HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

März 2009
10. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Der Arbeitgeber als Opfer "nützlicher Aufwendungen" seiner Mitarbeiter

Zugleich Anmerkung zu BGH, 2 StR 587/07, Urteil vom 29. August 2008 = BGH HRRS 2008 Nr. 1100

Von Philipp Reinhold, Bonn *

Diverse Bestechungsskandale haben in letzter Zeit zu aufsehenerregenden Strafverfahren geführt. Zu nennen sind insbesondere die Begünstigung von Betriebsräten in einem großen deutschen Automobilkonzern sowie die Zahlung von Schmiergeldern zur Erlangung von Aufträgen seitens einer nicht minder bekannten Aktiengesellschaft (S. AG).

Im Fall der begünstigten Betriebsräte stellte überraschender Weise nicht der diesen Fall ausdrücklich regelnde 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG das Zentrum des strafrechtlichen Vorwurfs dar, sondern das Delikt der Untreue (§ 266 StGB), welches zum Nachteil des Arbeitgebers des Bestechenden verwirklich worden sein soll.[1] Letzteres leuchtet nicht unmittelbar ein, hat der Arbeitgeber doch nicht nur Nachteile, wenn in Folge der Begünstigungen mitbestimmungspflichtige Vorhaben seines Unternehmens ohne Widerstand und ohne zeitliche Verzögerung durch den Betriebsrat mitgetragen werden. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch im mittlerweile vom BGH entschiedenen Fall der S. AG. Wurde gerichtlich auch ausdrücklich festgestellt, dass alleine die dem Verfahren gegenständlichen Aufträge, die Mitarbeiter der S. AG im Wege der Bestechung von Geschäftspartnern an Land gezogen haben, der S. AG einen Gewinn von 103,8 Mio. € vor Steuern beschert haben, hat der BGH trotzdem die Verwirklichung einer Untreue zu Lasten der S. AG angenommen und den strafrechtlichen Vorwurf nicht auf § 299 StGB beschränkt.[2] Es soll daher auf Grundlage der vorliegenden Entscheidung untersucht werden, inwieweit der BGH gerade in so genannten "nützlichen Aufwendungen" - wie Bestechungsgelder im Geschäftsverkehr häufig bezeichnet werden – einen Vermögensnachteil im Sinne von § 266 StGB zu Lasten des Arbeitgebers bzw. Treugebers sieht, für den die Aufwendungen eigentlich nützlich waren oder sein sollten.

I. Sachverhalt

Der Angeklagte, Leiter der Kraftwerksparte der S. AG, verwaltete Gelder der S. AG in "schwarzen Kassen" bzw. auf verdeckten Konten.[3] Dies bedeutet, dass Gelder der S. AG existierten, die nicht in der Bilanz der S. AG aufgeführt wurden und auch sonst dem Vorstand der S. AG nicht bekannt waren. Damit konnte allein der Angeklagte über die Gelder disponieren. Es handelt sich dabei um Gelder der S. AG, die Dritte bereits auf verdeckte Konten transferiert hatten und die vom Angeklagten übernommen wurden, sowie um Gelder, die im Wege eines Unternehmenskaufes erlangt wurden, vom Angeklagten aber nicht aufgedeckt und damit der S. AG vorenthalten wurden.[4] Eingesetzt wurden die Gelder ausschließlich als sog. "nützliche Aufwendungen" um mit ihrer Zahlung an Geschäftspartner Aufträge zu erlangen. Diese Art der Auftragserlangung war in den Statuten der S. AG ausdrücklich untersagt, unabhängig von ihrer strafrechtlichen Missbilligung. In der Nichtaufdeckung sowohl der übernommenen als auch der vorenthaltenen Gelder hat der BGH die Vollendung einer Untreue zu Lasten der S. AG gesehen.[5]

II. Aussagen des BGH zur Qualifizierung von Schmiergeldern als Untreuenachteil

Entgegen den Erwartungen hat sich der 2. Strafsenat in seiner Entscheidung nicht ausdrücklich zur Frage der Untreue durch Zahlung von Schmiergeldern geäußert. Seinen Fokus richtete er weniger auf die Zahlung von

Schmiergeldern als vielmehr auf ihre Beschaffung im Wege verdeckter Konten und "schwarzer Kassen", in deren Bildung bzw. Verwaltung er bereits die Vollendung einer strafbaren Untreue angenommen hat.[6] Durch diese Vorverlagerung des strafrechtlichen Anknüpfungspunktes musste der 2. Strafsenat nicht mehr zu der Frage kommen, inwieweit die spätere Zahlung der Bestechungsgelder einen Untreuenachteil begründet, eine Untreue war zu diesem Zeitpunkt bereits vollendet.

