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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Februar 2021
22. Jahrgang
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Von Dr. Martin Heuser, Universität Regensburg
Seit Monaten wird die bundesdeutsche Bevölkerung im gesundheitspolitischen Ausnahmezustand gehalten, wobei nicht nur die Angst vor Tod, Krankheit und Infektion, sondern auch vor sozialer Ausgrenzung sowie staatlicher Strafe zu diesem Zweck politisch instrumentalisiert wurde. Als Rechtsgrundlage dient den Landesregierungen bei ihrem infektionsschutzrechtlichen Vorgehen im Kern die durch §§ 74, 73 Abs. 1a Nrn. 6 und 24 IfSG straf- und bußgeldbewehrte Generalermächtigung des § 28 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 32 S. 1 IfSG. Der Beitrag untersucht daher, ob dieses Normkonstrukt den strafverfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG an die Bestimmtheit der Strafbarkeit gerecht wird. Vor dem Hintergrund der Blankett-Rechtsprechung des BVerfG ist dies indessen zu verneinen. Die präventionstheoretisch gründende Angst vor repressiven Sanktionen ist demnach strafverfassungsrechtlich unbegründet.
Der in Politikerkreisen allfällige Ruf nach härteren Strafen ist in Zeiten von Corona zum allgegenwärtigen politischen Drohmittel gegenüber dem homo contaminans, dem zur totalen Infektionsvermeidung unfähigen oder unwilligen Bürger avanciert. Auf diese Weise sollte seit Mitte März 2020 durch die flächendeckende Inanspruchnahme von Nichtstörern per Allgemeinverfügung bzw. Rechtsverordnung mit Strafe oder Buße belangt werden können, wer beispielsweise freizügig innerdeutsche Grenzen überschritt, seinen Zweitwohnsitz aufsuchte, seine Wohnung verließ, sich im öffentlichen Raum aufhielt, sich mit anderen Menschen auf einer Parkbank zum Plausch traf, im öffentlichen Raum grillte, sich ohne eine Mund-Nasen-Bedeckung außerhalb der eigenen Wohnung bewegte, Kontakt zu nicht zum eigenen Hausstand gehörigen Menschen suchte, sich gar mit anderen Menschen in größerer Anzahl versammelte, oder seinen Betrieb weiterbetrieb. Sanktioniert werden sollte mit aller Härte des Gesetzes also, wer sich in den alltäglichen Verrichtungen seines bürgerlichen Lebens eigenmächtig an den zahlreichen und in immer kürzeren Abständen verabschiedeten Ge- und Verboten der gegen Leben und Tod kämpfenden Staatsregierungen versündigte. Dass sich in diesem mitunter auch misslichen Umstand einer fiebrig entgrenzten Rechtsetzung nicht nur eine Degenerationserscheinung einer sich freiheitlich bezeichnenden Gesellschaft,[1] sondern auch eines sich freiheitlich nennenden Strafrechts offenbart, dürfte bei nüchterner Betrachtung evident sein. Denn es sollen hiernach unzählige alltägliche Ver-
richtungen im Kernbereich des menschlichen Lebens[2] inkriminiert sein, und nicht etwa nur einzelne Handlungen in bloßen Randbereichen.[3] Unter dem Eindruck der Pandemie soll also offenbar die Ausübung des bürgerlichen Lebens selbst bereits als hinreichend schwerwiegendes Unrecht zu begreifen sein, sodass man es aus Angst vor Tod und Infektion bei Strafe und Buße kurzerhand verbot.[4] Jedenfalls so gut man dies eben vermochte.
Dass es zur sanktionsbewehrten Illegalität von zahlreichen Handlungen im Kernbereich des menschlichen Lebens kommen konnte, hat seine Ursache – schon ganz abgesehen von tieferliegenden Verwerfungen in Geist und Gesellschaft – mitunter gewiss auch in dem Umstand, dass das Strafrecht schon seit vielen Jahrzehnten zunehmend als ordnungspolitisches Handlungsmittel des Staates zur nachdrücklichen Ahndung von allerlei Verstößen gegen verwaltungsrechtliche Normen eingesetzt wird.[5] Das repressive Strafrecht des technokratischen Verwaltungsstaats sanktioniert somit in zunehmendem Maße den bloßen Verwaltungsungehorsam gegen präventives Gefahrenabwehrverwaltungsrecht. Der dieser Tendenz innewohnenden Bestrebung zur Ausuferung des Strafrechts auf alle verwalteten Lebensbereiche entsprechend, verflüchtigt sich zunehmend nicht nur der jeweils materiell bestimmte Unrechtsgehalt des inkriminierten Handelns, sondern auch dessen Vorausbestimmtheit. Die durch Art. 103 Abs. 2 GG erforderliche gesetzliche Bestimmtheit der Strafbarkeit der inkriminierten Handlung zum Zeitpunkt der Tat reduziert sich folglich mehr und mehr auf eine nachträgliche Bestimmbarkeit durch die Gerichte, wobei sich die Voraussehbarkeit der Strafbarkeit für den gesetzesunterworfenen Bürger im Zeitpunkt der Tat mehr oder weniger zu einer entsprechenden Informationsmöglichkeit ausdünnt. In der Folge reduziert sich der Schuldvorwurf implizit darauf, sich nicht hinreichend über die jeweilige Rechtslage informiert zu haben. Ein solches Strafrecht ist demnach allenfalls noch von bürokratischen Spezialisten überschaubar.
Doch selbst diese Überschaubarkeit für Eingeweihte ist in zahlreichen Gebieten des Verwaltungsstrafrechts längst zur Illusion verkommen. Denn die größtmögliche Ausdehnung verwaltungsstrafrechtlicher Sanktionsmöglichkeiten auf ständig wechselnde Lebensbereiche macht im Interesse der dazu erforderlichen Flexibilität eine Regelungstechnik erforderlich, die den strafverfassungsrechtlichen Grundsatz der Bestimmtheit bereits unter dem Aspekt unklarer Verweisungs- und Rückverweisungskaskaden unterminiert. Die Technik der sog. Blankettstrafgesetzgebung[6] (s.u.) führt nämlich mitunter zu einer unübersichtlichen Aufspaltung des aus blankettierter Sanktionsnorm und blankettausfüllender Verhaltensnorm sich einheitlich formierenden Strafgesetzes.
Mögen die strafverfassungsrechtlich erodierenden Folgen dieser (frei nach Binding) seelenlosen Gesetzgebungstechnik in den Randbereichen des verwalteten Lebens einstweilen noch zähneknirschend hinnehmbar erscheinen, so hat ihre Verwendung in der Verwaltung der infektionsschutzrechtlich seit Mitte März 2020 errichteten Monokultur des seither auf Vermeidung konzentrierten bürgerlichen Lebens zwangsläufig nicht nur einen spürbaren Bestimmtheitsverlust, sondern auch einen substanziellen Freiheitsverlust zur notwendigen Folge. Vor diesem Hintergrund bedarf die blankettierte Strafandrohung des Infektionsschutzgesetzes in den §§ 73-75 IfSG einer kritischen Betrachtung. Schließlich hat der Bundesinfektionsschutzgesetzgeber auf das hier verborgene Problem zwischenzeitlich selbst bereits einmal – wenn auch nur zaghaft – mit einer teilweisen Abrüstung des sanktionsrechtlichen Inventars reagiert.[7] Nachdem allerdings ein Großteil der seit Mitte März 2020 von den Bundesländern an- und verordneten Infektionsschutzmaßnahmen noch immer auf die infektionsschutzrechtliche Generalermächtigung des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG gestützt wird, beschränkt sich die folgende Untersuchung des Strafblanketts einstweilen auf die blankettierte Inbezugnahme dieser Norm durch § 74 i.V.m. § 73 Abs. 1a Nrn. 6 und 24 IfSG.[8]
Strafrechtliche Sanktionsnormen können in Bezug auf die von ihnen sanktionierten Handlungs- bzw. Unterlassungspflichten vielfach von außerstrafrechtlichen Bestimmungen abhängig sein. Man spricht insofern zutreffend von der Akzessorietät des Strafrechts.[9]
Die strafgesetzliche Inbezugnahme von strafbestimmenden Tatbestandsmerkmalen einer inkriminierten Handlung erfolgt gesetzgebungstechnisch in der Regel entweder durch die Aufnahme einzelner außerstrafrechtlich bestimmter (sog. normativer) Tatbestandsmerkmale in das Strafgesetz selbst oder durch die strafgesetzliche (Blankett‑)Verweisung auf ganze außerstrafrechtliche Normtatbestände.[10] Während dabei diejenigen Tatbestände, die sog. normative Tatbestandsmerkmale in sich enthalten, uneingeschränkt akzessorisch gegenüber dem insofern substanziell außerstrafrechtlichen Rechtsgebiet sind, gilt für Blankettstrafgesetze Gegenteiliges.[11] Ein Blanketttatbestand ist nämlich nicht bloß eingeschränkt akzessorisch im Lichte des in Bezug genommenen außerstrafrechtlichen Rechtsgebiets auszulegen, sondern vielmehr ist der in Bezug genommene außerstrafrechtliche Tatbestand als blankettausfüllende Norm uneingeschränkt im Lichte des substanziell strafrechtlichen Blankettstrafgesetzes auszulegen.[12] So ist z.B. ein Strafgesetz mit normativen Tatbestandsmerkmalen, wie etwa die Diebstahlstrafbarkeit mit dem zivilrechtsakzessorischen Merkmal der Fremdheit einer Sache (§ 242 Abs. 1 StGB), einzig und alleine selbst am verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) zu messen, während im Falle eines Blankettstrafgesetzes, wie etwa der Gefährdung des Bahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs mit der Inbezugnahme der Rechtsvorschriften zur Sicherung des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs (§ 315a Abs. 1 Nr. 2 StGB), auch die blankettausfüllenden außerstrafrechtlichen Normen an diesem Gebot gemessen werden müssen. Denn das Verweisungsobjekt, d.h. die Vorschrift, auf die strafgesetzlich verwiesen wird, wird durch den strafgesetzlichen Verweis insoweit selbst inkorporierter Teil der gesamten Strafnorm,[13] sodass beide in ihrer gemeinsamen Verbindung zum eigentlichen Straftatbestand an Art. 103 GG zu messen sind.[14] Dies ist der strafverfassungsrechtliche Preis, den der Gesetzgeber für die Benutzung der Blankettverweisungstechnik sowie die mit ihr erkaufte "Flexibilität" seiner Tatbestände schließlich zahlen muss.
Der Begriff des (echten) Blankettstrafgesetzes geht zurück auf Binding: "Im deutschen Strafgesetzbuche findet sich[…]eine Reihe von Blankettstrafgesetzen, die sich dadurch charakterisieren, dass das Verbot, dessen Uebertretung mit Strafe belegt wird, ausgeht von der Landes- oder Ortspolizeibehörde oder einer sonstigen Behörde oder von der Partikulargesetzgebung;[…]."[15] Kennzeichen solcher Blankettgesetze ist demnach das Auseinanderfallen von strafgesetzlicher Sanktionsnorm und außerstrafrechtlicher bzw. (ggf.) untergesetzlicher Verbotsnorm: "Blankettgesetze ersetzen die Beschreibung des Straftatbestandes durch die Verweisung auf eine Ergänzung im gleichen oder in anderen – auch künftigen – Gesetzen oder Rechtsverordnungen,[…]."[16] Dementsprechend sind Blankettstraftatbestände ganz typisch für das sog. Nebenstrafrecht und finden sich folglich auch in einer unüberschaubaren Vielzahl von Normen des Wirtschafts , Arznei , Lebensmittel , Steuerstrafrechts u.v.m., so etwa in §§ 95, 96 AMG, § 17 AWG, § 29 Abs. 1 BtMG, § 38a BJagdG, § 27 ChemG, § 39 GenTG, §§ 58, 59 LFGB, § 7 LSpG, § 41 MPG, § 8 MilchMargG, § 69 PflanzenschutzG, §§ 48, 49 WeinG, (sehr str.:) § 370 AO.
Hinsichtlich der Aufspaltung des gesetzlichen Strafblankettatbestandes in Sanktions- und Verbotsnorm lässt sich von den echten Blankettstrafgesetzen, bei denen die in Bezug genommene Verbotsnorm durch eine andere Instanz als die des Blankettstrafgesetzgebers gesetzt wird,[17] mit Binding und etwas Pathos auch sagen, "dass ferner dieses Verbot dem Erlass des Strafgesetzes erst nachfolgen kann, wo denn das Strafgesetz einstweilen wie ein irrender Körper seine Seele sucht;[…]."[18] Das mit Blick auf die einstweilige Abstraktion von der konkreten Verbotsnorm noch seelenlose Blankettstrafgesetz besteht für sich alleine demnach lediglich in einer noch gegenstandslosen und insofern unbestimmten Sanktionsnorm. Ohne eine konkrete Verbotsnorm lässt sich nämlich nicht bestimmt voraussehen, welches Handeln unter der Sanktionsnorm durch das Blankettstrafgesetz mit Strafe belegt werden kann. Das Blankettstrafgesetz als bloße Sanktionsnorm lediglich für sich bestimmt somit alleine über Art und Maß der Strafe, während der Inhalt der inkriminierten Handlung erst durch die Verbotsnorm näher bestimmt wird. Im Sinne eines einheitlichen Blankettstraftatbestandes bedeutet eine Verweisung des Blankettstrafgesetzes auf eine das Blankett ausfüllende Verbotsnorm daher jedoch "rechtlich nur den Verzicht, den Text der in Bezug genommenen Vorschriften in vollem Wortlaut in die Verweisungsnorm aufzunehmen"[19].
Die verweisungsbedingte Abhängigkeit der blankettierten Sanktionsnorm von der in Bezug genommenen Verbots-
norm (Akzessoritetät des Blankettstrafrechts) begründet zunächst eine Abhängigkeit des Blankettstrafgesetzes von der mit der Verbotsnorm in Bezug genommenen und für sich selbst bloß außerstrafrechtlichen Rechtsmaterie (Akzessorietät des Blankettstrafgesetzes). In umgekehrter Richtung begründet der verweisungsbedingte Bezug der Verbotsnorm über die Sanktionsnorm auf das Blankettstrafgesetz allerdings zugleich eine Abhängigkeit der für sich außerstrafrechtlichen Rechtsmaterie der Verbotsnorm von denjenigen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die neben den allgemeinen verfassungsrechtlichen Gesetzesanforderungen besonders an Strafgesetze zu stellen sind (Akzessorietät des Verweisungsobjekts). Denn durch den Verweis der Sanktionsnorm des Blankettstrafgesetzes auf die in Bezug genommene Verbotsnorm entsteht durch entsprechende Inkorporation der Verbotsnorm in das Blankettstrafgesetz erst der gesetzeseinheitliche Blankettstraftatbestand, der diesen besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein Strafgesetz genügen muss. Die für sich bloß außerstrafrechtliche Rechtsmaterie der Verbotsnorm wird mit ihrer Inbezugnahme durch die Sanktionsnorm des Blankettstrafgesetzes also zugleich an sich qualitativ (unteilbar) auch zu einer strafrechtlichen Rechtsmaterie.
Der gesetzeseinheitliche Blankettstraftatbestand, bestehend aus der verweisungsbedingten Gesetzesverbindung der Sanktions‑ mit der Verbotsnorm im Blankettstrafgesetz,[20] ist somit insbesondere an dem strafverfassungsrechtlichen Gebot gesetzlicher Bestimmtheit der Strafbarkeit zum Zeitpunkt der Tat (Art. 103 Abs. 2 GG) zu messen. Folglich müssen nicht nur die Sanktions- sowie die Verbotsnorm jeweils für sich hinreichend gesetzlich bestimmt sein, sondern beide auch in ihrer gesetzlichen Verbindung zu einem an sich einheitlichen Blankettstraftatbestand. Insbesondere auch die für sich bloß außerstrafrechtliche Verbotsnorm kann somit nicht von den geltenden Anforderungen des strafverfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots ausgenommen werden,[21] da der gesetzeseinheitliche Blankettstraftatbestand andernfalls im Kern, nämlich im Hinblick auf die durch ihn voraussehbar strafbare Handlung, gesetzlich nicht bestimmt wäre. Es trifft daher jedenfalls unter Geltung von Art. 103 Abs. 2 GG nicht mehr zu, "dass es vom Belieben der betreffenden Behörde abhängt, was sie auf das Blankett schreiben will;[…]."[22] Denn die das Blankett ausfüllende Instanz muss hiernach im Ursprung bereits durch die gesetzlichen Vorgaben der Sanktionsnorm hinsichtlich der darunter in Betracht kommenden Verbotsnormen gesetzlich ausreichend gebunden werden, da die Strafe andernfalls letztlich nicht schon im Ursprung gesetzlich, sondern schlechterdings willkürlich bestimmt wäre. In diesem Fall bedeutete der blankettstrafgesetzliche Verweis auf die Verbotsnorm nicht etwa lediglich einen gesetzgeberischen Verzicht auf die Aufnahme des Textes der Verbotsnorm in die Verweisungsnorm,[23] sondern darüber hinaus einen solchen auf gesetzliche Bestimmung.
Art. 103 Abs. 2 GG enthält für Strafgesetze einen ‚besonders strengen Gesetzesvorbehalt‘[24] sowie ein spezielles Bestimmtheitsgebot, welches dem allgemeinen grundgesetzlichen Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3, 80 Abs. 1 S. 2 GG) vorgeht[25] und eine erhöhte verfassungsgerichtliche Kontrolldichte nach sich zieht.[26] Die Verfassungsvorschrift beansprucht nach ihrem Sinn und Zweck Geltung nicht nur für Straftatbestände im engeren Sinne (§ 1 StGB), sondern auch für die Tatbestände von Ordnungswidrigkeiten (§ 3 OWiG).[27] Denn der wegen der Vornahme einer unrechtmäßigen Handlung mit der staatlichen Verhängung einer Sanktion verbundene Grundrechtseingriff in der Person des Bestraften erfordert vor dem Hintergrund der allgemeinen Handlungsfreiheit eines jeden Einzelnen nicht nur die Voraussehbarkeit der Sanktion für eine bestimmte Handlung, sondern auch eine vorherige Entscheidung des Gesetzgebers über ihre Kriminalisierung. In diesem Sinne unterscheidet das BVerfG in ständiger Rechtsprechung zwei Zwecke. Hiernach "soll zum einen sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber selbst abstrakt-generell über die Strafbarkeit entscheidet. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und rechtsprechenden Gewalt verwehrt, die normativen Voraussetzungen einer Bestrafung festzulegen[…]. Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber übernimmt mit der Entscheidung über strafwürdiges Verhalten die Verantwortung für eine Form hoheitlichen Handelns, die zu den intensivsten Eingriffen in die individuelle Freiheit zählt;[…]. Zum anderen hat Art. 103 Abs. 2 GG auch eine freiheitsgewährleistende Funktion[…], weil jeder Teilnehmer am Rechtsverkehr vorhersehen können soll, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist[…]."[28]
Aufgrund der Vielgestaltigkeit des Lebens muss der Gesetzgeber jedoch nicht jeden Straftatbestand bis ins Letzte ausführen. Vielmehr darf er sich auf die formalgesetzliche Festlegung wesentlicher Bestimmungen über Vor-
aussetzungen, Art und Maß der Strafe beschränken.[29] Aus diesem Grund muss der Gesetzgeber den Tatbestand auch nicht stets vollständig in einem formellen Gesetz umschreiben, sondern er darf auch auf andere Vorschriften (inklusive des Rechts der Europäischen Union),[30] insbesondere auf Gesetze im materiellen Sinne, aber auch auf Verwaltungsakte verweisen. Allerdings setzt die Verwendung dieser Blankettverweisungstechnik u.a. voraus, dass bereits die Verweisungsnorm hinreichend klar erkennen lässt, welche Vorschriften im Einzelnen gelten sollen bzw. worauf sich die Verweisung bezieht:[31] "Dazu gehört, dass die Blankettstrafnorm die Regelungen, die zu ihrer Ausfüllung in Betracht kommen und die dann durch sie bewehrt werden, sowie deren möglichen Inhalt und Gegenstand genügend deutlich bezeichnet und abgrenzt […]."[32] "Dem in Art. 103 Abs. 2 GG verankerten Bestimmtheitsgebot genügen Blankettstrafgesetze jedoch nur dann, wenn sich die möglichen Fälle der Strafbarkeit schon aufgrund des Gesetzes voraussehen[33] lassen, die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe also bereits entweder im Blankettstrafgesetz selbst oder in einem in Bezug genommenen Gesetz hinreichend deutlich umschrieben sind[…]. Zudem müssen neben der Blankettstrafnorm auch die sie ausfüllenden Vorschriften die sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebenden Anforderungen erfüllen […]."[34] Erforderlich ist also, dass der mögliche Inhalt der in Bezug genommenen Verbotsnorm bereits formalgesetzlich durch die Sanktionsnorm vorausbestimmt ist,[35] sodass die alsdann konkret dazu erlassene Verbotsnorm ihrerseits an dieser gesetzlichen Bestimmung gemessen werden kann.
