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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Februar 2021
22. Jahrgang
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1. Zur rechtlichen Bewertung eines Alternativvorsatzes, wenn sich dieser auf die Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Rechtsgutsträger bezieht. (BGHSt)
2. Die Verbindung eines Strafbefehlsverfahrens zu einem erstinstanzlichen landgerichtlichen Verfahren gemäß § 4 Abs. 1 StPO hat zur Folge, dass der Einspruch gegen den Strafbefehl nicht mehr zurückgenommen werden kann. (BGHSt)
3. Die Tatsache, dass der Angeklagte den Eintritt eines Körperverletzungserfolges bei nur einem der beiden Tatopfer für möglich hielt, nicht aber einen Erfolgseintritt bei beiden (sog. Alternativvorsatz), steht der Annahme von zwei bedingten Körperverletzungsvorsätzen nicht entgegen. (Bearbeiter)
4. Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt dabei nicht vor, denn auf sich gegenseitig ausschließende Erfolge gerichtete Vorsätze können miteinander verbunden werden, solange sie nicht den sicheren Eintritt eines der Erfolge zum Gegenstand haben. (Bearbeiter)
5. Jedenfalls dann, wenn sich alternative Vorsätze des Täters auf höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Rechtsgutsträger richten und einer der erwarteten Erfolge eintritt, stehen das vollendete und das versuchte Delikt zueinander in Tateinheit (§ 52 StGB). Der Senat kann dabei offenlassen, ob diese Erwägungen in Fällen des Alternativvorsatzes generell gelten oder ob – wie in der Literatur teils gefordert – in bestimmten Konstellationen das versuchte Delikt im Wege der Gesetzeseinheit konsumiert wird. (Bearbeiter)
6. Der Bundesgerichtshof hat bislang offengelassen, ob die Verschmelzung der Verfahren nach einer Verbindung gemäß § 4 StPO so weit geht, dass die Rücknahme eines Einspruchs gegen einen Strafbefehl nicht mehr möglich ist. Jedenfalls für die Verbindung eines Strafbefehlsverfahrens zu einem erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht ist der Verlust der Möglichkeit zur Einspruchsrücknahme als zwingende Konsequenz der durch die Verbindung bewirkten Verfahrensverschmelzung anzusehen. Ob es sich anders verhält, wenn sich die Verbindung von Verfahren nach § 4 StPO ausschließlich auf der Ebene des Amtsgerichts vollzieht, braucht der Senat nicht zu entscheiden. (Bearbeiter)
1. Die Rechtsfrage, ob mehrere Taten der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch eine einheitliche, in ihren Ausführungshandlungen jeweils teilidentische Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat verbunden werden, wird von den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs bislang unterschiedlich beantwortet.
2. Während der 1. und 2. Strafsenat sowie der erkennende Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung eine Tateinheit durch Klammerwirkung angenommen haben, hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs eine Verklammerung mehrerer Einfuhrtaten von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch ein einheitliches jeweils teilidentisches Delikt des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verneint. Angesichts dieser Divergenz kann der Senat die konkurrenzrechtliche Bewertung der Strafkammer im angefochtenen Urteil, die auf der Ablehnung einer
Klammerwirkung beruht, weder bestätigen noch beanstanden, ohne sich mit der Rechtsprechung eines anderen Strafsenats des Bundesgerichtshofs in Widerspruch zu setzen.
3. Hinsichtlich der strittigen Rechtsfrage neigt der Senat dazu, seine bisherige Rechtsprechung aufzugeben und eine Verbindung von mehreren Einfuhrtaten von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch eine jeweils teilidentische Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat im Wege der Verklammerung zu verneinen.
1. Nach § 27 Abs. 1 StGB wird als Gehilfe bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. Die Strafbarkeit wegen Beihilfe setzt danach in objektiver Hinsicht eine von einem anderen vorsätzlich begangene rechtswidrige Haupttat sowie deren Förderung durch den Gehilfen voraus.
2. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite muss sich der Vorsatz des Gehilfen auf die Haupttat beziehen und sowohl die Verwirklichung der nach ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundlagen hinreichend konkretisierten Tat des anderen als auch die Förderung dieser Tat durch einen eigenen Unterstützungsbeitrag umfassen. Schließlich ist auch die konkurrenzrechtliche Beurteilung der vom Gehilfen erbrachten Unterstützungsleistung von den konkreten Gegebenheiten der Haupttat abhängig. So liegt wegen der sich aus der Regelung des § 27 StGB ergebenden Akzessorietät der Beihilfe nur eine einheitliche Beihilfetat vor, wenn der Gehilfe eine Haupttat durch mehrere Hilfeleistungen unterstützt. Fördert der Gehilfe mit einem einzigen Unterstützungsbeitrag mehrere rechtlich selbständige Haupttaten, liegt ebenfalls ein in seiner Person tateinheitlich verknüpftes Beihilfedelikt vor. Aus den dargelegten Gründen ist die Strafbarkeit eines Gehilfen überhaupt nur in Bezug auf eine konkrete Haupttat zu beurteilen. Die Verurteilung wegen einer Beihilfetat setzt daher zwingend Feststellungen zu der vom Gehilfen geförderten Tat des anderen voraus.
3. Auf Aussagen von „Zeugen vom Hörensagen“ können Feststellungen, welche den Schuldspruch tragen, nur gestützt werden, wenn die Bekundungen durch andere gewichtige Beweisanzeichen außerhalb der Aussagen bestätigt worden sind. Sollen Erkenntnisse aus anderen Strafverfahren als Belastungsindizien herangezogen werden, müssen diese in der Hauptverhandlung prozessordnungsgemäß festgestellt und im Urteil beweiswürdigend belegt werden.
1. Eine Zueignungsabsicht gemäß § 249 Abs. 1 StGB ist gegeben, wenn der Täter im Zeitpunkt der Wegnahme die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder einen Dritten erlangen und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines Dritten „einverleiben“ oder zuführen will.
2. An dieser Voraussetzung fehlt es dagegen in Fällen, in denen der Täter die fremde Sache nur wegnimmt, um sie „zu zerstören“, „zu vernichten“, „preiszugeben“, „wegzuwerfen“, „beiseite zu schaffen“ oder „zu beschädigen“. In solchen Fällen genügt es auch nicht, dass der Täter ? was grundsätzlich ausreichen könnte ? für eine kurze Zeit den Besitz an der Sache erlangt.
1. Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr erfordert, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht.
2. Unter sachlich-rechtlichen Gesichtspunkten ist regelmäßig eine Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung erforderlich, damit das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob sich das Tatgericht unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft und das materielle Recht richtig angewendet hat.
3. Wenn sich der Tatrichter darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist, damit das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Ergebnisse nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind.