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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2021
22. Jahrgang
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tionelle und personelle Immunität); allgemeine Regel des Völkergewohnheitsrechts (Ermittlung der Staatenpraxis; Entscheidung des BVerfG); Kriegsverbrechen der grausamen oder unmenschlichen Behandlung einer zu schützenden Person (Erheblichkeit; Folter; Konkurrenzen mit Körperverletzung und Nötigung nach nationalem Strafrecht).
Art. 25 GG; § 20 Abs. 2 GVG; § 8 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 9 VStGB; Art. 100 Abs. 2 GG; § 224 StGB; § 240 StGB; § 52 StGB; Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut
1. Nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts ist die strafrechtliche Ahndung von Kriegsverbrechen der Folter und der in schwerwiegender Weise entwürdigenden oder erniedrigenden Behandlung sowie wegen damit zugleich verwirklichter allgemeiner Straftatbestände wie gefährlicher Körperverletzung und Nötigung durch ein inländisches Gericht nicht wegen des Verfahrenshindernisses der funktionellen Immunität ausgeschlossen, wenn die Taten von einem ausländischen nachrangigen Hoheitsträger in Ausübung seiner hoheitlichen Tätigkeit im Ausland zum Nachteil von nicht inländischen Personen begangen wurden. (BGHSt)
2. Zu den Voraussetzungen des Kriegsverbrechens der Folter. (BGHSt)
3. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist eine allgemeine Verfahrensvoraussetzung; ihr Bestehen sowie ihre Grenzen sind als Rechtsfragen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen. Soweit eine völkergewohnheitsrechtliche Immunität gegeben ist, ist eine solche generell beachtlich, unabhängig davon, ob sich dies aus § 20 Abs. 2 GVG oder direkt aus Art. 25 GG ergibt. (Bearbeiter)
4. Ein Staat ist angesichts der souveränen Gleichheit der Staaten zumindest in Bezug auf Hoheitsakte (acta iure imperii) grundsätzlich keiner fremden staatlichen Gerichtsbarkeit unterworfen. Daraus kann sich auch eine funktionelle Immunität für natürliche Personen als Ausfluss der Staatenimmunität ergeben, da ein Staat regelmäßig nur durch solche handeln kann. Eine andere Beurteilung ergibt sich bei der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit einer natürlichen Person für Kriegsverbrechen, die sie als in der Staatsorganisation nicht besonders herausgehobener Hoheitsträger eines fremden Staates begangen haben soll. Eine in einem solchen Fall zu erwägende funktionelle Immunität ist von anderen Immunitäten, insbesondere der personellen (ratione personae), zu unterscheiden. (Bearbeiter)
5. Eine allgemeine Regel des Völkergewohnheitsrechts im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Buchst. b IGH-Statut ist eine Regel, die von einer gefestigten Praxis zahlreicher, aber nicht notwendigerweise aller Staaten („consuetudo“ oder „usus“) in der Überzeugung einer völkerrechtlichen Verpflichtung („opinio iuris sive necessitatis“) getragen wird. An ihre Feststellung sind wegen der darin zum Ausdruck kommenden grundsätzlichen Verpflichtung aller Staaten hohe Anforderungen zu stellen. Insofern gilt:
a) Zur Ermittlung der Staatenpraxis kann auf das Verhalten der für den völkerrechtlichen Verkehr nach internationalem oder nationalem Recht zuständigen Staatsorgane, regelmäßig die Regierung oder das Staatsoberhaupt, abzustellen sein. Die Staatenpraxis kann sich daneben aber auch aus den Akten anderer Staatsorgane wie solchen des Gesetzgebers oder der Gerichte ergeben, soweit ihr Verhalten unmittelbar völkerrechtlich erheblich ist.
b) Bei der Ermittlung der Staatenpraxis ist den neueren Rechtsentwicklungen auf internationaler Ebene Rechnung zu tragen, die durch fortschreitende Differenzierung und eine Zunahme der anerkannten Völkerrechtssubjekte gekennzeichnet sind. Deshalb verdienen die Handlungen von Organen internationaler Organisationen (vor allem internationaler Gerichte) besondere Aufmerksamkeit. Zudem können die Entscheidungen nationaler Gerichte insbesondere dort berücksichtigt werden, wo, wie im Bereich der gerichtlichen Immunität fremder Staaten, das innerstaatliche Recht den nationalen Gerichten die unmittelbare Anwendung von Völkerrecht gestattet. Ferner können die Arbeiten der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen Indiz für das Bestehen einer Rechtsüberzeugung sein. (Bearbeiter)
6. Gemäß Art. 100 Abs. 2 GG ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn in einem Rechtsstreit zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt. Insofern gilt:
a) Der Begriff des Rechtsstreites im Sinne der Vorschrift ist weit auszulegen und umfasst jedes gerichtliche Verfahren. Ihrer Gewährleistungsfunktion zugunsten der allgemeinen Regeln des Völkerrechts wäre nicht Genüge getan, wenn der Begriff „Rechtsstreit“ eng gefasst, beispielsweise auf kontradiktorische Verfahren begrenzt würde. Vorlagen sind selbst dann zulässig, wenn die völkerrechtliche Regel ihrem Inhalt nach nicht geeignet ist, unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen zu erzeugen, sondern sich nur an Staaten oder ihre Organe als Normadressaten wendet.
b) Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG ist regelmäßig bereits geboten, wenn das erkennende Gericht bei der Prüfung der Frage, ob und mit welcher Tragweite eine allgemeine Regel des Völkerrechts gilt, auf ernstzunehmende Zweifel stößt, mag das Gericht selbst auch keine Zweifel haben. Nicht das erkennende Gericht, sondern nur das Bundesverfassungsgericht hat die Befugnis, vorhandene Zweifel selbst aufzuklären. Ernstzunehmende Zweifel an dem Bestehen oder der Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts bestehen dann, wenn das Gericht von der Meinung eines Verfassungsorgans oder von den Entscheidungen hoher deutscher, ausländischer oder internationaler Gerichte oder von den Lehren anerkannter Autoren der Völkerrechtswissenschaft abwiche.
c) Derartige Zweifel sind zudem dann anzunehmen, wenn es keine einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zu den vorgelegten Fragen gibt und die Judikatur internationaler Gerichte dazu nicht in entscheidender Weise Stellung nimmt. Ferner sind über den Wortlaut hinaus Fragen statthaft, die sich nicht auf die Existenz, sondern nur auf die Tragweite einer Völkerrechtsregel beziehen; die Bedeutung, die Art. 25 GG den allgemeinen
Regeln des Völkerrechts beimisst, fordert eine einheitliche Rechtsprechung auch über ihre Tragweite. Dies bedeutet, dass das Verfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG auch der Auslegung und Konkretisierung allgemeiner Regeln des Völkerrechts mit ihrer regelmäßig geringen Regelungsdichte dienen kann. (Bearbeiter)
7. Die Erheblichkeit, die das Kriegsverbrechen der grausamen oder unmenschlichen Behandlung einer zu schützenden Person gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB voraussetzt, verlangt ein hinreichend großes Maß der durch die Tathandlung verursachten Beeinträchtigung und dient nicht allein dazu, Bagatellfälle aus dem Anwendungsbereich auszuscheiden. Sie ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles zu beurteilen, insbesondere der Art der Handlung sowie ihres Kontextes. Bezugspunkt der Erheblichkeitsprüfung sind die körperlichen oder seelischen Schäden oder Leiden. (Bearbeiter)
8. Verwirklicht ein Täter durch sein Verhalten sowohl Tatbestände des allgemeinen Strafrechts als auch einen Tatbestand des Völkerstrafgesetzbuchs, so gelten die allgemeinen Konkurrenzregeln. Wird durch eine Handlung neben einer (gefährlichen) Körperverletzung und einer (versuchten) Nötigung das Kriegsverbrechen der Folter begangen, steht dieses zu den genannten Delikten des nationalen Strafrechts regelmäßig im Verhältnis der Tateinheit. (Bearbeiter)
1. Das Verwertungsverbot des § 136a Abs. 3 StPO gilt grundsätzlich nur für die Angaben des Angeklagten oder Zeugen, die unter Missachtung des § 136a Abs. 1 StPO herbeigeführt worden sind. Eine spätere Aussage, bei der seine Willensfreiheit nicht mehr beeinträchtigt war, ist regelmäßig verwertbar. Wirkt jedoch der Verstoß gegen § 136a Abs. 1 StPO dergestalt fort, dass hierdurch auch bei einer zeitlich nachgelagerten Vernehmung die Aussagefreiheit des Beschuldigten oder Zeugen in rechtserheblicher Weise beeinträchtigt ist, umfasst das Verwertungsverbot des § 136a Abs. 3 StPO auch die spätere Beweiserhebung.
2. Als Indizien für eine derartige Fortwirkung kommen ein naher zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anwendung der verbotenen Vernehmungsmethode und der neuen Befragung sowie die Schwere der Beeinträchtigung der Willensfreiheit in Betracht. Berichtet der Beschuldigte oder Zeuge bei der späteren Vernehmung nicht von sich aus im Zusammenhang, sondern bestätigt auf Vorhalt nur pauschal seine früheren Aussagen oder nimmt auf sie Bezug, so kann auch das darauf hindeuten, dass er weiterhin unter dem Eindruck der unzulässigen Vernehmungsmethoden steht. Maßgeblich gegen eine Fortwirkung spricht indes, wenn sich der Beschuldigte oder Zeuge bei der späteren Vernehmung seiner Freiheit bewusst ist, sich von seiner früheren Einlassung zu distanzieren.
