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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2009
10. Jahrgang
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1. Die Erstellung eines medizinisch-psychologisches Gutachten nach einer Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde, dass der Betroffene ein solches medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen habe, begründet als solche nicht die Einstufung als Amtsträger. Die Begutachtungsstelle erfüllt im Rahmen der Begutachtung nicht einen Teil der an sich staatlichen Stellen obliegenden Aufgaben, sondern sie unterstützt lediglich den Be-
troffenen bei Erfüllung einer ihm im konkreten Verwaltungsverfahren treffenden Obliegenheit.
2. Bei einer anerkannten Begutachtungsstelle handelt es sich nicht um eine sonstige Stelle i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB.
3. Eine sonstige Stelle in diesem Sinne ist eine behördenähnliche Institution, die unabhängig von ihrer Organisationsform befugt ist, bei der Ausführung von Gesetzen mitzuwirken, ohne dabei eine Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinne zu sein. Bei einer juristischen Person des Privatrechts sind diese Voraussetzungen nur dann erfüllt, wenn bei ihr Merkmale vorliegen, die eine Gleichstellung mit einer Behörde rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss sie bei einer Gesamtbetrachtung „als verlängerter Arm des Staates erscheinen“ (BGHSt 43, 370, 377; 45, 16, 19; 46, 310, 12 312 f.; 49, 214, 219; 50, 299, 303; BGH NStZ 2006, 628, 630).
4. Wurde eine Urteilsabsprache getroffen, auf deren Grundlage seitens des Tatgerichts eine Zusage hinsichtlich der Strafobergrenze abgegeben wurde, kommt ein Abweichen von einer solchen Zusage nur dann in Betracht, wenn schon bei der Urteilsabsprache vorhandene relevante tatsächliche oder rechtliche Aspekte übersehen wurden oder wenn sich in der Hauptverhandlung neue, dem Gericht bisher unbekannte schwerwiegende Umstände zu Lasten des Angeklagten ergeben haben (BGHSt 50, 40, 50). In einem solchen Fall muss das Gericht unter Darlegung der Umstände auf diese Möglichkeit hinweisen (BGHSt 43, 195, 210).
5. Eines Hinweises bedarf es aber nur dann, wenn sich die Abweichung von der Urteilsabsprache allein auf Taten bezieht, die zu diesem Zeitpunkt Gegenstand der Hauptverhandlung waren. Denn nur insoweit kann eine Zusicherung für den Angeklagten einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand schaffen. Keines Hinweises bedarf es indes, wenn sich in der Hauptverhandlung der Verfahrensstoff durch neu angeklagte Tatvorwürfe erweitert, die Gegenstand des Verfahrens geworden sind. In einem solchen Fall ist für alle Verfahrensbeteiligten ohne weiteres erkennbar, dass die bisherige Zusage, die die neu angeklagten Taten nicht zum Gegenstand hatte, wegen der veränderten Sachlage für das Tatgericht nicht mehr verbindlich sein kann.
1. Die Qualifikation des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB ist bei Ejakulation in den Mund des Tatopfers erfüllt. (BGHSt)
2. Nach der Rechtsprechung des Senats ist das Ejakulieren auf den (nackten) Körper eine sexuelle Handlung mit Körperkontakt (so zu § 178 Abs. 1 StGB a. F. BGH NStZ 1992, 433 m. w. N.). Die sexuelle Handlung am Tatopfer setzt körperliche Berührung voraus, der Täter muss mit seiner sexuellen Handlung auf den Körper des Tatopfers einwirken, ihn in Mitleidenschaft ziehen. Erforderlich ist, dass der Körper des anderen selbst – nicht nur seine Kleidung und gegebenenfalls seine psychische Verfassung – in Mitleidenschaft gezogen wird. (Bearbeiter)
3. Die notwendige Begrenzung des Tatbestandes leisten bei § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB das Erfordernis einer im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut erheblichen sexuellen Handlung nach § 184g Nr. 1 StGB und das Tatbestandsmerkmal der Beischlafähnlichkeit der Tathandlung. Diese Kriterien sind auch in den Fällen des Eindringens mit Flüssigkeiten oder breiigen Gegenständen in den Mund zu prüfen. (Bearbeiter)
1. Eine Drohung im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt und dessen Verwirklichung er nach dem Inhalt seiner Äußerung für den Fall des Bedingungseintritts will. Das Übel muss gerade als vom Willen des Drohenden abhängig dargestellt werden. Zwar kann für eine (versuchte) Nötigung auch die Ankündigung der Zufügung eines Übels durch Dritte genügen, dies jedoch nur, wenn der
Drohende damit zum Ausdruck bringt, er sei willens und in der Lage, den oder die Dritten zu einem entsprechenden Tätigwerden veranlassen zu können (vgl. BGHSt 7, 197, 198; 16, 386, 387; 31, 195, 201). Es stellt danach eine straflose Warnung dar, wenn Schöffen darauf aufmerksam gemacht werden, dass ihnen im Fall eines Wiederauflebens des Nationalsozialismus eine Bestrafung wegen Feindbegünstigung und Volksverleumdung drohe.