Vor dem Hintergrund seiner bisherigen Rechtsprechung zur Untreuestrafbarkeit "schwarzer Kassen" könnte der 2. Strafsenat aber indirekt entschieden haben, dass er die Zahlung von Schmiergeldern als Begründung eines Untreuenachteils qualifiziert.[7] Nach dieser Rechtsprechung wird durch das Führen oder Verbergen von Geldern in "schwarzen Kassen" zunächst eine Gefahr für das Vermögen des Treugebers begründet.[8] Eine solche Gefahr soll für die Verwirklichung von § 266 StGB allerdings nur dann ausreichen, wenn sich der Vorsatz des Täters nicht nur auf das Bestehen dieser Gefahr richtet, sondern auch auf ihre Verwirklichung.[9] Dieser Ansatz, der in dogmatischer Hinsicht stark kritisiert wird,[10] würde für den vorliegenden Fall Folgendes bedeuten: Wird eine vollendete Untreue im Falle "schwarzer Kassen" nur dann angenommen, wenn sich der Vorsatz des Täters auf die Verwirklichung der mit den "schwarzen Kassen" begründeten Vermögensgefahr bezieht und bestand der Vorsatz des Täters darin die verborgenen Mittel ausschließlich als Schmiergelder einzusetzen, so müsste der 2. Strafsenat diesen Einsatz der verborgenen Gelder als Verwirklichung eines Vermögensnachteils einstufen, will er zu einer Untreuestrafbarkeit kommen.[11] Dieser Gedanke führt hier allerdings nicht weiter, hat der 2. Strafsenat diese Rechtsprechung zur Strafbarkeit "schwarzer Kassen" mit der vorliegenden Entscheidung ausdrücklich aufgegeben und sieht er nunmehr bereits in den verborgenen Geldern einen eingetretenen Untreuenachteil.[12] Auf den weiteren Einsatz der Gelder bzw. einen diesbezüglichen Vorsatz kommt es nicht mehr an.[13]

Lässt sich der vorliegenden Entscheidung damit zunächst keine Aussage zur Frage entnehmen, ob nach Ansicht des BGH in der Zahlung von Schmiergeldern die Begründung eines Untreuenachteils liegt, ist zu überlegen, wie eine Antwort nach Maßgabe des Untreueverständnisses aussehen müsste, welches der vorliegenden Entscheidung zu Grunde zu legen ist.

III. Das Untreueverständnis des 2. Strafsenats in der vorliegenden Entscheidung

Der Angeklagte wurde nicht wegen der Bildung verdeckter Konten bzw. dem Transfer von Geldern der S. AG auf solche verurteilt, sondern wegen der Übernahme eines bereits in der S. AG bestehenden verdeckten Kontengeflechts sowie der "schwarzen Kasse" eines durch die S. AG übernommenen Unternehmens.[14] Tathandlung soll die Nichtaufdeckung dieser Gelder im Wege einer ordnungsgemäßen Bilanzierung sein, was als Unterlassen im Sinne von § 13 I StGB eingestuft wurde.[15] Als Leiter der Kraftwerksparte, in der die verdeckten Konten geführt wurden, gehörte es zum Kernbereich der Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten seiner Arbeitgeberin (S. AG) zustehende, ihr aber unbekannte Vermögenswerte zu offenbaren und sie ordnungsgemäß zu verbuchen.[16] Indem er dies unterlassen hat, hat er eine Pflichtwidrigkeit begangen, die einen endgültigen Vermögensnachteil dahingehend begründet, dass die Treugeberin mangels Kenntnis der verborgenen Vermögenswerte auf diese keinen Zugriff mehr nehmen konnte.[17]

1. Dispositionsmöglichkeit als Kern der von § 266 StGB geschützten Rechtsposition

Den Untreuenachteil sieht der 2. Strafsenat im Entzug der Dispositionsmöglichkeit. Dies ist folgerichtig, wenn man den Vermögensbegriff des § 266 StGB wie ein Teil der Lehre funktional begreift und darunter gerade die Verfügungsmacht einer Person über die Gesamtheit der ihr rechtlich zugeordneten übertragbaren (abstrakt geldwerten) Güter versteht.[18] Nach einem solchen Verständnis macht es keinen Unterschied, einen Vermögensgegenstand verloren zu haben oder "nur" nicht mehr über ihn disponieren zu können. Dem schließt sich der 2. Strafsenat an, indem er feststellt, dass die Möglichkeit der Disposition über das eigene Vermögen zum Kern der von § 266 StGB geschützten Rechtsposition gehört. [19]

Legt man einen solchen funktionalen Vermögensbegriff zugrunde, muss allerdings nicht in jeder Beeinträchtigung der Dispositionsmöglichkeit ein Untreuenachteil im Sinne von § 266 StGB gesehen werden. Dem scheint auch der 2. Strafsenat zu folgen, wenn für ihn nur in der dauer-

haften Entziehung eines die Dispositionsmöglichkeit vermittelnden Vermögensgegenstandes die Begründung eines endgültigen Vermögensnachteils im Sinne von § 266 StGB liegt.[20]

2. Qualifizierung des angenommenen endgültigen Nachteils

Zunächst ist zu bestimmen, worin genau der 2. Strafsenat einen endgültigen Vermögensnachteil sieht. Hervorzuheben ist dabei vorliegend, dass der Täter, der im Rahmen seiner Vermögensbetreuungspflicht eigenständig für die S. AG Dispositionen vornehmen konnte und sollte, nach wie vor uneingeschränkte Verfügungsmacht über die Mittel hatte.[21]

Ein endgültiger Nachteil könnte darin zu sehen sein, dass während der Zeit, in der die Mittel vorenthalten wurden, konkrete Dispositionen seitens des Treugebers nicht durchgeführt werden konnten. Dispositionen sind dabei nicht immer nachholbar, sodass schon im nur kurzzeitigen Entzug ein endgültiger Nachteil zu sehen wäre. Der endgültige Nachteil bestünde dann in der nicht getätigten Disposition und damit in der Nichtverwirklichung des Interesses, welches durch die Disposition verwirklicht oder gefördert werden sollte.[22]

Weiter könnte ein endgültiger Vermögensnachteil darin bestehen, dass durch die Entziehung der Dispositionsmöglichkeit gewinnbringende Geschäfte nicht abgeschlossen oder Gelder nicht günstig angelegt wurden. Ein endgültiger Vermögensnachteil bestünde dabei im entgangenen Profit.[23] Entsprechendes gilt auch für die Fälle, in denen wegen der Entziehung der Gelder zumindest kurzfristig teure Kredite aufgenommen werden mussten. In Unternehmen und Konzernen werden oft in so genannten "Cash-Pools" zentral und meist tagesaktuell alle frei verfügbaren Mittel gesammelt, um sie von dort dergestalt auf die einzelnen Bereiche zu verteilen, dass für die Begleichung von Verbindlichkeiten nicht unnötig - trotz Verfügbarkeit eigener Mittel - teures Fremdkapital aufgenommen werden muss.[24] Werden Geldwerte verborgen oder solchen "Cash-Pools" nicht zugeführt, fehlen sie unter Umständen an anderer Stelle im Unternehmen, sodass zur Begleichung entsprechender Forderungen teures Kapital aufgenommen werden muss. In einem solchen Fall bestünde der Nachteil in der höheren Belastung des Vermögens durch die Zinsen für die aufgenommenen Kredite.[25]

Der BGH schließt sich in seiner Entscheidung keinem dieser Ansätze an. Für ihn besteht der endgültige Untreuenachteil unmittelbar in den verborgenen Geldern.[26] Begründet werden soll ein solcher Nachteil allerdings nur durch den dauerhaften Entzug der Dispositionsmöglichkeit über die Gelder.[27]

3. Endgültiger Nachteil durch dauerhaften Entzug

Der 2. Strafsenat führt leider nicht näher aus, wann er von einem dauerhaften Entzug ausgeht. Dauerhaft könnte zum einen dahingehend subjektiv verstanden werden, dass der Täter eine dauerhafte Entziehung beabsichtigen muss. Bezüglich des Vorliegens oder des Erfordernisses eines solchen Vorsatzes macht der 2. Strafsenat allerdings keine Angaben und auch die Betonung, dass es auf konkrete (Verwendungs-)Absichten des Täters nicht ankomme,[28] lässt ein solches subjektives Verständnis eher unwahrscheinlich erscheinen.[29] Andererseits benennt der 2. Strafsenat auch keine objektiven Kriterien, die maßgeblich für eine dauerhafte Entziehung sein sollen. Auf eine bestimmte tatsächliche Dauer kann es ihm dabei nicht ankommen, geht er doch davon aus, dass die Pflichtverletzung, die erst zur Entziehung der Dispositionsmöglichkeit führt, und die Nachteilsentstehung "häufig" zusammenfallen und letztere damit unmittelbar mit der Entziehung gegeben sein kann.[30]

