HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

März 2017
18. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Zur Konstellation "Aussage gegen Aussage" bei mehreren Zeugen im gleichen Lager

Von RA Maximilian Strohmayer, Regensburg

I. Vorbemerkung

Der Umgang der deutschen Strafjustiz mit der Konstellation "Aussage gegen Aussage" wird nicht nur von Seiten der Verteidigung seit jeher überwiegend kritisch beäugt.[1] Der Bundesgerichtshof hat in diversen Entscheidungen Kriterien herausgearbeitet, nach welchen die Aussagen von Zeugen in diesen Fällen zu bewerten sind. Sofern das Gericht aufgrund der Zeugenaussage oder den Zeugenaussagen nicht zu der gesicherten Überzeugung gelangt, der Tatnachweis könne geführt werden und auch keine anderen Beweismittel zur Verfügung stehen, wäre die zwingende Rechtsfolge ein Freispruch nach dem Grundsatz in dubio pro reo. Selbstverständlich ist der "in dubio-Freispruch" erst der finale Schritt nach durchgeführter Beweiswürdigung und deren umfassender Würdigung durch das Gericht. Entgegen dem Verständnis vieler Laien (und auch mancher Juristen) hat nicht jede "Aussage-gegen-Aussage-Konstellation" einen Freispruch zur Folge. Gleichwohl ist die Anwendung der Maxime in dubio pro reo nach durchgeführter Beweiswürdigung eine der zentralen Errungenschaften des deutschen Strafprozessrechts. Dies gilt auch, wenn die Aussagen mehrerer Belastungszeugen, die im gleichen Lager stehen, Gegenstand der Beweiswürdigung sind. In der Praxis, vor allem – aber bei weitem nicht ausschließlich – im erstinstanzlichen Verfahren, werden diese Grundsätze jedoch oftmals nur lax gehandhabt – regelmäßig zu Lasten des Angeklagten.

Die Konstellation "Aussage gegen Aussage" hat nicht nur Bedeutung in Fällen, in welchen die Einlassungen des Angeklagten und des Tatopfers oder eines Zeugen divergieren. Situationen, in denen mehrere Belastungszeugen, die alle aus dem gleichen Lager kommen, als Beweismittel für eine bestimmte Tatsache zur Verfügung stehen, sind im Ergebnis nicht anders zu werten als die klassische "Eins-gegen-Eins-Situation". Dieser Aufsatz soll aufzeigen, dass die einzelnen Aussagen der Zeugen, die im selben Lager stehen, aussagepsychologisch sowohl in Beziehung zur divergierenden Einlassung des Angeklagten bzw. anderer abweichender Zeugenaussagen als auch in einer gesonderten Glaubhaftigkeitsprüfung untereinander auf innere Konsistenz und damit Glaubhaftigkeit überprüft werden müssen.

II. Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung

Die ständige Rechtsprechung stellt generell besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung, wenn die Konstellation "Aussage gegen Aussage" vorliegt. Diese Anforderungen wurden in dem Urteil des Bundesgerichtshofs

vom 07.03.2012 (2 StR 565/11) durch den zweiten Strafsenat wie folgt zusammengefasst:[2]

"Die Rechtsprechung stellt besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung in Konstellationen, in denen "Aussage gegen Aussage" steht (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 158 f.). Erforderlich sind insbesondere eine sorgfältige Inhaltsanalyse der Angaben, eine möglichst genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Aussage (BGH, Beschluss vom 21. April 2005 – 4 StR 89/05), eine Bewertung des feststellbaren Aussagemotivs (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2003 – 4 StR 73/03), sowie eine Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben."

Um den Wahrheitsgehalt einer Zeugenaussage zu bestimmen, hat der Tatrichter im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO also die Aussage einer erschöpfenden Prüfung hinsichtlich sämtlicher Faktoren wie z.B. Detailgenauigkeit, Stimmigkeit, Konstanz und Motivation der Aussage zu unterziehen.