2. Als Ausübung des Berufs im Sinne des § 145c StGB kommt grundsätzlich jede Tätigkeit in Betracht, auf die sich das Berufsverbot erstreckt; bereits die einmalige, ohne Wiederholungsabsicht vorgenommene und nicht zwingend entgeltliche Betätigung in dem untersagten Bereich reicht aus, wenn schon diese ein Tätigwerden im verbotenen Beruf darstellt (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1966, 410). Das kurzzeitige Platznehmen auf der Verteidigerbank zu Beginn einer Hauptverhandlung noch vor Feststellung der Präsenz (§ 243 Abs. 1 Satz 2 StPO) stellt indes noch keine Tätigkeit dar, die bereits als Ausübung des Rechtsanwaltsberufs bewertet werden könnte.
3. Gerichtsbeschlüsse sind Urkunden im Sinne des § 249 Abs. 1 StPO. Deren Verlesung verstößt auch dann nicht gegen das Verbot des § 250 Satz 2 StPO, wenn die Entscheidung Wahrnehmungen von Personen wiedergibt.
4. Voraussetzung für eine Klammerwirkung ist, dass die Ausführungshandlungen zweier oder mehrerer an sich selbstständiger Delikte zwar nicht miteinander, wohl aber mit der Ausführungshandlung eines dritten Tatbestandes (teil-)identisch sind und dass zwischen wenigstens einem der beiden an sich selbstständigen Delikte und dem sie verbindenden, sich über einen gewissen Zeitraum hinziehenden (Dauer-) Delikt zumindest annähernde Wertgleichheit besteht.
1. Lauert der Täter seinem ahnungslosen Opfer auf, um an dieses heranzukommen, kommt es nicht darauf an, ob und wann es die von dem ihm gegenüber tretenden Täter ausgehende Gefahr erkennt (vgl. BGH NStZ 1984, 261; NStZ-RR 1996, 98).
2. Für das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, dass der Täter diese in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH NStZ 2003, 535).
3. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung nur dann auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, welche der Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und besonders verwerflich sind (BGH NStZ-RR 2007, 111 m.w.N.).
4. Die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB kann grundsätzlich nicht allein deswegen verneint werden, weil außer der Sucht noch weitere Persönlichkeitsmängel eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf aber nicht ausschließlich zur Besserung des Täters, also ohne gleichzeitige günstige Auswirkungen auf die Interessen der öffentlichen Sicherheit im Sinne einer Verminderung der vom alkoholabhängigen Täter ausgehenden Gefährlichkeit erfolgen. Vielmehr ist erforderlich, dass bei erfolgreichem Verlauf der Behandlung jedenfalls das Ausmaß der Gefährlichkeit des Täters nach Frequenz und krimineller Intensität der von ihm zu befürchtenden Straftaten deutlich herabgesetzt wird (vgl. Senat NStZ 2003, 86 m.w.N.).
1. Werden im Blut des Angeklagten verschiedene Drogenwirkstoffe nachgewiesen, rechtfertigt dies für sich allein noch nicht die Annahme seiner Fahruntüchtigkeit. Anders als beim Alkoholkonsum eines Kraftfahrers ist eine Fahruntüchtigkeit nach Genuss von Drogen allein auf Grund eines positiven Wirkstoffspiegels im Blut nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft (noch) nicht zu begründen (vgl. BGHSt 44, 219, 221).
2. Auch aus der Tatsache, dass der Angeklagte beim Linksabbiegen einen Unfall verursachte, kann kein sicherer Schluss auf eine durch Drogenkonsum bedingte Fahruntüchtigkeit gezogen werden, wenn sich der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt auf der Flucht vor der Polizei befand (vgl. hierzu BGHR StGB § 315 c Abs. 1 Nr. 1 Ursächlichkeit 1; § 316 Abs. 1 Fahruntüchtigkeit, alkoholbedingte 4).
3. Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung können durch Verlesen der von dem Inhalt der Tonträger hergestellten Niederschriften in die Hauptverhandlung eingeführt werden (vgl. BGHSt 27, 135 f.).
4. Dass in diesen Niederschriften die Gespräche nicht immer in wörtlicher Rede wiedergegeben sind, steht einer Verlesung nicht entgegen, soweit es nicht auf den genauen Wortlaut der Gespräche ankommt, sondern zum Beispiel auf die Tatsache, dass ein Angeklagter zu einem bestimmten Zeitpunkt von seiner Wohnung aus Telefonate geführt hat.
Auch Leasingverträge begründen nicht anders als Mietverträge (BGHSt 9, 90) oder Sicherungsübereignungen (BGH wistra 2007, 18, 21) besondere, auf den Erhalt und die Rückführung des Eigentums ausgerichtete Verhaltenspflichten des Leasingnehmers, die ein Anvertrautsein im Sinne des § 246 Abs. 2 StGB verwirklichen. Im Fall eines Rechtsübergangs (hier: Erwerb einer GmbH) geht auch das besondere persönliche Merkmal des Anvertrautseins über.