Soll dem Kriterium der "Dauerhaftigkeit" nun überhaupt Bedeutung zukommen und nicht durch jeden kurzzeitigen Entzug der Dispositionsmöglichkeit ein endgültiger Nachteil entstehen, lässt sich das Ergebnis des 2. Strafsenat letztlich nur begründen, wenn man die Entziehung oder Vorenthaltung der Dispositionsmöglichkeit deswegen als dauerhaft einstuft, weil das entsprechende Verhalten des Täters auf einen Willen zur dauerhaften Entziehung schließen lässt. Zu denken ist hierbei an eine Parallele zur Unterschlagung und der hier von der Rechtsprechung vertretenen Manifestationstheorie. Danach soll eine Enteignung im Sinne von § 246 StGB dann vorliegen, wenn das Verhalten des Täters für einen gedachten, das äußere Gesamtgeschehen überblickenden Beobachter den sicheren Schluss darauf zulässt, dass der Täter die Sache oder ihren Sachwert unter Ausschluss des

Eigentümers seiner oder der Verfügungsmacht eines Dritten einverleiben will. [31] Übertragen auf die Untreue, die im Gegensatz zur Unterschlagung keine Begünstigung erfordert, würde das bedeuten, dass das Verhalten des Täters den sicheren Schluss darauf zulassen muss, dass er die Dispositionsmacht dauerhaft entziehen oder vorenthalten wolle. Danach führt nicht jedes (kurzzeitige) Vorenthalten der Gelder zwingend zu einem solchen Schluss, könnte doch z. B. auch eine bloße Nachlässigkeit vorliegen. [32] Handelt es sich bei dem Täter allerdings um den Leiter einer Unternehmenssparte, der für die offizielle Buchhaltung verantwortlich zeichnet,[33] geht man nicht von einer bloßen Nachlässigkeit aus, wenn er der S. AG zustehende Gelder nicht ordnungsgemäß bilanziert und sie damit entzieht bzw. weiter vorenthält. Nachdem im Übrigen nichts darauf schließen lässt, dass der Angeklagte die Gelder an sich wieder zurückführen wollte, muss nach einem solchen Verständnis in Parallele zur Manifestationstheorie im vorliegenden Fall eine dauerhafte Entziehung wohl bejaht werden.

4. Konsequenzen für den Begriff des Vermögensnachteils

Soll eine so verstandene dauerhafte Entziehung einen endgültigen Nachteil im Sinne von § 266 StGB darstellen, hat dieser mit einem Schaden im Sinne von § 263 StGB nichts mehr zu tun.[34] Dies ergibt sich auch aus einer weiteren Besonderheit der vorliegenden Entscheidung. Macht man sich bewusst, dass der Angeklagte zumindest einen Teil der Gelder nicht selbst verborgen hat, diese vielmehr bereits bei der S. AG verborgen waren und er sie "nur" übernommen hat, [35] so müsste der Schaden, der nach der vorliegenden Entscheidung bereits im Entziehen durch Verdecken entstehen soll,[36] bereits bestanden haben, als der Angeklagte die verdeckten Konten übernommen hat. Sein Verhalten wäre danach als bloße Aufrechterhaltung, allenfalls als Vertiefung eines bereits bestehenden Schadens einzustufen, keinesfalls aber als die Begründung eines solchen.[37] Das der Entscheidung zugrunde liegende Verständnis des Untreuenachteils müsste daher eine mehrfache Nachteilszufügung am selben Vermögensgegenstand zulassen, denn nur so kann in der Nichtrückführung bereits entzogener Gelder die Begründung eines eigenständigen Nachteils gesehen werden. Dies lässt der Schadensbegriff des § 263 StGB nicht zu. Es bestünde allerdings auch hier eine Parallele zur Unterschlagung. Zwar hat sich die Rechtsprechung im Rahmen von § 246 StGB grundsätzlich der sog. "Tatbestandslösung" angeschlossen, nach der im Gegensatz zur sog. "Konkurrenzlösung" eine Zweitunterschlagung schon nicht mehr tatbestandsmäßig sein kann, [38] dies allerdings ausdrücklich nur für den Fall, dass die Zweitunterschlagung durch dieselbe Person erfolgt. Für eine erneute Unterschlagung durch einen Dritten wird diese Einschränkung so nicht gemacht, was dem grundsätzlichen Ansatz der Vertreter der so genannten "Konkurrenzlösung" entspricht, die auch bei einer Zweitunterschlagung die Verwirklichung von § 246 StGB annehmen, eine Strafbarkeit dann allerdings auf Konkurrenzebene verneinen.[39]

Nach der hier erfolgten "unterschlagungsähnlichen" Auslegung geht der 2. Strafsenat wohl von einer weiten strukturellen Vergleichbarkeit der Vermögens- und Eigentumsdelikten aus. Damit gelten für die Anwendung des Manifestationsgedankens im Rahmen von § 266 StGB mindestens auch die hierzu im Rahmen von § 246 StGB vorgebrachten Kritikpunkte.[40] Begrenzende Wirkung kommt dem Tatbestandsmerkmal des Untreuenachteils dabei nur bedingt zu, denn treffen der Entzug der Dispositionsmöglichkeit und eine Pflichtwidrigkeit zusammen, wird man das nur selten nicht als ein Auflehnen gegen den Vermögensinhaber und damit nicht als Manifestation eines Entziehungswillens einstufen können. Pflichtwidrigkeit und Nachteilsentstehung fallen daher inhaltlich weitgehend zusammen, was der BGH ausdrücklich anerkennt.[41] Damit hängt die Frage des Nachteils und damit die der Strafbarkeit nach § 266 StGB entscheidend von der privatrechtlich bzw. individualvertraglich bestimmten Pflichtwidrigkeit ab.[42]

III. Zur Qualifikation von Schmiergeldzahlungen als Untreuenachteil

Angesichts der festgestellten Bedeutung der Pflichtwidrigkeit stellt sich nun die Frage, ob Schmiergeldzahlungen, sind sie wie im vorliegenden Fall im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verboten, pauschal einen Untreuenachteil begründen.

Diese Frage wird meist unter dem Stichwort der (unmittelbaren) Kompensation eines durch die Zahlungen bedingten Nachteils erörtert.[43] Die Rechtsprechung hat dabei in der Vergangenheit einen Vermögensnachteil im Falle von Schmiergeldzahlungen tendenziell abgelehnt.[44]

An diesem Ergebnis ist festzuhalten. Soll die Untreue nicht zu einem reinen Pflichtwidrigkeitsdelikt umgestaltet werden und ihr Charakter als Vermögensdelikt erhalten bleiben,[45] ist zu fordern, dass die Pflichtwidrigkeit

einen eigenständigen Vermögensnachteil bedingen muss, mögen Pflichtwidrigkeit und Vermögensnachteil auch häufig zusammenfallen. Der Vermögensnachteil muss gerade Folge der Pflichtwidrigkeit sein.[46] Dies ist nicht der Fall, wenn das pflichtgemäße Verhalten des Täters zur selben Vermögenslage geführt hätte.[47] Pflichtgemäßes Alternativverhalten ist dabei nicht die Nichtzahlung von Schmiergeldern, sondern entsprechend den Pflichten des Zuwendenden im Innenverhältnis die Erlangung von Aufträgen oder die Förderung eines sonstigen Zwecks ohne den Einsatz von Schmiergeldern.[48] Dieser Zweck muss zunächst auch durch den pflichtwidrigen Einsatz von Schmiergeldern erreicht worden sein. Im Falle der Erlangung von Aufträgen hängt dies von der Frage ab, ob die auf diesem Weg abgeschlossenen Verträge wirksam sind bzw. ob sie angefochten werden können. Grundsätzlich sind die im Wege der Bestechung abgeschlossenen Verträge wirksam, da sie im Gegensatz zur Bestechungsabrede nicht gegen ein gesetzliches Bestechungsverbot im Sinne von § 134 BGB verstoßen[49] und die Unwirksamkeit der Bestechungsabrede nach dem Abstraktionsgedanken nicht auf die abgeschlossenen Verträge durchschlägt.[50] In Betracht kommt damit lediglich die Nichtigkeit der abgeschlossenen Verträge nach § 138 BGB bzw. ihr Nichtzustandekommen wegen einer Überschreitung der Vertretungsmacht durch den Bestochenen.[51] Daran ist allerdings nur in den Fällen zu denken, in denen zu Lasten des Geschäftspartners überhöhte Preise vereinbart werden, wenn zum Beispiel die Bestechungsgelder in den Kaufpreis einkalkuliert werden.[52] Sonstige Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Verträge bestehen nicht, zumal mangels Irrtum (§§ 119, 166 I BGB) oder Täuschung (§§ 123, 166 I BGB) auch kein Anfechtungsgrund ersichtlich ist. Die pflichtgemäße Erlangung von Aufträgen wird damit prinzipiell auch durch den pflichtwidrigen Einsatz von Schmiergeldern erreicht.

