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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2023
24. Jahrgang
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1. Zur Wartepflicht gemäß § 29 StPO. (BGHR)
2. Durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2121) ist die grundsätzliche Wartepflicht des § 29 Abs. 1 StPO für die Mitwirkung eines abgelehnten Richters an der Hauptverhandlung weiter eingeschränkt worden. In § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO ist seitdem geregelt, dass die Hauptverhandlung keinen Aufschub gestattet und bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch stattfindet. Diese die Wartepflicht begrenzende Vorschrift gilt gemäß § 31 StPO auch für Schöffen. Eine die Hauptverhandlung miterfassende Wartepflicht kennt die Strafprozessordnung seit dieser Änderung des § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht mehr. (Bearbeiter)
3. Derjenige, der einen Richter für befangen erachtet, hat bis zur Entscheidung über seinen Antrag dessen weitere Mitwirkung in der Hauptverhandlung hinzunehmen. Sein Interesse daran, dass der abgelehnte Richter bis zur Entscheidung über sein Gesuch nicht mehr an der Hauptverhandlung mitwirkt, muss nach der Wertung des § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO zugunsten des öffentlichen Interesses an der beschleunigten Durchführung der Hauptverhandlung zurücktreten. Insofern ist kein Grund dafür ersichtlich, dass demgegenüber im Fall einer Selbstanzeige nach § 30 StPO die Hauptverhandlung nicht mehr durchgeführt werden können sollte, ohne dass ein Antragsberechtigter einen Anschein der Befangenheit geltend gemacht hat. (Bearbeiter)
4. Ob die Wartepflicht über den Wortlaut des § 29 Abs. 1 StPO hinaus auch auf den Richter entsprechend anzuwenden ist, der eine Selbstanzeige gemäß § 30 StPO erstattet hat, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Der Senat neigt jedoch dazu, die Sicherungen des § 29 StPO, der nach der gesetzlichen Überschrift und nach dem Normtext allein das Verfahren nach Ablehnung betrifft, auch nur diesem Verfahren vorzubehalten. (Bearbeiter)
5. Das Revisionsgericht kann den Beschluss, durch den die Selbstanzeige eines Richters für begründet oder für nicht begründet erklärt wird, grundsätzlich nicht überprüfen. Ausnahmen gelten nur, wenn das Vorgehen des Gerichts objektiv willkürlich ist, das heißt das Verfahren nach § 30 StPO missbraucht wird, um den Angeklagten seinem verfassungsrechtlich garantierten gesetzlichen Richter zu entziehen. (Bearbeiter)
6. Verfahrensverstöße, die auf Irrtum oder auf unrichtiger oder sogar unhaltbarer Rechtsansicht beruhen, grundsätzlich noch keinen Ablehnungsgrund dar. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn Entscheidungen oder Prozesshandlungen rechtlich völlig abwegig sind oder den Anschein von Willkür erwecken. (Bearbeiter)
1. Eine Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft für die Anordnung einer Durchsuchung ist nach § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO allein bei Gefahr im Verzug gegeben. Wegen des Ausnahmecharakters der nichtrichterlichen Anordnung und vor allem wegen der sichernden Schutzfunktion des
Richtervorbehalts für das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG ist diese Vorgabe eng auszulegen.
2. Reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrungen gestützte, fallunabhängige Vermutungen reichen daher für die Annahme von Gefahr im Verzug nicht aus. Eine solche muss vielmehr mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind. Die bloße Möglichkeit eines Beweismittelverlusts genügt nicht. Die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Gefahr im Verzug“ ist dabei Sache der Gerichte. Sie haben die Rechtsanwendung der Behörden uneingeschränkt nachzuprüfen; ein Beurteilungsspielraum der Strafverfolgungsbehörden besteht hierbei nicht.
3. Für die Überprüfung der Annahme von Gefahr im Verzug ist allein die Lage in der Anordnungssituation maßgeblich. Dabei ist zu berücksichtigen, wie groß der Beurteilungs- und Handlungsdruck war oder ob ausreichend Zeit für Rücksprachen mit Kollegen und Vorgesetzten sowie zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft bestand. Ferner sind die situationsbedingten Grenzen von Erkenntnismöglichkeiten in Rechnung zu stellen, deren mögliche Unvollständigkeit und vorläufige Natur.
