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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2023
24. Jahrgang
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Die Verjährungsfrist bei Abgabenhinterziehung (§ 16 KAG NI, § 17 KAG NW) bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln (§ 78 Abs. 3 StGB), so dass die Verjährung grundsätzlich fünf Jahre nach Tatbeendigung eintritt. Auch eine entsprechende Anwendung des § 376 AO nach § 16 Abs. 3 KAG NI und § 17 Abs. 1 Satz 2 KAG NW scheitert daran, dass kein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 Satz 2 AO vorliegt.
1. Nach § 18 Abs. 2 JGG ist auch dann, wenn eine Jugendstrafe ausschließlich wegen Schwere der Schuld verhängt wird, bei der Bemessung der Strafhöhe der das Jugendstrafrecht beherrschende Erziehungsgedanke (§ 2 Abs. 1, § 18 Abs. 2 JGG) vorrangig zu berücksichtigen. Grundsätzlich ist zwar die in den gesetzlichen Regelungen des allgemeinen Strafrechts zum Ausdruck kommende Bewertung des Ausmaßes des in einer Straftat hervorgetretenen Unrechts auch bei der Bestimmung der Höhe der Jugendstrafe zu beachten. Die Begründung darf aber nicht wesentlich oder gar ausschließlich nach solchen Zumessungserwägungen vorgenommen werden, die auch bei Erwachsenen in Betracht kommen. Die Bemessung der Jugendstrafe erfordert vielmehr von der Jugendkammer, das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe unter erzieherischen Gesichtspunkten abzuwägen. Die Urteilsgründe müssen daher in jedem Fall erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt worden ist. Eine formelhafte Erwähnung der erzieherischen Erforderlichkeit der verhängten Jugendstrafe genügt insoweit nicht.
2. Zwar verliert der Erziehungsgedanke mit fortschreitendem Alter des Täters an Bedeutung, wohingegen – insbesondere bei besonders gravierenden Straftaten – das Erfordernis des gerechten Schuldausgleichs immer mehr in den Vordergrund tritt. Gleichwohl müssen grundsätzlich auch dann, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Verhängung der Jugendstrafe bereits das 21. Lebensjahr vollendet hat, die erzieherischen Auswirkungen der Strafe beachtet und abgewogen werden.
Der Verkauf von Betäubungsmitteln zum Selbstkostenpreis erfüllt weder den Tatbestand des Handeltreibens noch der Abgabe, sondern den des Veräußerns von Betäubungsmitteln.
1. Tateinheitlicher Besitz verschiedener Waffen und/oder Munition liegt auch dann vor, wenn sie sich an mehreren Orten, etwa in unterschiedlichen Waffendepots, befinden und der Täter zugleich die tatsächliche Gewalt über sie ausübt. Zwischen dem Besitz und dem Führen liegt ebenfalls Tateinheit vor, wenn der Täter von mehreren Waffen, die er besitzt, lediglich einen Teil mit sich führt.
2. Eine – Tateinheit begründende – Teilidentität der Ausführungshandlungen kann auch im Zuge der Verwirklichung von Regelbeispielen vorliegen, da diese Tatbestandsmerkmalen ähnlich sind.
3. Da das Waffenrecht für die Vielzahl der Strafvorschriften gesetzliche Überschriften, die nach § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO zur rechtlichen Bezeichnung der Tat in der Urteilsformel verwendet werden sollen, nicht bereithält, ist nach allgemeinen Regeln für jeden erfüllten Straftatbestand mit Blick auf dessen Wortlaut eine knappe, anschauliche und verständliche Bezeichnung zu wählen.
4. Für eine charakterisierende Beschreibung von Verstößen gegen § 51 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG kann auf den Zusatz „zum Verschießen von Patronenmunition“ verzichtet werden. Auch müssen die wesentlichen Teile von Schusswaffen in der Entscheidungsformel nicht gesondert angeführt werden.
5. Einer Kennzeichnung von Delikten nach dem Waffengesetz und dem Kriegswaffenkontrollgesetz als „unerlaubt“ bedarf es nicht.