Mit Urteil vom 10.10.2012 (5 StR 316/12) bestätigt der BGH die von ihm selbst aufgestellten Maximen mit anderen Worten:[3]

"Steht Aussage gegen Aussage, muss das Tatgericht die Aussagen des einzigen Belastungszeugen einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung unterziehen. Dies gilt insbesondere, wenn der einzige Belastungszeuge in der Hauptverhandlung seine Vorwürfe ganz oder teilweise nicht mehr aufrechterhält oder der anfänglichen Schilderung weiterer Taten nicht gefolgt wird. Zu berücksichtigen ist, dass dem Angeklagten in dieser Konstellation nur eingeschränkte Verteidigungsmöglichkeiten eröffnet sind."

Um eine aussagepsychologisch verwertbare Beweiswürdigung vorzunehmen, hat der Richter unter Beachtung des § 261 StPO von der sog. Nullhypothese auszugehen. Dazu führt der BGH in seinem Grundsatzurteil vom 30.07.1999 (1 StR 618/98) zu den Kriterien für eine aussagepsychologische Begutachtung unter anderem aus:[4]

"Das methodische Grundprinzip besteht darin, einen zu überprüfenden Sachverhalt (hier: Glaubhaftigkeit der spezifischen Aussage) so lange zu negieren, bis diese Negation mit den gesammelten Fakten nicht mehr vereinbar ist. Der Sachverständige nimmt daher bei der Begutachtung zunächst an, die Aussage sei unwahr (sog. Nullhypothese). Zur Prüfung dieser Annahme hat er weitere Hypothesen zu bilden. Ergibt seine Prüfstrategie, daß die Unwahrhypothese mit den erhobenen Fakten nicht mehr in Übereinstimmung stehen kann, so wird sie verworfen, und es gilt dann die Alternativhypothese, dass es sich um eine wahre Aussage handelt."

Freilich geht es in dieser zitierten Entscheidung um die Begutachtung durch einen psychologisch geschulten Sachverständigen, welches dann für die freie Beweiswürdigung des Richters maßgeblich sein wird. Im Umkehrschluss müssen diese Grundsätze erst recht für den Tatrichter gelten, der in der Regel psychologischer Laie ist. Dies heißt aber auch für den Richter, der mit dem Argument der eigenen Sachkunde an die Stelle eines psychologischen Sachverständigen tritt, dass er seiner Entscheidung gleichwohl den aktuellen Forschungsstand der Aussagepsychologie zu Grunde zu legen hat. In der aussagepsychologischen Forschung haben sich dabei bestimmte Prüfungspunkte herauskristallisiert, welche nach allgemeinen und speziellen Merkmalen zu unterscheiden sind:[5]

Zu den allgemeinen Merkmalen einer Zeugenaussage zählen die logische Konsistenz, die ungesteuerte Darstellung (im Gegensatz zur chronologischen Darstellung) und der quantitative Detailreichtum einer Zeugenaussage. Je stärker die jeweiligen Punkte verwirklicht sind, als desto glaubwürdiger ist die Aussage zu bewerten.

Hinsichtlich der speziellen Aussagemerkmale ist zu prüfen, ob und wie stark räumlich-zeitliche Verknüpfungen sowie Schilderungen von Kommunikation, Interaktionen und Komplikationen in der Zeugenaussage ausgeprägt sind. Auch hier gilt grundsätzlich wiederum die Devise: Je detailreicher, desto glaubwürdiger!

