Bankkarten nicht unbefugt im Sinne des § 263a Abs. 1 StGB verwendet hat.

„Unbefugt“ handelt nicht schon derjenige, der Daten entgegen dem Willen des Berechtigten verwendet oder die verwendeten Daten rechtswidrig erlangt hat. Das Tatbestandsmerkmal erfordert vielmehr eine betrugsspezifische Auslegung. Danach stellt die missbräuchliche Benutzung der vom Berechtigten mitsamt der Geheimnummer erlangten Bankkarte durch den Täter bei Abhebungen am Geldautomaten nur dann einen Computerbetrug nach § 263a Abs. 1 StGB dar, wenn die Abhebung am Bankschalter rechtlich als Betrug im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB zu würdigen wäre. Das Merkmal der unbefugten Verwendung der Daten gilt mithin nicht für denjenigen, der die Bankkarte und die Geheimnummer vom Berechtigten jeweils mit dessen Willen erlangt, mag die Überlassung auch auf einer Täuschung beruhen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 - 2 StR 16/15, BGHR StGB § 263a Automatenmissbrauch 5).

Gemessen daran hat sich der Angeklagte nicht wegen (gewerbs- und bandenmäßigen) Computerbetrugs strafbar gemacht. Der Angeklagte und seine Mittäter haben die Bankkarten nebst zugehöriger Geheimnummer von den berechtigten Karteninhabern erhalten. Dass diese über die Verwendung der Karten getäuscht wurden und die Karten nebst PIN dem Angeklagten irrtumsbedingt überließen, macht das Verwenden zur Abhebung des Bargeldes nicht zu einem unbefugten im Sinne des § 263a Abs. 1 StGB. Vielmehr begeht derjenige, der vom berechtigten Karteninhaber eine Bankkarte nebst zugehöriger Geheimzahl durch dessen täuschungs- und irrtumsbedingte Verfügung erhält und dabei in der Absicht handelt, unter Einsatz der Karte und Geheimnummer (abrede- und zweckwidrige) Abhebungen an Geldautomaten vorzunehmen, allein einen Betrug nach § 263 Abs. 1 StGB zulasten des Berechtigten und nicht zusätzlich einen Computerbetrug (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 2021 - 3 StR 63/21, NStZ-RR 2022, 14, 16 f.).

Für einen Teilfreispruch ist kein Raum. Denn das Landgericht hat auch insoweit sämtliche dem Angeklagten in der zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage als tatmehrheitlich begangen zur Last gelegten Tatvorwürfe für erwiesen erachtet. Es hat lediglich jede Abhebung rechtlich unzutreffend als einen selbständigen Computerbetrug abgeurteilt, anstatt die jeweilige betrügerische Erlangung der Bankkarten nebst Geheimnummer und die damit vorgenommenen Geldabhebungen als jeweils einen (einheitlichen) Betrug zu werten. Ein Teilfreispruch hätte mithin zur Folge, dass der Angeklagte wegen desselben Tatgeschehens zugleich verurteilt und freigesprochen würde. Dies darf nicht sein (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2019 - 4 StR 203/19, NStZ-RR 2019, 220, 221).

2. Gegen die Verurteilung des Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in acht Fällen ist aus den insoweit vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen rechtlich nichts zu erinnern. Um dem neuen Tatgericht eine dem Unrechts- und Schuldgehalt angemessene Strafbestimmung zu ermöglichen, hat der Senat die Einzelstrafen auch in den Fällen aufgehoben, in denen der Angeklagte die betrügerisch erlangten Bankkarten zur Abhebung von Bargeld verwendet hat (Fälle II.1, 12, 14, 18, 29 der Urteilsgründe). Denn diese Betrugstaten waren erst mit der jeweils letzten Abhebung beendet (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2022 - 4 StR 357/21, NJW 2022, 1399), sodass sie einen höheren als den vom Landgericht bei der Festsetzung der jeweiligen Einzelstrafe eingestellten Unrechtsgehalt aufweisen. Dies darf das neue Tatgericht ohne Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) berücksichtigen; es wird dabei jedoch zu beachten haben, dass jeweils die Summe der bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird und die neu zu bildende Gesamtstrafe nicht höher sein darf als die bisherige (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. März 2008 - 5 StR 594/07, NStZ-RR 2008, 168, 169 f.; vom 6. Oktober 1995 - 3 StR 346/95, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 7; KKStPO/Gericke, 9. Aufl., § 358 Rn. 30).

3. Die Aufhebung der Verurteilung wegen gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetrugs und der Einzelstrafen in fünf der Betrugsfälle entzieht dem Gesamtstrafausspruch die Grundlage.

4. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bleiben bestehen (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

5. Die angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen nach §§ 73, 73c StGB hat in vollem Umfang Bestand; sie wird von der rechtsfehlerhaften Verurteilung des Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetrugs nicht berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2022 - 4 StR 357/21, aaO). Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte insoweit nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 868

Bearbeiter: Christian Becker