4. Bei einer kraft Eilkompetenz ergangenen Durchsuchungsanordnung steht nicht im Belieben der Ermittlungsbehörden, wann sie von ihr Gebrauch machen. Insbesondere ist die für richterliche Anordnungen – vorbehaltlich der Umstände des Einzelfalls – anerkannte maximale Geltung von sechs Monaten auf eine Entscheidung durch die Staatsanwaltschaft oder deren Ermittlungspersonen nicht übertragbar.
5. Jede Durchsuchungsanordnung verliert durch Zeitablauf ihre rechtfertigende Kraft, weil sich ihre Entscheidungsgrundlage im Lauf der Zeit vom Entscheidungsinhalt immer weiter entfernt. Sie darf nur vollstreckt werden, solange sich die für den Erlass maßgeblichen Umstände nicht wesentlich geändert haben. Für eine Eilanordnung kommt hinzu, dass sie schon ihrem Wesen nach nur Eingriffe zu legitimieren vermag, die im unmittelbaren Fortgang ins Werk gesetzt werden. Nur für solche, keinen Aufschub duldende Maßnahmen besteht die Zuständigkeit der Ermittlungsbehörden, nur für solche darf sie ausgeübt werden und kann dann auch nur ein unverzügliches Handeln gestatten.
6. Die Staatsanwaltschaft ist nach einer rechtmäßigen Eilanordnung nicht gehalten, nachträglich eine richterliche Genehmigung einzuholen. Dasselbe gilt für den Fall, dass sich eine Möglichkeit hierzu ausnahmsweise noch vor Beginn der – grundsätzlich unverzüglich ins Werk zu setzenden – Durchsuchung ergibt. Ansonsten müsste der anordnende Beamte fortwährend einerseits Verbindung mit den Vollzugskräften halten und andererseits Kontaktversuche zum Gericht unternehmen, nur um Letzteres um Entscheidung ersuchen zu können, sofern dessen Erreichbarkeit schneller eintritt als der Vollzug der Maßnahme beginnt.
7. Die Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung führt nach ständiger Rechtsprechung nicht ohne weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot; dies gilt auch für Fälle einer fehlerhaften Durchsuchung. Ein Beweisverwertungsverbot ist von Verfassungs wegen aber zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten. Das kommt in Betracht, wenn der Richtervorbehalt bewusst missachtet oder seine Voraussetzungen in gleichgewichtig grober Weise verkannt wurden.
Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss.
1. Die Rüge der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren beziehungsweise einer Belehrungspflicht entsprechend § 257c Abs. 5 StPO setzt nicht zwingend die Vorlage des Protokolls der Hauptverhandlung voraus, in der sich der Angeklagte nach dem Vortrag der Verteidigung ‒ im Übrigen unwidersprochen ‒ in Folge einer Verständigung geständig eingelassen hat.
2. Ebenso wenig ist es schädlich, dass die Revision nicht vorträgt, ob der Angeklagte in dieser Hauptverhandlung vor der Verständigung ordnungsgemäß nach § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden war, mithin nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Pflicht zur Belehrung über die Unverwertbarkeit des Geständnisses bestand. Dies gilt, wenn die Revision darstellt, dass der Angeklagte weder auf die entfallene Bindungswirkung noch auf die Unverwertbarkeit seines Geständnisses hingewiesen worden ist.
3. Der Senat kann offenlassen, ob der Angeklagte qualifiziert über die Unverwertbarkeit seiner vormaligen verständigungsbasierten Einlassung zu informieren ist oder ob es in diesem Fall ausreicht, wenn der Angeklagte lediglich über den Wegfall der Bindungswirkung der getroffenen Verständigung informiert wird, sofern er in der ausgesetzten Hauptverhandlung vor der dortigen Verständigung ordnungsgemäß nach § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden war.
1. Das Hineinkopieren von Ablichtungen in den die Beweiswürdigung betreffenden Teil des schriftlichen Urteils ist rechtsfehlerhaft. Denn in den Urteilsgründen bedarf es einer textlichen Würdigung der erhobenen Beweise.
2. Das Hineinkopieren von Lichtbildern - etwa von Tatmitteln oder Tatörtlichkeiten - in die Urteilsgründe, anstatt auf diese – wie das Gesetz es vorsieht (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO) – wegen der Einzelheiten zu verweisen, erweist sich regelmäßig zumindest als untunlich.
Die Entscheidung über die Aussetzung des Strafverfahrens bis zum Abschluss des Besteuerungsverfahrens steht im Ermessen des Gerichts. Abzuwägen sind alle Umstände, die im konkreten Fall für und gegen die Aussetzung des Strafverfahrens sprechen, namentlich das Ziel, im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Rechtssicherheit divergierende Entscheidungen im Straf- und Besteuerungsverfahren möglichst zu vermeiden, und das Gebot zügiger Verfahrensdurchführung. Jedenfalls wenn eine längere Aussetzung erforderlich wäre, gebührt dem in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verankerten Anspruch des Angeklagten auf Entscheidung in angemessener Frist regelmäßig der Vorrang vor dem Interesse an einer einheitlichen Rechtsanwendung; Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK setzt der Zulässigkeit einer Verfahrensaussetzung enge Grenzen. Einen Anspruch auf Aussetzung hat der Angeklagte nicht.
1. Nach einem Wiedereintritt in die Verhandlung muss das Gericht die Möglichkeit zu umfassenden Schlussvorträgen und das letzte Wort erneut gewähren, auch wenn er nur einen unwesentlichen Aspekt oder einen Teil der Anklagevorwürfe betrifft, weil jeder Wiedereintritt den vorangegangenen Ausführungen ihre rechtliche Bedeutung als Schlussvorträge und letztes Wort nimmt.
2. Ein Wiedereintritt in die Verhandlung kann durch eine ausdrückliche Erklärung des Vorsitzenden beziehungsweise des Gerichts oder stillschweigend geschehen. Für letzteres genügt jede Betätigung, in welcher der Wille des Gerichts, mit der Untersuchung und der Aburteilung fortzufahren, erkennbar zutage tritt, auch wenn das Gericht darin keine Wiedereröffnung der Verhandlung erblickt oder diese nicht beabsichtigt. Dies ist der Fall bei jedem Vorgang, der die gerichtliche Sachentscheidung auch nur mittelbar beeinflussen könnte, indem er eine tatsächliche oder rechtliche Bewertung des bisherigen Verfahrensergebnisses zum Ausdruck bringt. Auf Umfang und Bedeutung der nochmaligen Verhandlungen kommt es dabei nicht an. Ob ein Wiedereintritt vorliegt, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Er kann auch darin liegen, dass Anträge erörtert werden, ohne dass ihnen letztlich stattgegeben wird.
3. Das Qualifikationsmerkmal der Gewerbsmäßigkeit im Sinne von § 232a Abs. 4 i.V.m. § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB ist nur erfüllt ist, wenn der Täter den Straftatbestand des § 232a Abs. 1 StGB mehrfach verwirklicht beziehungsweise bei seiner Tathandlung den Vorsatz hat, zukünftig weitere Taten der Zwangsprostitution zwecks Generierung einer fortdauernden Einnahmequelle zu begehen. Die Absicht der fortdauernden Ausnutzung einer durch eine einmalige Einwirkung auf das Tatopfer veranlassten Prostitutionstätigkeit genügt dagegen zur Erfüllung des Qualifikationsmerkmals der Gewerbsmäßigkeit nicht.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden gehindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO). Innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller, sofern sich die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nicht offensichtlich aus den Akten ergibt, auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen; dies kann nicht nachgeholt werden. Entscheidend für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Angeklagten; auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Verteidigers kommt es hingegen nicht an.
1. Tragen erst im Laufe der Ermittlungen gewonnene Erkenntnisse für sich genommen den Erlass eines Haftbefehls und ergeht deswegen ein neuer oder erweiterter Haftbefehl, so wird dadurch ohne Anrechnung der bisherigen Haftdauer eine neue Sechsmonatsfrist in Gang gesetzt.
2. Für den Fristbeginn ist dann der Zeitpunkt maßgeblich, in dem sich der Verdacht hinsichtlich der neuen Tatvorwürfe zu einem dringenden verdichtet hat. Entscheidend ist mithin, wann der neue bzw. erweiterte Haftbefehl hätte erlassen werden können, nicht hingegen, wann die Staatsanwaltschaft ihn erwirkt hat. Dabei ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Haftbefehl spätestens an dem auf die Beweisgewinnung folgenden Tag der veränderten Sachlage anzupassen ist.
1. Eine „andere Tat“ im Sinne des Art. 14 Abs. 1 EuAlÜbk) ist nicht anzunehmen, wenn sich die Angaben in der Auslieferungsbewilligung und diejenigen im späteren Urteil hinreichend entsprechen (vgl. BGHSt 59, 105 Rn. 14). Der dem Spezialitätsgrundsatz zugrunde liegende Tatbegriff umfasst den gesamten dem ausliefernden Staat mitgeteilten Lebenssachverhalt, innerhalb dessen der Verfolgte einen oder mehrere Straftatbestände erfüllt haben soll (st. Rspr.).
2. Für die Wahrung der Identität der Tat ist weder erforderlich, dass der Straftatbestand im Recht des ersuchten Staates seiner Bezeichnung nach dem des ersuchenden Staates entspricht, noch kommt es darauf an, dass er nach seinen Tatbestandsmerkmalen vergleichbar ist (vgl. auch BGHSt 59, 105 Rn. 16).
1. Bei der Aburteilung in Serie begangener sexueller Missbrauchstaten dürfen zur Vermeidung unvertretbarer Strafbarkeitslücken und angesichts der besonderen Beweisschwierigkeiten – regelmäßig steht als Beweismittel nur ein Kind oder eine Jugendliche zur Verfügung – keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden; denn eine Konkretisierung der jeweiligen Straftaten nach genauer Tatzeit und exaktem Geschehensablauf ist oft nicht möglich. Das Tatgericht muss sich aber in objektiv nachvollziehbarer Weise zumindest die Überzeugung verschaffen, dass der Angeklagte in einem gewissen Zeitraum eine bestimmte Mindestzahl von Missbrauchstaten begangen hat. Entscheidend ist dabei nicht, dass eine – möglicherweise auf nicht völlig sicherer Grundlage hochgerechnete – Gesamtzahl festgestellt wird, sondern dass das Gericht von jeder einzelnen individuellen Straftat, die es aburteilt, überzeugt ist. Ist eine Individualisierung einzelner Taten mangels Besonderheiten im Tatbild oder der Tatumstände nicht möglich, sind zumindest die Anknüpfungspunkte zu bezeichnen, anhand derer das Tatgericht den Tatzeitraum eingrenzt und auf die sich seine Überzeugung von der Mindestzahl und der Begehungsweise der Missbrauchstaten des Angeklagten in diesem Zeitraum gründet.
2. Dabei sind grundsätzlich bei Verurteilungen, die den sexuellen Missbrauch von Geschädigten über 14 Jahren betreffen, an die Konkretisierung einzelner Handlungsabläufe größere Anforderungen zu stellen als bei Tatserien zu Lasten von Kindern (st. Rspr.).
3. Die in einer „Aussage gegen Aussage“ oder „Schweigen gegen Aussage“-Konstellation ohnehin erhöhten Anforderungen an die Beweiswürdigung und deren Darstellung im Urteil sind u.a. zusätzlich dann gesteigert, wenn nach Auffassung des Tatgerichts der einzige Belastungszeuge gelogen hat. Dann muss es – jedenfalls regelmäßig – gewichtige Gründe außerhalb der Zeugenaussage nennen, die es ihm ermöglichen, der Zeugenaussage im Übrigen dennoch zu glauben (st. Rspr.). Derartige „Außenkriterien“ sind für eine tragfähige Beweiswürdigung erforderlich, weil die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen in einem solchen Fall insgesamt erschüttert ist.
1. Nach der seit dem 1. Januar 2022 geltenden Vorschrift des § 32d Satz 2 StPO müssen Verteidiger und Rechtsanwälte die Revision und ihre Begründung als elektronisches Dokument übermitteln. Insoweit handelt es sich um eine Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung, die bei Nichteinhaltung deren Unwirksamkeit zur Folge hat.
2. § 32d Satz 2 StPO erfordert zwingend die Übermittlung der Revision als elektronisches Dokument. Die Prozesshandlung muss gemäß § 32a Abs. 3 StPO entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder aber von der verantwortenden Person einfach signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Der Grad der Signatur, durch welche die eigenhändige Unterschrift ersetzt wird, richtet sich daher nach der Versandart. Ist der Versand über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (§ 31a BRAO) als sicherer Übermittlungsweg erfolgt, so genügt eine einfache Signatur (§ 32a Abs. 3 Var. 2 StPO); in diesem Fall bedarf es keiner qualifizierten elektronischen Signatur.
3. Nur wenn die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, bleibt die Übermittlung der Revisionsbegründung in Papierform zulässig. In einem solchen Fall ist die vorübergehende Unmöglichkeit auch bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Als Beispiel für eine vorübergehende Unmöglichkeit gilt ein
Serverausfall. Wie die Formulierungen „aus technischen Gründen“ und „vorübergehend“ verdeutlichen, ist die Einreichung der Revisionsbegründung in Papierform die Ausnahme. Deshalb muss beim Absender grundsätzlich die notwendige technische Einrichtung vorhanden sein, um elektronische Dokumente einreichen zu können. Dagegen muss die Anwendung des Ausnahmetatbestands ausscheiden, wenn der Verteidiger kein geeignetes System vorhält oder bei technischen Problemen nicht umgehend für deren Behebung sorgt.
1. Wenn sich das Tatgericht bei seiner Überzeugungsbildung auf das Gutachten eines Sachverständigen stützt, hat es im Urteil dessen wesentliche Anknüpfungstatsachen und Ausführungen so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind.
2. Die Ergebnisse einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung sind im Urteil grundsätzlich so darzustellen, dass sie nachvollziehbar sind. Dies gilt auch für die Frage eines indirekten Transfers von DNA-Material, weil insoweit der DNA-Gehalt einer Spur und die Anzahl der Übereinstimmung untersuchter DNA-Profile, neben anderen Faktoren, von wesentlicher Bedeutung sein kann. Bei DNA-Mischspuren muss danach grundsätzlich mitgeteilt werden, wie viele DNA-Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen mit den DNA-Merkmalen des Angeklagten ergaben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist.
3. An die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Beurteilung sonstiger Beweismittel. Dabei sind entlastende Angaben des Angeklagten nicht schon deshalb als unwiderlegbar hinzunehmen, weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Wie auch im Übrigen hat sich das Tatgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme eine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Beweisergebnisses zu bilden.
Hatte die unverändert zugelassene Anklage dem Angeklagten eine einzige Tat im sachlich-rechtlichen Sinne vorgeworfen, während sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung der dem Angeklagten vorgeworfene Sachverhalt als zweiaktiges Geschehen darstellt, dessen Akte in Tatmehrheit zueinander stehen würden, und wird der Angeklagte nur wegen des einen Aktes verurteilt, so ist er vom Vorwurf des anderen freizusprechen.
In Fällen, in denen der Tatnachweis auf einem Wiedererkennen des Angeklagten durch einen Tatzeugen beruht, ist das Tatgericht aus sachlich-rechtlichen Gründen regelmäßig verpflichtet, die Angaben des Zeugen zur Täterbeschreibung zumindest in gedrängter Form wiederzugeben und diese sodann zum Erscheinungsbild des Angeklagten in der Hauptverhandlung in Beziehung zu setzen. Zudem sind in den Urteilsgründen diejenigen Gesichtspunkte darzulegen, auf denen die Folgerung des Tatgerichts beruht, dass insoweit tatsächlich Übereinstimmung besteht. Darüber hinaus bedarf es einer Mitteilung der Umstände, die zur Identifizierung des Angeklagten durch den Zeugen geführt haben. Bei einem wiederholten Wiedererkennen in einer Hauptverhandlung ist außerdem zu beachten, dass eine verstärkte Suggestibilität der Identifizierungssituation besteht.