Dabei ist zu beachten, dass auch noch andere Faktoren miteinbezogen werden können. Ein Indiz für die Glaubhaftigkeit der zu beurteilenden Aussage ist jedoch nur anzunehmen, wenn er aus der Gesamtheit aller Merkmale abgeleitet wird.[6] Für den Tatrichter stellt sich hierbei die Schwierigkeit, das Spannungsverhältnis zwischen den Anforderungen an die detailreiche Zeugenbefragung und dem oftmals engmaschigen Zeitrahmen einer Gerichtsverhandlung aufzulösen. Diese Problematik darf aber unter keinen Umständen dazu führen, dass Fragestellungen der Verteidigung an den Zeugen zu "Nebenkriegsschauplätzen" als unzulässig abgewiesen werden. Denn gerade die Äußerungen eines Zeugen zum Randgeschehen des eigentlichen Beweisthemas sind geeignet, eine richtige von einer falschen Aussage zu unterscheiden. Daher darf dem Strafverteidiger in einem solchen Fall angeraten werden, sogleich die Verhandlungsleitung des Gerichts zu rügen, um einen Gerichtsbeschluss nach § 238 Abs. 2 StPO herbeiführen und diesen gemäß § 35 Abs. 1 S. 2 StPO in schriftlicher Ausfertigung anzufordern, um die unzulässige Beschränkung des Fragerechts rechtsmittelfest zu machen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich das Gericht hierbei auf die einschlägige Kommentierung im Meyer-Goßner[7] berufen wird, um die Notwendigkeit einer schriftlichen Ausfertigung zu negieren. Dort heißt es:

"Auf die Erteilung einer Abschrift des Beschlusses, mit dem ein Beweisantrag abgelehnt worden ist, besteht ein Anspruch, wenn er eine längere Begründung enthält (BGH NStZ 08, 110; ANM 767)."

Zunächst einmal ist jedoch bereits die Formulierung der Fundstelle als bedenklich anzusehen, da sie gerichtlichen Willkürentscheidungen im Wege eines Zirkelschlusses Tür und Tor öffnet. Zudem geht es hier auch nicht um die Ablehnung eines Beweisantrages, so dass die Anwendung der Fundstelle fehlgeht. Eine tiefergehende Beschäftigung mit dieser Thematik würde den Rahmen dieser Darstellung jedoch sprengen. Die unberechtigte Ablehnung der schriftlichen Erteilung des Beschlusses entfaltet jedenfalls Relevanz im Rahmen der Revisionsverteidigung und soll daher an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.

III. Mehrere Zeugen im gleichen Lager

Um nun zum Kern der vorliegenden Darstellung zu kommen: Nicht nur in einer klassischen "Eins-gegen-Eins-Situation" liegt ein Fall von "Aussage gegen Aussage" vor. Auch die Aussagen mehrerer Belastungszeugen müssen mit denselben Anforderungen überprüft werden, sofern diese im selben Lager stehen.

In seinem für die Untermauerung dieser These wichtigen Beschluss vom 06.11.2009 – 1 Ss 390/08 – führt das OLG Frankfurt am Main zu dieser Thematik im Leitsatz aus:[8]

"Es liegt auch dann ein Fall von Aussage gegen Aussage mit den besonderen Anforderungen an die Beweiswürdigung vor, wenn die Aussage des Angeklagten gegen die Aussagen von vier Zeugen steht, die sämtlich demselben "Lager" zuzuordnen sind (hier: vier Polizeibeamte)."

In den Urteilsgründen stellt das OLG Frankfurt auf diesen Kriterien aufbauend weiterhin fest:

"Auch wenn die Aussage des Angeklagten gegen die Aussagen von vier Zeugen steht, die sämtlich demselben "Lager" zuzuordnen sind, ist es erforderlich, dass das Tatgericht die von den Zeugen in der Hauptverhandlung getätigten Aussagen inhaltlich wiedergibt, die Entstehung und Entwicklung der Aussagen aufklärt, die Aussagekonstanz untersucht und im Einzelnen durch die Mitteilung nach der früheren Aussagen belegt."

