HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 764
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 180/09, Beschluss v. 17.06.2009, HRRS 2009 Nr. 764
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 18. Dezember 2008 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in sieben Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus zwei Vorverurteilungen sowie Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und das Verfahren im Übrigen eingestellt.
Die gegen die Verurteilung gerichtete, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie den Schuldspruch und die Einzelstrafen betrifft. Jedoch hält die Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand (§ 349 Abs. 4 StPO).
Die Auflösung (nur) der Gesamtstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Bonn vom 11. Oktober 2007 und des Amtsgerichts Bergheim vom 26. November 2008 und die Einbeziehung der dort verhängten Einzelstrafen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (§ 55 Abs. 1 StGB).
Grundgedanke des § 55 StGB ist, dass Taten, die bei gemeinsamer Aburteilung nach den §§ 53, 54 StGB behandelt worden wären, auch bei getrennter Aburteilung dieselbe Behandlung erfahren sollen, so dass der Täter im Endergebnis weder besser noch schlechter gestellt ist. Ausschlaggebend für die Gesamtstrafenbildung darf deshalb nicht die (zufällige) äußere Verfahrensgestaltung, sondern muss die materielle Rechtslage sein (BGHSt 32, 190, 192 f.; 35, 243, 245). Der Tatrichter, dem sich die Frage nachträglicher Gesamtstrafenbildung stellt, muss sich in die Lage des Richters versetzen, dessen Entscheidung für eine nachträgliche Einbeziehung in Frage kommt. Für ihn ist deshalb maßgeblich, wie der frühere Richter bei richtiger Rechtsanwendung weitere Vorentscheidungen hätte berücksichtigen müssen (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 13).
Die den Vorverurteilungen vom 11. Oktober 2007 und 26. November 2008 zugrunde liegenden Taten hat der Angeklagte vor der weiteren Vorverurteilung durch das Amtsgericht Bonn vom 21. August 2007 begangen. Auch die nunmehr abgeurteilten sieben schweren Bandendiebstähle hat der Angeklagte vor dieser Vorverurteilung begangen. Eine Erledigung der dort verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren ist nicht ersichtlich; die Strafkammer teilt auf UA 12 mit, dass derzeit die Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 11. Mai 1999 vollstreckt wird.
Danach entfaltet die Vorverurteilung vom 21. August 2007 Zäsurwirkung (vgl. BGH, Beschl. vom 20. September 2007 - 4 StR 431/07 und 23. Januar 6 2008 - 2 StR 604/07). Das Landgericht hätte unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dieser Vorverurteilung sowie den weiteren Urteilen des Amtsgerichts Bonn vom 11. Oktober 2007 und des Amtsgerichts Bergheim vom 26. November 2008 und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafen eine neue einheitliche nachträgliche Gesamtstrafe bilden müssen.
Der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass der Angeklagte durch die rechtsfehlerhafte Gesamtstrafenbildung beschwert ist. Die Gesamtstrafe war daher aufzuheben.
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO zu entscheiden. Eine etwa vollständige Vollstreckung der genannten Sanktionen nach dem angefochtenen Urteil wäre für die gleichwohl gebotene Einbeziehung ohne Bedeutung (vgl. BGH, Beschl. vom 25. Februar 2009 - 5 StR 22/09).
Der Tatrichter wird mit der abschließenden Sachentscheidung auch über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden haben.
HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 764
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2009, 382
Bearbeiter: Karsten Gaede