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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2023
24. Jahrgang
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1. Das innerstaatliche Strafanwendungsrecht umfasst im Falle des unbefugten Vertriebs von Betäubungsmitteln i.S.d. § 6 Nr. 5 StGB unabhängig vom Recht des Tatorts auch die erweiterte Einziehung von Taterträgen und deren Werts gemäß §§ 73, 73a, 73c StGB aus Auslandstaten. (BGHSt)
2. Die erweiterte Einziehung von Taterträgen und deren Wert gemäß §§ 73, 73a, 73c StGB aus Auslandstaten setzt nicht voraus, dass sich die Auslieferung des Angeklagten auf die „anderen rechtswidrigen Taten“ i.S.d. § 73a Abs. 1 StGB erstreckt, die den Anknüpfungspunkt für die erweiterte Einziehung darstellen.(BGHSt)
3. Die erweiterte Einziehung von Taterträgen gemäß § 73a Abs. 1 StGB oder deren Werts gemäß § 73c StGB setzt voraus, dass das Tatgericht aufgrund erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die Überzeugung gewonnen hat, der Angeklagte habe die betreffenden Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt. Deren Konkretisierung hinsichtlich einzelner bestimmter Taten oder hinsichtlich ihres allgemeinen Charakters ist nicht erforderlich (vgl. BGHSt 40, 371, 373). Allerdings reicht ein bloßer Verdacht der illegalen Herkunft des Gegenstandes für dessen Einziehung nicht aus. Begründen bestimmte Tatsachen die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass Vermögensgegenstände des Täters aus anderen Quellen als aus rechtswidrigen Taten stammen und verbleiben deshalb vernünftige Zweifel an ihrer deliktischen Herkunft, steht dies der Anordnung der (erweiterten) Einziehung von Taterträgen entgegen (. Bei auch legalen Einkommensquellen kann die Anordnung nicht auf das bloße Auffinden von Geldmitteln gestützt werden. (Bearbeiter)
4. Ob eine Straftat nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG als minder schwerer Fall des § 29a Abs. 2 BtMG einzuordnen ist, in dem die Anwendung des Normalstrafrahmens nicht mehr angemessen erscheint, richtet sich danach, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maß abweicht, dass die Anwendung eines Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (vgl. BGHSt 62, 90 Rn. 13). Bei der Gesamtabwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände ist die Frage, ob der Grenzwert der nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln um ein Vielfaches oder aber nicht sehr erheblich überschritten ist, regelmäßig von Bedeutung (vgl. BGHSt 32, 162, 164 f.). Während eine nur geringe Grenzwertüberschreitung ein Kriterium für die Annahme eines minder schweren Falles ist, spricht eine ganz erhebliche Überschreitung gegen die Annahme eines solchen. Je geringer die Überschreitung des Grenzwerts ist, desto näher liegt die Annahme eines minder schweren Falles. (Bearbeiter)
1. Maßgebend für die Frage, inwieweit eine Einziehung in Betracht kommt, ist der jeweils verwirklichte Straftatbestand. Im Falle mehrerer tateinheitlich begangener Delikte sind gemäß § 52 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB für jedes einzelne die Einziehungsmöglichkeiten zu prüfen.
2. Einem Betäubungsmittel kommt bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung ein Verkehrswert ungeachtet dessen zu, dass das unerlaubte Handeltreiben damit strafbar ist. Danach kann nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB die Einziehung eines Geldbetrages anzuordnen sein, der dem Wert der Betäubungsmittel entspricht, soweit ein Täter durch die Tat Betäubungsmittel erlangt hat, eine gegenständliche Einziehung aber – etwa infolge des Konsums – ausscheidet.