Im dem oben zitierten Beschluss zu Grunde liegenden Verfahren sollte die Überführung des Angeklagten letztlich allein auf die Aussagen von vier Polizeibeamten gestützt werden, die sämtlich demselben Lager zuzuordnen waren, so dass letztendlich Aussage gegen Aussage stand. Das AG Frankfurt am Main hatte den Angeklagten in erster Instanz mit Urteil vom 29.07.2008 wegen Missbrauchs von Titeln in Tateinheit mit Beleidigung, in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, in Tateinheit mit versuchter Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 8 € verurteilt.

Im Rahmen der Beweiswürdigung wurde im erstinstanzlichen Urteil Folgendes ausgeführt:

"Die Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte, sowie den ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung erhobenen Beweisen. Der Angeklagte hat das äußere Tatgeschehen im Wesentlichen eingeräumt. Seiner Erinnerung nach sei es 2.30 Uhr gewesen, als er sich in die Kontrolle eingemischt habe, es könne aber auch 4 Uhr gewesen sein. Er habe aber nur behilflich sein wollen. In weiten Teilen könne er sich nicht gut erinnern. Allerdings will er dem Zeugen POK B. die eingeschweißte Visitenkarte des Kriminalbeamten nicht gezeigt haben und sich mithin auch nicht als solcher ausgegeben haben. Er habe seinen Sicherheitsdienstausweis gezeigt oder zumindest zeigen wollen. Er habe die Visitenkarte zum Schutz eingeschweißt da er sie als V-Mann der Frankfurter Polizei oft brauche, nicht um sich als Polizeibeamter auszugeben. Ferner gibt der Angeklagte an, als Nordafrikaner typischerweise die Anrede "Kollege" nicht im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr als Universalanrede für männliche Gesprächspartner verwendet zu haben. Diese Einlassung wird jedoch widerlegt durch die Aussagen der Zeugen PK K., PK J., POK S. und POK B. Der Zeuge POK J. sagte aus, dass er nicht mit dem Wort Kollege angesprochen worden sei, sondern dass der Angeklagte gesagt habe, er sei Kollege. Er habe allerdings die Visitenkarte nicht gesehen. Der Einsatz der Visitenkarte wurde aber durch die drei weiteren Polizeibeamten bestätigt, insbesondere der Zeuge B. konnte hierzu den Ablauf minutiös schildern. Eine Verwechslung der Karten durch den Angeklagten kann aufgrund deren unterschiedlichen Aussehens und des mehrfachen Vorzeigens ausgeschlossen werden. Auch durch den Kontext ergibt sich, dass der Angeklagte das Wort Kollege nicht nur als Anrede gebraucht hat: zusammen mit dem Zeigen der eingeschweißten Visitenkarte sowie den vom Angeklagten gegebenen Instruktionen an die Beamten kann man nur auf eine Verwendung des Begriffs im Wortsinn schließen. Diese vier Aussagen der Beamten sind glaubhaft. Sie wurden professionell sachlich, flüssig, sowie detailliert und widerspruchsfrei vorgetragen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie den Angeklagten zu Unrecht belasten wollten. Der Angeklagte hat sich ferner insoweit eingelassen, er könne sich nicht daran erinnern, die Zeugen als "Nazis" und "Hurensöhne" bezeichnet zu haben. Er räumt allerdings ein, dass es ihm herausgerutscht sein könne. Es könne eventuell auch sein, dass er nach den Beamten getreten habe. Dies müsse man aber vor dem Hintergrund sehen, dass er durch die Polizei erhebliche Verletzungen erlitten habe. Er sei ins Auto und aus dem Auto geschmissen, in die Kniekehle getreten und gegen den Kiefer geschlagen worden. Im Auto hätten sie zu dritt auf ihn eingeschlagen, alle außer dem Fahrer. Den von ihm früher erhobenen Vorwurf, die Polizei habe ihm 400 € entwendet, halte er nicht mehr aufrecht. Er habe sich deswegen aber vor das Auto gestellt und gerufen "Mir fehlt Geld." Die vier Zeugen haben übereinstimmend die Beleidigungen bekundet. Der Zeuge K. konnte sich daran erinnern, dass der Angeklagte in keiner Weise kooperativ gewesen ist und deshalb gewaltsam aus dem Fahrzeug verbracht werden musste. Alle Beamten haben verneint, Gewalt über das oben geschilderte Maß gegen den Angeklagten eingesetzt oder bemerkt zu haben. Alle Beamten zeigten sich überrascht, dass der Angeklagten die Weiterfahrt verhindert haben will, weil ihm Geld fehlte. Diese Information hätten sie erst nachträglich erhalten. Da nur die Zeugen K. und S. ausgestiegen waren, konnten nur diese beiden den Widerstand außerhalb des Fahrzeugs schildern. Die Aussagen der Zeugen PK K., PK J., POK S. und POK B. sind auch insoweit widerspruchsfrei und glaubhaft. Auch die vom Angeklagten vorgelegten Atteste über erlittene Verletzungen stehen dem nicht entgegen. Der Angeklagte wurde durch POK S. ins Gesicht geschlagen. Es wurden ihm die Arme mit Gewalt hinter seinem Körper auf der Fahrt gehalten, er wurde gewaltsam aus dem Auto verbracht, er wurde gewaltsam zu Boden gebracht und er war nach 5 Uhr in eine

