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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2020
21. Jahrgang
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1. Die Befugnis, sich der erhobenen öffentlichen Klage mit der Nebenklage anzuschließen, entfällt nicht dadurch, dass der Nebenkläger in der Hauptverhandlung die Schuldfähigkeit (§ 20 StGB) oder die strafrechtliche Verantwortlichkeit (§ 3 JGG) des Angeklagten in Zweifel ziehende Anträge stellt und letztlich dessen Freispruch erstrebt. (BGHSt)
2. Der Gesetzeswortlaut sieht in § 80 Abs. 3 Satz 1 JGG ebenso wie in § 395 Abs. 1 StPO als Voraussetzung für die Befugnis zum Anschluss als Nebenkläger lediglich vor, durch eine dem jeweiligen Straftatenkatalog unterfallende rechtswidrige Tat verletzt zu sein. Dass der Nebenkläger darüber hinaus ein bestimmtes Ziel erstreben muss oder eine zunächst berechtige Nebenklage je nach Verfahrensziel unzulässig wird, ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. (Bearbeiter)
3. Nach § 397 StPO stehen Nebenklägern bestimmte Verfahrensrechte zu. Eine Begrenzung dieser Rechte mit Blick auf den verfolgten Zweck ist nicht normiert. Soweit die Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers nach § 400 StPO eingeschränkt ist, handelt es sich um konkret gefasste Sonderregelungen. Aus diesen einen Rückschluss auf die grundlegende Nebenklagebefugnis zu ziehen, ist nicht möglich. Vielmehr sind die Berechtigungen zum Anschluss und zur Einlegung von Rechtsmitteln getrennt zu betrachten, so dass etwa einerseits ein Nebenkläger zuzulassen, andererseits aber seine Revision als unzulässig zu verwerfen sein kann. (Bearbeiter)
4. Der Nebenkläger soll eine umfassende, in erster Linie dem Verletztenschutz dienende Beteiligungsbefugnis im gesamten Verfahren mit der Möglichkeit erhalten, sich aktiv am Verfahren zu beteiligen, durch Erklärungen, Fragen, Anträge und gegebenenfalls Rechtsmittel auf das Verfahrensergebnis einzuwirken, seine Sicht der Tat und der erlittenen Verletzungen einzubringen und seine Interessen aktiv zu vertreten. In welcher Weise der (etwaig) Verletzte seine Belange am besten geschützt sieht, unterliegt infolge seiner Stellung als ein mit selbständigen Rechten ausgestatteter Prozessbeteiligter regelmäßig seiner eigenen Einschätzung. (Bearbeiter)
5. Der Senat muss nicht abschließend entscheiden, ob die Anschlussbefugnis in solchen Fällen fehlt, in denen sich Nebenkläger bereits zum Zeitpunkt der Anschlusserklärung nicht durch den Angeklagten verletzt glauben. (Bearbeiter)
1. Die Anwendung des Strafrahmens gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG ist auch möglich, wenn der Mord nicht vollendet, sondern nur versucht ist. (BGHR)
2. Zum (Teil-)Verzicht eines Zeugen auf das Verwertungsverbot des § 252 StPO. (BGHR)
3. Der Senat kann offenlassen, ob ein Teilverzicht eines die Aussage nach § 52 StPO verweigernden Zeugen auf das Verwertungsverbot des § 252 StPO zulässig ist. Wäre er unzulässig, und würde der Zeuge in der irrtümlichen Annahme der Wirksamkeit eine Teilverzichtserklärung abgeben, ergäbe sich hieraus jedenfalls ein umfassendes Verwertungsverbot für Aussagen aus früheren (nichtrichterlichen) Vernehmungen. Denn ein solcher Zeuge hätte sich nicht nach zutreffender Belehrung und in Kenntnis seiner Rechte und der Reichweite seiner Erklärung als Beweismittel zur Verfügung gestellt, sondern seine Verzichtserklärung lediglich in der fehlerhaften Annahme der Teilbarkeit des Verweigerungsrechts abgegeben. (Bearbeiter)