3. Der Senat kann offenlassen, ob von einer vollständigen Entschließungsfreiheit des Beschuldigten oder Zeugen nur dann ausgegangen werden kann, wenn er durch eine „qualifizierte“ Belehrung auf die Unverwertbarkeit seiner früheren Aussage hingewiesen worden ist. Denn anders als aus dem Verstoß gegen § 136a StPO selbst würde aus dem Unterbleiben einer „qualifizierten“ Belehrung nicht ohne Weiteres die Unverwertbarkeit der späteren Aussage folgen. Es ist vielmehr auch hier wie in anderen Fällen einer fehlerhaften Erkenntnisgewinnung eine Abwägung vorzunehmen. Dabei ist u.a. zu beachten, dass dem Unterlassen der Belehrung regelmäßig nicht dasselbe Gewicht wie der vorangegangenen unzulässigen Vernehmungsmethode zukommt.
1. Auf den vorgeburtlichen Mutterschutz kann auch teilweise verzichtet werden. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut von § 3 Abs. 1 Satz 1 MuSchG, der ein Beschäftigungsverbot für den Arbeitgeber nur vorsieht, soweit die Schwangere sich nicht zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklärt. Nur ein solches Verständnis der Norm wird im Übrigen dem gesetzgeberischen Ziel gerecht, durch die Reform des Mutterschutzgesetzes die Vereinbarkeit von Schwangerschaft bzw. Mutterschaft und Erwerbstätigkeit zu fördern und zu gewährleisten.
2. Der Senat kann offenlassen, ob er der Annahme des 2. Strafsenats (HRRS 2017 Nr. 143), aus dem lediglich an den Arbeitgeber gerichteten Beschäftigungsverbot aus § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG a.F. (heute: § 3 Abs. 2 Satz 1 MuSchG) ergebe sich ohne weiteres ein „Dienstleistungsverbot“ für die Richterin, das zu einer gesetzeswidrigen Gerichtsbesetzung führe, nähertreten könnte. Er gibt jedoch zu bedenken, dass durch die Verfahrensgarantie aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet wird, dass eine Entscheidung durch einen vorab nach hinreichend genauen abstrakt-generellen Regelungen bestimmbaren Richter getroffen wird, der zudem den grundgesetzlichen Anforderungen an die Person eines Richters genügt, namentlich unabhängig und neutral ist. Dass eine Richterin nur aufgrund eines Verstoßes gegen ausschließlich ihrem Schutz dienende Vorschriften diese Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllen sollte, erschließt sich dem Senat nicht.
1. Eine Verletzung von § 247 Satz 1 i.V.m. § 338 Nr. 5 StPO liegt nicht vor, wenn die Strafkammer anordnet, dass der Angeklagte für die Dauer der Vernehmung der Nebenklägerinnen in den Zuschauerraum zu verbringen sei, weil der Angeklagte nicht aus dem Sitzungszimmer entfernt wird und an seiner Sitzposition auch weiterhin in Sicht- und Hörweite des Verfahrensgeschehens und damit nicht abwesend im Sinne von § 338 Nr. 5 StPO war. Die Unterbrechung des ständigen Kontaktes zu seinem Verteidiger ändert daran nichts.
2. Zwar kann auch eine im Beschlusswege angeordnete Umgestaltung der Sitzordnung gemäß § 176 GVG zu einer unzulässigen Beschränkung der Verteidigung in einem für das Urteil wesentlichen Punkt führen. Dies setzt aber voraus, dass bei dieser nur auf grobe Ermessensfehler hin überprüfbaren Anordnung die Rechtsposition des Angeklagten oder seines Verteidigers grundlegend verkannt und ihre Mitwirkungsmöglichkeiten tatsächlich entscheidungserheblich eingeschränkt wurden. Für die Vortragspflicht des Revisionsführers bedeutet dies, dass er auch die Tatsachen vorzubringen hat, aus denen sich ein konkreter Zusammenhang zwischen dem geltend gemachten Verfahrensfehler und einem für die Entscheidung bedeutsamen Punkt ergibt.
1. Für eine einschränkende Auslegung von § 338 Nr. 6 StPO dahin, dass bei einem Antrag einer schützenswerten Person auf Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b Abs. 3 Satz 1 StPO eine Verletzung des Beschlusserfordernisses von ihr nicht erfasst sein soll, ist nach Auffassung des Senats kein Raum. Es liegt eine andere Konstellation vor als in Fällen des § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG.
2. Stellt eine schützenswerte Person einen Antrag nach § 171b Abs. 3 Satz 1 GVG, muss ihm (nur) stattgegeben werden, wenn die vom Gericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen von § 171b Abs. 1 oder 2 vorliegen. Ist das nicht der Fall, erfolgt eine Ablehnung ebenfalls durch Beschluss.
3. Bedarf eine Maßnahme in der Hauptverhandlung von vornherein eines Gerichtsbeschlusses, so ist der Anwendungsbereich des § 238 Abs. 1 StPO nicht eröffnet.
4. Nach § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG ist vorgesehen, dass ein Beschluss, der die Öffentlichkeit ausschließt, grundsätzlich öffentlich verkündet werden muss. Vorausgesetzt ist ein Gerichtsbeschluss, nicht ausreichend ist eine Anordnung des Vorsitzenden.
5. Ein Verstoß gegen die Regeln der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung führt nicht notwendig zur Aufhebung des gesamten Urteils. Bezieht sich der Vorgang, während dessen die Öffentlichkeit zu Unrecht ausgeschlossen war, nur auf einen abtrennbaren Teil des Urteils, so ist auch nur dieser Teil des Urteils aufzuheben.
6. Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB bedarf es insbesondere auch beim Zusammentreffen von Freiheitsstrafe und angeordneter Sicherungsverwahrung einer Gesamtwürdigung des Gewichts aller gegen einen Angeklagten verhängten Rechtsfolgen, um deren Wirkung insgesamt und damit die Schuldangemessenheit der Gesamtsanktion zu prüfen.
1. Nach § 192 Abs. 2 und 3 GVG tritt ein zu der Hauptverhandlung zugezogener Ergänzungsschöffe in das Quorum ein, wenn ein zur Entscheidung berufener Schöffe an der weiteren Mitwirkung verhindert ist. Die Feststellung, ob ein Verhinderungsfall vorliegt, obliegt dem Vorsitzenden.
2. Der Vorsitzende hat bei der Entscheidung einen Ermessenspielraum. Dieser umfasst auch den Zeitpunkt seiner Entscheidung. Bei der Wahl des Entscheidungszeitpunktes hat der Vorsitzende die widerstreitenden Interessen zwischen dem Prinzip des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) einerseits und den auf Beschleunigung und Konzentration gerichteten sonstigen Prozessmaximen andererseits zu berücksichtigen. Insbesondere die Beschleunigungs- und Konzentrationsmaxime können es sachgerecht erscheinen lassen, die Verhinderung möglichst bald festzustellen, um die Hauptverhandlung ohne Zeitverzug fortzusetzen.
3. Eine Entscheidung des Vorsitzenden ist jedenfalls dann vor Ablauf der maximalen Fristenhemmung gem. § 229 Abs. 1 und 2 StPO zulässig, wenn schon von vornherein feststeht, dass eine Fortsetzung der Hauptverhandlung mit dem erkrankten Richter oder Schöffen auch nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung nicht möglich sein wird, oder wenn andere vorrangige Prozessmaximen beeinträchtigt würden (Abgrenzung zu BGH HRRS 2016 Nr. 545).
4. Ein ärztliches Attest genügt regelmäßig auch ohne Angabe einer Diagnose als Nachweis einer Erkrankung – und damit einer Verhinderung i.S.d. § 54 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GVG –, solange nicht konkrete Umstände darauf hindeuten, der Schöffe wolle sich aus unerlaubten Gründen der Dienstleistung entziehen.
1. Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende des Gerichts mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO auch im Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben. Sie ist selbst dann zu beachten, wenn es um erfolglos geführte Gespräche geht, in deren Verlauf keine Verständigung zustande gekommen ist.
2. Die Pflicht zur Mitteilung der mit dem Ziel einer Verständigung über den Verfahrensausgang geführten Gespräche erstreckt sich auf die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden und auf welche Resonanz diese bei den anderen Beteiligten gestoßen sind.
1. Eine Hauptverhandlung gilt im Sinne des § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO als fortgesetzt und muss demgemäß nicht ausgesetzt werden, wenn in einem Fortsetzungstermin zur Sache verhandelt wird. Das ist der Fall, wenn Prozesshandlungen vorgenommen werden oder Erörterungen zu Sach- oder Verfahrensfragen stattfinden, die geeignet sind, das Verfahren inhaltlich auf den Urteilsspruch hin zu fördern und die Sache ihrem Abschluss substantiell näher zu bringen. Unter diesen Voraussetzungen ist die Dauer des Termins ebenso wenig von Belang wie die Frage, ob er noch für weitere verfahrensfördernde Handlungen hätte genutzt werden können. Gleichermaßen unschädlich ist es, wenn der Termin daneben auch der Einhaltung der Unterbrechungsfrist dient.
