Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2017
18. Jahrgang
PDF-Download
1. Nach Auffassung des Senates kann der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil im Rahmen der Strafzumessung wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in gleicher Weise Berücksichtigung finden wie bei anderen Straftaten; die gesetzliche Regelung des Ruhens der Verjährung in § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB führt nicht zu einem anderen Ergebnis (vgl. bereits zum Anfrageverfahren BGH HRRS 2016 Nr. 189). Aufgrund des Festhaltens des 1. Strafsenats an der gegenteiligen Ansicht (BGH HRRS 2016 Nr. 950) legt der Senat die Frage nun dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung vor.
2. Aus den unterschiedlichen Regelungsgehalten, Zwecken und Ausgestaltungen der Strafzumessung einerseits und der Verfolgungsverjährung andererseits folgt zum einen, dass für die Frage der Verjährung nicht von Bedeutung ist, ob mit Blick auf die Strafzumessungsmaximen Schuld und Spezialprävention eine staatliche Reaktion auf die Begehung einer Straftat in Form einer Sanktionierung des Täters (noch) notwendig und gegebenenfalls welche angemessen erschiene. Zum anderen spielt die Dauer der Verjährungsfrist für die Strafzumessung und die dort zu bewertenden Umstände keine Rolle.
3. Mit den in ständiger Rechtsprechung anerkannten Vorgaben zur am Einzelfall orientierten tatgerichtlichen Betrachtungsweise bei der Strafzumessung sowie ihrer eingeschränkten Überprüfung in der Revisionsinstanz ist es nicht vereinbar, wenn die Revisionsgerichte den Tatgerichten für die Deliktsgruppe des sexuellen Missbrauchs von Kindern eine Vorgabe machen, die dahin geht, einem von diesen im konkreten Fall als bestimmend angesehenen Strafzumessungsgesichtspunkt wegen der Art der Straftat generell – und somit gerade unabhängig von den näheren Einzelfallumständen – eine geringere Bedeutung als bei allen anderen Delikten beizumessen.
1. Maßgeblich für die Bedeutung eines Geständnisses ist es, inwieweit darin ein Bekenntnis des Angeklagten zu seiner Tat liegt, in ihm Schuldeinsicht und Reue zum Ausdruck kommen und durch seine Ablegung das Prozessziel der Erreichung von Rechtsfrieden gefördert wird (vgl. BGHSt 43, 195, 209 f.). Das strafmildernde Gewicht eines Geständnisses kann daher geringer sein, wenn dafür prozesstaktische Überlegungen bestimmend waren und die Strafkammer dies durch ein in den Urteilsgrün-
den darzulegendes Prozessverhalten bestätigt sieht (vgl. BGH-NStZ-RR 2007, 232).
2. Erlittene Untersuchungshaft ist bei einer Verurteilung zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (vgl. BGH NStZ-RR 2014, 106). Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine mildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (vgl. BGH NStZ 2012, 147).
3. Die Bemessung der Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 1 StGB ist ein eigenständiger Zumessungsakt, bei dem die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind. Dabei sind vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. BGHSt 24, 268, 269 f.). Besteht zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang, hat die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel geringer auszufallen (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 238).
4. Hierbei braucht der Tatrichter nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen. Eine Bezugnahme auf die zu den Einzelstrafen gemachten Ausführungen ist grundsätzlich zulässig. Einer eingehenderen Begründung bedarf es hingegen, wenn die Einsatzstrafe nur geringfügig überschritten oder die Summe der Einzelstrafen nahezu erreicht wird (vgl. BGHSt 24, 268, 271).
5. Ob der Rechtsmittelführer nur die Strafzumessung angreifen will, ist eine Frage, die im Zweifelsfall im Wege der Auslegung seiner Rechtsmittelerklärungen zu beantworten ist (vgl. BGHSt 29, 359, 365). Dabei kann die Auslegung der Revisionsbegründung auch bei einem unbeschränkten Revisionsantrag eindeutig zu dem Ergebnis führen, dass sich der Beschwerdeführer – im Widerspruch zu seinem Antrag – lediglich gegen den Strafausspruch wendet. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Beschwerdeführer um die Staatsanwaltschaft handelt (vgl. BGH NStZ-RR 2015, 88).