1. Sämtliche der in Anl. 1 Abschn. 1 Unterabschn. 2 Nr. 2.1 zu § 1 Abs. 4 WaffG erfassten Messertypen können als „Einhandmesser“ bezeichnet werden. Der Ausdruck „Einhandmesser“ bildet aber einen Oberbegriff für alle Messer, soweit diese – gleich auf welche Weise – mit einer Hand geöffnet und festgestellt werden können. Gekorene Waffen sind nur die von Anl. 1 Abschn. 1 Unterabschn. 2 Nr. 2.1.1 bis 2.1.4 zu § 1 Abs. 4 WaffG genannten Springmesser, Fallmesser, Faustmesser sowie Butterflymesser.
2. Liegt keine gekorene Waffe vor, sind konkrete Feststellungen zur subjektiven Bestimmung des Verwendungszwecks erforderlich, um die Erfüllung des Qualifikationstatbestands des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG zu belegen. Sie sind nur entbehrlich, wenn der Täter einen Gegenstand mit sich führt, der als Waffe im technischen Sinne anzusehen ist oder zu den gekorenen Waffen gehört; dann folgt die Zweckbestimmung zur Verletzung von Menschen aus der Vorgabe des Herstellers. Der Tatrichter hat daher, sofern es sich nicht um eine gekorene Waffe handelt und die Zweckbestimmung zur Verletzung von Menschen auch sonst nicht ohne weiteres auf der Hand liegt, in den Urteilsgründen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls Erörterungen dazu vorzunehmen, inwieweit ein mitgeführter Gegenstand aus Sicht des Täters als Angriffs- oder Abwehrmittel dienlich sein soll.
3. Bei dem Mitsichführen eines Gegenstandes, der zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist, handelt es sich nicht um ein besonderes persönliches Merkmal (s. § 14 Abs. 1 StGB, mit der Folge der Anwendbarkeit von § 28 Abs. 2 StGB), sondern um ein qualifikationsbegründendes tatbezogenes Merkmal. Die eigene Bewaffnung eines Teilnehmers am Handeltreiben wäre für die Anwendung des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht ausreichend.
4. Für das Merkmal des Mitsichführens von Waffen im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG genügt es, wenn der Gegenstand sich so in der Nähe des Täters befindet, dass er sich seiner jederzeit, also ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten bedienen kann. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Der Bundesgerichtshof hat die Annahme des Merkmals „Griffweite“ auch in Konstellationen für möglich gehalten, in denen sich innerhalb derselben Wohnung die zum Handeltreiben bestimmten Betäubungsmittel und die Waffe oder der gefährliche Gegenstand in unterschiedlichen Räumen befanden. Allerdings ist der Tatrichter dann gehalten, die räumlichen Verhältnisse und die Orte, an denen die Betäubungsmittel sowie die Waffen oder gefährlichen Gegenstände aufbewahrt wurden, näher darzulegen.
1. Der bloße Erwerb und Weiterverkauf von Rauschgift rechtfertigt für sich noch nicht die Einziehung von Taterträgen oder deren Wertes nach §§ 73, 73c StGB. Hierfür muss vielmehr konkret festgestellt werden, dass dem Täter aus dem Verkauf tatsächlich Erlöse zugeflossen sind, über die er faktisch verfügen konnte.
2. Feste Vorgaben dahingehend, dass aus bestimmten objektiv festgestellten Umständen beweiswürdigend bestimmte weitergehende Schlüsse zu ziehen sind, enthält das Recht nicht. In seiner Überzeugungsbildung ist das Tatgericht in den Grenzen des Rechts vielmehr frei (§ 261 StPO). Feststellungen zum tatsächlichen Zufluss von Verkaufserlösen erfordern daher auch bei nachgewiesenem Ankauf von Betäubungsmitteln in Weiterverkaufsabsicht eine tragfähige Beweiswürdigung.
3. Eine Schätzung nach § 73d Abs. 2 StGB ist nur möglich, wenn feststeht, dass der Täter überhaupt etwas aus der Tat erlangt hat. Die Frage, ob er etwas erlangt hat, ist hingegen nicht der Schätzung zugänglich.
§ 33 Satz 2 BtMG erfasst nicht Tatmittel, sondern betrifft allein die Einziehung von Beziehungsgegenständen. Das sind beim Betäubungsmittelhandel in erster Linie die Betäubungsmittel selbst.