2. Werden Eheleute in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommen und nicht über ein wechselseitig bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 Nr. 2., Abs. 3 StPO, sondern lediglich nach § 55 StPO belehrt, stellt dies einen Rechtsfehler dar, den auch ein nicht mit den Zeugen im Sinne von § 52 Abs. 1 StPO verbundener und deshalb in seinem Rechtskreis nicht unmittelbar betroffener Angeklagter rügen kann.
Es führt nicht zur Unzulässigkeit der Rüge der Verletzung des § 171b Abs. 3 Satz 2 GVG, dass nicht mitgeteilt worden ist, welche Ausführungen der Angeklagte in seinem letzten Wort gemacht hätte, wenn die während der Inaugenscheinnahme der Bildaufnahmen von dem Tatgeschehen auf Antrag der Nebenklägerin gemäß § 171b Abs. 3 Satz 1 GVG ausgeschlossene Öffentlichkeit auch für die Schlussanträge ausgeschlossen worden wäre. Denn die ordnungsgemäße Erhebung einer Verfahrensrüge (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) erfordert nur die Angabe der den Verfahrensmangel selbst enthaltenden Tatsachen, nicht jedoch Ausführungen zum Beruhen.
1. Gesundheitspolizeilichen Maßnahmen aufgrund der COVID-19-Pandemie sind auf die Eindämmung des pandemischen Infektionsgeschehens gerichtet sind und sollen einen Ausgleich zwischen dem Schutz vor der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus und der Aufrechterhaltung elementarer Lebensbereiche suchen. Die Sicherung des Rechtsfriedens durch das Strafrecht bleibt in der Ausnahmesituation einer Pandemie weiterhin eine wichtige Aufgabe staatlicher Gewalt (vgl. BVerfG HRRS 2020 Nr. 1316). Dies bedingt nicht nur die Teilnahme der unmittelbar am Gerichtsverfahren Beteiligten, sondern auch die Gewährleistung der Saalöffentlichkeit.
2. Die Teilnahme an öffentlichen Gerichtsverhandlungen begründet regelmäßig einen triftigen Grund zum Verlassen der häuslichen Unterkunft im Geltungsbereich von aufgrund der COVID-19-Pandemie erlassenen Allgemeinverfügungen zum Vollzug des Infektionsschutzgesetzes (hier: Verfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt). Selbst wenn Einzelne aufgrund der gesundheitspolizeilichen Maßnahmen auf den Besuch einer Hauptverhandlung verzichten, läge keine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes durch das Tatgericht vor. Denn ein trotz eines nicht bestehenden Teilnahmeverbots vorgenommener Verzicht Einzelner würde in diesen Fällen auf Umständen beruhen, die nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fielen.
3. Bei einer von ihm nicht zu vertretenden Sachlage ist das Tatgericht nicht verpflichtet, dem Öffentlichkeitsgrundsatz durch eine Unterbrechung oder eine Aussetzung noch weitergehende Wirkung zu verschaffen. Anders als im Einzelfall kurzfristiger Beschränkungen kann dies insbesondere dann nicht gelten, wenn die Dauer der möglichen Einschränkungen wie bei der aktuellen Pan-
demie nicht absehbar ist. Denn die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Pflicht des Staates, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, umfasst auch in Ausnahmesituationen die Pflicht, die Einleitung und Durchführung des Strafverfahrens sicherzustellen.
1. Das Verbot, auf die Revision des Angeklagten das Urteil zu seinem Nachteil zu verändern, schließt nicht nur eine Erhöhung der Gesamtstrafe aus, sondern steht zudem einer Erhöhung der Einzelstrafen entgegen. Das gilt selbst dann, wenn die nunmehr ausgeurteilte Gesamtstrafe niedriger ausfällt; denn bei der Verhängung von Einzelstrafen handelt es sich um selbständige, der Rechtskraft fähige tatrichterliche Entscheidungen.
2. Die Feststellungen zur Person gehören zur Straffrage, über die das zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht auf der Grundlage neuer, von ihm selbst getroffener Feststellungen umfassend neu befinden muss.
3. Im Falle eines Verzichtes durch den Angeklagten ist der staatliche Einziehungsanspruch erfüllt und die Einziehung insoweit ausgeschlossen.
4. Bei dem Verzicht des Angeklagten im Sinne einer „außergerichtlichen Einziehung“ handelt es sich um eine rechtsgeschäftliche, an den Justizfiskus gerichtete Willenserklärung, die auf Übertragung des Eigentums an einem sichergestellten Gegenstand gerichtet ist. Mit der Annahme des Angebots durch den Staat geht das Eigentum auf diesen über (§ 929 Satz 2 BGB).