weitere körperliche Auseinandersetzung im 1. Revier verwickelt. Insoweit sind die attestierten Verletzungen alle erklärlich. In diesem Zusammenhang überzeugt das Gericht insbes. der Umstand, dass auch Tage nach der Tat keine sichtbaren Verletzungen, insbesondere Hämatome vorhanden waren, wie sie zu entstehen pflegen, wenn jemand derart verprügelt wird, wie der Angeklagte es schildert. Für die Glaubwürdigkeit der Aussage der Zeugen spricht insbesondere auch, dass der eine Schlag, den POK S. austeilte, nicht verschwiegen wurde. Ferner wurde kein übermäßiger Widerstand geschildert. Hätten wirklich mehrere Beamte nacheinander und gleichzeitig körperlich auf den Angeklagten eingewirkt, hätte die gemeinsame Aussage schweren körperlichen Widerstands nahe gelegen, um das eigene Handeln zu rechtfertigen." [9]

Eine ausreichende Motivationsanalyse, die auf die Feststellung möglicher Motive für eine unzureichende Belastung des Angeklagten durch die vorgenannten Zeugen abzielt und sich bei der Glaubwürdigkeitsprüfung mit allen Umständen, die die Glaubhaftigkeit der Aussagen bestätigen oder in Frage stellen, eingehend auseinandersetzt, ließ sich dem mit der Revision angefochtenen erstinstanzlichen Urteil nach Auffassung des OLG Frankfurt nicht entnehmen. In diesem Zusammenhang wäre es in erster Linie notwendig gewesen, dass das Tatgericht die von den Zeugen in der Hauptverhandlung getätigten Aussagen inhaltlich wiedergibt, die Entstehung und Entwicklung der Aussagen aufklärt,[10] die Aussagekonstanz untersucht[11] und im Einzelnen durch die Mitteilung auch der früheren Aussagen belegt.[12] Wie der zuvor dargestellten Beweiswürdigung des Amtsgerichts zu entnehmen ist, beschränken sich die Entscheidungsgründe lediglich darauf, die einzelnen Aussagen der betroffenen Polizeibeamten zu bewerten. Eine bloße Aussagebewertung kann die Prüfung der Glaubwürdigkeit aber nicht ersetzen. Die Zeugenaussagen wurden im erstinstanzlichen Urteil auch nicht inhaltlich wiedergegeben. So wird beispielshalber lediglich angeführt, der einer der Polizeibeamten konnte in seiner Zeugenaussage den Ablauf der angeblichen Tat minutiös schildern. Die Schilderung im Einzelnen wurde jedoch nicht aufgeführt. Auch die Bewertung, dass die Aussagen der vier Beamten professionell sachlich, flüssig sowie detailliert und widerspruchsfrei vorgetragen wurden, ersetzt nicht die genaue Darlegung des Inhaltes der Aussagen im Einzelnen. In seinem Beschluss fordert das OLG Frankfurt daher:

"Insbesondere wenn "Aussage gegen Aussage" steht und die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seinen Überlegungen mit einbezogen hat."

Die Bewertung des Amtsgerichts, die Aussagen der Polizeibeamten wären insoweit widerspruchsfrei und glaubhaft gewesen, konnte nach alledem vom OLG Frankfurt als Revisionsgericht – zu Recht – nicht nachvollzogen werden.

Das OLG Frankfurt fordert, dass die unter Ziffer 2. dargestellten Prüfungspunkte sowohl im Hinblick auf jede einzelne Zeugenaussage als auch auf das Verhältnis der jeweiligen Aussagen untereinander in die Glaubhaftigkeitswürdigung miteinbezogen werden müssen. Diese Auffassung ist nach den obigen Darstellungen nicht zu bestanden.

IV. Fazit

Diese Entscheidung zeigt, dass an die richterliche Überzeugung im Falle der Verwertung mehrerer Aussagen von Zeugen, die alle im selben Lager stehen, zunächst dieselben Anforderungen zu stellen sind wie in klassischen Aussage-gegen-Aussage-Fällen. Im Ergebnis hat dies sogar eine noch strengere Prüfung der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen durch den Tatrichter zur Folge.

Der Tatrichter hat nämlich in der Konsequenz nicht nur die Glaubhaftigkeit der einzelnen Zeugenaussage genau zu überprüfen, sondern auch die Konsistenz der jeweiligen Aussagen untereinander. Je nach Anzahl der im selben Lager stehenden Belastungszeugen und der Schwierigkeit des Sachverhaltes ist damit je nach Komplexität der Beweislage mit einer deutlichen Mehrarbeit für den Richter bei der Vorbereitung und Durchführung der Beweisaufnahme sowie bei der Begründung des Urteils zu rechnen. Vielleicht mag dies auch ein Grund für das bisher oftmals noch fehlende Bewusstsein in der deutschen Justiz für die in diesem Aufsatz behandelte Problematik sein.


[1] Eschelbach , ZAP Fach 22, 599.

[2] BGH 2 StR 565/11, Urteil vom 07.03.2012, HRRS 2012 Nr. 428.

[3] BGH 5 StR 316/12, Urteil vom 10.10.2012, HRRS 2012 Nr. 1118.

[4] BGH 30.07.1999, BGHSt 45, 164.

[5] Geipel/Nill/Shultz , ZAP Fach 13, 1449 .

[6] Hommers , Die aussagepsychologische Kriteriologie unter kovarianzstatistischer und psychometrischer Perspektive, in: Greuel, Fabian, Stadler (Hrsg.), Psychologie der Zeugenaussage, Ergebnisse der rechtspsychologischen Forschung, 1997 S. 87ff.

[7] Meyer-Goßner/Schmitt , StPO, 59. Auflage, 2016, § 35, Rn. 6.

[8] OLG Frankfurt 1 Ss 390/08, Beschluss vom 06.11.2009, StV 1/2012, 12.

[9] AG Frankfurt am Main 991 Ds 3433 Js 201869/08 PZ, Urteil vom 29.07.2008.

[10] BGH 1 StR 183/00, Beschluss vom 30.05.2000 = StV 2001, 552.

[11] BGH 29.07.1998, BGHSt 44, 153 = NStZ-RR 1997, 172StV 1998, 580.

[12] OLG Frankfurt am Main, 3 Ss 175/03, Beschluss vom 16.06.2003 = NZV 2004, 158; so auch der Senatsbeschluss vom 26.04.2006 – 1 Ss 344/05.