Ein Vermögensnachteil bestünde allerdings dann, wenn der Zweck bei pflichtgemäßem Verhalten "günstiger" erreicht worden wäre. Dann kann entsprechend den Vorgaben des BGH in der Art der Zweckerreichung ein eigenständiger objektiver Vermögenswert und damit ein eigenständiger Untreuenachteil gesehen werden.[53] Wäre der Auftrag daher auch ohne die Bestechungsgelder zu den gleichen Konditionen erlangt worden, so würde in Höhe dieser Gelder ein Nachteil am Vermögen bestehen. Dies müsste im Einzelfall nachgewiesen werden.[54] Im Übrigen ist zu beachten, dass auch die pflichtgemäße Auftragserlangung Kosten verursacht, sei es, dass verstärkt in Werbung investiert werden muss oder Produkte zu besonders niedrigen Preisen angeboten werden müssen um sich gegen etablierte Konkurrenten vor allem in neuen Märkten durchzusetzen.

Es bleibt noch zu überlegen, ob auf Grund der Schmiergeldzahlungen drohende Sanktionen wie Bußgelder, Abschöpfung von Gewinnen oder der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge den entscheidenden Ausschlag für einen Untreuenachteil geben. Es steht außer Frage, dass solche Folgen zu einem Vermögensnachteil führen können. Dem BGH folgend ist allerdings hervorzuheben, dass es sich hierbei um einen im Verhältnis zu den Schmiergeldern eigenständigen "Nachteil" handelt und dieser von den Schmiergeldern strikt zu trennen ist.[55] Grund hierfür ist, dass die Pflichtverletzung, die zu einem solchen Nachteil führt, weniger die pflichtwidrige Zahlung von Schmiergeldern ist, sondern vielmehr die Verletzung einer im Innenverhältnis verankerten Pflicht nicht gegen solche (gesetzlichen) Verbote zu verstoßen, die entsprechende Sanktionen nach sich ziehen können.[56] Hat der 2. Strafsenat im Verstoß gegen ein Verbot und der damit verbundenen Gefahr einer das Vermögen des Treugebers tangierenden Sanktion bisher die Begründung einer Vermögensgefahr gesehen,[57] so stellt sich die Frage, ob er auch diesbezüglich seine Rechtsprechung aufgegeben hat und hierin nun auch einen bereits eingetretenen Vermögensnachteil erblickt. Dies lässt sich auf der Grundlage der vorliegenden Entscheidung nicht beantworten, da es im Zeitpunkt der Begründung dieser Gefahr noch zu keinerlei Beeinträchtigung der Dispositionsmöglichkeit gekommen ist, womit sich die neuen Grundsätze der vorliegenden Entscheidung nicht übertragen lassen. Es wird daher wohl nach wie vor entscheidend auf den Vorsatz des Täters ankommen, der auch die Verwirklichung der Vermögensgefahr und damit das Eintreten der entsprechenden Sanktionen umfassen muss. Angesichts der ihm jedenfalls drohenden Strafbarkeit nach § 299 StGB wird der Täter allerdings die für eine Sanktion erforderliche Aufdeckung der Bestechung nie billigend in Kauf nehmen.[58]

Der pflichtwidrige Einsatz von Schmiergeldern kann damit auch nach der neuen Rechtsprechung des BGH nicht grundsätzlich als Begründung eines Vermögensnachteils in Höhe der Schmiergelder qualifiziert werden.[59]

IV. Ergebnis

Soll Schutzgut des § 266 StGB weiterhin das Vermögen sein, kann in gezahlten Schmiergeldern nicht grundsätz-

lich ein Untreuenachteil gesehen werden. Die vorliegende Entscheidung des BGH steht dem nicht entgegen. Für die Frage der Strafbarkeit von Schmiergeldzahlungen bleiben damit die vom Gesetzgeber eigens für solche Fälle vorgesehenen Bestechungstatbestände (§§ 299, 333, 334 StGB; § 119 I Nr. 3 BetrVG) der entscheidende Maßstab.


* Der Autor ist Doktorand auf dem Gebiet des Korruptionsstrafrechts bei Prof. Dr. Bernhard Haffke, Universität Passau.

[1] LG Braunschweig, Az.: 6 KLs 48/06 vom 25. Januar 2007; zur Frage der Strafbarkeit des annehmenden Betriebsrates nach § 119 BetrVG Schlösser NStZ 2007, 562, 563 ff.

[2] 2 StR 587/07, Rn. 20 (abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de; zitiert nach den in dieser Version enthaltenen Randnummern) = BGH HRRS 2008 Nr. 1100.

[3] Zu Terminologie und Erscheinungsformen "schwarzer Kassen" Saliger/Gaede HRRS 2008, 57, 67.

[4] Auch ohne entsprechende Kenntnis der S. AG sind diese Gelder wohl jedenfalls im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 20 I Nr. 1 UmwG auf die S. AG übergegangen, vgl. Lutter/Grunewald, UmwG, 3. Aufl. (2004), § 20, Rn. 7 ff.

[5] Eine Strafbarkeit wegen Bestechung, die im vorliegenden Fall im Ergebnis abgelehnt wurde, soll hier nicht weiter erörtert werden.

[6] 2 StR 587/07, Rn. 43.

[7] Zur bisherigen Behandlung "schwarzer Kassen" in Rechtsprechung und Literatur Schlösser HRRS 2009, 19, 21 f.

[8] BGHSt 51, 100, 113 = HRRS 2007 Nr. 2.

[9] BGHSt 51, 100, 120ff.; Fischer StraFo 2008, 269, 272 ff.

[10] Zur Einordnung der bisherigen Kombination von Vermögensgefährdung und Schädigungsvorsatz als "dogmatisches Unikum (schwach) überschießender Innentendenz", Bernsmann GA 07, 219, 230.

[11] Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Angeklagte - wie im vorliegenden Fall - eigenständig Vermögensentscheidungen in entsprechender Höhe treffen durfte und sollte, vgl. 2 StR 587/07, Rn. 8.

[12] 2 StR 587/07, Rn. 46.

[13] 2 StR 587/07, Rn. 46.

[14] 2 StR 587/07, Rn. 37.

[15] Die streitige und in BGHSt 36, 227, 228 noch offen gelassene Frage, ob § 13 Abs. 1 StGB als allgemeine Unterlassensbestimmung im Rahmen von § 266 Abs. 1 2.Var. StGB als speziell ausformuliertes Garantenunterlassungsdelikt zurücktritt, hat der BGH hiermit wohl verneint; zum Ganzen siehe Güntge wistra 1996, 84 ff. m.w.N.

[16] 2 StR 587/07, Rn. 37.

[17] 2 StR 587/07, Rn. 43.

[18] Kindhäuser, in: NK-StGB, 2. Aufl. (2005), § 263, Rn. 35.

[19] 2 StR 587/07, Rn. 47. Dieser sog. funktionale Ansatz versteht sich prinzipiell nicht als Gegensatz zum (juristisch) ökonomischen Vermögensbegriff, vielmehr als dessen Modifikation, indem er nicht auf den finanziellen Wert des Vermögens als Selbstzweck abstellt, sondern auf die dadurch vermittelten Möglichkeiten des Vermögensinhabers, vgl. Kindhäuser, a.a.O. (Fn. 18), § 266, Rn. 94.

[20] 2 StR 587/07, Rn. 46; Es muss daher nicht zwingend eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des BGH angenommen werden, nach der das Vermögen, nicht die Dispositionsmöglichkeit das von § 266 StGB maßgeblich geschützte Gut darstellen soll (vgl. BGHSt 43, 293, 297; BGHSt 47, 295, 301). A. A. wohl Schlösser HRRS 2009, 19, 25.

[21] Der Angeklagte war zur selbstständigen Führung des ihm unterstellten Geschäftsbereichs berufen und autorisiert Zahlungen in unbegrenzter Höhe anzuweisen, vgl. 2 StR 587/07, Rn. 8. Man könnte daher überlegen, ob insoweit die S. AG als juristische Person durch den Angeklagten nicht in ihrer Dispositionsmöglichkeit über die verdeckten Gelder vertreten wird, kann und soll er im Rahmen seiner Geschäftsführung ja eigenständig über entsprechende Gelder entscheiden. Eine solche Zurechnung zieht der BGH in der vorliegenden Entscheidung allerdings nicht in Betracht.

[22] Nach einem solchen Verständnis müssten diese Interessen auch als das Schutzgut von § 266 StGB benannt werden, was der Wortlaut durchaus hergibt, vgl. Kargl ZStW 113, 565, 580.

[23] Kindhäuser, a.a.O. (Fn. 18), § 266, Rn. 97.