5. Bei einer Forderung stellt der „Verzicht“ des Angeklagten bei verständiger Würdigung (§§ 133, 157 BGB) eine auf Abschluss eines Abtretungsvertrags im Sinne von § 398 BGB gerichtete Willenserklärung (§ 145 BGB) dar, die nach Maßgabe von § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB der Annahme durch den Vertreter der Staatsanwaltschaft bedarf. Es ist allerdings denkbar, dass der Verzichtserklärung des Angeklagten kein rechtsgeschäftlicher Wert zukommt und es sich um eine reine prozessuale Erklärung handelt, mit der der Angeklagte etwa unwiderruflich auf die Erhebung von Rechtsmitteln oder auf Einwendungen gegen eine etwaige Sicherstellungsmaßnahme verzichtet.
1. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung des Revisionsvortrags ist nicht statthaft, wenn das Verfahren durch die Sachentscheidung des Senats abgeschlossen ist (st. Rspr).
2. Einem Revisionsführer bleibt es zwar unbenommen, auch noch nach Ablauf der Begründungsfrist Ergänzungen zur Sachrüge vorzunehmen. Jedoch steht die Berücksichtigung nachträglichen Vorbringens unter dem verschuldensunabhängigen Vorbehalt, dass dieses vor der Entscheidung eingeht.
Das Verfahren nach § 17 Abs. 4 PUAG ist dem Organstreit ähnlich und kontradiktorisch ausgestaltet. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs entscheidet lediglich über die Rechtsfrage, ob der Untersuchungsausschuss nach § 17 Abs. 2 PUAG zu der begehrten Beweiserhebung verpflichtet ist oder nicht. Diese Entscheidung ergeht – und dies ist kennzeichnend für ein kontradiktorisches Verfahren – auf der Grundlage ausschließlich des von den Beteiligten vorgetragenen Sachverhalts. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs ist nicht befugt, von sich aus Nachforschungen anzustellen oder Sachverhaltsaufklärung zu betreiben.
Ein Urteil, bei dem ein Verhinderungsvermerk nicht vom nach § 275 Abs. 2 Satz 2 zuständigen Richter unterschrieben wurde, ist nicht vollständig zu den Akten gelangt.
1. Das Tatgericht ist auch bei freisprechenden Urteilen aus sachlich-rechtlichen Gründen zu Feststellungen zur Person des Angeklagten verpflichtet, wenn diese für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können. Die Ergebnisse einer im Rahmen der Ermittlungen durchgeführten operativen Fallanalyse, die sich auch zu möglichen Eigenheiten des Täters verhält, vermisst,
beschreiben regelmäßig nicht die Person des Angeklagten, sondern die eines potentiellen Täters. Die Bewertungen, die einer solchen operativen Fallanalyse zugrunde liegen, können erforderlichenfalls Gegenstand der Beweiswürdigung sein. In die Feststellungen zur Person oder zur Sache sind sie nicht aufzunehmen.
2. Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatgericht übertragen (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln die Ergebnisse der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt oder der Tatrichter überspannte Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung gestellt hat. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näherliegend gewesen wäre
1. In Verfahren gegen mehrere Beschuldigte ist der Zeuge zur Verweigerung des Zeugnisses hinsichtlich aller Beschuldigter berechtigt, sofern der Sachverhalt, zu dem er aussagen soll, auch seinen Angehörigen betrifft (st. Rspr.).
2. Die Norm des § 136a Abs. 1 StPO konkretisiert das verfassungsrechtliche Gebot, auch im Strafverfahren die Menschenwürde des Vernommenen zu achten; sie ist Ausdruck des Grundsatzes, dass die Wahrheit nicht um jeden Preis, sondern nur auf „justizförmige“ Weise, d.h. in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren erforscht werden darf. Die Vorschrift stellt für die staatlich veranlasste Informationsgewinnung elementare Grundsätze auf, die sich unabdingbar aus dem grundgesetzlichen Verständnis des Rechtsstaats ableiten.
3. Entsprechend den Gesetzeszwecken des § 136a Abs. 1 StPO erfasst die Norm nur die Beeinträchtigung der Aussagefreiheit durch gezielten Einsatz unzulässiger Mittel. Eine unvorsätzliche Irreführung ist keine Täuschung im Sinne des § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO. Diese setzt vielmehr die wissentliche Irreleitung voraus; fahrlässige Fehlleistungen genügen nicht. Dieser Grundsatz ist von der Rechtsprechung für die Vernehmung von Beschuldigten anerkannt und gilt nach § 69 Abs. 3 StPO gleichermaßen für die Vernehmung von Zeugen.
4. Der Schutz des Zeugen vor Konflikten zwischen prozessualer Wahrheitspflicht und engen sozialen Bindungen, dem das in § 52 StPO eingeräumte Zeugnisverweigerungsrecht dienen soll, wird demgegenüber durch die zum Verstoß gegen Belehrungspflichten entwickelten Grundsätze gewährleistet. Insoweit gilt, dass aus dem (versehentlichen) Verstoß gegen die Belehrungspflicht zwar ein Beweisverwertungsverbot folgt; er kann aber geheilt werden, wenn der aussageverweigerungsberechtigte Zeuge der Verwertung seiner Aussage nach ordnungsgemäßer Belehrung zustimmt.
5. In Fällen, in denen nach der Zeugenvernehmung die vernommene und eine weitere hinzugezogene Staatsanwältin gemeinsam ihre Behörde in der Hauptverhandlung vertreten haben, liegt ein Verfahrensfehler nur dann vor, wenn die vernommene Staatsanwältin bei ihrer weiteren Aufgabenwahrnehmung die Grenzen einer zulässigen Mitwirkung nicht beachtet hat. Mit der Verfahrensrüge, die eine verfahrensfehlerhafte Wahrnehmung der Sitzungsvertretung durch die als Zeugin vernommene Staatsanwältin geltend macht, muss daher im Rahmen des nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlichen Tatsachenvortrags dargetan werden, dass sie bei der Aufgabenwahrnehmung in der Hauptverhandlung ihre eigenen zeugenschaftlichen Bekundungen gewürdigt oder in sonstiger Weise die Grenzen einer zulässigen Mitwirkung überschritten hat.
Für die Eröffnung des Hauptverfahrens ist die Strafkammer in der Besetzung zuständig, die außerhalb der Hauptverhandlung zu entscheiden hat, also mit drei Berufsrichtern (§ 76 Abs. 1 GVG). Schöffen dürfen am Eröffnungsbeschluss nicht mitwirken, da sie mangels Aktenkenntnis nicht beurteilen können, ob ein hinreichender Tatverdacht im Sinne von § 203 StPO besteht. Auch dann, wenn eine Eröffnungsentscheidung in der Hauptverhandlung nachgeholt werden soll, muss die Strafkammer sie in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung treffen. Entscheidet sie in einer Besetzung, die für die Beurteilung der Voraussetzungen generell ungeeignet ist, liegt ein schwerer Verfahrensfehler vor.
1. Das Maß der gebotenen Darlegung in den Urteilsgründen hängt von der jeweiligen Beweislage ab, die so beschaffen sein kann, dass sich die Erörterung bestimmter Beweisumstände aufdrängt. Bestreitet der Angeklagte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, kann es daher nicht genügen, im Rahmen der Beweiswürdigung allgemein darauf hinzuweisen, dass die Nebenklägerin als einzige unmittelbare Tatzeugin in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung die bei der polizeilichen Aussage gemachten Angaben im Kern widerspruchsfrei wiederholt habe; dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Entstehungsgeschichte einer Aussage gerade bei Sexualdelikten besondere Bedeutung zukommt.
2. Folgt das Tatgericht dem Gutachten eines Sachverständigen nicht, muss es seine Gegenansicht insbesondere unter Auseinandersetzung mit dessen Ausführungen begründen, um dem Revisionsgericht eine Nachprüfung zu ermöglichen, ob es über das bessere Fachwissen als der Sachverständige verfügt.
3. Eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Gutachten erfordert insbesondere, dass das Landgericht die Stellungnahme des Sachverständigen zu den Gesichtspunkten, auf die dieser seine abweichende Auffassung stützt, wiedergibt und sich damit näher befasst.
4. Für die Anwendbarkeit des § 55 StGB kommt es nach Aufhebung eines Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht auf den Vollstreckungsstand zum Zeitpunkt der ersten angefochtenen Entscheidung an.
Eine fehlende eigenhändige Unterschrift unter einem lediglich mit maschinenschriftlichen Namenszügen unterzeichneten ärztlichen Attest hindert dessen Verlesbarkeit nicht. Denn § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO verlangt keine besondere Form. Erforderlich ist lediglich, dass es sich um eine schriftliche Erklärung ärztlicher Herkunft handelt.
Der Senat neigt dazu, die im Rahmen der Exploration für ein aussagepsychologisches Gutachten erhobenen Tatsachen grundsätzlich als Befundtatsachen anzusehen, zu denen der Sachverständige in seiner nämlichen Funktion vernommen werden kann.
1. § 4 StPO ist anwendbar, wenn innerhalb desselben Gerichts eine Sache beim Strafrichter und eine andere beim Schöffengericht rechtshängig ist.
2. Eine Verweisung bei Zuständigkeit eines höheren Gerichts nach § 270 StPO ist erst „nach“ Beginn der Hauptverhandlung möglich. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, wenn das Schöffengericht die Hauptverhandlung aussetzt und sich das Verfahren daher vor Beginn einer neuen Hauptverhandlung befindet.