Strafverfassungsrechtlich zulässig sind unter dem Gesichtspunkt der formalgesetzlichen Bestimmtheit regelmäßig die sog. unechten Blankettstrafgesetze. Denn sie enthalten lediglich eine Aufspaltung des Strafgesetzes in Sanktions- und Verbotsnorm innerhalb des gleichen Gesetzes; entspringen also dem Gesetzgebungsakt ein und ebendesselben Gesetzgebers.[36] Unechte Blankettgesetze in diesem Sinne wahren daher regelmäßig den Gesetzesvorbehalt und erweisen sich auch unter dem Aspekt der Gewaltenteilung als unproblematisch; im Einzelfall kann allenfalls die inhaltliche Bestimmtheit problematisch sein. Strafverfassungsrechtlich problematisch können dagegen bereits unter dem Gesichtspunkt der formalgesetzlichen Bestimmtheit solche als unecht erscheinenden Blankettverweise sein, die auf untergesetzlicher Ebene innerhalb desselben Gesetzes im materiellen Sinne eine Aufspaltung von Sanktions- und Verbotsnorm vornehmen.[37] Denn insofern kommt es darauf an, inwieweit in einem solchen Fall bereits eine ausreichende formalgesetzliche Grundlage für die Verwendung dieser Sanktionstechnik im materiellen Gesetz vorhanden ist.
Strafverfassungsrechtlich ebenfalls zulässig, jedoch schon eher problematisch, sind unter dem Gesichtspunkt der formalgesetzlichen Bestimmtheit also die sog. echten Blankettstrafgesetze. Denn sie enthalten nicht nur eine im formellen Gesetz angelegte Aufspaltung des Blankettstraftatbestandes in Sanktions- und Verbotsnorm, sondern sie überlassen die Ausfüllung der Sanktionsnorm durch die Verbotsnorm auch einer anderen Instanz als derjenigen des formellen Gesetzgebers.[38] Solche Verweise können also im Einzelfall nicht bloß wegen ihrer inhaltlichen, sondern auch wegen ihrer formalgesetzlichen Bestimmtheit mit Blick auf Gesetzesvorbehalt und Gewaltenteilung problematisch sein. Es müssen dann nämlich die im Ansatz bereits eingangs (unter III. 2.) geschilderten Anforderungen gewahrt werden: "Legt die Blankettstrafnorm nicht vollständig selbst oder durch Verweis auf ein anderes Gesetz fest, welches Verhalten durch sie bewehrt werden soll, sondern erfolgt dies erst durch eine nationale Rechtsverordnung, auf die verwiesen wird, müssen daher nach Art. 103 Abs. 2 GG und – soweit Freiheitsstrafe angedroht wird – in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe für den Bürger schon aufgrund des Gesetzes und nicht erst aufgrund der hierauf gestützten Rechtsverordnung vorhersehbar sein[…]. Um den Grundsatz der Gewaltenteilung zu wahren, darf dem Verordnungsgeber lediglich die Konkretisierung des Straftatbestandes eingeräumt werden, nicht aber die Entscheidung darüber, welches Verhalten als Straftat geahndet werden soll[…]."[39]
Die Verweisung eines unechten oder echten Blankettstrafgesetzes ist unter dem Gesichtspunkt der formalgesetzlichen Bestimmtheit hinsichtlich Gesetzesvorbehalt und Gewaltenteilung strafverfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sie statisch erfolgt. Denn dann macht sich der verweisende Gesetzgeber den Inhalt einer Verbotsnorm lediglich in einer Fassung zu eigen, wie sie bereits mit bzw. beim Erlass seines Gesetzesbeschlusses galt.[40] Durch eine statische Verweisung kann somit auf jeden verweisungstauglichen Text Bezug genommen werden, d.h. auch auf Verwaltungsvorschriften oder gar auf private Regelwerke wie DIN-Normen.[41]
Hingegen kann die Verweisung eines Blankettstrafgesetzes schon unter dem Gesichtspunkt der formalgesetzlichen Bestimmtheit hinsichtlich Gesetzesvorbehalt und Gewaltenteilung strafverfassungsrechtlich bedenklich werden,
wenn sie dynamisch erfolgt.[42] Denn dann macht sich der verweisende Gesetzgeber den Inhalt einer (mitunter noch nicht bestehenden) Verbotsnorm in der (künftig) jeweils geltenden Fassung zu eigen.[43] Dies kann sodann wiederum dazu führen, dass der Gesetzgeber den Inhalt seines Blankettstrafgesetzes nicht mehr in eigener Verantwortung bestimmt und die Entscheidung über den Inhalt der Sanktions- oder Verbotsnorm damit Dritten überlässt,[44] sich mithin Gesetzgebungsbefugnisse in versteckter Weise verlagern.[45] Problematisch ist diese Regelungstechnik also weniger bei unechten Blankettgesetzen, deren Gesetzgeber dynamisch auf eine seiner eigenen Verbotsnormen innerhalb oder außerhalb desselben Gesetzes verweist (sog. gleitende Binnen‑/Außenverweisung), als vielmehr bei echten Blankettstrafgesetzen, deren Gesetzgeber auf die Verbotsnorm einer anderen Instanz verweist (sog. gleitende Außenverweisung).[46] Deshalb gilt für den Strafgesetzgeber: "Auf verwaltungsrechtliche Normen anderer Gesetz- oder Verordnungsgeber darf in den Straf- und Bußgeldvorschriften grundsätzlich nur statisch verwiesen werden."[47] Allerdings sind dynamische Verweisungen damit nicht schlechthin unzulässig,[48] sondern "nur in dem Rahmen zulässig, den die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Bundesstaatlichkeit ziehen", wobei "grundrechtliche Gesetzesvorbehalte" diesen engen Rahmen zusätzlich einengen können.[49] Demnach lässt sich die strafverfassungsrechtliche Zulässigkeit einer solchen dynamischen Verweisung eines unechten Blankettgesetzes nur im Einzelfall feststellen, wobei anhand eines ‚besonders strengen Prüfungsmaßstabes‘[50] kritisch zu überlegen ist, ob die verweisende Gesetzesnorm das durch sie zu bewehrende Unrecht bei Hinwegdenken der Verweisung schon und noch hinreichend bestimmt; etwa wenn sich die dynamisch in Bezug genommene Norm in ihrer das Blankett ergänzenden Funktion lediglich noch auf die Umschreibung technischer Detailregelungen beschränkt.[51]
Eine einfache Verweisung in einem Blankettstrafgesetz, aus der heraus sich in Verbindung mit der in Bezug genommenen Verbotsnorm die Strafbarkeit einer bestimmten Handlung ergibt, ist im Hinblick auf die inhaltliche Bestimmtheit des Blankettstraftatbestandes unproblematisch.
Auch eine mehrfache Verweisung muss in Hinsicht auf die inhaltliche Bestimmtheit noch nicht problematisch sein, denn: "Allein eine lange Verweisungskette, die eine Mehrzahl von Einzelvorschriften zusammenfasst[…], führt noch nicht zur Unbestimmtheit im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG."[52] Allerdings wächst das Risiko, dass der Einzelne nicht mehr vorhersehen kann, welche konkrete Handlung ihm letztlich untersagt ist oder von ihm verlangt wird, in Abhängigkeit von dem Umfang und der Anzahl derartiger Verweisungen.[53] "Verweisungsketten sind daher unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit stets kritisch zu betrachten und stehen einer Straf- oder Bußgeldbewehrung in vielen Fällen entgegen."[54] Eine Grenze wird daher nach Auffassung des BVerfG bereits unter bloßer Geltung des allgemeinen Grundsatzes der Normbestimmtheit und ‑klarheit im Falle von sog. Verweisungskaskaden berührt:[55] "Erreicht der Gesetzgeber die Festlegung des Normeninhalts[…]nur mit Hilfe zum Teil langer, über mehrere Ebenen gestaffelter, unterschiedlich variabler Verweisungsketten, die bei gleichzeitiger Verzweigung in die Breite den Charakter von Kaskaden annehmen, leidet die praktische Erkennbarkeit der maßgebenden Rechtsgrundlage.[…]Auch für die Bürger als Normadressaten ist bei Regelungen mit tiefgestaffelten Verweisungen schwer erkennbar, worauf mögliche Eingriffsmaßnahmen gestützt werden können.[…]Ist es auf Grund der Verweisungstechnik[…]allenfalls Experten möglich, sämtliche Eingriffsvoraussetzungen mit vertretbarem Aufwand zu erkennen, spricht dies gegen die Beachtung des Grundsatzes der Klarheit einer Norm, die sich auch auf das Verhalten und die Rechte der Bürger auswirkt."[56] Indessen hat das BVerfG – in einem gewissen Gegensatz dazu – jüngst für die Verweisungskette der §§ 58 Abs. 3 Nr. 2, 58 Abs. 1 Nr. 18, § 13 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 LFGB erkannt, dass der für den Normadressaten deutlich erhöhte Aufwand bei der Normlektüre noch nicht zu einem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG führe, da immerhin ein fachkundiger und spezialisierter Normadressat der Lebensmittelproduktion und des ‑handels die wesentlichen Voraussetzungen strafbaren Verhaltens erkennen könne.[57] Immerhin aber eine "nicht ohne weiteres durchschaubare und möglicherweise widerspruchsvolle oder lückenhafte Regelung" bietet nach Auffassung des BGH jedenfalls "keine ausreichende Grundlage für eine strafrechtliche Verurteilung".[58]
Im europarechtlichen Verweisungszusammenhang sind nach umstrittener Ansicht des BVerfG[59] unter dem Gesichtspunkt formalgesetzlicher und inhaltlicher Bestimmtheit strafverfassungsrechtlich gerade "noch" zulässig sog. Bezeichnungs- und Entsprechungsklauseln.[60] Bei diesen Klauseln, im Zusammenhang mit der Bewehrung von Verstößen gegen unmittelbar geltende europarechtliche Regelungen, wird der nationale Verordnungsgeber durch den Blankettstrafgesetzgeber zwecks Blankettausfüllung ermächtigt, solche europarechtlichen Regelungen ausdrücklich zu bezeichnen, die inhaltlich solchen (hypothetischen) Vorschriften entsprechen, die aufgrund einer näheren gesetzlichen Bestimmung auch auf nationaler Ebene durch Verordnung erlassen werden könnten.[61] Nach Auffassung des BVerfG[62] in seiner Entscheidung zu § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB stünde dem Verordnungsgeber damit nämlich kein gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz verstoßendes vorbehaltsloses Bezeichnungsrecht zu, da die Voraussetzungen des bewehrten Verhaltens mit Angabe des geschützten Rechtsguts sowie der Tathandlung bereits nach Maßgabe des Blankettstrafgesetzes hinreichend abstrakt-generell bestimmt seien. Im Übrigen sei der Verordnungsgeber zu dieser die Konkretisierung surrogierenden Bezeichnungshandlung europarechtlich zwingend verpflichtet, sodass er auch durch bloße Untätigkeit nicht entgegen der vorherigen Grundentscheidung des Gesetzgebers über die Strafbarkeit nachträglich noch disponieren dürfe.[63]
Leider hat das BVerfG in seiner vorgenannten Entscheidung zur Bezeichnungs- und Entsprechungsklausel des § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFBG allerdings versäumt auseinanderzusetzen, inwieweit der Verordnungsgeber bei einer Kombination der Entsprechungsklausel mit einer sog. Rückverweisungsklausel seiner Bezeichnungspflicht zwar einerseits nachzukommen, aber andererseits gleichwohl nachträglich noch über die vorgebliche Grundentscheidung des Gesetzgebers über die Strafbarkeit zu disponieren vermag, sodass letztlich zumindest unter dem Gesichtspunkt der formalgesetzlichen Bestimmtheit wohl doch ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG inmitten stand.
Denn nach einer sog. Rückverweisungsklausel, als Anhängsel eines Sanktionsblanketts, hängt die Strafbarkeit in der Ausfüllung des Blanketts davon ab, dass die das Blankett ausfüllende Instanz beim Erlass ihrer ausfüllenden Regelung auf die Vorschrift des Blankettstrafgesetzes zurückverweist.[64] Unterbleibt die Rückverweisung, wird die Grundentscheidung des Gesetzgebers über die Strafbarkeit nachträglich wieder konterkariert. Die bereits seit langer Zeit inflationär verwendeten Rückverweisungsklauseln verstoßen daher gegen die formalgesetzliche Bestimmtheit der Strafbarkeit, weil letztgültig der Verordnungsgeber durch sein Tun oder Unterlassen darüber entscheidet, welches Verhalten als Straftat geahndet werden soll.[65] Dieser Befund lässt sich auch nicht mit dem Hinweis wegwischen, der Erlass blankettausfüllender Vorschriften stünde im Falle von echten Blankettgesetzen mitunter ebenso im Ermessen des Verordnungsgebers, sodass dieser auch dann letztgültig über die Strafbarkeit entscheiden würde.[66] Denn die Ausübung des gesetzlich eingeräumten Ermessens zum Erlass entsprechender Regelungen steht unter dem gesetzlichen Vorbehalt einer rechtsfehlerfreien Ausübung dieses Ermessens. Dagegen ist das dem Verordnungsgeber mit der Rückverweisungsklausel eingeräumte Ermessen ("soweit") überhaupt nicht weiter determiniert, sodass bereits das "Ob" einer Rückverweisung im verordnungsbehördlichen Gutdünken liegt; eine gesetzliche Verpflichtung des Verordnungsgebers zur Rückverweisung besteht gerade nicht.[67]
Entsprechend dieser folglich ganz und gar konstitutiven Wirkung[68] lassen sich Rückverweisungen auch nicht mit
dem 2. Strafsenat des BGH[69] als bloß deklaratorische Regelungen ansprechen.[70] Zwar mag es zutreffen, dass Rückverweisungen eigentlich der Information des verordnungsunterworfenen Bürgers über die gesetzlich blankettierte Strafbarkeit dienen sollen. Indessen ändert dies nichts an der faktischen Letztentscheidungskompetenz des Verordnungsgebers, da es sich bei den gesetzlichen Rückverweisungsklauseln nicht lediglich um bloße Ordnungsvorschriften und bei den untergesetzlichen Rückverweisungen daher auch nicht lediglich um bloß deklaratorische Regelungen handelt. Dass es bislang an einer ausdrücklichen bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zu dieser dringlichen Problematik fehlt, ist zwar gewiss misslich, jedoch ebenso gewiss kein Argument dafür, dass es sich um ein verfassungsrechtlich unbedenkliches Konstrukt handelt.[71]
Strafverfassungsrechtlich unzulässig sind unter dem Gesichtspunkt formalgesetzlicher sowie inhaltlicher Bestimmtheit jedenfalls – und zwar in Abgrenzung zu den o.g. Bezeichnungs- und Entsprechungsklauseln – vorbehaltslose Bezeichnungsklauseln. Denn bei diesen wird der nationale Verordnungsgeber, im Zusammenhang mit der Bewehrung von Verstößen gegen unmittelbar geltende europarechtliche Regelungen, zwecks Blankettausfüllung ermächtigt, solche europarechtlichen Regelungen nach eigenem Gutdünken ausdrücklich zu bezeichnen, gegen die ein Verstoß nach dem Blankettstrafgesetz strafbar sein soll.[72] Aus diesem Grund wurde vom BVerfG[73] schließlich das Blankettstrafgesetz des § 10 Abs. 1, Abs. 3 RiFlEttikettG als "unzulässige pauschale Blankovollmacht" für verfassungswidrig und nichtig erklärt.
Strafbar und mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren ahndbar macht sich nach § 74 IfSG n.F. (v. 19. November 2020), wer eine in § 73 Abs. 1, Abs. 1a Nrn. 1-7, 11-20, 22, 22a, 23, 24 IfSG bezeichnete Ordnungswidrigkeit vorsätzlich begeht, und dadurch vorsätzlich eine in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IfSG genannte Krankheit, einen in § 7 IfSG genannten Krankheitserreger, oder eine in einer Rechtsverordnung nach § 15 Abs. 1/Abs. 3 IfSG genannte Krankheit oder einen dort genannten Krankheitserreger verbreitet.[74]
§ 74 IfSG qualifiziert die o.g. Ordnungswidrigkeiten des § 73 IfSG somit zu Straftaten, indem er an die subjektiv vorsätzliche[75] Verwirklichung eines Verbreitungserfolges Strafe anknüpft. Hierunter ist nach dem historischen Willen des Gesetzgebers das objektive Übertragen der Krankheit oder des Krankheitserregers auf einen anderen Menschen mit dem subjektiven Vorsatz der Ansteckung einer unbestimmten Zahl von Menschen zu verstehen.[76] Gesetzgebungstechnisch handelt es sich dabei folglich um einen sog. unechten Mischtatbestand, bei dem der Gesetzgeber regelmäßig davon ausgeht, dass bereits die bezeichneten Ordnungswidrigkeitstatbestände mehr als lediglich geringfügiges Unrecht, mithin Verstöße gegen zentrale materielle Rechtspflichten enthalten, und der Straftatbestand bloß ein nochmals quantitativ gesteiger-
tes Unrecht enthält.[77] Tatsächlich ist es § 74 IfSG jedoch weniger um die repressive Vergeltung schwerwiegenden Unrechts (vgl. §§ 223, 224 Abs. 1 Nrn. 1, 5, 211, 212 StGB) zu tun, sondern vielmehr darum, "die Gebote und Verbote, die der Verhütung oder der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen, in wirkungsvoller Weise[zu]verstärken"[78]. Die Strafvorschrift "dient" demnach, und zwar vermittels ihrer Strafandrohung,[79] präventiv der Durchsetzung ihrerseits schon präventiver Regelungen zur mittelbaren Verhinderung der Weiterverbreitung übertragbarer Krankheiten (vgl. § 1 Abs. 1 IfSG).[80] Da ein nachträglicher Verbreitungserfolg in dieser auf dem Kopf stehenden Präventionslogik jedoch regelmäßig nicht zur notwendigen Überzeugung eines Spruchkörpers kausal auf eine entsprechende Ordnungswidrigkeit zurückführbar sein wird,[81] handelt es sich bei Lichte besehen um bloßes Symbolstrafrecht im Vorfeldbereich, das man besser wieder aus dem Gesetz entfernen würde.
