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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Februar 2021
22. Jahrgang
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1. Die Drogenabhängigkeit des Angeklagten als solche vermag die Annahme verminderter Schuldfähigkeit nicht zu begründen. Eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit ist bei einem Rauschgiftsüchtigen nur ausnahmsweise gegeben, etwa wenn langjähriger Betäubungsmittelmissbrauch zu schwersten Persönlichkeitsänderungen geführt hat, der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen, oder unter Umständen, wenn er die Tat im Zustand eines akuten Rauschs verübt. Auch die Angst vor unmittelbar bevorstehenden Entzugserscheinungen, die der Täter schon einmal als äußerst unangenehm erlitten hat, kann zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit führen.
2. Eine suchtbedingte Abhängigkeit kann auch dann die Annahme eines Hanges im Sinne des § 64 StGB begründen, wenn sie nicht den Schweregrad einer seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB erreicht. Auch der Umstand, dass der Angeklagte nunmehr vom Drogenkonsum Abstand genommen und Bemühungen unternommen hat, seine Rauschmittelabhängigkeit zu bekämpfen, lässt die Notwendigkeit, eine Maßregelanordnung zu prüfen, nicht entfallen.
3. Maßgeblich für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 64 Satz 1 StGB ist der Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils; bestehen zu diesem Zeitpunkt trotz bereits eingeleiteter Therapiemaßnahmen Hang, Gefahr und Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 StGB fort, was bei noch nicht abgeschlossener Therapie zumindest nicht fernliegt, ist die Unterbringung anzuordnen. Dass gegebenenfalls in Betracht kommt, die Vollstreckung der Maßregel zugleich zur Bewährung auszusetzen, kann die nach den Umständen des Falles gebotene Prüfung der Voraussetzungen des § 64 StGB (und deren Erörterung in den Urteilsgründen) ebenfalls nicht in Wegfall bringen.
§ 64 StGB setzt nicht voraus, dass der Suchtmittelgebrauch „handlungsleitend“ ist; eine Mitursächlichkeit ist ausreichend.
Die für eine Unterbringung nach § 63 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist nur dann gegeben, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Diese Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln. Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist das Tatgericht auch verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte hierfür in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen.
Wird im Fall von gestohlenen Gegenständen die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet, ist maßgebend für die Bestimmung des der Einziehung unterliegenden Geldbetrages der gewöhnliche Verkaufspreis für Waren gleicher Art und Güte, dessen Höhe sich nach dem Verkehrswert der Sache bestimmt. Eine pauschale Orientierung am Neuwert der Gegenstände – ohne jedwede Differenzierung etwa nach Art oder Zustand der Sache und ohne dass gegebenenfalls ein Abzug „neu für alt“ vorgenommen wird – ist dagegen regelmäßig rechtsfehlerhaft.