Der Umstand polizeilicher Überwachung eines Betäubungsmittelgeschäfts mit der Folge, dass eine tatsächliche Gefahr der Übernahme durch den Abnehmer und eines tatsächlichen In-Verkehr-Gelangens nicht bestand, ist ein bestimmender Strafzumessungsgrund zugunsten des Angeklagten, dem neben der Sicherstellung der Drogen als solcher eigenes Gewicht zukommt.
1. Dass der die Tat bestreitende Angeklagte keine Reue und Unrechtseinsicht zeigt, darf nicht zu seinem Nachteil gewertet werden.
2. Eine andere Bewertung kommt nur in Betracht, wenn der Angeklagte bei seiner Verteidigung ein Verhalten an den Tag gelegt hätte, das im Hinblick auf seine Persönlichkeit und die Art der Tat auf eine besondere Rechtsfeindlichkeit und Gefährlichkeit schließen ließe.
1. Grundsätzlich verbietet sich die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, wenn der Ausschluss oder die erhebliche Minderung der Schuldfähigkeit nicht schon allein durch einen solchen, länger andauernden Defekt, sondern erst durch aktuell hinzutretenden Genuss berauschender Mittel, insbesondere Alkohol, herbeigeführt worden ist.
2. In solchen Fällen kommt die Unterbringung nach § 63 StGB aber ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Täter in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist, an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder aufgrund eines psychischen Defektes alkoholsüchtig ist, der, ohne pathologisch zu sein, in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichsteht (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 73).
3. Ein Zustand im Sinne des § 63 StGB liegt auch dann vor, wenn der Täter an einer länger dauernden geistig-seelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben, wenn tragender Grund seines Zustandes mithin die länger andauernde krankhafte geistig-seelische Störung und die Alkoholisierung lediglich der auslösende Faktor war und ist (vgl. BGHSt 44, 369, 374).
1. Die in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB als materielle Anordnungsvoraussetzung der Sicherungsverwahrung benannte Gefährlichkeit eines Angeklagten für die Allgemeinheit liegt vor, wenn infolge eines bei ihm bestehenden Hanges die bestimmte Wahrscheinlichkeit besteht, dass er auch in Zukunft Straftaten begehen wird, die eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen.
2. Als wesentlichen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Erheblichkeit zu erwartender Straftaten nennt das Gesetz eine schwere seelische oder körperliche Schädigung der Opfer. Bezugspunkt sind demnach die wahrscheinlichen Folgen der zu erwartenden Straftaten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern typischerweise die Gefahr schwerwiegender psychischer Schäden verbunden. Sie wird nicht ohne weiteres dadurch in Frage gestellt, dass aufgrund der konkreten Anlasstaten solche Schäden (zufällig) nicht eingetreten sind.
Regelmäßig kommt dem Vorhandensein von Entzugserscheinungen indizielle Bedeutung für einen Hang i.S.v. § 64 StGB zu, weil ihr Auftreten nach Absetzen des Rauschgifts Kennzeichen einer physischen Abhängigkeit ist (vgl. BGH StV 2008, 405 f.).
Handelt es sich bei den Anlasstaten nicht um erhebliche rechtswidrige Taten, durch die die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet wurde oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wurde, ist eine Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB nicht von vornherein ausgeschlossen; das Tatgericht muss in solchen Fällen allerdings die erforderliche Gefährlichkeitsprognose besonders sorgfältig darlegen (vgl. BGH NStZ-RR 2011, 240, 241).
Zwar scheidet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB regelmäßig dann aus, wenn der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem verfallenen Betrag zurückbleibt. Steht jedoch zweifelsfrei fest, dass der fragliche Vermögenswert ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten erworben wurde, ist eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB nicht ausgeschlossen (vgl. BGHSt 48, 40, 41).
Werden mehrere Angeklagte in einem Verfahren abgeurteilt, muss für jeden von ihnen die Strafe aus der Sache selbst gefunden werden. Der Gesichtspunkt, dass gegen Mittäter verhängte Strafen auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollten, darf dabei nicht völlig außer Betracht bleiben.