4. Eine andere Bewertung ist angezeigt, wenn sich der zeugnisverweigerungsberechtigte Zeuge in der Hauptverhandlung zunächst nicht zur Sache geäußert hatte, später aber gleichwohl zur Sache aussagte, um eine frühere richterliche Vernehmung zu entkräften. In einer solchen Konstellation kann der Zeuge seine Zustimmung zur Verwertung früherer Angaben nicht auf einzelne Vernehmungen beschränken. Vielmehr kann er nur entscheiden, ob er sich als Beweismittel zur Verfügung stellen möchte oder nicht, und hat darüber hinaus weder die Möglichkeit, den Umfang der Verwertbarkeit seiner Aussage, noch weitergehend den Umfang der Verwertbarkeit der von ihm bereits vorliegenden Angaben zu bestimmen. (Bearbeiter)
1. Ein unterbliebener Hinweis nach § 416 Abs. 2 StPO beim Übergang in das Strafverfahren stellt zwar einen Verfahrensverstoß dar, begründet aber kein Verfahrenshindernis. Ein solches wird nur durch solche Umstände begründet, die es ausschließen, dass über einen Prozessgegenstand mit dem Ziel einer Sachentscheidung verhandelt werden darf. Die Umstände müssen dabei so schwer wiegen, dass von ihrem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens abhängig gemacht werden muss. Das Unterbleiben eines Hinweises wiegt aber nicht so schwer, dass davon die Zulässigkeit des Verfahrens im Ganzen – im Interesse der Angeklagten und im öffentlichen Interesse – abhängt.
2. Die Antragsschrift im Sicherungsverfahren steht nach § 414 Abs. 2 S. 1 StPO der öffentlichen Klage gleich. Die Notwendigkeit, dass die Antragsschrift den Erfordernissen der Anklageschrift gemäß § 200 StPO entsprechen muss (§ 414 Abs. 2 S. 2 StPO), ergibt sich bereits im Hinblick auf eine mögliche Überleitung in das Strafverfahren gemäß § 416 Abs. 2 StPO.
1. Die Mitteilungspflicht umfasst nicht nur die Tatsache, dass es solche Erörterungen gegeben hat, sondern erstreckt sich auch auf deren wesentlichen Inhalt. Dementsprechend ist darzulegen, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte die einzelnen Gesprächsteilnehmer vertraten und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils stieß.
2. Die Mitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO verfolgt zwei Zielrichtungen. Sie soll einerseits dem Angeklagten die Möglichkeit eröffnen, autonom aufgrund umfassender Unterrichtung durch das Gericht über die regelmäßig in seiner Abwesenheit durchgeführten Erörterungen darüber zu entscheiden, ob er den Schutz der Selbstbelastungsfreiheit aufgibt und sich mit einer geständigen Einlassung des Schweigerechts begibt. Die Mitteilung soll andererseits die effektive Kontrolle des Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit und alle Verfahrensbeteiligten sicherstellen.
3. Eine von Verständnis und Wahrnehmung des Verteidigers beeinflusste Information kann die Unterrichtung durch das Gericht grundsätzlich nicht ersetzen. Richterliche und nichtrichterliche Mitteilungen sind nicht von identischer Qualität; der Strafprozessordnung liegt an verschiedenen Stellen die Wertung zugrunde, dass Authentizität, Vollständigkeit und Verständlichkeit einer Mitteilung oder Belehrung nur durch richterliches Handeln verbürgt sind. Auch hier kommt in Betracht, dass der Angeklagte im Falle einer prozessordnungsgemäßen Mitteilung durch den Vorsitzenden dessen Wort größeres Gewicht als den Erklärungen seines Verteidigers beigemessen hat.
Ein Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten [§ 243 Abs. 4 StPO) führt grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit einer Verständigung mit der Folge, dass ein Beruhen des Urteils auf dem Gesetzesverstoß regelmäßig nicht auszuschließen ist. Ausnahmsweise kann aber unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Verstoßes ein Ausschluss des Beruhens angenommen werden. Hierzu gilt:
a) Ein Ausschluss des Beruhens kann in Betracht kommen, wenn von mehreren außerhalb der Hauptverhand-
lung geführten Gesprächen (unter Verstoß gegen die Mitteilungspflicht) frühere Gespräche zwar nicht mitgeteilt werden, die erfolgende Mitteilung über ein späteres Gespräch aber die wesentlichen verständigungsbezogenen Umstände aus den nicht mitgeteilten Gesprächen enthält. Unter diesen Umständen kann ggf. ausgeschlossen werden, dass ein Informationsdefizit über Inhalt und Verlauf der nicht mitgeteilten (in der Sache „überholten“ Gespräche) die Rechtsstellung des Angeklagten und seine Verteidigungsmöglichkeiten beeinträchtigt haben könnte oder sonst der Prozessverlauf aufgrund der stattgefundenen Gespräche beeinflusst worden ist.
b) Da die Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO außerdem den Informationsbedarf der Öffentlichkeit sicherstellen soll, ist für einen ausnahmsweisen Ausschluss des Beruhens außerdem erforderlich, dass angesichts des festgestellten Verfahrensablaufs feststeht, dass kein informelles und unkontrolliertes Verfahren betrieben wurde. Das setzt voraus, dass etwaige nicht mitgeteilte Gespräche nicht auf die Herbeiführung einer gesetzwidrigen Absprache gerichtet waren und dass die Öffentlichkeit insgesamt über sämtliche Essentialia für eine Verfahrensabsprache gemäß § 257c StPO zutreffend unterrichtet wurde.
1. § 252 StPO ist – über den Wortlaut hinaus – nicht nur als Verlesungs-, sondern als Verwertungsverbot aufzufassen, das auch jede andere Verwertung der bei einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Aussage, insbesondere die Vernehmung von Verhörspersonen, ausschließt. Zwar kann ein zur Zeugnisverweigerung berechtigter Zeuge die Verwertung seiner in einer polizeilichen Vernehmung getätigten Angaben wirksam gestatten, wenn er zuvor über die Folgen des Verzichts ausdrücklich belehrt worden ist.
2. Am Fall: Indes ist durch den Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls im vorliegenden Fall bewiesen, dass eine qualifizierte Belehrung der Mutter des Angeklagten nicht erfolgte. Aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt sich, dass die Einverständniserklärung der Zeugin weder auf deren Initiative zurückging noch „nach Belehrung“ erfolgt, sie sich vielmehr „auf Befragen“ erklärte. Damit lässt sich dem Protokoll nicht entnehmen, dass die Zeugin hinreichend belehrt worden oder ihr die Tragweite ihrer Erklärung bewusst war. Da die Belehrung eine wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens darstellt (§ 273 Abs. 1 StPO), beweist das Schweigen des Protokolls, dass sie nicht stattgefunden hat.
3. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe der Tat „niedrig“ sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen. In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass der Täter die Umstände, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann.
4. Versteht sich nicht von selbst, dass der Angeklagte zu einer zutreffenden Wertung in der Lage war, weil etwa die Fähigkeit dazu aufgrund eines Persönlichkeitsmangels zusammen mit einem langjährigen Alkohol- und Betäubungsmittelabusus beeinträchtigt gewesen sein könnte, bedarf es einer nicht nur floskelhaften Gesamtschau der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Entwicklung wie auch der Tat selbst und des Nachtatgeschehens. Hierbei kann freilich in den Blick genommen werden, dass die Schwelle für die Annahme, der Täter habe seine Antriebe gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern können, umso niedriger ist, je schwerwiegender die Tötungstat ist.
Der Senat neigt zu der (hier nicht entscheidungserheblichen) Auffassung, dass ein Verwertungsverbot aus § 51 Abs. 1 BZRG entgegen der bisherigen Rechtsprechung (siehe etwa BGH HRRS 2012 Nr. 943 m.w.N.) nicht auf die Sachrüge, sondern lediglich auf eine Verfahrensrüge hin zu beachten ist.
1. Die Gewährung umfassender Akteneinsicht ist wesentliche Grundlage eines fairen Verfahrens. Grundsätzlich ist dem jedoch Rechnung getragen, soweit der Verteidiger eines Angeklagten Akteneinsicht erhalten hat. Die Verteidigungsrechte des Angeklagten werden so in aller Regel gewahrt und die „Waffengleichheit“ zu Gericht sowie Staatsanwaltschaft hinreichend begründet. Für das Revisionsverfahren gilt dies in besonderem Maße, da hier Erörterungen vorwiegend rechtlicher Natur stattfinden und die Möglichkeiten des Angeklagten, das Verfahren
neben seinen Verteidigern selbst inhaltlich mitzugestalten, eher gering sind.
2. Ein Recht des Angeklagten auf Akteneinsicht neben demjenigen seiner Verteidiger kommt allenfalls dann ausnahmsweise in Betracht, wenn ohne dieses die Effektivität der Verteidigung beeinträchtigt sein könnte, z.B. dann, wenn den Verteidigern angesichts des Umfangs des Aktenmaterials nicht genügend Zeit für die Unterrichtung des Angeklagten über den Verfahrensgegenstand verbleibt und es zudem in besonderem Maße auf dessen Kenntnis zum prozessgegenständlichen Lebenssachverhalt ankommt.
3. Der Angeklagte auch nicht ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Grundsätzlich ist es einem Angeklagten zuzumuten, die für eine effektive Verteidigung notwendigen Informationen durch Konsultation seines Verteidigers zu beschaffen.
4. Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses sind ebenso wie ihre Glaubhaftmachung Zulässigkeitsvoraussetzung.
Der Senat kann offen lassen, ob eine Verletzung des § 247 Satz 4 StPO darin liegen könnte, dass der gemäß § 247 Satz 1 StPO für die Dauer der Vernehmung beider Nebenklägerinnen aus dem Sitzungszimmer entfernte Angeklagte zwar nach seinem Wiedereintritt in die Hauptverhandlung unmittelbar über den Inhalt beider Aussagen unterrichtet wurde, er jedoch nicht bereits nach der ersten Zeugenvernehmung wieder zur Hauptverhandlung zugelassen und unverzüglich über den Inhalt der Zeugenvernehmung unterrichtet wurde, bevor die zweite Zeugin in seiner erneuten Abwesenheit vernommen worden ist. Der Senat neigt der Auffassung zu, dass die vom Landgericht gewählte Verfahrensweise, den Angeklagten erst nach Abschluss beider Vernehmungen zu unterrichten, nicht gegen § 247 Satz 4 StPO verstößt.
1. Allein die Übernahme eines von der Staatsanwaltschaft vorbereiteten und mit Antragstellung vorgelegten Entscheidungsentwurfs durch den Ermittlungsrichter erlaubt nicht den Schluss, eine eigenverantwortliche und selbständige Prüfung des Antrages durch den Ermittlungsrichter sei unterblieben.
2. Die mögliche Verletzung einer Verfahrensnorm, die nicht dem Schutz des Beschuldigten dient, führt ihm gegenüber nicht zu einem Beweisverwertungsverbot und kann daher nicht erfolgreich mit der Revision gerügt werden, da sein Rechtskreis nicht betroffen ist.
3. Gemäß § 64 Satz 2 StGB darf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nur angeordnet werden, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten innerhalb der Frist nach § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB zu heilen oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen. Sofern sich dies nicht von selbst versteht, ist es dazu erforderlich, unter Berücksichtigung der Art und des Stadiums der Sucht sowie bereits eingetretener physischer und psychischer Veränderungen und Schädigungen in der Persönlichkeit und den Lebensumständen des Angeklagten konkrete Anhaltspunkte zu benennen, die dafür sprechen, dass es innerhalb eines zumindest „erheblichen“ Zeitraums nicht (mehr) zu einem Rückfall kommen wird. Die bloße Möglichkeit einer therapeutischen Veränderung vermag die Prognose eines hinreichend konkreten Therapieerfolgs nicht zu stützen. Notwendig, aber auch ausreichend, ist eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit des Behandlungserfolgs; einer sicheren oder unbedingten Gewähr bedarf es nicht.
4. Die Formulierung („ist einzuziehen“) lässt besorgen, dass das Tatgericht sich nicht bewusst war, dass es sich bei der Einziehung um eine Ermessensentscheidung handelt, oder dass es von dem ihm eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht hat.