Der Mischtatbestand des § 74 IfSG ist mit seinem dynamischen Verweis erster Stufe auf § 73 IfSG zugleich ein unechtes Blankettstrafgesetz. Indem die in § 74 IfSG bezeichneten Ordnungswidrigkeitentatbestände des § 73 Abs. 1a Nrn. 6 und 24 IfSG, mit ihren Verstößen gegen vollziehbare Anordnungen[82] oder Rechtsverordnungen nach weiteren damit in Bezug genommenen Vorschriften des IfSG, insbesondere auf die §§ 28 Abs. 1 S. 1, 32 S. 1 IfSG in ihrer jeweils gültigen Fassung verweisen, handelt es sich bei § 74 IfSG zugleich um ein mehrstufiges Blankettstrafgesetz mit dynamischen Verweisen auch auf den weiteren Stufen. Weil die genannten Anordnungen und Rechtsverordnungen wiederum nicht mehr vom Bundesinfektionsschutzgesetzgeber selbst, sondern von der Exekutive ausgefüllt werden, handelt es sich bei § 74 IfSG insgesamt um ein echtes Blankettstrafgesetz.[83]
Die Vorschrift des § 74 IfSG wirft somit in mehrerlei Hinsicht allgemeine Probleme unter dem Gesichtspunkt des strafverfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes auf. Denn als unechtes Blankettstrafgesetz[84] ist § 74 IfSG nicht bloß wegen seiner inhaltlichen, sondern auch wegen seiner formalgesetzlichen Bestimmtheit problematisch. Dies gilt zumal die konkrete Ausfüllung des mehrfach gestuften Blanketts[85] durch die Exekutive anhand dynamisch[86] in Bezug genommener Anordnungs- oder Rechtsverordnungsregelungen vonstattengeht, obgleich dies mit Blick auf die Verschiebung von Gesetzgebungskompetenzen von vornherein nur ausnahmsweise zulässig sein kann. Da diese Dynamik jedoch wesentlich durch die Bewehrung von Anordnungen oder Rechtsverordnungen nach § 28 Abs. 1 S. 1 (i.V.m. § 32 S. 1) IfSG bewirkt wird, und die Gesetzgebungskompetenzen insofern nicht auf einen anderen formellen Gesetzgeber, sondern auf die dem Gesetz unterstehende Exekutive verschoben würden, kulminieren die allgemeinen strafverfassungsrechtlichen Bedenken in der Frage, ob die gesetzliche Bewehrung dieser Generalklausel mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar ist:
Die Ermächtigungsgeneralklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG wird sowohl durch § 73 Abs. 1a Nr. 6 als auch Nr. 24 IfSG von § 74 IfSG[87] bewehrend in Bezug genommen.
Soweit dabei § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG die Generalklausel in Bezug nimmt, variierte der materiell-rechtliche Anwendungsbereich des Sanktionsblanketts der §§ 74, 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG seit Beginn der Corona-Krise lediglich in Abhängigkeit von den gesetzgeberischen Veränderungen eben dieser Generalklausel: So erweiterte sich zunächst der Anwendungsbereich zum 28. März 2020 auf die bis dato noch §§ 28 Abs. 1 S. 2 Hs. 2, 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG a.F. unterstehenden Schutzmaßnahmen, nachdem diese § 28 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 IfSG n.F. zugeschlagen wurden.[88] Hintergrund war hierbei die vorausgegangene Verhängung von völlig unzureichend bestimmten und landesweit geltenden Ausgangsverboten aufgrund von § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG a.F.,[89] die wegen ihrer immensen Strafandrohung von bis zu fünf Jahren in § 75 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 IfSG a.F. eine Entkriminalisierung dringend notwendig machten.[90] Sodann wurde in § 28 Abs. 1 S. 1
IfSG mit Wirkung zum 19. November 2020 ein Verweis auf den neu geschaffenen Maßnahmenkatalog des § 28a Abs. 1 IfSG aufgenommen, sodass die zahlreich bereits zuvor lediglich aufgrund der Generalklausel verhängten Maßnahmen nunmehr eine gesetzliche Aufzählung erfahren haben.[91] Allerdings dürfte durch diese Neuregelung der blankettausfüllenden Vorschrift des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG – gemäß § 2 Abs. 3 StGB[92] – eine vollständige Amnestie für alle noch nicht abgeurteilten Verstöße gegen die zuvor lediglich aufgrund von § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG a.F. verhängten Schutzmaßnahmen i.S.v. § 28a Abs. 1 IfSG n.F. eingetreten sein, d.h. für solche Verstöße, die vor dem 19. November 2020 begangen wurden. Denn der Gesetzgeber hat die Norm des § 28a Abs. 1 IfSG nicht in das Sanktionsblankett des § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG aufgenommen, was grundsätzlich auch nicht nötig gewesen wäre, um sie mit § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG dem Sanktionsblankett zu unterstellen.[93] Nachdem jedoch die in § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG außerdem in Bezug genommenen Vorschriften der §§ 29-31 IfSG allerdings eine ausdrückliche Erwähnung in § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG gefunden haben,[94] muss im Umkehrschluss nunmehr aber davon ausgegangen werden, dass die Nichterwähnung der in § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG n.F. neuerdings erwähnten Vorschrift des § 28a Abs. 1 IfSG in § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG ihre mangelnde Sanktionsbewehrung zur Folge hat.[95] Denn durch die ausdrückliche Nennung jener speziellen Verweisungsobjekte ergibt sich eine speziell ausgewählte Bestimmung der Bewehrung bzw. Nichtbewehrung. Jedenfalls bezeichnet das Blankettstrafgesetz des § 74 i.V.m. § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG ohne die entsprechende Nennung des neuen § 28a Abs. 1 IfSG in § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG unter diesen Umständen schon diejenigen Vorschriften nicht genügend deutlich, die zur Blankettausfüllung in Betracht kommen, und zwar in fehlender Abgrenzung von anderen und nicht zur Ausfüllung in Betracht kommenden Vorschriften.[96] Wenn nun aber Verstöße gegen Schutzmaßnahmen i.S.v. § 28a Abs. 1 IfSG daher nicht mehr mit einer Sanktion i.S.d. §§ 73 Abs. 1a Nr. 6, 74 IfSG bewehrt sind, ist dieses mildere Gesetz i.S.v. § 2 Abs. 3 StGB folglich auch auf alle vorherigen und noch nicht abgeurteilten Verstöße anzuwenden. Die Konsequenz hieraus ist dann eine umfassende Amnestie für alle auf § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG a.F. gestützten Maßnahmen, die einer solchen i.S.v. § 28a Abs. 1 IfSG n.F. entsprechen.
Soweit dagegen § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG die Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG mittelbar via § 32 S. 1 IfSG in Bezug nimmt, variierte der materiell-rechtliche Anwendungsbereich des Sanktionsblanketts der §§ 74, 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG seit Beginn der Corona-Krise nicht nur in Abhängigkeit von den zuvor genannten gesetzgeberischen Veränderungen eben dieser Generalklausel, sondern auch solchen des Ordnungswidrigkeitenblanketts selbst. Denn die Verordnungsermächtigung des § 32 S. 1 IfSG wurde erst mit Wirkung zum 28. März 2020 in das Sanktionsblankett des § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG aufgenommen,[97] sodass eine Sanktionierung insoweit überhaupt erst für Verstöße seit diesem Datum in Betracht kommt,[98] sofern eine entsprechende Rückverweisung i.S.v. § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG stattgefunden hat.
Als Blankettstrafgesetz muss § 74 i.V.m. § 73 Abs. 1a Nrn. 6, 24 IfSG aber zwingend nicht nur die Regelungen hinreichend genau bezeichnen, die zur Ausfüllung in Betracht kommen und bewehrt werden (hier: § 28 Abs. 1 S. 1 ggf. i.V.m. § 32 IfSG), sondern auch deren möglichen Inhalt und Gegenstand.[99] In diesem Sinne müssen die möglichen Fälle der Strafbarkeit für den Adressaten einer solchen Regelungen notwendig schon lediglich aufgrund des Gesetzes, namentlich aufgrund von § 74 i.V.m. §§ 73 Abs. 1a Nrn. 6 und 24, 28 Abs. 1 S. 1 ggf. i.V.m. § 32 S. 1 IfSG, voraussehbar sein.[100] D.h. die möglichen Ge- und Verbotsregelungen in Form eines unmittelbar auf § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG gestützten Verwaltungsaktes oder einer via § 32 S. 1 IfSG mittelbar auf § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG gestützten Rechtsverordnung müssen bereits bloß durch die gesetzliche Regelung voraussehbar sein.
In diesem Sinne hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur mangelnden Bestimmtheit des § 15 Abs. 2 lit. a FAG maßgeblich ausgeführt: "Wird der Tatbestand eines Blankettstrafgesetzes, das Freiheitsstrafe androht, durch eine Rechtsverordnung ergänzt, muß die Verbotsmaterie jedenfalls in ihren Grundzügen in einem förmlichen Gesetz hinreichend umschrieben sein. Dem Verordnungsgeber dürfen lediglich gewisse Spezifizierungen des Tatbestandes überlassen bleiben[…]. Entsprechendes hat zu gelten, wenn ein solcher Straftatbestand in einem förmlichen Gesetz an den Verstoß gegen Verhaltenspflichten anknüpft, die durch einen Verwaltungsakt begründet werden: Auch hier muß der Gesetzgeber grundsätzlich selbst festlegen, welches Verhalten mit Freiheitsstrafe bedroht sein soll."[101] Daher gilt: "Ebensowenig wie es für die Bestimmtheit der Strafnorm genügt, daß sich die Merkmale des Tatbestandes einer Rechtsverordnung entnehmen lassen, die auf einer selbst nicht hinreichend bestimmten Ermächtigung beruht, reicht die pauschale Anknüpfung einer Strafdrohung an Verstöße gegen inhaltlich nicht näher bestimmte Verwaltungsakte aus. Auch in diesem Fall muß der Gesetzgeber grundsätzlich selbst über die Strafbarkeit entscheiden."[102] Folglich
muss der Gesetzgeber zumindest "Typus und Regelungsumfang der Verwaltungsakte" selbst festlegen, soweit der Verstoß gegen die entsprechende Verhaltenspflicht strafbewehrt sein soll.[103] Diesen Anforderungen ist somit nicht Genüge getan, "wenn die Strafbarkeit ohne hinreichende Vorgaben in einer Ermächtigungsnorm an einen Verstoß gegen Verhaltenspflichten geknüpft wird, die erst durch einen Ausführungsakt (Rechtsverordnung oder Verwaltungsakt) begründet werden"[104].
So liegt der Fall bei § 74 i.V.m. § 73 Abs. 1 Nrn. 6 und 24 IfSG mit dem Verweis auf § 28 Abs. 1 S. 1 ggf. i.V.m. § 32 S. 1 IfSG. Denn der Verweis wird den geschilderten Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht gerecht, weil aus der Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG schon nicht ersichtlich ist, welche möglichen Ge- und Verbote, ggf. unter welchen Umständen und gegenüber welchen Adressaten, als "notwendige Schutzmaßnahmen" konkret erlassen werden dürfen.[105] Welches über den abstrakt als Verstoß gegen eine Schutzmaßnahme beschriebene Verhalten konkret bewehrt sein soll, lässt sich dem Verweis auf die Generalklausel nicht entnehmen, da diese ihre möglichen Rechtsfolgen mit dem Begriff der Schutzmaßnahmen nur abstrakt beschreibt. Konkrete Schutzmaßnahmen, gegen die ein konkretes Zuwiderhandeln denkbar wäre, benennt § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG gerade nicht, wobei auch eine gesetzlich determinierte Konkretisierung durch Rechtsverordnung gemäß § 32 S. 1 IfSG ausgeschlossen ist, da diese Verordnungsermächtigung ihrerseits gerade wieder auf den unbestimmten § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG verweist. Die pauschale Anknüpfung der Strafandrohung an ein Zuwiderhandeln gegen eine per Verwaltungsakt verfügte Schutzmaßnahme oder eine solche Schutzmaßnahmen verordnende Rechtsverordnung überlässt es also vielmehr der Exekutive, und stellt es daher in ihr Belieben, durch Verwaltungsakt oder Rechtsverordnung Inhalt und Gegenstand der aufgrund von § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG möglichen Schutzmaßnahmen, mithin über die Voraussetzungen einer Straftat nach § 74 i.V.m. § 73 Abs. 1 Nrn. 6 und 24 IfSG zu bestimmen:
Die mangelnde Bestimmtheit der Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG beginnt nicht erst mit dem Begriff der "notwendigen Schutzmaßnahmen" auf Seiten der Rechtsfolgen, sondern bereits mit der Umschreibung der tatbestandlichen Voraussetzungen. Erforderlich ist demnach lediglich, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt wurden bzw. ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war. Zwar definiert § 2 IfSG diese Begrifflichkeiten, jedoch lässt der Tatbestand den Rechtsanwender im Ungewissen darüber, wo und ggf. mit welcher Konzentration solche näher benannten Personen angetroffen worden sein müssen. Darf die Bayerische Landesregierung etwa ein landesweites Ausgangsverbot in Bayern verhängen, wenn auf der anderen Seite des Erdballs ein Kranker oder Krankheitsverdächtiger festgestellt wurde?[106] Aufschluss hierüber kann in einem begrenzten Maß, neben dem Verhältnis zu § 16 IfSG,[107] lediglich die Beschränkung der Ermächtigungsgrundlage zur Verhängung von Schutzmaßnahmen mit den Worten erteilen: "soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist". Tatbestandlich ist es demnach erforderlich, dass die o.g. Personen in Bezug auf eine übertragbare Krankheit (§ 2 Nr. 3 IfSG) festgestellt werden, die Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung erforderlich macht. Demnach bedarf es in einem konkreten Fall jedenfalls einer konkreten Gefahr, dass sich eine übertragbare Krankheit verbreitet. Da eine solche Gefahr im normalen Leben jedoch praktisch niemals ausgeschlossen werden kann, weil übertragbare Krankheiten stets und zu jeder Zeit in einer gewöhnlichen Population kursieren, existieren – gerade in der seit März 2020 völlig entgrenzten Anwendung dieser Norm – praktisch keinerlei tatbestandliche Restriktionen innerhalb der Generalklausel.
Dieser rechtsstaatlich mehr als nur bedenkliche Zustand wird mit dem Verweis des § 32 S. 1 IfSG nochmals verschärft. Denn hierdurch werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den tatbestandlichen Voraussetzungen, die für die Maßnahmen nach den §§ 28-31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Mithin dürfen diese per Rechtsverordnung auch – atypisch – konkret-generelle Verhaltensregelungen entsprechend den nach §§ 28-31 IfSG möglichen Schutzmaßnahmen zur tendenziell eher repressiven Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen (vgl. § 73 Abs. 1a Nr. 24 Var. 1 IfSG). Dies jedoch nur unter den tatbestandlichen Voraussetzungen, die für die Schutzmaßnahmen der §§ 28-31 IfSG gelten, die tendenziell noch eher präventiv die Verhinderung der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit bezwecken sollen. Folglich setzen auch die konkret-generellen Verhaltensregelungen in Rechtsverordnungen nach § 32 S. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG das Vorliegen nicht einer abstrakten, sondern – atypisch – einer konkreten Gefahr voraus.
Soweit daneben durch Rechtsverordnung auch abstrakt-generelle Regelungen zulässig sind, setzen diese typischerweise jedoch zunächst lediglich eine abstrakte Gefahr, und erst zu ihrer Durchsetzung im konkreten Einzelfall bei konkretisierter Gefahrenlage sodann eine wei-
tere Anordnung aufgrund der Rechtsverordnung voraus (vgl. § 73 Abs. 1a Nr. 24 Var. 2 IfSG). Insoweit ist auf Seiten der tatbestandlichen Voraussetzungen aber unklar und letztlich unbestimmt, wie § 32 S. 1 IfSG mit dem Verweis auf § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG an eine abstrakte Gefahr anknüpfen können sollte, wo doch diese Norm offenbar eine konkrete Gefahr für sich selbst voraussetzt – oder etwa doch nicht?
Somit wird letztlich deutlich, dass schon die jeweiligen Eingriffs- und Gefahrenschwellen in den §§ 28 Abs. 1 S. 1, 32 S. 1 IfSG nicht hinreichend konkret bestimmt und gegeneinander abgegrenzt sind, weil die Maßnahmen nach diesen Paragraphen, teils von erheblicher Eingriffsintensität, weder an einen bestimmten Verdachtsgrad noch an eine hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit näher zu bestimmende Gefahrenlage geknüpft sind. Mit Uwe Volkmann und Christoph Möllers bleibt daher zu konstatieren: "Von hier aus kann man die Vorstellung, der ‚massivste kollektive Grundrechtseingriff in der Geschichte der Bundesrepublik‘ könne einfach auf eine aus dürren drei Sätzen bestehende Generalklausel gestützt werden, durchaus als ‚einigermaßen kurios‘ empfinden."[108] Vollständig kurios mutet aber die Vorstellung an, man könne auf dieser unbestimmten Grundlage mit Recht im großen Stile Strafen und Bußgelder verhängen.[109]
Der auf Seiten der Rechtsfolgen des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG zum Tragen kommende Begriff der notwendigen Schutzmaßnahmen mag zwar einer vagen verwaltungsgerichtlichen Auslegung zugänglich sein, beschreibt aber aus sich selbst heraus gleichwohl keine ihrerseits bereits hinreichend konkretisierten oder auch nur konkretisierbaren Ge- und Verbotsregelungen, da er es ohne hinreichend genaue gesetzliche Vorgabe gerade ins Belieben der Exekutive stellt, konkrete Ge- bzw. Verbotsregelungen, und damit entsprechende Verhaltenspflichten der gesetzesunterworfenen Adressaten, durch den Erlass von Verwaltungsakten oder Rechtsverordnungen erst zu statuieren.[110]
Eben diesen Umstand hat der Gesetzgeber im Jahr 1980 bei erstmaliger Schaffung eines generalklauselartigen Eingriffskonstrukts mit der Vorgängerregelung des § 34 Abs. 1 S. 1 BSeuchG[111] nicht nur gesehen, sondern beabsichtigt: "Die Fülle der Schutzmaßnahmen, die bei Ausbruch einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, läßt sich von vorneherein nicht übersehen. Man muß eine generelle Ermächtigung in das Gesetz aufnehmen, will man für alle Fälle gewappnet sein."[112] Dies mag man bloß verwaltungsrechtlich für zulässig halten;[113] strafverfassungsrechtlich gilt dies nicht.
Denn mit der gleichzeitigen Sanktionsbewehrung dieser Generalklausel in §§ 69 Abs. 1 Nr. 4, 70 BSeuchG[114] hat der Gesetzgeber lediglich entschieden, dass alles, was die Exekutive auf Grund von § 34 Abs. 1 S. 1 BSeuchG an- oder verordnet, zugleich sanktionsbewehrt sein soll. Da der Begriff der notwendigen Schutzmaßnahme jedoch keine konkreten Ge- und Verbotsregelungen hinreichend bestimmt voraussehbar beschreibt, sondern, wie sich im Zuge der Corona-Krise zu Genüge gezeigt hat, "eine gegen unendlich laufende Generalermächtigung an die staatlichen Organe[enthält], im Fall eines Epidemie- und Pandemieverdachts jeder Art und Intensität das ihnen je notwendig Erscheinende zu tun"[115], ist es weder für den Gesetzgeber noch für die Adressaten solcher Schutzmaßnahmen bereits im Voraus absehbar, welches Verhalten konkret mit Sanktionen bedroht werden wird. "Der Schutzzweck des Art. 103 Abs. 2 GG darf[aber]nicht dadurch unterlaufen oder ausgehöhlt werden, dass das eigentliche Verbot sich für den Adressaten nicht schon aus der Gesetzesnorm, sondern erst aus der behördlichen Festlegung erschließt."[116]
Auch ist für die Adressaten angesichts eines sich regelmäßig sehr diffus entwickelnden Infektionsgeschehens nicht ersichtlich, welche Maßnahmen zur Erreichung der – im Verlauf der Pandemie zwischenzeitlich mitunter teils erheblich differierenden – Zwecke des IfSG erforderlich sein werden oder bereits sind.[117] Anhand der gesetzlichen Regelung müsste der Betroffene die konkrete Rechtslage jedoch so erkennen können, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag, wobei sich die "Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Norm erhöhen […], wenn die Unsicherheit bei der Beurteilung der Gesetzeslage die Betätigung von Grundrechten er-
schwert"[118]. Denn die Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Norm dienen dazu, "die Verwaltung zu binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen", sodass die "Entscheidung über die Grenzen der Freiheit des Bürgers […]nicht einseitig in das Ermessen der Verwaltung" gestellt sein darf, soll die Gesetzesform doch auch "die Freiheit der Bürger schützen".[119]
Dass der Bürger aufgrund der gesetzlichen Verweisungstechnik ersehen kann, der Gesetzgeber wolle ausnahmslos jegliche aufgrund der Generalermächtigung erlassene An- oder Verordnungen mit Strafe bzw. Bußgeld bewehren, sodass er – der Bürger – sich keinerlei Verstöße leisten dürfe, um sich nicht des Risikos einer Sanktion auszusetzen, reicht zur Wahrung der Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG, insbesondere vor dem Hintergrund des allumfänglichen Übergriffs in das gewöhnliche Leben eines jeden Einzelnen durch die Maßnahmen, gerade nicht aus.[120] Denn zur gesetzlichen Bestimmung der Strafbarkeit genügt nicht schon die vage Erkennbarkeit eines bloßen Sanktionsrisikos aufgrund einer gewissen Gesetzgebungs- und Ausfüllungstechnik, sondern – jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Blankettverweisungstechnik – alleine die Voraussehbarkeit der Strafbarkeit einer konkreten Handlung lediglich bereits aufgrund des Gesetzes.[121]
Dass dieser Maßstab – rein gesetzgebungstechnisch betrachtet – hingegen gewahrt werden kann, sofern sich der Gesetzgeber nur darüber klar wird, wozu er überhaupt ermächtigen und was er dementsprechend auch sanktionieren will, zeigt die Tatsache, dass 28 der insgesamt 34 ausgefüllten Nummern des Blankettgesetzes des § 73 Abs. 1a IfSG eine konkrete Handlung als Tathandlung des Ordnungswidrigkeitentatbestandes beschreiben. Lediglich die Nummern 1, 6, 7d, 11a, 22 und 24 verweisen bloß auf Zuwiderhandlungen gegen zunächst inhaltlich nicht weiter beschriebene vollziehbare Anordnungen bzw. Auflagen oder Rechtsverordnungen nach jedoch weiter bezeichneten Rechtsvorschriften des IfSG bzw. entsprechender Rechtsverordnungen. Aus den zahlreichen hieraus wiederum resultierenden Verweisungsketten verweist – außer den vorliegend untersuchten § 73 Abs. 1a Nr. 6 i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG und § 73 Abs. 1a Nr. 24 i.V.m. § 32 S. 1, § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG – lediglich § 73 Abs. 1a Nr. 24 i.V.m. § 17 Abs. 4 S. 1 und § 16 Abs. 1 S. 1 IfSG vermittels einer blankettierten Entsprechungsklausel auf eine hinsichtlich Tatbestand und Rechtsfolge kaum hinreichend bestimmte Generalklausel zur Ergreifung von notwendigen (Schutz‑)Maßnahmen; zwei Blankettverweise (§ 73 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 17 Abs. 1/§ 34 Abs. 9 IfSG) verweisen jeweils auf eine tatbestandlich eng umgrenzte Ermächtigung zur Ergreifung von nicht näher bestimmten notwendigen Schutzmaßnahmen. Alle übrigen Blankettverweise verweisen dagegen unmittelbar oder mittelbar auf inhaltlich konkret bestimmte Anordnungen, Auflagen oder Rechtsverordnungsregelungen, woran ersichtlich ist, dass der Bestimmtheitsgrundsatz insofern auch im Infektionsschutzrecht gewahrt werden kann, sofern der Gesetzgeber dies nur will und sich entsprechend darum bemüht.