3. Die in der Literatur umstrittene Frage, ob ein Übernahmebeschluss konkludent ergehen kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn ein konkludenter Übernahmebeschluss kann nur dann angenommen werden, wenn der Erklärende überhaupt das Bewusstsein hat, eine solche Entscheidung treffen zu können.
4. § 269 StPO liegt der Gedanke zugrunde, dass die Verhandlung vor einem Gericht höherer Ordnung den Angeklagten nicht benachteiligen kann; die Anwendbarkeit der Bestimmung setzt jedoch voraus, dass die Sache nicht mehr beim Gericht niederer Ordnung anhängig ist, sondern die Zuständigkeit des Gerichts höherer Ordnung prozessordnungsgemäß begründet wurde.
5. Die fehlende sachliche Zuständigkeit des Landgerichts führt im Gegensatz zu anderen Prozesshindernissen nicht zur Einstellung des Verfahrens.
§ 34 StPO gilt für nicht mit ordentlichen Rechtsmitteln anfechtbare Revisionsentscheidungen.
Ein Strafklageverbrauch tritt nicht ein, wenn ein wegen Erwerbes von Betäubungsmitteln rechtskräftig Verurteilter später eine Abgabe des seinerzeit möglicherweise unentdeckt gebliebenen Restes vornimmt. Einer rechts-
kräftigen Verurteilung kommt nämlich eine Zäsurwirkung zu, die – ungeachtet einer etwaigen Bewertungseinheit zwischen dem Betäubungsmittelerwerb und den späteren Abgabeakten – eine Aufspaltung eines einheitlichen Geschehens in verschiedene Taten zur Folge hat.
1. Ein maximal zulässiger Zeitraum der landesgesgesetzlich (hier § 38 Abs. 2 Nr. 5 S. 2 und 3 i.V.m. § 38 Abs. 2 Nr. 2 PolG NRW) vorgesehenen Freiheitsentziehung bei einer Ingewahrsamnahme zwecks Identitätsfeststellung von bis zu sieben Tagen verletzt das verfassungsrechtliche Übermaßverbot nicht. Der Landesgesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vorneherein darauf beschränkt, Ingewahrsamnahmen zur Identitätsfeststellung auf einen Zeitraum von einigen Stunden zu begrenzen. Das gilt zumindest in Konstellationen, in denen an ein vorheriges vorsätzliches Verhalten des von der Maßnahme Betroffenen angeknüpft wird.
2. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann gegebenenfalls durch eine – bereits im Gesetz selbst angelegte – zeitliche Begrenzung der Freiheitsentziehung im Einzelfall ausreichend Rechnung getragen werden. Soweit Zweifel an der Verhältnismäßigkeit daran festgemacht werden, dass für bis zu siebentägige Freiheitsentziehungen auch an Maßnahmen zur Identitätsfeststellung ohne hinreichend gewichtigen Anlass angeknüpft wird oder solche Ingewahrsamnahmen ebenfalls zu Lasten von Nichtverantwortlichen vorgenommen werden können, kommt gegebenenfalls eine verfassungskonforme Auslegung in Betracht, welcher die Regelungen nach ihrem Wortlaut und dem zu Grunde liegenden gesetzgeberischen Willen auch zugänglich sind.
3. Eine Freiheitsentziehung für maximal knapp 113 Stunden zum Zweck der Identitätsfeststellung kann auch bei Heranziehung eines besonders strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstabs als noch verhältnismäßig zu beurteilen sein, selbst wenn sich die erwartete Straftat für sich genommen als nicht besonders gravierend darstellt (hier: Hausfriedensbruch durch Besetzung einer Betriebsstätte). Das gilt jedenfalls dann, wenn wichtige Arbeitsmittel besetzt werden und dadurch erhebliche Beeinträchtigungen der betrieblichen Arbeitsabläufe und daraus folgend gravierende wirtschaftliche Nachteile drohen und der Betroffene selbst die Ursache für die Notwendigkeit der Freiheitsentziehung setzt, indem er die Identitätsfeststellung vorsätzlich erschwert.
Die formgerechte Einlegung der Rechtsbeschwerde setzt die Angabe voraus, für wen das Rechtsmittel eingelegt wird. Über die Person des Rechtsmittelführers darf kein Zweifel bestehen, was Gewissheit über seine Identität einschließlich seines Namens voraussetzt. Eine bloß theoretische Identifizierbarkeit genügt nicht. Zwar muss der Name des Rechtsmittelführers in der Rechtsmittelschrift nicht explizit aufgeführt werden und es bedarf auch nicht zwingend der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift. Die Identität muss aber zumindest anhand der dem Rechtsmittelgericht vorliegenden Unterlagen positiv ermittelbar sein. Das gilt auch in Fällen, in denen die Weigerung, Angaben zur Identität zu machen, gerade die Grundlage für die mit der Rechtsbeschwerde beanstandete Maßnahme war.