Maßgeblich für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 21 StGB in Folge von Alkoholkonsums gegeben sind, ist eine Gesamtwürdigung, in die sowohl die Höhe der Blutalkoholkonzentration als auch psychodiagnostische Kriterien einzustellen sind. Dabei sind allerdings nur solche Umstände zu berücksichtigen, die aussagekräftige Hinweise darauf geben können, ob das Hemmungsvermögen des Täters bei der Begehung der Tat erhalten geblieben ist oder nicht. Offensichtliche Ausfallerscheinungen wie etwa auch Bewusstseinseinschränkungen oder kognitive Wahrnehmungsstörungen können zwar grundsätzlich für eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit sprechen, sind aber keine zwingenden oder auch nur regelmäßigen Begleiterscheinungen einer die Grenze zur erheblichen Minderung der Steuerungsfähigkeit überschreitenden Alkoholisierung, weshalb auch aus ihrem Fehlen allein noch nicht auf vollständig erhaltene Schuldfähigkeit geschlossen werden kann. Zudem ist bei alkoholgewöhnten Tätern zu berücksichtigen, dass äußeres Leistungsverhalten und innere Steuerungsfähigkeit durchaus weit auseinanderfallen können.
Bei der Strafzumessung nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB sind die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Strafe für das künftige Leben des Angeklagten zu erwarten sind, wozu als bestimmender Strafzumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) namentlich gesetzlich angeordnete Folgen des Beamtenrechts zählen.
1. Nach § 64 Satz 2 StGB darf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nur angeordnet werden, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten innerhalb der Frist nach § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB zu heilen oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen. Notwendig, aber auch ausreichend für die vom Tatgericht zu treffende Prognose ist eine auf Tatsachen gegründete Wahrscheinlichkeit des Behandlungserfolgs. Einer sicheren und unbedingten Gewähr bedarf es hierfür zwar nicht. Erforderlich ist aber, dass in der Persönlichkeit und den Lebensumständen des Verurteilten konkrete Anhaltspunkte für einen erfolgreichen Verlauf der Therapie vorliegen, die nicht nur die Möglichkeit einer therapeutischen Veränderung, sondern die positive Feststellung der hinreichend konkreten Erfolgsaussicht tragen.
2. Damit das Revisionsgericht prüfen kann, ob eine Erfolgsaussicht in dem vom Gesetzgeber geforderten Ausmaß besteht, bedarf es der hinreichenden Darlegung konkreter, durch den Tatrichter als prognostisch bedeutsam für einen die Behandlung im Maßregelvollzug überdauernden Therapieerfolg bewerteter Umstände in den Urteilsgründen.
1. Bei der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf es für die Annahme eines symptomatischen Zusammenhangs bei Taten, die nicht auf die Erlangung von Rauschmitteln selbst oder von Geld zu deren Beschaffung abzielen, besonderer hierfür sprechender Umstände. Insbesondere bei Konflikttaten oder bei Taten, denen eine Provokation des Täters durch das Opfer vorausging, liegt ein solcher Zusammenhang wenig nahe.
2. Soll der Symptomwert damit begründet werden, dass sich der Täter nur wegen seines übermäßigen Konsums berauschender Substanzen in dem „sozialen Milieu“ aufgehalten hat, in dem es zu der Tat kam, bedarf es konkreter Feststellungen und einer am Fall orientierten Bewertung.
1. Die Beurteilung der Gefährlichkeit des Angeklagten ist daran auszurichten, ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, was grundsätzlich nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden kann. Dabei können sich nähere Darlegungen erübrigen, wenn sich – wie in aller
Regel bei Verbrechen oder Gewalt- und Aggressionsdelikten – eine schwere Störung des Rechtsfriedens bereits aus dem Gewicht des Straftatbestandes ergibt, mit dessen Verwirklichung gerechnet werden muss . Dagegen wird die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein, wenn die zu erwartenden Delikte nicht zumindest den Bereich der mittleren Kriminalität erreichen (st. Rspr.). Wichtige Gesichtspunkte bei der Einzelfallerörterung sind die vermutliche Häufigkeit neuerlicher Delikte und die Intensität der zu erwartenden Rechtsgutsbeeinträchtigungen.
2. Nach Maßgabe dessen können auch tätliche Angriffe gegen Polizeibeamte erhebliche Anlasstaten im Sinne des § 63 Satz 1 StGB sein, was bereits die gesetzgeberische Wertung des § 114 StGB nahelegt.