Dass dem Gesetzgeber des BSeuchG 1980 die Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG an Blankettstrafgesetze jedoch an sich hinreichend deutlich vor Augen standen, sodass es sich bei der nicht näher begründeten Bewehrung der Generalklausel ursprünglich wohl um ein gesetzgeberisches Redaktionsversehen handeln muss, belegt die folgende Begebenheit:
Mit der Neuregelung des § 34 Abs. 1 S. 1 BSeuchG[122] ging zugleich nämlich eine Neuregelung von § 34 Abs. 1 S. 2 IfSG[123] einher, der die bis dato[124] in § 43 BSeuchG a.F. abschließend geregelten und durch §§ 65, 66 BSeuchG a.F. sogar unmittelbar strafbewehrten Schutzmaßnahmen gegenüber der Allgemeinheit regelte, d.h. die Beschränkung oder das Verbot von Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen, insbesondere Veranstaltungen in Theatern, Filmtheatern, Versammlungsräumen, Vergnügungs- oder Gaststätten und ähnlichen Einrichtungen, sowie die Beschränkung oder das Verbot der Abhaltung von Märkten, Messen, Tagungen, Volksfesten und Sportveranstaltungen, sowie die Schließung von Badeanstalten. Im Hinblick auf diese gesetzliche Neuordnung notierte der Gesetzgeber in seinen Motiven schließlich mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG: "Die bisher in § 43 aufgezählten Schutzmaßnahmen gegenüber der Allgemeinheit können künftig auf Grund der generellen Regelung des Absatzes 1 Satz 1 angeordnet werden. In Absatz 1 Satz 2 werden sie trotzdem beispielhaft ausdrücklich genannt, weil[…]es[…]durch ihre Nennung ermöglicht wird, daß die in § 65 enthaltene Strafandrohung aufrechterhalten werden kann."[125] Der Gesetzgeber des BSeuchG 1980 ging folglich mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz davon aus, dass eine enumerative Auflistung derjenigen Schutzmaßnahmen erforderlich ist, die durch entsprechende Sanktionsblankette sanktioniert werden sollen.
Dies dürfte dann auch der verschiedentlich noch vermisste Grund[126] gewesen sein, weshalb der Gesetzgeber die im gleichen Zuge neu geschaffene Verordnungsermächtigung des § 38a BSeuchG – der Vorgängerregelung der erstmals mit Wirkung zum 28. März 2020 durch § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG bewehrten[127] Verordnungsermächtigung des § 32 S. 1 IfSG – damals nicht eigenständig bewehrte.[128] Denn eine rechtssichere Bewehrung wäre vor
dem Hintergrund von Art. 103 Abs. 2 GG schon zu diesem Zeitpunkt kaum möglich gewesen, sodass es sich auch nicht um ein bloßes Versehen gehandelt haben dürfte.[129]
Allerdings verabschiedete sich der Gesetzgeber bei Überführung des BSeuchG ins IfSG im Jahr 2000 von der vorherigen Auflistung des § 43 BSeuchG a.F./§ 34 Abs. 1 S. 2 BSeuchG n. F. zugunsten des abstrakteren Begriffs der "Veranstaltungen oder sonstigen Ansammlungen einer größeren Anzahl[130] von Menschen", um mit § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG sicherzustellen, dass "alle Zusammenkünfte von Menschen, die eine Verbreitung von Krankheitserregern begünstigen, erfasst werden", ohne jedoch länger die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes aus Art. 103 Abs. 2 GG ansatzweise zu bedenken.[131]
Vor diesem Hintergrund ist es im Interesse der strafverfassungsrechtlich erforderlichen Bestimmtheit – soweit der Verweis in § 73 Abs. 1a IfSG überhaupt reicht[132] – zwar grundsätzlich zu begrüßen, dass der Gesetzgeber durch die Schaffung von § 28a Abs. 1 IfSG mit Wirkung zum 19. November 2020 jedenfalls eine regelbeispielhafte Ausgestaltung des Begriffs notwendiger Schutzmaßnahmen i.S.v. § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG für die Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 versucht und die Regelbeispiele des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG dadurch "klarstellend erweitert"[133] hat. Allerdings bringt diese Änderung natürlich keine allgemeingesetzliche Konkretisierung des – zuvor insoweit eingestandenermaßen noch unklaren – Begriffs notwendiger Schutzmaßnahmen. Denn weder handelt es sich um eine abschließende ("insbesondere") noch um eine für alle übertragbaren Krankheiten geltende Aufzählung von Schutzmaßnahmen. Außerdem ist die Ausfüllung der tatbestandlichen Restriktion der in § 28a Abs. 1 IfSG genannten Schutzmaßnahmen auf eine vom Bundestag gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 IfSG nach politischem Gutdünken zu beschließende "epidemische Lage von nationaler Tragweite" geknüpft, die für den gesetzesunterworfenen Adressaten nicht voraussehbar ist. Und im Übrigen ist die Anknüpfung dieser Schutzmaßnahmen an die Überschreitung gewisser Inzidenzwerte in § 28a Abs. 3 S. 4‑11 IfSG schlechterdings willkürlich, da diese Werte bekanntlich insbesondere in Abhängigkeit von der absoluten Anzahl der in einer gewissen Zeitspanne durchgeführten Tests frei manipulierbar sind:[134] Wer (in absoluten Zahlen) mehr testet, erhält bei im Übrigen gleicher Zusammensetzung des Testfeldes schließlich auch mehr positive Testergebnisse und folglich auch höhere Inzidenzen als derjenige, der weniger testet. Demnach fehlt es weiterhin besonders auch an einer tatbestandlichen Eingrenzung.
Nach alledem enthält die Generalermächtigung des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG zur Verhängung von nicht weiter allgemein bestimmten Schutzmaßnahmen mit ihrer semantischen Leere keine hinreichend gesetzlich bestimmte Sanktionsgrundlage i.S.v. Art. 103 Abs. 2 GG. "Eine Strafnorm[…], die so unbestimmt ist, daß das förmliche Gesetz keine konkretisierbare Aussage darüber trifft, welche Verhaltensweisen mit Strafe bedroht sein sollen und wo die Grenze des Strafbaren verläuft, kann angesichts der Bestimmtheitsgebote nicht hingenommen werden."[135]
Dieses Ergebnis deckt sich schließlich nicht nur mit der Rechtsprechung des VerfGH Bayern zur mangelnden Bestimmtheit der Bewehrung polizeilicher Generalklauseln,[136] sondern auch mit der allgemeinen gesetzgebungstechnischen Einschätzung des BMJV: "Im Gegensatz zur fehlenden Bewehrbarkeit der polizeilichen Generalklausel können konkret beschriebene Einzelbefugnisse einer Bewehrung zugeführt werden. Es ist daher möglich, im Anschluss an die polizeiliche Generalklausel derartige Einzelbefugnisse festzuschreiben, um sie zum Gegenstand einer Bewehrung zu machen."[137]
Auch im Hinblick auf die gesetzliche Bestimmung der Adressaten der landesweit flächendeckend verhängten Schutzmaßnahmen mangelt es dem Verweis mit § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG an der strafverfassungsrechtlich erforderlichen Bestimmtheit. Denn verwaltungsrechtliche Handlungsgebote müssen grundsätzlich den Normadressaten ausdrücklich umschreiben, um für eine Sanktionsbewehrung hinreichend bestimmt formuliert zu sein.[138] Daran fehlt es jedoch mit dem bloßen Verweis auf die Generalklausel. Zwar adressiert diese ausdrücklich und primär Kranke, Krankheits‑, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider. Doch ist weder dieser gesetzlichen Bestimmung noch dem Willen des historischen Gesetzgebers zu entnehmen, dass, weitgehend voraussetzungslos[139], aus Gründen schwieriger Feststellbarkeit und Verfolgbarkeit von Infizierten, und obendrein mit "brachialen Maßnahmen" (Angela Merkel), die Gesamtheit einer zu mehr als 99 % völlig gesunden und noch nicht einmal ansteckungsverdächtigen Bevölkerung in Form des Nichtstörers in Anspruch genommen werden könnte.[140]
Richtig ist, dass einzelne Maßnahmen aufgrund der Generalklausel nach dem Willen des Gesetzgebers subsidiär auch gegen Nichtstörer gerichtet werden können: "So etwa das Verbot an jemanden, der (noch) nicht ansteckungsverdächtig ist, einen Kranken aufzusuchen."[141] Maßnahmen gegen Nichtstörer sind somit "nur unter strengen Voraussetzungen zulässig", etwa "ausnahmsweise[…], um sie selbst vor einer Infektion zu schützen".[142] Dass die Norm es hingegen erlaubt, ganze Volkswirtschaften stillzulegen und nachhaltig zu ruinieren, sowie die dem Menschen begriffsnotwendig eignende Sozialität[143] in ihr Gegenteil, d.h. in eine beinahe allumfassende Asozialität zu verkehren,[144] ist (mit Verlaub) ein abwegiger Gedanke. Jedenfalls fehlt dann aber eine strafverfassungsrechtlich erforderliche Bestimmung dieses eher für alle Beteiligten zuvor ungeahnten Adressatenkreises. Nicht umsonst hatte der Gesetzgeber hinsichtlich der ursprünglichen Regelung der nur sehr begrenzt zulässigen "Maßnahmen gegen die Allgemeinheit" in § 43 BSeuchG, und zwar trotz abschließender Auflistung dieser Schutzmaßnahmen, es wegen Art. 103 Abs. 2 GG einst noch für erforderlich erachtet, den Kreis der Adressaten wegen der strafrechtlichen Bewehrung in den §§ 65-66 BSeuchG gesondert auszugestalten.[145]
Nachdem aber schon die Bewehrung des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG ursprünglich offensichtlich lediglich einem gesetzgeberischen Redaktionsversehen geschuldet war (s.o.), fehlt es dem unvoreingenommenen Betrachter an jeglichen gesetzlichen Anhaltspunkten dafür, dass die §§ 74, 73 Abs. 1a Nrn. 6 und 24, 28 Abs. 1 S. 1 (ggf. i.V.m. § 32 S. 1) IfSG eine großflächige Kriminalisierung ganz alltäglicher Verrichtungen des bürgerlichen Lebens beabsichtigen könnten, indem § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG zu einer flächendeckenden Inanspruchnahme einer beinahe vollständig gesunden Bevölkerung ermächtigte. Eine auf einer solchen Annahme gleichwohl praktizierte Normanwendung musste im Zuge der Corona-Krise daher unvermeidlich zur Überforderung der "Steuerungsfähigkeit" der bewehrten verwaltungsrechtlichen Ausführungsregelungen führen. Nicht umsonst unternahmen die Landesregierungen bei ihrer Pandemiebekämpfung daher auch den – tatsächlich untauglichen – Versuch, die fiebrig erlassenen Ge- und Verbote gegenüber der nichtstörenden Bevölkerung mit online und tagesaktuell beantworteten "Frequently Asked Questions" (FAQ) zu konkretisieren.[146]
Die somit an allen Ecken und Enden fehlende Bestimmtheit lässt sich schließlich auch nicht mehr durch die Absenkung der Bestimmtheitsanforderungen ‚gesundbeten‘. Denn die strafverfassungsrechtliche Bestimmtheit ist primär nicht aus der Perspektive des normanwendenden Verwaltungsbeamten oder Strafrichters, sondern des normadressierten Bürgers zu beurteilen, wobei an die Bestimmtheit einer zu bewehrenden Norm umso höhere Anforderungen zu stellen sind, je schwerer die angedrohten Sanktionen sind und je weiter der Adressatenkreis gefasst ist.[147] Wird demnach – wie vorliegend vorgeblich im Falle der §§ 74, 73 Abs. 1a Nrn. 6, 24, 28 Abs. 1 S. 1 (ggf. i.V.m. § 32 S. 1) IfSG – jeder Einzelne der gesamten Landesbevölkerung, und zwar nicht etwa nur in einem Randbereich, sondern unmittelbar im Kernbereich des bürgerlichen Lebens, bis hin zur Sozial- und Privatsphäre in Anspruch genommen, so würde dies ein Höchstmaß an Bestimmtheit erfordern, zumal eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren angedroht werden soll.
Insbesondere kann vor diesem Hintergrund auch nicht das fiktionale "Leitbild" eines infektionsschutzrechtlich "sach- und fachkundigen Normadressaten" bemüht werden, wie dies nicht selten im Nebenstrafrecht ge-
schieht.[148] Denn vom normalen Bürger sind mit Recht typischerweise weder besondere Kenntnisse auf dem Gebiet des Infektionsschutzrechts noch ein je tages- oder gar stundenaktueller Überblick über die zahlreichen und ständiger Veränderung unterworfenen untergesetzlichen Regelungswerke zahlreicher regelsetzender Körperschaften und Behörden zu erwarten.[149] Andernfalls würde man bei Lichte besehen auch lediglich die Verletzung einer dadurch – contra legem – statuierten Informationspflicht des Bürgers pönalisieren.
Und selbst dem in dieser Weise informierten und spezialisierten Experten zeigen die vorstehend auseinandergesetzten Regelungskonstrukte die Bewehrung sanktionierter Verhaltensweisen nicht hinreichend auf. Jeder mit den Sanktionsnormen der §§ 73 ff. IfSG schon einmal befasste Verwaltungs- oder Strafjurist würde sich dies in einer kritischen Selbstbefragung eingestehen müssen. Nicht zuletzt erteilte auch die Ministerialverwaltung im Laufe der Corona-Krise nicht selten selbst falsche oder gar irreführende Hinweise betreffs der Sanktionsmöglichkeiten.[150] Von dem erforderlichen Höchstmaß an Bestimmtheit ist der Gesetzgeber mit der ursprünglich bloß versehentlichen Bewehrung seiner seuchenrechtlichen Generalklausel daher auch heute noch weit entfernt. Schließlich wäre es wohlfeil, dem Bürger eine größere Rechtskenntnis abzuverlangen als der Ministerialverwaltung.
Neben diesen allgemeinen Bedenken wegen des Bestimmtheitsgebots erweisen sich die durch § 74 IfSG in Bezug genommenen Tathandlungsvarianten im Hinblick auf die durch § 73 Abs. 1a Nrn. 6, 24 IfSG bewehrte Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG auch im Besonderen als bedenklich.
Ordnungswidrig und zugleich potentiell strafbar nach § 74 IfSG handelt gemäß der nur schwer auseinanderzudividierenden Vorschrift des § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG, wer vorsätzlich einer vollziehbaren Anordnung nach § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG, d.h. einer notwendigen Schutzmaßnahme zuwiderhandelt,[151] soweit und solange diese zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.
Durch den Verweis auf die zur Strafandrohung ohnehin zu wenig bestimmte Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG, auf zweiter Stufe des Blankettstrafgesetzes des § 74 i.V.m. § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG, eröffnet sich mit dem Begriff der Anordnung eine schier unendliche Vielzahl möglicher bewehrter Handlungen. Die Strafbarkeit ist somit hinsichtlich der einzelnen bewehrten Handlungen schon nicht abschließend bestimmt, mithin auch in dieser Hinsicht zu unbestimmt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Entscheidung über das "Ob" der Ergreifung von möglichen Schutzmaßnahmen nicht ins Ermessen der Behörde gestellt ist. Denn gerade das durch die Generalklausel ins Ermessen der Behörde gestellte "Wie" der Ergreifung von Schutzmaßnahmen ist nach den vorstehenden Überlegungen maßgeblich zu wenig bestimmt. Und hier gilt: "Die Entscheidung über die Grenzen der Freiheit des Bürgers darf nicht einseitig in das Ermessen der Verwaltung gestellt sein."[152]
Nicht unter den Begriff der Anordnung i.S.v. § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG lassen sich landesweit gültige und so die Handlungsform der Rechtsverordnung i.S.v. § 32 S. 1 IfSG ersetzende Allgemeinverfügungen subsumieren.[153] Zwar mögen sowohl Allgemeinverfügungen i.S.v. Art./§ 35 S. 1 der Landes-VwVfG als auch Rechtsverordnungen i.S.v. Art. 80 Abs. 1 GG – im fließenden Übergang zu abstrakt-generellen Regelungen – konkret-generelle Regelungen enthalten, wenn sie einer unbestimmten Vielzahl von Personen im Einzelfall jeweils unmittelbar konkrete Handlungspflichten auferlegen. Allerdings unterscheiden sich Allgemeinverfügung und Rechtsverordnung ihrer Form nach in der Konkretheit des zugrundeliegenden Sachverhalts.[154] Ein landesweit einheitlich zu behandelnder Gefahrensachverhalt i.S.v. § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG weist somit nicht mehr die räumlich eingrenzbare und für eine Allgemeinverfügung erforderliche Konkretheit des Sachverhalts auf, sodass eine landesweit für jedermann gültige Regelung mit hierauf bezogenen Verhaltenspflichten im fließenden Übergang zwischen konkreter und abstrakter Gefahr nicht als Allgemeinverfügung ergehen darf.[155] Andernfalls könnte sich die Behörde mit Blick auf identische Handlungspflichten kurzerhand beider Handlungsformen gleichzeitig bedienen, um so eine im Zweifel rechtswidrige (d.h. nichtige) Rechtsverordnungsregelung einerseits vollziehbar und andererseits verwaltungsgerichtlich unangreifbar zu machen.[156] Da dies jedoch erkennbar rechtsmissbräuchlich wäre, bedarf es entsprechender Differenzierung, weil der Adressat einer solchen Regelung ohne diese Differenzierung die andernfalls nämlich lediglich nach § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG drohende Strafbarkeit nicht verwaltungsgerichtlich beseitigen könnte.
Mit dem Begriff der Vollziehbarkeit eben dieser Anordnung verweist § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG, auf dritter Stufe des Blankettstrafgesetzes, auf § 28 Abs. 3 IfSG, sowie über diese Vorschrift, auf vierter Stufe des Blankettstrafgesetzes, auf § 16 Abs. 8 IfSG, der von Gesetzes wegen die sofortige Vollziehbarkeit anordnet und eine gesonderte Anordnung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO obsolet macht.
Geschriebenes Tatbestandsmerkmal des Blankettstrafgesetzes ist mit dem Verweis auf eine Anordnung "nach" § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG zugleich die Rechtmäßigkeit der angeordneten Schutzmaßnahme.[157] Denn eine rechtswidrige Schutzmaßnahme ist eben gerade keine Anordnung "nach", sondern vielmehr eine solche "entgegen" § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG. Das Strafgericht hat demnach nicht nur die strafverfassungsrechtliche Bestimmtheit der das Blankett ausfüllenden Anordnung i.S.v. Art. 103 Abs. 2 GG zu prüfen,[158] insbesondere auch unter dem Aspekt der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe,[159] sondern darüber hinaus vollumfänglich die formelle sowie materielle Rechtmäßigkeit der Schutzmaßnahme.[160] Zum Prüfungsumfang gehört daher nicht zuletzt auch die durch § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG vorgegebene Restriktion der Erforderlichkeit in sachlicher und zeitlicher Hinsicht. Vor allem aber werden die ordentlichen Gerichte unter diesem Prüfungspunkt Gelegenheit haben, die bisher verwaltungs- und verfassungsgerichtlich noch überhaupt nicht überprüfte Gefahrenbehauptung zu hinterfragen.[161]
Wäre die Rechtmäßigkeit der Anordnung dagegen nicht Tatbestandsmerkmal des Blankettstraftatbestandes, so wäre bereits unerklärlich, weshalb es für die Strafbarkeit im Einzelfall noch länger auf die inhaltliche Bestimmtheit der Anordnung ankommen sollte, sodass auch eine völlig unbestimmte Anordnung bewehrt sein würde. Außerdem wäre tatsächlich lediglich der bloße Ungehorsam des Bürgers gegen die vollziehbare Anordnung der Verwaltung strafbar, und zwar ohne Rücksicht auf einen in dem Zuwiderhandeln gegen die Anordnung vertypten Rest materiellen Unrechts, denn die gegen eine rechtswidrige Anordnung verstoßende Handlung ist an sich nicht rechtswidrig, sondern rechtmäßig. Tatsächlich dient § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG jedoch nach der Konzeption des Gesetzgebers mittelbar-präventiv auch dem Rechtsgüterschutz,[162] sodass die Norm nicht lediglich den bloßen Verwaltungsungehorsam pönalisiert. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung kann deshalb richtigerweise auch nicht bloß als eine objektive Bedingung der Strafbarkeit begriffen werden, weil sanktionswürdiges Unrecht nach der Konzeption des Gesetzgebers lediglich im Verstoß gegen eine rechtmäßige und zugleich vollziehbare Anordnung existiert. Fehlt eines dieser beiden besonderen Prädikate der Anordnung, so liegt in einem entsprechenden Ungehorsam gegenüber einer – rechtswidrigen und vollziehbaren oder rechtmäßigen und nicht vollziehbaren – Anordnung zugleich noch nicht bereits ein solches Ordnungsunrecht i.S.v. § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG, das im Sinne des quantitativ nochmals gesteigerten Unrechts des Mischtatbestandes von § 74 IfSG zur Straftat qualifiziert werden könnte.[163] Im Übrigen wäre die Anordnung ohne die Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit überhaupt gar nicht als eine solche "nach" § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG identifizierbar, sodass jede beliebige Anordnung bewehrt sein würde, die von der Behörde rein äußerlich irgendwann einmal in den Zusammenhang von § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG gestellt worden wäre. Dies aber würde zu einem weiteren Missbrauch in der Auswahl der behördlichen Handlungsformen geradezu einladen.
Nichts anderes ergibt sich schließlich aus der Rechtsprechung des BVerfG, wenn es heißt: "Der Gesetzgeber darf verwaltungsrechtliche Pflichten und verwaltungsbehördliche Anordnungen mit Strafen oder Bußen bewehren, um auf diese Weise der Gehorsamspflicht Nachdruck zu verleihen.[…]Es ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob die Strafbarkeit oder Ahndbarkeit einer Zuwiderhandlung gegen Verwaltungsanordnungen von deren Rechtmäßigkeit abhängen soll oder nicht."[164] Genau diese Entscheidung hat der Gesetzgeber mit der Wendung "Anordnung nach § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG" vorliegend jedoch positiv getroffen.[165] Die in der Literatur zu § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG vertretene Ansicht, und zwar aufgrund einer generellen Behauptung der Unbeachtlichkeit des Merkmals der Rechtmäßigkeit im Verwaltungsstrafrecht, auf diese Rechtmäßigkeit komme es auch hier
nicht an,[166] verschließt dagegen die Augen vor der anderslautenden Entscheidung des Gesetzgebers, und vermag daher nicht zu überzeugen.
Neben den vorstehenden konstitutiven Tatbestandsmerkmalen kann fakultativ "auch" noch eine Rechtsverordnung nach § 32 S. 1 (i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1) IfSG hinzutreten. Der Sinn des Nachsatzes zu § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG, "jeweils auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 32 S. 1", erschließt sich dem Adressaten jedoch nicht.[167] Die Wendung ("jeweils auch in Verbindung mit") deutet nämlich entweder auf die Zitierung einer Analogieverweisung[168] oder die unselbstständige Bewehrung einer Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung[169] hin. Im Falle von § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG lässt sich jedoch keine eindeutige Zuordnung zu einer dieser beiden Kategorien vornehmen:
Eine Norm, die eine analoge bzw. entsprechende Geltung von § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG anordnet, findet sich allenfalls in § 32 S. 1 IfSG. Diese Vorschrift, die zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt, ist jedoch insofern nicht schon als bloße Analogieverweisung bereits durch den Blankettverweis des § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG (eben nur auf § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG) automatisch mitbewehrt. Vielmehr müsste insofern die Bewehrung ausdrücklich auf die ggf. analogieverweisende Vorschrift des § 32 S. 1 IfSG erstreckt werden, sofern eine Einbeziehung in die bestehende Bewehrung des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG erfolgen soll. "Diese Bewehrung wird dadurch bewirkt, dass in der Sanktionsnorm die verwaltungsrechtliche Vorschrift, welche die Analogieverweisung vornimmt, durch den Einschub ‚…auch in Verbindung mit § …, …‘ zitiert wird."[170] Daher könnte es sich vorliegend um eine Einbeziehung der analogieverweisenden Vorschrift des § 32 S. 1 IfSG in die § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG bewehrende Sanktionsnorm des § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG handeln. Bewehrt wäre insofern "auch" eine vollziehbare Anordnung nach einer solchen Rechtsverordnung, die wiederum aufgrund von § 32 S. 1 IfSG in weitgehender Entsprechung zu den Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG erlassen worden wäre; mithin eine mittelbar und lediglich entsprechend auf § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG beruhende Anordnung.
Indessen läge sodann eine Verdoppelung derjenigen Unbestimmtheit vor, die sich bereits durch die Inbezugnahme der Generalklausel durch § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG zwangsläufig ergibt. Denn durch die bloß entsprechende Geltung dieser Generalklausel für eine Rechtsverordnung nach § 32 S. 1 IfSG vergrößert sich die ohnehin schon gegebene Unbestimmtheit der nach der Generalklausel denkbaren Schutzmaßnahmen nochmals. Selbst wenn also die ursprüngliche Bewehrung der Generalklausel des damaligen § 34 Abs. 1 S. 1 BSeuchG einstmals nicht versehentlich erfolgt wäre,[171] hätte man bei diesem Vorgang nicht ohne guten Grund auf die Zitierung der Analogieverweisung des § 32 S. 1 IfSG verzichtet.[172] Da jedoch die vermeintliche Zitierung einer Analogieverweisung des § 32 S. 1 IfSG erstmals mit der Neuschaffung des IfSG in § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG erfolgte, müsste mit Blick auf das schwindende Bewusstsein des Gesetzgebers für die Bedeutung des strafverfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots (s.o.) hier ebenfalls angenommen werden, dass dem Gesetzgeber die Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG auch insofern nicht mehr hinreichend deutlich vor Augen standen.[173]
Jedoch hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 28. März 2020, durch entsprechende Änderung des § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG, Verstöße gegen Rechtsverordnungen nach § 32 S. 1 IfSG sowie vollziehbare Anordnungen aufgrund solcher Rechtsverordnungen eigenständig bewehrt, und dabei die Notwendigkeit einer Rückverweisungsklausel vorgesehen.[174] Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er insofern bislang selbst noch nicht von der Bewehrung einer vollziehbaren Anordnung aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 32 S. 1 IfSG durch § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG ausging.[175] Jedoch selbst wenn der Gesetzgeber bereits zuvor von der Zitation einer Analogieverweisung und damit bereits zuvor von der Bewehrung einer solchen Anordnung ausgegangen wäre,[176] lässt sich dieses Verständnis fortan aus systematischen Gründen nicht länger aufrechterhalten. Denn andernfalls könnte für Verstöße gegen vollziehbare Anordnungen i.S.v. § 73 Abs. 1a Nr. 24 i.V.m. §§ 32, S. 1, 28 Abs. 1 S. 1 IfSG die dortige Rückverweisungsklausel unter Hinweis auf die Zitation der Analogieverweisung in § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG unterlaufen werden. Dies aber wäre mit dem Gebot der Normklarheit sowie Bestimmtheit bewehrten Handelns nicht zu vereinbaren, weshalb § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG richtigerweise lediglich solche Verstöße gegen vollziehbare Anordnungen bewehrt, die unmittelbar aufgrund von § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG erlassen wurden. Im Ergebnis lässt sich die Zitation von § 32 S. 1 IfSG in § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG damit jedenfalls nicht länger als Zitation einer Analogieverweisung begreifen.
Rechtsverordnungsermächtigungen, die lediglich zum Erlass solcher verwaltungsrechtlichen Vorschriften ermächtigen, die entweder der Komplettierung unselbstständiger gesetzlicher Normen oder der Ausdehnung bzw. Änderung selbstständiger gesetzlicher Normen
dienen oder bestimmte Regelungsobjekte mit gesetzlich erfassten Sachverhalten gleichstellen, werden nicht eigenständig durch selbstständige Blankettvorschriften bewehrt.[177] Ihre unselbstständige Bewehrung erfolgt daher vielmehr ebenfalls mit der Formulierung "in Verbindung mit einer Rechtsverordnung", soweit die Komplettierung einer unselbstständigen Norm angestrebt wird, und mit der Formulierung "auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung", soweit einer der übrigen drei genannten Fälle gegeben ist.[178]
Nachdem der Verstoß gegen eine Rechtsverordnung nach § 32 S. 1 IfSG bzw. eine aufgrund einer solchen Verordnung erlassene vollziehbare Anordnung jedoch mittlerweile mit Wirkung zum 28. März 2020 eigenständig in § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG bewehrt wurde, kann es sich bei der in § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG verwendeten Formulierung nicht (mehr) um eine unselbstständige Bewehrung einer Verordnungsermächtigung handeln, die speziell der Ausdehnung bzw. Änderung und Konkretisierung der selbstständigen gesetzlichen Norm des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG oder einer Sachverhaltsgleichstellung dient.[179] Denn die eigenständige Bewehrung der Verordnungsermächtigung des § 32 S. 1 IfSG durch Blankett ermöglicht es, solche verwaltungsrechtliche Vorschriften zu bewehren, die typischerweise eigene und von gesetzlichen Inhalten losgelöste Handlungsgebote oder -verbote normieren.[180] Mit der Anbindung der nach diesem Verständnis offenbar materiell eigenständig bewehrbaren Verordnungsermächtigung des § 32 S. 1 IfSG an § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG in der Blankettvorschrift des § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG kann folglich keine unselbstständige Bewehrung einer selbstständig bewehrbaren Vorschrift gemeint sein.
Allerdings hätte § 32 S. 1 IfSG bis zu seiner selbstständigen Bewehrung im Jahr 2020 durchaus als eine solche Verordnungsermächtigung begriffen werden können, die der Ausdehnung[181] bzw. Änderung und Konkretisierung[182] der selbstständigen gesetzlichen Norm des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG[183] dient und deshalb auch einer unselbstständigen Bewehrung zugänglich ist. Diese unselbstständige Bewehrung, akzessorisch zur Bewehrung der selbstständigen Vorschrift des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG sowie ihrer selbstständigen Bewehrung in § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG, hätte dann einen Zusammenhang zwischen den verwaltungsrechtlichen Normen der Rechtsverordnung nach § 32 S. 1 IfSG mit der zugrundeliegenden Generalklausel zum Ausdruck gebracht, der jedoch nicht – wie hingegen im Falle einer Komplettierung – so eng ist, dass eine Bewehrung der Gesetzesnorm ohne Rechtsverordnung ausgeschlossen wäre.[184] Eine vollziehbare Anordnung nach § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG wäre hiernach gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG "auch in Verbindung mit", nicht aber zwingend nur "in Verbindung mit" einer Rechtsverordnung bewehrt gewesen. Allerdings hätte der Erlass einer solchen gesetzlichen Regelung mit Blick auf § 74 IfSG nach den ministeriellen Regeln der Gesetzgebungskunst einer gesonderten Prüfung und Darlegung des Strafbewehrungsbedarfs in der Entwurfsbegründung bedurft.[185] In den Motiven zu § 73 IfSG heißt es dazu dann jedoch bloß ganz allgemein und lapidar: "Die über § 69 BSeuchG hinaus in Abs. 1 genannten Zuwiderhandlungen bedürfen ebenfalls der Bußgeldbewehrung."[186] Nachdem die aufgrund von § 32 S. 1 IfSG im Zuge der Corona-Krise erlassenen Rechtsverordnungsregelungen jedoch phänomenologisch weitgehend identisch mit solchen – zuvor alleine oder nunmehr daneben – in Allgemeinverfügungen erlassenen Regelungen sind und waren, spräche dies dafür, dass § 32 S. 1 IfSG überhaupt gar keine eigenständig bewehrbare Vorschrift ist, sodass es sich bei § 73 Abs. 1 Nr. 6 Var. 3 IfSG insoweit um eine unselbstständige Bewehrung der Rechtsverordnungsermächtigung des § 32 S. 1 IfSG gehandelt haben könnte.
Ohne eigenständige Bewehrung der Rechtsverordnungsermächtigung des § 32 S. 1 IfSG in § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG konnte es sich bei der Zitation dieser Ermächtigungsnorm in § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG theoretisch sowohl um die Zitation einer Analogieverweisung als auch um die unselbstständige Bewehrung dieser Rechtsverordnungsermächtigung handeln, ohne dass eine eindeutige Zuordnung möglich gewesen wäre. Mit dieser eigenständigen Bewehrung der Rechtsverordnungsermächtigung kann es sich bei der Zitation dieser Ermächtigungsnorm in § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG praktisch jedoch weder um die Zitation einer Analogieverweisung noch um die unselbstständige Bewehrung dieser Ermächtigung handeln. Wenn aber schon bei verbleibender Zweideutigkeit eine eindeutig bestimmte Regelung im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG nicht gegeben ist, dann ist erst recht von einer vollständigen Unbestimmtheit der Zitation auszugehen, wenn – wie hier – das Auslegungsergebnis ‚nulldeutig‘ ausfällt. Denn selbst anhand des vom BMVJ zum Zwecke der Rechtssetzungskunst herausgegebenen "Handbuchs des Nebenstrafrechts" kann der Experte über die Bedeutung der Zitation nur Rätsel raten. Nachdem es dem gesetzesunterworfenen Adressaten der Regelung jedoch nicht besser ergehen wird als dem ministerialbürokratisch unterwiesenen Experten, verstößt die Zitation gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG und ist daher verfassungswidrig.
Darüber hinaus ist die unklare und unbestimmte Zitation der ihrerseits zu unbestimmten (s.u.) Verordnungsermächtigung des § 32 S. 1 IfSG geeignet, den oben herausgearbeiteten Rest gesetzlicher Bestimmung der blankettierten Bewehrung einer vollziehbaren Anordnung nach § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG in § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG noch weiter in Frage zu stellen. Denn wenn unklar
ist, welche Bedeutung und Reichweite § 32 S. 1 IfSG materiell-inhaltlich neben § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG haben kann, wird (auch) dadurch zugleich unklar, welche Bedeutung und Reichweite § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG für sich in dieser Hinsicht sanktionsrechtlich haben kann. Zudem erreichen die kaskadenförmigen und teils in sich zirkulären Verweisungen ein Maß an Unübersichtlichkeit, dass die genaue Reichweite der strafbewehrten Ver- und Gebote auch unter diesem Aspekt für den Normadressaten kaum jemals erkennbar ist.[187] Denn wenn § 74 IfSG auf § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG und dieser sowohl auf § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG als auch in unklarer Bedeutung auf § 32 S. 1 IfSG verweist, dreht sich der gesetzesunterworfene Adressat bei seiner "Schnitzeljagd entlang der Verweisungsketten"[188] spätestens dann gedanklich im Kreis, wenn er feststellt, dass § 32 S. 1 IfSG wiederum auf § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG verweist. Da hilft es ihm folglich auch nicht, dass die jeweils nächste Norm im Dickicht der Verweisungskette an sich klar bezeichnet ist und einzeln im Gesetz aufgefunden werden kann, wenn er sich beispielsweise unter einem Blick ins Gesetz fragt, wie er sich bei seinem beabsichtigen Sonntagsspaziergang mit einer anderen nicht zu seinem Hausstand gehörigen Person ahndbar machen könnte, weil gerade möglicherweise wieder irgendwo ein Ausgangsverbot verhängt wurde.
Ordnungswidrig und zugleich potentiell strafbar nach § 74 IfSG handelt gemäß der ebenfalls nur schwer auseinanderzudividierenden Vorschrift des § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG, wer vorsätzlich einer Rechtsverordnung nach § 32 S. 1 IfSG zuwiderhandelt (Var. 1), die unter den Voraussetzungen von § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG dieser Norm entsprechende Ge- und Verbote enthält, oder vorsätzlich einer vollziehbaren Anordnung aufgrund einer solchen Rechtsverordnung zuwiderhandelt (Var. 2), jeweils aber nur, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf das Sanktionsblankett zurückverweist.[189]
Bewehrt ist zunächst also der unmittelbare Verstoß gegen die Verhaltensregelung einer Rechtsverordnung.
Auch mit dem Begriff der Rechtsverordnung nach § 32 S. 1 IfSG auf dritter Stufe des Blankettstrafgesetzes des § 74 i.V.m. § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG eröffnet sich mit dem Verweis auf die insoweit auf vierter Stufe stehende Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG eine schier unendliche Vielzahl möglicher strafbewehrter Handlungen, sodass die Strafbarkeit einzelner bewehrter Handlungen schon nicht abschließend bestimmt ist, mithin zu unbestimmt ist. Denn indem § 32 S. 1 IfSG hinsichtlich seines Tatbestandes und seiner Rechtsfolge auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG verweist, macht er sich deren Unbestimmtheit (s.o.) zunächst einmal vollumfänglich zu eigen.
Darüber hinaus erzeugt die Formulierung des § 32 S. 1 IfSG sodann ihrerseits eine zusätzliche und noch umfänglichere Unbestimmtheit, indem auf Seiten der Rechtsfolgen "entsprechende Gebote und Verbote", d.h. solche den nicht weiter bestimmten Schutzmaßnahmen des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG entsprechende Regelungen vorgesehen sind. Demnach enthält § 32 S. 1 IfSG zwar weder eine zulässige "Bezeichnungs- und Entsprechungsklausel"[190] noch eine unzulässige "vorbehaltslose Bezeichnungsklausel"[191]. Denn die Norm ermächtigt nicht zu einer vorbehaltlosen Bezeichnung strafbarer Handlungen bzw. entsprechender Verhaltensregelungen im vorgenannten Sinne. Vielmehr ermächtigt sie zur konstituierenden Schaffung von solchen Verhaltensregelungen, wie sie denen der aufgrund von § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG möglichen Schutzmaßnahmen entsprechen. Gleichwohl aber enthält § 32 S. 1 IfSG damit eine "unzulässige pauschale Blankovollmacht"[192] zur Strafbewehrung, da der gesetzliche Vorbehalt der Anforderungen der Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG tatsächlich ein völlig leerer und damit bloß formaler Vorbehalt – ein inhaltsleerer Scheinvorbehalt – ist[193]. Es liegt somit bei § 32 S. 1 IfSG in der Sache eine frei blankettierte Entsprechungsklausel vor, die den strafverfassungsrechtlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes aus Art. 103 Abs. 2 GG weder in formalgesetzlicher noch in inhaltlicher Hinsicht gerecht wird, und die überdies auch nicht das "Ausmaß" der Ermächtigung i.S.v. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG erkennen lässt, mithin ebenfalls insoweit verfassungswidrig ist.
Eingedenk dieser Unbestimmtheit entsteht in systematischer Hinsicht und im Verhältnis zur Zitation von § 32 S. 1 IfSG in § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG darüber hinaus Unklarheit über den eigentlichen normativen Gehalt der Verordnungsermächtigung. Handelt es sich bei § 32 S. 1 IfSG um eine zusätzlich zur Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG relativ selbstständig bewehrbare Analogieverweisung oder um eine bloß in Abhängigkeit von § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG unselbstständig bewehrbare Verordnungsermächtigung?[194] Ermächtigt die Verordnungsermächtigung als solche also zum Erlass von typischerweise eigenen sowie von gesetzlichen Inhalten losgelösten Ge- und Verboten, sodass eine selbstständige Bewehrung überhaupt erst möglich ist? Oder ermächtigt sie mit der (blankettierten) Entsprechungsklausel nicht vielmehr lediglich zu solchen Regelungen, die eher in einem engen und daher für sich bloß unselbstständigen Zusammenhang zur Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG stehen? – Während die eigenständige Bewehrung der Verordnungsermächtigung in § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG für die zuerst genannte Möglichkeit spricht, spricht die ggf. unselbstständige Bewehrung der Verordnungsermächtigung in § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG für die zuletzt genannte Möglichkeit. Auch hier lässt das Gesetz sowohl den ministerialbürokratisch unterwiesenen Experten als
auch den gesetzesunterworfenen Gesetzesadressaten in unbestimmter Ratlosigkeit zurück. Die gegenwärtige Praxis der Corona-Pandemiebekämpfung vereint jedenfalls in höchst widersprüchlicher Weise beide Möglichkeiten, indem sie mit § 73 Abs. 1 Nr. 24 IfSG solche Verordnungsregelung selbstständig bewehrt, die inhaltlich umstandslos auch lediglich als Anordnungen nach § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG erlassen werden könnten, mithin ohne die Vorgaben dieser Grundnorm nicht selbstständig erlassen werden und für sich bestehen könnten.
Geschriebenes Merkmal des Blankettstrafgesetzes ist mit dem Verweis auf eine Rechtsverordnung der Landesregierung "nach" § 32 S. 1 IfSG zugleich die Rechtmäßigkeit der in der Rechtsverordnungsregelung angeordneten Schutzmaßnahme.[195] Der Strafrichter hat darum vollständig die formelle sowie materielle Rechtmäßigkeit der Verordnungsregelung zu prüfen, einschließlich insbesondere der strafverfassungsrechtlich notwendigen Bestimmtheit i.S.v. Art. 103 Abs. 2 GG der Verordnungsregelung[196] sowie die Existenz einer Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG entsprechenden Verordnungsermächtigung, woran es im Falle von § 32 S. 1 IfSG mangels Bestimmung des "Ausmaßes" der Ermächtigung, auch mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG, fehlt. Nicht zuletzt bietet sich auch hier die Möglichkeit sowie Notwendigkeit, die bisher verwaltungs- und verfassungsgerichtlich noch nicht überprüfte Gefahrenbehauptung erstmals zu hinterfragen.[197]
Die Bewehrung setzt außerdem den in der Rechtsverordnung für den einzelnen Tatbestand vorgenommenen Rückverweis nach bekanntem Muster voraus.[198] Nicht ausreichend ist dagegen eine bloß pauschale Rückverweisung, etwa global am Ende der Verordnung für alle nicht näher bezeichneten Verhaltensregelungen derselben.[199] Da es sich jedoch stets um eine konstitutive Rückverweisung handeln wird, nach der nicht schon der Gesetzgeber, sondern erst die Exekutive maßgeblich und abschließend über das "Ob" einer Bewehrung entscheidet,[200] eben "soweit" sie überhaupt zurückverweist, dürfte eine rückverweisende Verordnung, und zwar mit der Rückverweisungsklausel des § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG selbst, mangels strafverfassungsrechtlich hinreichender Bestimmtheit verfassungswidrig sein.[201]
Bewehrt ist sodann auch der Verstoß gegen eine auf Grund der Rechtsverordnung nach § 32 S. 1 IfSG ergangene vollziehbare Anordnung. Neben den vorstehenden Voraussetzungen gilt dabei Folgendes:
Die Anordnung muss auf Grund der Rechtsverordnung ergangen sein. Da die Rechtsverordnung auch in dieser Var. 2 für einen bestimmten Tatbestand auf die Blankettnorm des § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG zurückverweisen muss, dürfte lediglich eine solche auf Grund der Rechtsverordnung erlassene Anordnung in Betracht kommen, die ein bereits unmittelbar in der Rechtsverordnung geregeltes Verhaltensgebot oder ‑verbot aktualisiert. In diesem Sinne beruht die Anordnung dann lediglich mittelbar durch die Rechtsverordnung nach § 32 S. 1 IfSG entsprechend auf § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG, und nicht unmittelbar auf dieser Generalklausel, wie richtigerweise im Falle von § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG. Welchen materiellen Mehrwert aber eine solche Verdoppelung der Bewehrungsmöglichkeit einer und eben derselben Handlungspflicht nach Art eines sanktionsrechtlichen Trommelfeuers haben soll, erschließt sich nicht,[202] sodass aus dieser unnötigen Unklarheit ebenfalls ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG resultiert.
Wegen der Vollziehbarkeit dürfte durch die blankettierte Entsprechungsklausel des § 32 S. 1 IfSG zugleich auf §§ 28 Abs. 3, 16 Abs. 8 IfSG verwiesen sein, sodass die Anordnung bereits kraft Gesetzes vollziehbar sein dürfte. Andernfalls wäre eine besondere Anordnung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO erforderlich, sodass ein Gleichlauf im Falle eines Zuwiderhandelns i.S.v. § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 und Nr. 24 IfSG nicht zwangsläufig gewährleistet wäre. Jedoch würde dies wohl dem mit § 32 S. 1 IfSG gesetzgeberisch verfolgten Zweck widersprechen und dürfte daher auch nicht anzunehmen sein.
Weil mit einer vollziehbaren Anordnung aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 32 S. 1 IfSG jedoch bereits ein vollziehbarer Verwaltungsvollstreckungstitel existent ist, der mit Mitteln des Verwaltungszwangsvollstreckungsrechts durchgesetzt werden kann, darf das ggf. als Ordnungswidrigkeit ahndbare Zuwiderhandeln gegen die Anordnung nicht zugleich als Gefahr für die öffentliche Sicherheit nach den allgemeinen polizeirechtlichen Gene-
ralklauseln bekämpft werden.[203] Diese allgemeinen Vorschriften des Polizeirechts sind vielmehr durch die abschließenden Spezialvorschriften der §§ 28 Abs. 1 S. 1, 32 S. 1 IfSG gesperrt. Die sanktionsrechtliche Bewehrung verwaltungsrechtlicher Verhaltenspflichten würde andernfalls im Falle ihrer Nichtbefolgung stets das allgemeine Polizeirecht auf den Plan rufen, sodass sich die Verwaltungsvollstreckung dieser besonderen verwaltungsrechtlichen Verhaltenspflichten kraft sanktionsrechtlicher Bewehrung automatisch ins Polizeirecht verlagern würde.[204]
Auch das ggf. ordnungswidrige Zuwiderhandeln unmittelbar gegen die Rechtsverordnung selbst wird man nicht primär als Gefahr für die öffentliche Sicherheit mit Mitteln des Polizeirechts durchsetzen dürfen, sondern mit der Verfügung einer die Verordnungsregelung aktualisierenden Anordnung aufgrund der Rechtsverordnung, die dann nach vorstehender Vorgehensweise mit Mitteln des Verwaltungszwangs durchsetzbar ist.[205] Jedenfalls wären polizeirechtliche Anordnungen nicht wiederum als Anordnungen i.S.v. § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG nochmals eigens bewehrt.[206] Der scheinbare Sinn oder Unsinn der zusätzlichen Bewehrung des Zuwiderhandelns gegen eine vollziehbare Anordnung auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 32 S. 1 IfSG besteht demnach möglicherweise alleine darin, eine bewehrte und sofort vollziehbare Verhaltenspflicht auch dann generieren zu können, wenn die Rechtsverordnungsregelung rechtswidrig und damit nichtig ist. Allerdings ist auch dies kein statthafter Weg:
Denn die Rechtmäßigkeit der vollziehbaren Anordnung ist mit dem Tatbestandsmerkmal "auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 32 S. 1 IfSG" ein geschriebenes Tatbestandsmerkmal der Ordnungswidrigkeit nach § 73 Abs. 1a Nr. 24 Var. 2 IfSG.[207] Ist dann bereits die Rechtsverordnungsregelung selbst rechtswidrig und daher nichtig, so ist auch eine vermeintlich "auf Grund" dieser nichtigen Rechtsverordnung erlassene Anordnung ihrerseits nicht "auf Grund" einer rechtmäßigen und wirksamen Rechtsverordnung erlassen, d.h. rechtswidrig. Wäre die Rechtmäßigkeit der Anordnung dagegen kein Tatbestandsmerkmal der Ordnungswidrigkeit, könnte die Behörde durch Verfügung rechtswidriger Anordnungen "auf Grund" einer rechtswidrigen und nichtigen Rechtsverordnung auch rechtswidrige Verordnungsregelungen unter gesetzlicher Bewehrung kurzerhand vollstreckbar machen. Dies aber würde behördlichem Rechtsmissbrauch Tür und Tor öffnen.[208]
Da die Bedeutung der Bewehrungsregelung des § 73 Abs. 1 Nr. 6 Var. 3 IfSG mit der dortigen Zitation der Rechtsverordnungsermächtigung des § 32 S. 1 IfSG objektiv schlechterdings unbestimmbar ist (s.o.), lässt sich auch das Verhältnis von § 73 Abs. 1 Nr. 24 Var. 2 IfSG zu § 73 Abs. 1 Nr. 6 Var. 3 IfSG im Falle eines Zuwiderhandelns gegen eine vollziehbare Anordnung objektiv nicht bestimmen. Vielmehr verbleibt lediglich die folgende hypothetische Bestimmung für die beiden einander entgegengesetzten und gleichermaßen durch die Existenz der selbstständigen Bewehrung von § 32 S. 1 IfSG durch § 73 Abs. 1 Nr. 24 Var. 1 IfSG ausgeschlossenen Alternativen:
Handelte es sich bei § 73 Abs. 1 Nr. 6 Var. 3 IfSG mit dem Hinweis auf § 32 S. 1 IfSG um die Zitation einer Analogieverweisung auf § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG, so wäre hiernach auch eine vollziehbare Anordnung nach einer solchen Rechtsverordnung bewehrt, die aufgrund von § 32 S. 1 IfSG in weitgehender Entsprechung zu den Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG erlassen worden wäre. Eine solche Anordnung würde wohl formell einer solchen im Sinne der Bewehrung von § 73 Abs. 1 Nr. 24 Var. 2 IfSG entsprechen, wäre jedoch nicht an die dortige Rückverweisungsklausel gebunden, und müsste insoweit zur Umgehung dieser Restriktion einladen, mithin durch die speziellere Regelung in Nr. 24 gesperrt sein.
Handelte es sich bei § 73 Abs. 1 Nr. 6 Var. 3 IfSG mit dem Hinweis auf § 32 S. 1 IfSG um die unselbstständige Bewehrung dieser Verordnungsermächtigung mit Blick auf vollziehbare Anordnungen in Zusammenhang mit einer solchen Rechtsverordnung, so existierte diese zugleich neben der selbstständigen Bewehrung solcher Anordnungen in § 73 Abs. 1 Nr. 24 Var. 2 IfSG. Mithin
müsste zumindest eine der beiden Bewehrungsregelungen wegen Perplexität nichtig sein, da eine Verordnungsermächtigung nur entweder selbstständig oder unselbstständig bewehrt werden kann. Die Frage der Spezialität einer der beiden Regelungen bestünde insofern nicht länger. Denn eine vollziehbare Anordnung "auch in Verbindung" mit einer Rechtsverordnung nach § 32 S. 1 IfSG ist, anders als eine solche "auf Grund" einer solchen, nicht konstitutiv auf die Rechtsverordnung angewiesen.
Die Frage nach dem Verhältnis beider Bewehrungsregelungen gegenwärtig aufzuwerfen und einer gültigen Beantwortung zuführen zu wollen, setzt demnach für die Regelung in § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG die zumindest implizite Annahme der Zitation einer Analogieverweisung voraus,[209] und zwar, obwohl der Gesetzgeber mit der selbstständigen Bewehrung des Zuwiderhandelns einer Anordnung "auf Grund" einer solchen Rechtsverordnung mit Wirkung erst zum 28. März 2020 zu erkennen gegeben hat, dass er selbst bis dato nicht von einer selbstständigen Bewehrung in § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG ausgegangen ist. Jedenfalls dürfte § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG nach gegenwärtiger Gesetzeslage praktisch keinerlei Bedeutung mehr haben, sofern man nicht lediglich § 73 Abs. 1 Nr. 24 Var. 2 IfSG wegen Perplexität für nichtig erachtet.[210]
Mit der Möglichkeit einer Perplexität der Regelung aus § 73 Abs. 1a Nr. 24 Var. 2 IfSG bei systematischer Auslegung in Verhältnis zur Zitation der Verordnungsermächtigung des § 32 S. 1 in § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG ist die Regelung geeignet, den zuvor herausgearbeiteten Rest an gesetzlicher Bestimmung der blankettierten Bewehrung einer vollziehbaren Anordnung noch weiter in Frage zu stellen.
Zudem erreichen die kaskadenförmigen Verweisungen gerade im Falle einer vollziehbaren Anordnung "auf Grund" einer Rechtsverordnung nach § 32 S. 1 IfSG mitsamt den dazu wiederum gehörigen Weiterverweisungen ins materielle Infektionsschutzverwaltungsrecht ein solches Maß an Unübersichtlichkeit, dass die genaue Reichweite der strafbewehrten Verbote auch unter diesem Aspekt für den Normadressaten kaum jemals erkennbar ist. Dementsprechend hat man es kraft der dynamischen Verweisung in das Recht der Verordnungen, die wiederum durch vollziehbare Anordnungen aktualisiert werden, regelmäßig mit einer nicht mehr ohne weiteres durchschaubaren und möglicherweise auch widersprüchlichen Rechtslage zu tun.[211] Denn aufgrund der dynamischen Verordnungsermächtigung des § 32 S. 1 IfSG, gleichsam "ins Blaue hinein",[212] verändern sich die blankettausfüllenden Verordnungsregelungen mitunter in relativ kurzen Abständen regelmäßig, sodass neue Regelungen hinzukommen, alte Regelungen in Wegfall geraten, wodurch das System der blankettausfüllenden Vorschriften stetiger Unstetigkeit unterworfen ist.[213] In der Folge ist die je tages- und stundenaktuelle Erkenntnis der Rechtslage im Einzelfall selbst einem versierten Verwaltungsjuristen kaum mit Verlässlichkeit möglich.
Wenn damit aber der auf diese Weise schließlich vorprogrammierte unvermeidliche Verbotsirrtum i.S.v. § 17 S. 1 IfSG also zum Regelfall zu werden droht,[214] dürfte dies auf ein tieferliegendes Problem als Ursache dieser Erscheinung hinweisen: Das bürgerliche Leben in all seinen Facetten ist im Kern nämlich nicht Unrecht, sondern Recht, sodass es sich auch nicht mit noch so feinsinnig ausgesponnenen An- und Verordnungen ministerialbürokratischer Steuerungsphantasmen verbieten und ins Unrecht setzen lässt:[215] "Der Strafgesetzgeber[…]ist verfassungsrechtlich daran gehindert, im Strafrecht die Normadressaten in ein Dilemma zu versetzen, in dem sie nicht wissen, was rechtens ist, und in dem sie beim Vollzug selbstverständlicher Lebensvollzüge in die Strafbarkeit hineingeraten."[216]
Die vorstehend ausgeführte Untersuchung zeigt, dass das Blankettkonstrukt der §§ 74, 73 Abs. 1a Nrn. 6 und 24
IfSG jedenfalls gegen den strafverfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 (teils i.V.m. Art. 80 Abs. 1 S. 2) GG verstößt, soweit unmittelbar oder mittelbar auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG verwiesen wird. Ähnlich wird es sich auch bei dem – vorstehend nicht untersuchten – Blankettkonstrukt der §§ 74, 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG verhalten, soweit dieses über die Verordnungsermächtigung des § 17 Abs. 4 S. 1 IfSG mittelbar auf die Generalklausel des § 16 Abs. 1 S. 1 IfSG zur Verhütung übertragbarer Krankheiten verweist. Die Frage, ob die (straf‑)verfassungswidrige Bewehrung der Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG zugleich diese Generalklausel selbst verfassungswidrig macht, war jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, wäre aber im Hinblick auf die mit ihr aufgeworfene Thematik der sog. "Normspaltung" bzw. "Normeinheit" eine eigene Untersuchung wert.[217] Der Beitrag bescheidet sich also vorerst damit, lediglich der "rechtsstaatlichen Dystopie" der §§ 74, 73 Abs. 1a Nrn. 6 und 24, 28 Abs. 1 S. 1, 32 S. 1 IfSG die "rechtsstaatliche Utopie"[218] des Art. 103 Abs. 2 GG[219] entgegenzusetzen, der in diesem Fall als "Magna Charta des gesunden Nichtstörers" fungiert.[220]
[1] Strate, Cicero v. 30. April 2020 (abrufbar: https://www.cicero.de/innenpolitik/coronavirus-tod-argument), hat auf die hier angelegte Problematik für Recht und Gesellschaft aufmerksam gemacht: "Zwischen dem modernen Menschen und den Auswüchsen des Mittelalters steht einzig und alleine der Rechtsstaat. Nur er kann verhindern, dass die Bekämpfung einer Epidemie schlimmere Folgen zeitigt als die Krankheit selbst."
[2] "Das Vermögen eines Wesens, seinen Vorstellungen gemäß zu handeln, heißt das Leben." (Kant, Metaphysik der Sitten[1797], Weischedel-Ausgabe[1956], Bd. VIII, S. 315).
[3] Tsambikakis/Kessler, in: Esser/Tsambikakis (Hrsg.), Pandemiestrafrecht (2020), § 1 Rn. 12, 43 f. sprechen zutreffend von einer funktionalistischen Instrumentalisierung des Einzelnen durch das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht.
[4] Vgl. etwa die eindrücklichen Schilderungen bei Fromm VR 2020, 186 ff. – Tatsächlich tritt hier der moderne Anspruch einer Verhaltenssteuerung mittels Rechtsvorschriften in einen unaufhebbaren Gegensatz zum klassischen Anspruch von Recht und Gesetz an menschliches Tun, wobei das Rechtssubjekt lediglich noch als beliebig steuerbares Rechtsobjekt verstanden wird, wenn der Eigenwert seiner Selbstbestimmung beinahe vollständig einer Sanktionsbewehrung unterstellt wird.
[5] Vgl. nur Pohlreich/BK-GG (Sept. 2020), Art. 103 Abs. 2 Rn. 93 unter Hinweis (Fn. 394) auf die entsprechenden Überlegungen Rüpings in der Zweitbearbeitung dieses Kommentars; s. außerdem BMJV (Hrsg.), Handbuch des Nebenstrafrechts, 3. Aufl. (2018), Rn. 48.