Strafbare Vorbereitungshandlungen berechtigen – anders als der Versuch – nicht gemäß § 395 Abs. 1 Nr. 2 StPO zum Anschluss des Verletzten als Nebenkläger.
1. Die Urteilsfindung hat die Tat im verfahrensrechtlichen Sinne zum Gegenstand (§ 264 Abs. 1 StPO). Diese bestimmt sich nach dem von der zugelassenen Anklage umschriebenen geschichtlichen Vorgang, innerhalb des-
sen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Sie erstreckt sich auf das gesamte Verhalten des Täters, das nach natürlicher Auffassung ein mit diesem geschichtlichen Vorgang einheitliches Geschehen bildet. Liegen nach dieser Maßgabe verschiedene Lebenssachverhalte und mithin mehrere selbständige prozessuale Taten vor, so sind diese nur dann voll umfänglich Gegenstand der Urteilsfindung, wenn sich nach dem aus der Anklageschrift erkennbaren Willen der Staatsanwaltschaft ergibt, dass sie sämtlich einer Aburteilung zugeführt werden sollen.
2. Von prozessualer Tatidentität kann ohne Weiteres ausgegangen werden, wenn mehrere Taten materiellrechtlich zueinander im Verhältnis der Tateinheit nach § 52 Abs. 1 StGB stehen. Mehrere sachlich-rechtlich selbständige Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB bilden nur dann eine einheitliche prozessuale Tat im Sinne von § 264 Abs. 1 StPO, wenn die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern wegen der ihnen zugrunde liegenden Vorkommnisse unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung auch innerlich derart miteinander verknüpft sind, dass der Unrechtsund Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden werden.
3. Eine Zäsur im Geschehensablauf wird bei der Begehung eines Dauerdelikts insbesondere dann angenommen, wenn der Täter während des Dauerdelikts den Entschluss zur Begehung einer schweren Tat fasst.
4. Die Entscheidung darüber, ob eine gesonderte Tat angeklagt wird, obliegt der Staatsanwaltschaft, die ihre Entscheidung durch die Prozesserklärung in der Anklageschrift kundtun muss. Erforderlich ist, dass die Anklageschrift den Verfolgungswillen hinsichtlich selbständiger Taten klar erkennen lässt.
5. Die vollständige Begleichung der Geldstrafe aus einem Strafbefehl begründet keine ausgleichspflichtige Härte, da eine solche nur bei der Vollstreckung einer Geldstrafe im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe entstehen kann.
1. Die Kognitionspflicht gebietet, dass der durch die zugelassene Anklage abgegrenzte Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird. Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen. Fehlt es daran, so stellt dies einen sachlich-rechtlichen Mangel dar.
2. Bezugspunkt dieser Prüfung ist die Tat im Sinne von § 264 StPO. Diese Tat als Prozessgegenstand ist dabei nicht nur der in der Anklage umschriebene und dem Angeklagten darin zur Last gelegte Geschehensablauf; vielmehr gehört dazu das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorgang nach der Auffassung des Lebens ein einheitliches Vorkommnis bildet. Die prozessuale Tat wird in der Regel durch Tatort, Tatzeit und das Tatbild umgrenzt und insbesondere durch das Täterverhalten sowie die ihm innewohnende Angriffsrichtung und durch das Tatopfer bestimmt.
3. Sukzessive Mittäterschaft oder Beihilfe kann auch aufgrund von Tatbeiträgen zwischen Vollendung und Beendigung eines Betruges vorliegen.
Die nicht näher ausgeführte Bewertung des Landgerichts, ein „Zuwarten mit der Anklageerhebung“ sei „nicht sachfremd“, lässt besorgen, es könnte den Anspruch des Angeklagten auf zügige Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens (Art. 6 Abs. 1, Art. 13, 34 EMRK; Art. 2, 20 Abs. 3 GG) und die hierfür maßgeblichen Umstände des Einzelfalls nicht hinreichend in den Blick genommen haben.
1. Ein Ablehnungsgesuch ist auch dann im Sinne von § 338 Nr. 3 StPO „mit Unrecht verworfen“, wenn die unter Mitwirkung des abgelehnten Richters beschlossene Verwerfung gemäß § 26a StPO als unzulässig auf einer willkürlichen oder die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht; auf die sachliche Berechtigung der Ablehnungsgründe kommt es in diesem Fall nicht an.