[24] Vgl. hierzu Krause JR 2006, 51, 51.

[25] Schlösser HRRS 2009, 19, 27.

[26] 2 StR 587/07, Rn. 46.

[27] 2 StR 587/07, Rn. 43.

[28] Kritisch zur Nichtbeachtung von Verwendungsabsichten Schlösser HRRS 2009, 19, 24 ff.

[29] 2 StR 587/07, Rn. 48; Im Übrigen käme dies wohl wieder der oben erwähnten "alten" Rechtsprechung des 2. Strafsenats zur Untreuestrafbarkeit schwarzer Kassen sehr nahe, die mit der vorliegenden Entscheidung gerade aufgegeben werden sollte.

[30] 2 StR 587/07, Rn. 47.

[31] BGHSt 34, 309, 312.

[32] OLG Koblenz StV 1984, 287, 288.

[33] 2 StR 587/07, Rn. 9.

[34] So aber der bisherige Ansatz der Rechtsprechung, vgl. nur BGHSt 43, 293, 297 ff; kritisch bzgl. einer "vorschnellen Parallelisierung von Betrug und Untreue" Kindhäuser, in: Festschrift für Lampe (2003), S. 710.

[35] 2 StR 587/07, Rn. 37.

[36] 2 StR 587/07, Rn. 44.

[37] Schlösser HRRS 2009, 19, 25.

[38] GrSenBGHSt 14, 38, 45.

[39] Wohl überwiegende Meinung im Schrifttum, vgl. Fischer, StGB, 56. Aufl. (2009), § 246, Rn. 14.

[40] Siehe hierzu Fischer, StGB, 56. Aufl. (2009), § 246, Rn. 10.

[41] 2 StR 587/07, Rn. 47.

[42] Zu dieser "Verschleifung" von Tathandlung und Taterfolg als Strukturproblem des Untreuetatbestandes Saliger ZStW 2000, 563, 610 f; ders. HRRS 2006, 10, 14.

[43] Für einen Untreuenachteil wohl Fischer, StGB, 56. Aufl. (2009), § 266, Rn. 73a; siehe hierzu Kempf, in: Festschrift für Hamm (2008), S. 260 f. m.w.N.

[44] BGH NJW 1975, 1234, 1236; OLG Frankfurt NStZ-RR 04, 244, 245.

[45] Löst alleine die Pflichtwidrigkeit die Strafbarkeit aus, kann als Schutzgut höchstens das Vermögensinteresse, nicht aber das Vermögen an sich gesehen werden.

[46] BGHSt 43, 293, 297; Kindhäuser, a.a.O. (Fn. 34), S. 724; zur Bedeutung der objektiven Zurechnung im Rahmen der Untreue, vgl. Saliger HRRS 2006, 10, 21ff.

[47] Kindhäuser, a.a.O. (Fn. 34), S. 724.

[48] In diese Richtung wohl auch Kindhäuser, a.a.O. (Fn. 34), S. 710, für den das pflichtgemäße Alternativverhalten selbst ein vermögensrelevanter Wertfaktor sein muss.

[49] Emmerich Unlauterer Wettbewerb, 7. Aufl. (2004), S. 150.

[50] Zu einer ausnahmsweise Durchbrechung des Abstraktionsgedankens im Falle eines selbstständigen Wettbewerbsverstoßes durch den in Folge der Schmiergeldvereinbarung geschlossenen Vertrages Lüderssen, in: Festschrift für Müller-Dietz (2001), S. 470 ff.

[51] BGHZ 141, 357, 360 f. und 363 f.

[52] Siehe hierzu aber Kempf, a.a.O. (Fn. 43), S. 257 ff.

[53] BGH NJW 1994, 1745, 1747.

[54] Man wird wohl davon ausgehen können, dass ein Kaufmann Ausgaben nur dann tätigt, wenn sie tatsächlich erforderlich sind.

[55] BGHSt 51, 100, 117.

[56] Zu denken ist an den Bereich der Compliance-Vorschriften, wobei hier schon fraglich ist, ob es sich dabei überhaupt so ohne weiteres um eine Pflichtverletzung – Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht - im Sinne der Untreue handelt; zu den Ansätzen einer untreuespezifischen Konkretisierung der Pflichtverletzung Saliger HRRS 2006, 10, 17 ff.

[57] BGHSt 51, 100, 117.

[58] Kempf, a.a.O. (Fn. 43), S. 259.

[59] A. A. wohl Kindhäuser, a.a.O. (Fn. 18), § 266, Rn. 113.