[6] Dietmeier, Blankettstrafrecht (2002); Enderle, Blankettstrafgesetze (2000); Ernst, Blankettstrafgesetze und ihre verfassungsrechtlichen Grenzen (2018); Moll, Europäisches Strafrecht durch nationale Blankettstrafgesetzgebung? (1998); Neumann, Das Blankostrafgesetz (1908); Raabe, Der Bestimmtheitsgrundsatz bei Blankettstrafgesetzen am Beispiel der unzulässigen Marktmanipulation (2007); Schützendübel, Die Bezugnahme auf EU-Verordnungen in Blankettstrafgesetzen (2012), S. 59 ff.; Wagner, Die Akzessorietät des Wirtschaftsstrafrechts (2016), Rn. 358 ff.; Weidenbach, Die verfassungsrechtliche Problematik der Blankettstrafgesetze (1965).
[7] Siehe Art. 1 Nrn. 26 lit. b) und 27 des 2. Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite v. 19. Mai 2020, BGBl. I 2020, 1018, 1024; BT-Drs. 19/18967, 61; Lorenz/Oğlakcıoğlu, in: Kießling (Hrsg.), IfSG (2020), Vor §§ 73 ff. Rn. 2; Neuhöfer/Kindhäuser, in: Eckart/Winkelmüller (Hrsg.), Infektionsschutzrecht (2020), § 73 Rn. 3 f.; Putzer HRRS 2020, 445, 449; Rau StV 2020, 722; Tsambikakis, in: Kluckert (Hrsg.), Das neue Infektionsschutzrecht (2020), § 17 Rn. 6.
[8] Die Bedeutung dieser Vorschriften heben hervor auch Häberle/Lutz, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze (231. EL 07/2020), Vor §§ 1 ff. Rn. 1a IfSG; Neuhöfer/Kindhäuser, a.a.O. (Fn. 7 ), § 73 Überblick u. Rn. 21.
[9] Weiterführend Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät bei Straftatbeständen (2016); Wagner, a.a.O. (Fn. 6 ), Rn. 157 ff.
[10] Bülte JuS 2015, 769; Hohmann ZJS 2007, 38, 40; Wagner, a.a.O. (Fn. 6 ), Rn. 357 ff.
[11] Bode/Seiterle, ZJS 2016, 91 ff.; Hohmann ZJS 2007, 38, 40.
[12] BVerfG NJW 1978, 1423, 1424 = BVerfGE 48, 48.
[13] BVerfG NJW 2018, 3091, 3092 = HRRS 2018 Nr. 463; Wessels/Beulke/Satzger, StrafR AT, 50. Aufl. (2020), Rn. 166: "Inkorporationstheorie".
[14] BVerfG NJW 1978, 1423 = BVerfGE 48, 48.
[15] Binding, Die Normen und ihre Übertretung, Bd. I, 4. Aufl. (1922), S. 161 f.
[16] BVerfGE 14, 245, 252.
[17] Zur Unterscheidung un-/echter Blankette siehe BVerfGE 33, 206, 218.
[18] Binding, a.a.O. (Fn. 15 ), S. 161 f.
[19] BVerfG NVwZ-RR 1992, 521; NJW 2018, 3091, 3092 = HRRS 2018 Nr. 463; BGH NStZ-RR 2019, 49, 50 = HRRS 2018 Nr. 1119.
[20] BGH NStZ 1992, 535, 536.
[21] BVerfG NZWiSt 2020, 263, 272 = HRRS 2020 Nr. 549; Wagner, a.a.O. (Fn. 6 ), Rn. 489 ff. m.w.N.
[22] So aber noch Binding, a.a.O. (Fn. 15 ), S. 161 f.
[23] Oben Fn. 19 .
[24] BVerfGE 143, 38, 53 f. = HRRS 2016 Nr. 1112.
[25] BVerfG NZWiSt 2020, 263, 271 = HRRS 2020 Nr. 549.
[26] BVerfG NJW 2018, 3091, 3092 = HRRS 2018 Nr. 463.
[27] BVerfG DVBl. 2007, 1555, 1563 m.w.N.
[28] BVerfG NZWiSt 2020, 263, 270 f. m.w.N. = HRRS 2020 Nr. 549. Mit Blick auf die teils unvermeidliche Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe sind begriffliche Randunschärfen nach st. Rspr. des BVerfG NVwZ 2012, 504, 505 m.w.N. in Ausnahmefällen hinzunehmen: "Jedenfalls im Regelfall muss der Normadressat aber anhand der gesetzlichen Vorschrift voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar oder bußgeldbewehrt ist. In Grenzfällen ist auf diese Weise wenigstens das Risiko einer Ahndung erkennbar[…]." – Fischer, StGB, 68. Aufl. (2021), § 1 Rn. 15 verkehrt diese Formel hingegen sinnentleerend in ihr Gegenteil, wenn er notiert: "Jedenfalls im Regelfall muss aber für den Normadressaten das Risiko einer Bestrafung erkennbar sein […]."
[29] BVerfG NZWiSt 2020, 263, 271 = HRRS 2020 Nr. 549.
[30] BVerfG NZWiSt 2020, 263, 272 = HRRS 2020 Nr. 549.
[31] BVerfG NZWiSt 2020, 263, 271 f. = HRRS 2020 Nr. 549.
[32] BVerfG NZWiSt 2020, 263, 272. = HRRS 2020 Nr. 549.
[33] D.h. die oben (Fn. 28 ) zitierte Absenkung des Bestimmtheitserfordernis auf die Erkennbarkeit eines Risikos der Ahndbarkeit in Ausnahmefällen gilt bloß für die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, nicht aber für die Verwendung von Blankettverweisen.
[34] BVerfG NZWiSt 2020, 263, 272 m.w.N. = HRRS 2020 Nr. 549 (Hervorhebung des Verf.).
[35] Vgl. auch Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht (1969), S. 258 f.
[36] BVerfGE 33, 206, 218.
[37] Vgl. dazu BGHSt 6, 30, 40.
[38] BVerfGE 33, 206, 218.
[39] BVerfG NZWiSt 2020, 263, 272 m.w.N. = HRRS 2020 Nr. 549.
[40] BVerfG NZWiSt 2020, 263, 271 f. m.w.N. = HRRS 2020 Nr. 549.
[41] BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 101.
[42] Sehr streng Hohmann ZJS 2007, 38, 43 ff.: "generell unzulässig"; ähnlich Bode/Seiterle ZJS 2016, 91, 95; Dannecker/Schuhr/LK-StGB, 13. Aufl. (2020), § 1 Rn. 158 f.
[43] Der Terminus der dynamischen Verweisung geht wohl zurück auf Ossenbühl DVBl. 1967, 401.
[44] BVerfG NZWiSt 2020, 263, 271 f. m.w.N. = HRRS 2020 Nr. 549.
[45] BVerfGE 143, 38, 62 = HRRS 2016 Nr. 1112; BGH StV 2020, 315, 316 ff. = HRRS 2019 Nr. 72 mit Zweifeln hinsichtlich § 95 Abs. 1 Nr. 2a AMG a.F.
[46] BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 102.
[47] BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 130, 428.
[48] Kritisch dazu hinsichtlich dynamischer Verweise auf EG-Recht aber OLG Koblenz NStZ 1989, 188 f.; BayObLGSt 1992, 121, 123 ff.; Enderle, a.a.O. (Fn. 6 ), S. 200, 266; Hassemer/Kargl/NK-StGB, 5. Aufl. (2017), § 1 Rn. 22; Koch ZLR 1989, 199, 202 f.; Remmert/Maunz/Dürig-GG (91. EL 04/2020), Art. 103 Abs. 2 Rn. 115; Satzger/Langheld HRRS 2011, 460, 463; allgemein für Verfassungswidrigkeit Ossenbühl DVBl. 1967, 401, 403 ff.
[49] BVerfGE 143, 38, 56 m.w.N. = HRRS 2016 Nr. 1112; s.a. Enderle, a.a.O. (Fn. 6 ), S. 180 f.; Niehaus wistra 2004, 206, 208.
[50] BVerfGE 143, 38, 62 m.w.N. = HRRS 2016 Nr. 1112; BVerfG NZWiSt 2020, 263, 276 = HRRS 2020 Nr. 549.
[51] BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 104; s.a. Gaede/AnwK-StGB, 3. Aufl. (2020), § 1 Rn. 16.
[52] BGHSt 42, 219, 222.
[53] Grenzwertig wohl § 39 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F.: BGHSt 59, 80, 84 f. = HRRS 2014 Nr. 183.
[54] BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 108; ausf. Ernst, a.a.O. (Fn. 6 ), S. 129 ff.; Satzger/SSW-StGB, 4. Aufl. (2019), § 1 Rn. 62.
[55] Siehe Schmitz/MüKo-StGB, 4. Aufl. (2020), § 1 Rn. 65; Jäger/SK-StGB, 9. Aufl. (2017), § 1 Rn. 28; Pohlreich, a.a.O. (Fn. 5 ), Art. 103 Abs. 2 Rn. 83.
[56] BVerfGE 110, 33, 61 ff.
[57] BVerfG NZWiSt 2020, 263, 274 f. = HRRS 2020 Nr. 549.
[58] BGH 1 StR 74/75, Urt. v. 15. April 1975, juris Rn. 10.
[59] BVerfG NZWiSt 2020, 263, 272 ff. = HRRS 2020 Nr. 549.
[60] A.A. hinsichtlich § 60 Abs. 4 Nr. 2 lit. a) LFGB VGH Mannheim LMuR 2019, 170, 175 f.; VG Regensburg RN 5 E 19.1890, Beschl. v. 19. November 2019, juris Rn. 43 ff.
[61] BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 450.
[62] BVerfG NZWiSt 2020, 263, 273 f. = HRRS 2020 Nr. 549.
[63] BVerfG NZWiSt 2020, 263, 274. = HRRS 2020 Nr. 549.
[64] Rückverweisungsklausel: "Ordnungswidrig handelt, wer[…]zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist."; Rückverweis: "Ordnungswidrig im Sinne des[…]handelt, wer[…]." – Siehe dazu BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 203 f., 318, 391 ff.
[65] LG Berlin NZWiSt 2016, 112, 116; LG Stade NZWiSt 2017, 320, 325; Freund/MüKo-StGB, 3. Aufl. (2017), Vor § 95 AMG Rn. 54 ff.; ders. ZLR 1994, 261, 286 f.; ders./Rostalski GA 2016, 443, 447 ff.; Volkmann ZRP 1995, 220 ff.; krit. u.a. auch Bülte BB 2016, 3075, 3078 ff.; Dietmeier, a.a.O. (Fn. 6 ), S. 129 ff.; Fischer, a.a.O. (Fn. 28 ), § 1 Rn. 16a; Gaede, a.a.O. (Fn. 51 ), § 1 Rn. 16; Hecker, Europäisches Strafrecht, 5. Aufl. (2015), Kap. 7 Rn. 98; Hilgendorf ZLR 2011, 303, 306/308; Honstetter NZWiSt 2017, 325, 328; Hoven NStZ 2016, 377, 380 ff.; Moll, a.a.O. (Fn. 6 ), S. 38 ff., 59 f., 174 ff., 197 ff.; Remmert, a.a.O. (Fn. 48 ), Art. 103 Abs. 2 Rn. 116; Reus, Das Recht in der Risikogesellschaft (2010), S. 157 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. (2017), Rn. 251; Satzger, a.a.O. (Fn. 54 ), § 1 Rn. 65; Schützendübel, a.a.O. (Fn. 6 ), S. 325 f.; Wagner, a.a.O. (Fn. 6 ), Rn. 521; a.A. dagegen Boch, LFGB-Kommentar, 8. Online-Aufl. (2019), Vor § 59 Rn. 1; ders. ZLR 2017, 317, 321 f.; Brand/Kratzer JR 2018, 422 ff.; Cornelius NZWiSt 2017, 682, 687 f.; Gerhold/BeckOK-OWiG (27. Ed., 01.07.2020), § 3 Rn. 18; Knierim, in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis (Hrsg), Wirtschaftsstrafrecht (2017), Vor §§ 58-61 LFGB Rn. 7; Raum, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), Arzneimittelgesetz, 2. Aufl. (2016), Vor §§ 95-98a Rn. 7; Schmitz, a.a.O. (Fn. 55 ), § 1 Rn. 66; nicht stets wird in der Auseinandersetzung des Problems jedoch hinreichend zwischen Entsprechungs- und Rückverweisungsklausel differenziert.
[66] Siehe dazu Cornelius NZWiSt 2017, 682, 688; Dannecker/Schuhr, a.a.O. (Fn. 42 ), § 1 Rn. 162; Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen (2008), S. 271; Enderle, a.a.O. (Fn. 6 ), S. 187; Schuster, Das Verhältnis von Strafnormen und Bezugsnormen aus anderen Rechtsgebieten (2012), S. 278.
[67] Für eine entsprechende Obligation siehe aber Böse, in: Festschrift für Krey (2010), S. 7 (11 f.).
[68] Zutreffend BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 391: "Die Rückverweisung[…]hat konstitutive Bedeutung,[…]."; Pfohl, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze (219. EGL 04/2018), Vor §§ 95 ff. AMG Rn. 11.
[69] BGHSt 61, 110, 124, 126 f., 129 f. = HRRS 2016 Nr. 248; Cornelius, a.a.O. (Fn. 9 ), S. 407; Enderle, a.a.O. (Fn. 6 ), S. 187, 252; Oğlakcıoğlu/MüKo-StGB, 3. Aufl. (2017), § 29 BtMG Rn. 1611; Schützendübel, a.a.O. (Fn. 6 ), S. 313 ff., 320; für eine Interpretation i.S.e. objektiven Strafbarkeitsbedingung Brand/Kratzer JR 2018, 422, 430.
[70] Krit. auch Freund, a.a.O. (Fn. 65 ), Vor § 95 AMG Rn. 55; ders./Rostalski GA 2016, 443, 451 ff.
[71] So aber anscheinend BGHSt 61, 110, 128 f. = HRRS 2016 Nr. 248, wobei sich jedoch die von ihm genannten Nichtannahmebeschlüsse zu § 33 Abs. 1 AWG a.F. (2 BvR 374/90) sowie § 34 Abs. 1 Nr. 3 AWG a.F. (2 BvR 858/92) nicht mit der verfassungsrechtlichen Problematik auseinandergesetzt haben. Selbiges gilt letztlich auch für die Beschlüsse des BVerfG zu § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB (NZWiSt 2020, 263 ff. = HRRS 2020 Nr. 549) sowie zu § 10 Abs. 1, 3 RiFlEtikettG (BVerfGE 143, 38, 58 f./60 ff. = HRRS 2016 Nr. 1112). Insbesondere im letztgenannten Beschluss hat sich das BVerfG hinsichtlich Art. 103 Abs. 2 GG lediglich mit der Bezeichnungsklausel des § 10 Abs. 3, nicht aber mit der Rückverweisungsklausel des § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG auseinandergesetzt (ähnlich wie hier Sinn ZJS 2018, 381, 384 f.; a.A. insoweit Bülte BB 2016, 3075, 3078 ff.; Hecker NJW 2016, 3653; Honstetter NZWiSt 2017, 325, 327; Martell/Wallau ZLR 2017, 67, 70 f.; krit. zu dieser Deutung Brand/Kratzer JR 2018, 422, 431; Cornelius NZWiSt 2017, 682, 687 ff.).
[72] Vgl. BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 427, 439, 441 ff., 453 ff.
[73] BVerfGE 143, 38, 59 = HRRS 2016 Nr. 1112.
[74] Nachdem COVID‑19 als Krankheit und SARS‑CoV‑2 als Krankheitserreger erst seit dem 23. Mai 2020 in § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. t) bzw. § 7 Abs. 1 Nr. 44a IfSG gelistet sind, besteht die Möglichkeit der Strafbarkeit gemäß § 74 IfSG in diesem Zusammenhang auch erst seit diesem Datum. Denn die Rechtsverordnungsermächtigung des § 15 Abs. 1 und 3 IfSG zur Erweiterung der gesetzlichen Liste der meldepflichtigen Krankheiten bzw. Krankheitserreger war bis zum 19. November 2020 noch nicht in § 74 IfSG aufgeführt; der Gesetzgeber (BT-Drs. 19/23944, 39) hat dies nunmehr "aus Gründen des Bestimmtheitsgrundsatzes" nachgeholt. Die anfängliche Auflistung von COVID‑19 bzw. SARS‑CoV‑2 bis zum 23. Mai 2020 durch § 1 CorViMV (v. 30. Januar 2020, BAnZ AT 31.01.2020 V1) führte somit noch nicht zur Anwendbarkeit von § 74 IfSG a.F. (zutr. Peglau jurisPR-StrafR 7/2020 Anm. 1; Rixen NJW 2020, 1097, 1101; Ruppert medstra 2020, 148, 151 f.; Tsambikakis/Kessler, a.a.O.[Fn. 3 ], § 1 Rn. 70‑77; Weißenberger HRRS 2020, 166, 179; begründungslos a.A. Lutz, IfSG, 2. Aufl. [2020], § 74 Rn. 4).
[75] § 21 Abs. 1 S. 1 OWiG i.V.m. § 15 StGB; nicht anwendbar ist § 18 StGB, da dieser nur für die Qualifikation von Straftatbeständen gilt (BMJV, a.a.O.[Fn. 5 ], Rn. 334).
[76] BT-Drs. 14/2530, 90 i.V.m. 3/1888, 30; für eine rein objektive Bestimmung ohne die subjektive Komponente Neuhöfer/Kindhäuser, a.a.O. (Fn. 7 ), § 74 Rn. 26 f.; Ruppert medstra 2020, 148, 151; für eine rein objektive Bestimmung auch der subjektiven Komponente Deutscher StRR 2020, 5, 15; Häberle/Lutz, a.a.O. (Fn. 8 ), § 74 Rn. 4; Lorenz/Oğlakcıoğlu, a.a.O (Fn. 7 ), § 74 Rn. 3 f.; Lutz, a.a.O. (Fn. 74 ), § 74 Rn. 4; Rau StV 2020, 722, 723; ders., in: Schmidt (Hrsg.), COVID‑19 Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2. Aufl. (2020), § 19 Rn. 17; Tsambikakis/Kessler, a.a.O. (Fn. 3 ), § 1 Rn. 78.
[77] BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 5, 224, 322, 324 ff., 329 ff. – Einen etwaigen Rückverweis der ausfüllenden Rechtsverordnung auf den Straftatbestand fordert § 74 IfSG nicht, sodass ein solcher bloß deklaratorische Wirkung haben würde (a.a.O., Rn. 411 f.).
[79] Als teilweises Surrogat für (die Androhung und Durchsetzung von) Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen?
[80] Vgl. Tsambikakis, a.a.O. (Fn. 7 ), § 17 Rn. 2 f.: "Dabei ist es für ein Sicherheitsgesetz, das präventiv wirken soll, durchaus ungewöhnlich, dass es so viele (repressive) Straf- und Ordnungswidrigkeitenstatbestände enthält. Die Tatbestände bestimmen keinen eigenständigen Unrechtsgehalt, sondern stellen vorgelagerte Teile des IfSG unter strafrechtlichen Geltungsschutz."; krit. auch Tsambikakis/Kessler, a.a.O. (Fn. 3 ), § 1 Rn. 6 f., 12.
[81] Neuhöfer/Kindhäuser, a.a.O. (Fn. 7 ), § 74 Rn. 28.1; Lorenz/Oğlakcıoğlu, a.a.O (Fn. 7 ), § 74 Rn. 5; Rau StV 2020, 722, 723; ders., a.a.O. (Fn. 76 ), § 19 Rn. 17; Ruppert medstra 2020, 148, 151.
[82] Mit dem Begriff der "Anordnung" werden gemäß BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 116 stets nur Verwaltungsakte angeknüpft. Zu Beginn der Corona-Krise wurde dies teils jedoch verkannt, vgl. Deutscher StRR 2020, 5, 12 ff.; Rau, a.a.O. (Fn. 76 ), § 19 Rn. 13, 21.
[83] Deutscher ZAP 2020, 489, 491; Lorenz/Oğlakcıoğlu KriPoZ 2020, 108, 110 ff.; Rau StV 2020, 722; ders., a.a.O. (Fn. 76 ), § 19 Rn. 3; Ruppert medstra 2020, 148, 150; Tsambikakis, a.a.O. (Fn. 7 ), § 17 Rn. 3.