2. Ist ein Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters (§ 26a Abs. 2 S. 1 StPO) als unzulässig verworfen worden, darf das Revisionsgericht sich nicht darauf beschränken, die Begründetheit des Ablehnungsgesuchs nach Beschwerdegrundsätzen (§ 28 Abs. 2 StPO) zu prüfen; vielmehr muss das Revisionsgericht zunächst darüber entscheiden, ob die Grenzen der Vorschrift des § 26a StPO, die den gesetzlichen Richter gewährleistet, eingehalten wurden. Jedenfalls bei einer willkürlichen
oder die Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG erheblich missachtenden Überschreitung des durch § 26a StPO abgesteckten Rahmens hat das Revisionsgericht das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Tatgericht zurückzuverweisen.
3. Willkür in diesem Sinne liegt vor, wenn die Entscheidung des Gerichts auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht und daher in der Sache offensichtlich unhaltbar ist. Ebenso zu behandeln ist der Fall, dass das Gericht bei der Rechtsanwendung Bedeutung und Tragweite des von der Verfassung garantierten Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) grundlegend verkennt. Ob ein solcher Fall vorliegt, kann nur anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.
4. Gemäß § 25 Abs. 2 Nr. 2 StPO sind während laufender Hauptverhandlung eintretende Befangenheitsgründe unverzüglich geltend zu machen. Dies bedeutet nicht „sofort“, sondern „ohne schuldhaftes Zögern“. Trotz des dabei anzulegenden strengen Maßstabes ist dem ablehnungsbefugten Angeklagten Zeit zur Überlegung, zur Besprechung mit seinem Verteidiger und zur Abfassung des Gesuchs einzuräumen. Welche Zeitspanne dafür zuzubilligen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Diese Frist ist dem Angeklagten von Gesetzes wegen eingeräumt; eines diesbezüglichen Antrags bedarf es nicht.
1. Ein Ablehnungsgesuch ist auch dann im Sinne von § 338 Nr. 3 StPO „mit Unrecht verworfen“, wenn die unter Mitwirkung des abgelehnten Richters beschlossene Verwerfung gemäß § 26a StPO als unzulässig auf einer willkürlichen oder die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht; auf die sachliche Berechtigung der Ablehnungsgründe kommt es in diesem Fall nicht an.
2. Ist ein Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters (§ 26a Abs. 2 S. 1 StPO) als unzulässig verworfen worden, darf das Revisionsgericht sich nicht darauf beschränken, die Begründetheit des Ablehnungsgesuchs nach Beschwerdegrundsätzen (§ 28 Abs. 2 StPO) zu prüfen; vielmehr muss das Revisionsgericht zunächst darüber entscheiden, ob die Grenzen der Vorschrift des § 26a StPO, die den gesetzlichen Richter gewährleistet, eingehalten wurden. Jedenfalls bei einer willkürlichen oder die Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG erheblich missachtenden Überschreitung des durch § 26a StPO abgesteckten Rahmens hat das Revisionsgericht das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Tatgericht zurückzuverweisen.
3. Willkür in diesem Sinne liegt vor, wenn die Entscheidung des Gerichts auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht und daher in der Sache offensichtlich unhaltbar ist. Ebenso zu behandeln ist der Fall, dass das Gericht bei der Rechtsanwendung Bedeutung und Tragweite des von der Verfassung garantierten Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) grundlegend verkennt. Ob ein solcher Fall vorliegt, kann nur anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.
4. Gemäß § 25 Abs. 2 Nr. 2 StPO sind während laufender Hauptverhandlung eintretende Befangenheitsgründe unverzüglich geltend zu machen. Dies bedeutet nicht „sofort“, sondern „ohne schuldhaftes Zögern“. Trotz des dabei anzulegenden strengen Maßstabes ist dem ablehnungsbefugten Angeklagten Zeit zur Überlegung, zur Besprechung mit seinem Verteidiger und zur Abfassung des Gesuchs einzuräumen. Welche Zeitspanne dafür zuzubilligen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Diese Frist ist dem Angeklagten von Gesetzes wegen eingeräumt; eines diesbezüglichen Antrags bedarf es nicht.
1. Die Zuständigkeit durch Befasstsein mit der Frage der bedingten Entlassung wirkt bei einer Verlegung des Verurteilten in eine Justizvollzugsanstalt in einem anderen Landgerichtsbezirk fort, solange über diese Frage nicht abschließend entschieden ist.
2. Zwar wird das Verfahren über die Strafrestaussetzung zur Bewährung auch ohne Sachentscheidung des mit dieser Frage befassten Gerichts beendet, wenn der Verurteilte seine zunächst erteilte Einwilligung in die bedingte Entlassung zurücknimmt. Dies gilt aber nur in Fällen, in denen das endgültige Fehlen der für eine bedingte Entlassung erforderlichen Einwilligung des Verurteilten zweifelsfrei feststeht; hierzu bedarf es einer eindeutigen Rücknahmeerklärung.
3. Eine Rücknahme der Einwilligung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB liegt nur dann vor, wenn den Erklärungen oder dem sonstigen Verhalten des Verurteilten der Erklärungswert zukommt, er wolle – entgegen seiner früher geäußerten Willenslage – nun doch zumindest bis auf Weiteres in Strafhaft bleiben.
4. Der gesetzlichen Regelung in § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB und in den §§ 454, 462a StPO ist die Erteilung einer Einwilligungserklärung nur für ein konkretes Verfahren gegenüber einem bestimmten Gericht fremd.
1. Eine den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO genügende Beweiswürdigung setzt voraus, dass die für die Überzeugung des Tatgerichts maßgeblichen Gesichtspunkte klar und bestimmt im Rahmen einer strukturierten, verstandesgemäß einsichtigen und auf das Wesentliche konzentrierten Darstellung nachvollziehbar niedergelegt werden. Sie soll keine umfassende Dokumentation der Beweisaufnahme enthalten, sondern lediglich belegen, warum bestimmte, für die Schuld- und die Straffrage bedeutsame Umstände so festgestellt worden sind wie geschehen.
2. Dabei empfiehlt es sich regelmäßig, die Einlassung der Angeklagten in der Hauptverhandlung voranzustellen.
3. Erörterungen von Prozesserklärungen eines Verteidigers unter dem Gesichtspunkt der Einlassung eines Angeklagten sind verfehlt.
Beanstandungen über Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Bestimmtheitsgrundsatz sind im Rahmen des § 356a StPO jedenfalls dann unbeachtlich, wenn kein Gehörsverstoß vorliegt; denn das Verfahren nach dieser Vorschrift soll ein Urteil nicht generell erneut zur Überprüfung stellen, sondern lediglich Gehörsverletzungen heilen.
Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO besteht darin, dass es grob unbillig sein kann, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zu überbürden, wenn eine Verurteilung nur daran scheitert, dass nachträglich ein Verfahrenshindernis eingetreten ist. Grundlage der Bewertung einer Auslagenerstattung als grob unbillig oder ungerecht kann allerdings nur ein dem Beschuldigten vorwerfbares Verhalten sein. Daran fehlt es etwa bei einem Beschuldigten, der aufgrund einer andauernden psychiatrischen Erkrankung schuldunfähig ist. Aber auch im Fall eines nicht andauernden Zustands kann ein vorwerfbares Verhalten nicht festgestellt werden, so dass die Überbürdung der Auslagen auf die Staatskasse nicht grob unbillig erscheint.
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre.
2. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewissheit, sondern es genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat.
3. Ist eine Vielzahl einzelner Erkenntnisse angefallen, so ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Erst sie entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtschau dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln. Beweisanzeichen können nämlich in einer Gesamtschau wegen ihrer Häufung und gegenseitigen Durchdringung die Überzeugung von der Richtigkeit eines Vorwurfs begründen. Der Beweiswert einzelner Indizien ergibt sich zudem regelmäßig erst aus dem Zusammenhang mit anderen Indizien, weshalb der Inbezugsetzung der Indizien zueinander im Rahmen der Gesamtwürdigung besonderes Gewicht zukommt.