[84] Oben III. 2. a).
[85] Oben III. 2. c).
[86] Oben III. 2. b).
[87] Für eine Bewehrung (de lege lata) von § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG durch § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG im Falle "strenger Maßnahmen" hat sich zu Beginn der Corona-Krise – in völlig freier Rechtsfindung – Schulz-Merkel, in: Kroiß (Hrsg.), Rechtsprobleme durch COVID-19 (2020), § 3 Rn. 43 ff. ausgesprochen.
[88] BGBl. I. 2020, 587, 590.
[89] Z.B. BayStGMP, Allgemeinverfügung v. 20. März 2020, Az.: Z6a-G8000-2020/122-98, Ziff. 4.
[90] Freilich wurde dieser Beweggrund nicht offengelegt, BT-Drs. 19/18111, 24; zu den unhaltbaren Zuständen dieser umstandslosen Kriminalisierung ganzer Landesbevölkerungen siehe aber schon Heuser RD v. 23. März 2020 (online abrufbar: https://www.regensburg-digital.de/corona-ausgangssperre-in-bayern-beginnt-die-strafbarkeit-seit-samstag-jenseits-der-schwelle-der-wohnungstuer/23032020/).
[92] Zur Anwendbarkeit Putzer HRRS 2020, 445, 449 f.
[93] Vgl. BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 131.
[94] Insbesondere nachdem die Nennung der §§ 28 Abs. 1 S. 2, 30 Abs. 1 S. 2, 31 IfSG mit Wirkung zum 23. Mai 2020 nicht länger in § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG a.F., sondern in § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG n.F. erfolgt (BGBl. I 2020, 1018, 1024), und § 29 Abs. 2 S. 2 IfSG bereits zuvor gesondert in § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG genannt war.
[95] A.A. offenbar Putzer HRRS 2020, 445, 449, wenn er ohne weiteres davon ausgeht, eine Folgeänderung des § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG sei nicht erforderlich gewesen.
[96] Zu diesem Maßstab schon oben Fn. 32 .
[97] BGBl. I. 2020, 587, 590; BT-Drs. 19/18111, 25.
[98] Allerdings kommt eine Sanktionierung bis zum 23. Mai 2020 als Straftat überhaupt noch nicht in Betracht (oben Fn. 74 ).
[99] Zu diesem Maßstab oben Fn. 32 .
[100] Zu diesem Maßstab oben Fn. 34 .
[101] BVerfG NJW 1989, 1663 = BVerfGE 78, 374.
[102] BVerfG NJW 1989, 1663 = BVerfGE 78, 374.
[103] BVerfG GRUR 2001, 266, 270; DVBl. 2007, 1555, 1564; NVwZ 2012, 504, 505.
[104] BGHSt 62, 223, 232 f. = HRRS 2017 Nr. 968.
[105] Lorenz COVuR 2020, 613, 614; ders./Oğlakcıoğlu KriPoZ 2020, 108, 111; dies., a.a.O (Fn. 7 ), Vor §§ 73 ff. Rn. 15-17; s.a. schon Heuser StV 2020, 426, 428 f.; ferner krit. auch Pschorr jurisPR-StrafR 10/2020 Anm. 3; Tsambikakis, a.a.O. (Fn. 7 ), § 17 Rn. 7; ders./Kessler, a.a.O. (Fn. 3 ), § 1 Rn. 17; tendenziell für die hinreichende gesetzliche Bestimmtheit Gaede, in: Ulsenheimer/Gaede (Hrsg.), Arztstrafrecht, 6. Aufl. (2021), Teil 16 Rn. 1746, der jedoch (Rn. 1748) darauf hinweist, dass auch die Umsetzung an Art. 103 Abs. 2 GG zu messen ist.
[106] Vgl. zur Problematik einer örtlichen Eingrenzung nur Johann/Gabriel, in: Eckart/Winkelmüller (Hrsg.), Infektionsschutzrecht (2020), § 28 Rn. 19; Kießling, in: Kießling (Hrsg.), IfSG (2020), § 28 Rn. 11; Kluckert, in: Kluckert (Hrsg.), Das neue Infektionsschutzrecht (2020), § 2 Rn. 163.
[107] Den die Risikoanalyse "Pandemie durch Virus Modi-SARS" ( BT-Drs. 17/12051, 68 f.) offenbar auch in Zeiten einer Pandemie noch für vorrangig anwendbar vor § 28 IfSG erachtet.
[108] Volkmann NJW 2020, 3153, 3159 m.w.N.
[109] Man muss sich vor Augen führen, dass z.B. der VerfGH Saarland NVwZ-RR 2020, 514, 518 hinsichtlich des auf § 28 Abs. 1 IfSG gestützten Ausgangsverbots von einer sanktionsbewehrten Freiheitsberaubung gegenüber den Bürgern gesprochen hat.
[110] Siehe schon oben eingangs unter IV. 1. b).
[112] BT-Drs. 8/2468, 27.
[113] Siehe zutr. krit. mit Blick auf Gesetzesvorbehalt und Gewaltenteilung aber schon BVerfGE 8, 27, 325: "Das Gesetz muß die Tätigkeit der Verwaltung inhaltlich normieren und darf sich nicht darauf beschränken, allgemein gehaltene Grundsätze aufzustellen. Eine lediglich formelle rechtsatzmäßige Bindung der Eingriffsverwaltung genügt nicht. Eine ‚vage Generalklausel‘, die es dem Ermessen der Exekutive überläßt, die Grenzen der Freiheit im einzelnen zu bestimmen, ist mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht vereinbar."
[114] BGBl. I 1979, 2262 ff.; BT-Drs. 8/2468, 32.
[115] Volkmann NJW 2020, 3153, 3156, der zutr. von einer "Ermächtigung für alles und jedes" spricht; zum Schutzmaßnahmenerfindungsreichtum der Exekutive vgl. nur Kießling, a.a.O. (Fn. 106 ), 2020, § 28 Rn. 25 ff., 54 ff., § 32 Rn. 17 ff.; Lutz, a.a.O. (Fn. 74 ), § 28 Rn. 5, § 32 Rn. 1 ff.
[116] BVerfG NVwZ 2012, 504, 505.
[117] Die im Verlauf der Corona-Krise in großer Zahl ergriffenen und teils kurzerhand aus dem kommunistischen China importierten nicht-pharmakologischen Maßnahmen (wie z.B. Ausgangsverbote und dergl. mehr) finden bekanntlich nicht einmal Erwähnung im nationalen Pandemieplan, vgl. RKI (Hrsg.), Nationaler Pandemieplan, Teil II: Wissenschaftliche Grundlagen (2016), S. 75 ff.; ebenso wurden sie auch in der sehr aufschlussreichen Risikoanalyse "Pandemie durch Virus Modi-SARS" ( BT-Drs. 17/12051, 5, 55 ff., insb. 59, 61 f., 68 f.) nicht ansatzweise erwogen.
[118] BVerfG DVBl 2007, 1555, 1564.
[119] BVerfG DVBl 2007, 1555, 1564.
[120] Entgegengesetzt aber Weißenberger HRRS 2020, 166, 170 f.
[121] Vgl. schon oben Fn. 33 , 28 .
[122] Vorgängerregelung des heutigen § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG.
[123] Vorgängerregelung des heutigen § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG.
[125] BT-Drs. 8/2468, 27 f., 32.
[126] Vgl. Putzer HRRS 2020, 445, 447.
[127] Oben Fn. 97 .
[128] Die erstmalige Zitation der Verordnungsermächtigung des § 32 S. 1 IfSG durch die §§ 73 Abs. 1a Nr. 6, 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG mit Wirkung zum 1. Januar 2002 erfolgte entweder als – wohl gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoßende – Zitation einer Analogieverweisung oder als lediglich unselbstständige Bewehrung dieser Verordnungsermächtigung, und zwar mit der für beide Fälle gesetzgebungstechnisch verwendeten Formulierung "auch in Verbindung mit" (ausführlich s.u.). Sanktioniert war jedenfalls so oder so lediglich ein Verstoß gegen eine vollziehbare Anordnung, nicht aber ein solcher unmittelbar gegen die Rechtsverordnung.
[129] So aber Pschorr JuWissBlog Nr. 67/2020, abrufbar: https://www.juwiss.de/67-2020/.
[130] Aus "Gründen der Normenklarheit" hat der Gesetzgeber (BT-Drs. 19/18111, 9 f., 25) den Satzteil "einer größeren Anzahl von Menschen" mit Wirkung zum 28. März 2020 aufgehoben, sodass fortan bis zur Änderung des § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG mit Wirkung zum 23. Mai 2020 (oben Fn. 94 ) ggf. auch soziale Kontakte zwischen zwei oder mehr Personen als Straftat gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG geahndet werden konnten – ein verfassungsrechtlich freilich kaum haltbarer Zustand.
[131] BT-Drs. 14/2530, 74 f., 89 f.
[132] S.o. IV. 1. a).
[133] BT-Drs. 19/23944, 27.
[134] Zutr. schon VerfGH Saarland NVwZ-RR 2020, 514, 518: "Absolute Zahlen einer Zunahme von Infektionen mit dem Sars-Cov2-Virus belegen nichts[…]. Sie sind[…] aussageleer. Steigt die Zahl der Infizierten, kann das auf vielerlei Gründen beruhen: Die Zahl der Infizierten und Kranken wird von den Gesundheitsbehörden derzeit in kein Verhältnis zur Zahl der Getesteten und Nichtgetesteten gesetzt." – Zur offenen Kalkulation einer eher flexiblen Handhabung der absoluten Zahl der durchgeführten Tests siehe S. 14 des ursprünglich als "VS" eingestuften Szenarienpapiers des BMI mit dem Titel "Wie wir COVID‑19 unter Kontrolle bringen" (abrufbar: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2020/corona/szenarienpapier-covid19.pdf;jsessionid=DCCC0008BA82D0B7CFBCF9B678393DC6.1_cid287?__blob=publicationFile&v=6): "Sobald die geschätzte nötige Testkapazität erreicht ist, wird die Anzahl neu gefundener Fälle pro Tag zunächst hochschnellen. Wenn die Schätzung richtig war, kommt sie nach der Zeitspanne (z.B. nach 10 Tagen) wieder herunter. Wenn nicht, war die nötige Testkapazität unterschätzt und muss dringend hinaufgeschraubt werden, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen."
[135] BVerfG NJW 1989, 1663, 1665 = BVerfGE 78, 374 (Hervorhebung des Verf.).
[136] BayVerfGH BayGVBl. Nr. 1/1952, 6 ff.; BayGVBl. Nr. 12/1953, 75 ff.
[137] BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 87.
[138] BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 144.
[139] S.o. IV. 1. b) aa).
[140] Vgl. schon oben Fn. 108 ; so aber neben der verwaltungs- und verfassungsgerichtlich gebilligten Praxis seit Mitte März 2020 insbesondere auch Kießling, a.a.O. (Fn. 106 ), § 28 Rn. 4 ff. m.w.N. (einschr. jedoch dies. VerfBlog 2020/11/04, abrufbar: https://verfassungsblog.de/was-verlangen-parlamentsvorbehalt-und-bestimmtheitsgebot/); a.A. jüngst aber AG Dortmund 733 OWi – 127 Js 75/20 – 64/20, Urt. v. 2. November 2020, juris Rn. 29, 36 ff.
[141] BT-Drs. 8/2468, 27.
[142] Zutr. Gerhardt, IfSG, 3. Aufl. (2020), § 28 Rn. 18.
[143] Erinnert sei etwa mit Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre (1796), § 3 Cor. 1., nur einmal an eine der geistigen Grundlagen unserer Gesellschaft: "Der Mensch (so alle endlichen Wesen überhaupt) wird nur unter Menschen ein Mensch; und da er nichts anderes sein kann, denn ein Mensch, und gar nicht sein würde, wenn er dies nicht wäre – sollen überhaupt Menschen sein, so müssen mehrere sein."
[144] Fleischfresser, in: Kluckert (Hrsg.), Das neue Infektionsschutzrecht (2020), § 13 Rn. 22 f. spricht in diesem Zusammenhang affirmativ von der "Steuerung des ‚Herunterfahrens‘ des öffentlichen Lebens" sowie der "bislang beispiellosen Steuerung des gesamten gesellschaftlichen Lebens".
[145] BGBl. I 1961, 1012 ff.; BT-Drs. 3/1888, 27, 31.
[146] So z.B. die Bayerische Staatsregierung unter: https://www.corona-katastrophenschutz.bayern.de/faq/index.php.
[147] BVerfG NZWiSt 2020, 263, 271 m.w.N. = HRRS 2020 Nr. 549; BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 15.
[148] Siehe zuletzt wieder BVerfG NZWiSt 2020, 263, 274 f. = HRRS 2020 Nr. 549; krit. zum sog. Expertenstrafrecht etwa Bode/Seiterle ZJS 2016, 91, 94; Hohmann ZJS 2007, 38, 47.
[149] Vgl. Lutz, a.a.O. (Fn. 74 ), § 28 Rn. 5, § 73 Rn. 3.
[150] Siehe dazu exemplarisch Lorenz/Oğlakcıoğlu KriPoZ 2020, 108, 113 m.w.N.
[151] Formulierung nach dem Muster des BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 116.
[152] BVerfG DVBl 2007, 1555, 1564.
[153] Putzer HRRS 2020, 445, 446 f.; Weißenberger HRRS 2020, 166, 173 f.
[154] Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. (2020), § 35 Rn. 162.
[155] Vgl. i.E. auch VG München COVuR 2020, 163, 164 f.; NVwZ 2020, 651, 653.
[156] Tatsächlich ist dies in Zusammenhang mit den Corona-Schutzmaßnahmen bereits geschehen. So haben Bayerische Verwaltungsgerichte (z.B. das VG Würzburg W 4 S 20.457, Beschl. v. 6. April 2020, juris) den Antragstellern in einigen gegen die ersten Allgemeinverfügungen gerichteten Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO Rechtsschutz mit dem zynisch anmutenden Argument verwehrt, dass die zeitgleiche Regelung in einer Rechtsverordnung das Rechtsschutzbedürfnis entfallen lässt.
[157] So i.E. auch Gaede, a.a.O. (Fn. 105 ), Teil 16 Rn. 1744; Lorenz/Oğlakcıoğlu, a.a.O (Fn. 7 ), Vor §§ 73 ff. Rn. 7; dies. KriPoZ 2020, 108, 111 f.; Makepeace GA 2020, 485 ff.; Putzer HRRS 2020, 445, 450 f.; Weißenberger HRRS 2020, 166, 174 ff.
[158] BVerfG GRUR 2001, 266, 270; DVBl 2007, 1555, 1564; NVwZ 2012, 504, 505 m.w.N.
[159] Neuhöfer/Kindhäuser, a.a.O. (Fn. 7 ), § 73 Rn. 9.1.
[160] Eine unbestimmte Anordnung wäre dabei übrigens nicht nur rechtswidrig, sondern auch nicht vollziehbar; dazu auch Schuster, a.a.O. (Fn. 66 ), S. 290.
[161] So geht – um nur einen möglichen Ansatzpunkt eines aufgekommenen Zweifels zu benennen – z.B. aus der Metastudie von Ioannidis, WHO-Bulletin, Article ID: BLT.20.265892 (abrufbar: https://www.who.int/bulletin/online_first/BLT.20.265892.pdf) hervor, dass die Infektionssterblichkeitsrate tatsächlich erheblich niedriger liegt als in den politisch wirksam gewordenen Schätzungen. Und die rund 10 Millionen Probanden umfassende Studie von Cao/Gan et al., Nature – Commun 11, Nr. 5917 (2020), kommt z.B. zu dem Ergebnis, dass es im chinesischen Wuhan keine infektiösen asymptomatisch Infizierten gab (abrufbar: https://www.nature.com/articles/s41467-020-19802-w#citeas).
[162] Dazu schon eingangs von IV.
[163] Vgl. oben Fn. 77 .
[164] BVerfGE 87, 399, 407 f.; s.a. BVerfG 1 BvR 1791/14, Beschl. v. 29. Juni 2016, juris = HRRS 2016 Nr. 732; 1 BvR 1090/06, Beschl. v. 30. April 2007, juris Rn. 32 = HRRS 2007 Nr. 1022: "Der Bürger darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Grundrechtsschutz sich in einem Rechtsstaat über die Beachtung der maßgebenden Gesetze durch die eingreifende Staatsgewalt verwirklicht. Soll bei der nachträglichen Ahndung des Verhaltens eines Bürgers gleichwohl vom Erfordernis der Rechtmäßigkeit der Amtshandlung abgesehen werden, bedarf dies besonderer Gründe."
[165] Aus der Entscheidung BGHSt 23, 86 ff. betreffend ein Verkehrszeichen folgt daher für § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG nichts anderes; dies gilt ferner auch für weitere Entscheidungen, etwa VerfGH Berlin VerfGH 37/02, Beschl. v. 13. April 2005, juris Rn. 12-17; BGHSt 31, 314 ff.
[166] Häberle/Lutz, a.a.O. (Fn. 8 ), § 28 Rn. 9 ff. (die sich sogar zu der Behauptung versteigen, an der Rechtmäßigkeit der bisherigen Corona-Maßnahmen bestünden keine Zweifel); Lutz, a.a.O. (Fn. 74 ), § 28 Rn. 5, § 73 Rn. 9b-c; Peglau jurisPR-StrafR 7/2020 Anm. 1; Rau, a.a.O. (Fn. 76 ), § 19 Rn. 7.
[167] Vgl. z.B. auch Rau, a.a.O. (Fn. 76 ), § 19 Rn. 21.
[168] BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 133, 135.
[169] BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 211.
[170] BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 133.
[171] Siehe dazu aber bereits oben IV. 1. b) aa) (2).
[172] § 69 Abs. 1 Nr. 4 BSeuchG ( ≙ § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG) enthielt dementsprechend auch noch keine solche Zitierung des damaligen § 38a BSeuchG ( ≙ § 32 IfSG).
[173] Dazu schon oben; die Motive für die Zitation (BT-Drs. 14/2530, 89 f.) sind im Übrigen unklar.
[174] BGBl. I. 2020, 587, 590.
[175] Vgl. BT-Drs. 19/18111, 10, 25.
[176] Dafür Pschorr jurisPR-StrafR 10/2020 Anm. 3; ders. JuWissBlog Nr. 67/2020 (a.a.O. Fn. 129 ); Putzer HRRS 2020, 445, 448.
[177] BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 200.
[178] BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 200, 210 f.
[179] In dieser Richtung aber Tsambikakis/Kessler, a.a.O. (Fn. 3 ), § 1 Rn. 132, die sogar von einer Konkretisierung der Anordnung selbst durch die Rechtsverordnung ausgehen.
[180] BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 209.
[181] "[…] ermächtigt,[…]auch durch Rechtsverordnungen[…]".
[182] "[…] entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten[…]."
[183] "[…] zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten[…]".
[184] Vgl. BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 209, 211.
[185] Vgl. BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 320.
[186] Vgl. BT-Drs. 14/2530, 90.
[187] Krit. auch Ruppert medstra 2020, 148, 150.
[188] Formulierung nach Lienert HRRS 2017, 265, 269.
[189] Formulierung nach dem Muster des BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 204.
[190] S.o. III. 2. d).
[191] S.o. III. 2. f).
[192] Im o.g. Sinne, III. 2. f).
[193] Vgl. BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 205.
[194] S. dazu schon oben IV. 2. a) (dd); BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 210.
[195] Nicht bewehrt vom Blankettverweis des § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG dürfte eine gemäß § 32 S. 2 IfSG nicht von der Landesregierung, sondern von einer anderen Stelle (vgl. § 9 Nr. 5 BayDelV) erlassene Rechtsverordnung sein. Denn etwas anderes gibt der Wortlaut der Blankettvorschrift jedenfalls nicht eindeutig her.
[196] Siehe dazu schon VerfGH Saarland NVwZ-RR 2020, 514, 518; VerfGH Berlin NJW 2020, 1505, 1507 (Sondervotum Seegmüller/Schönrock); BeckRS 2020, 8314, Rn. 17; BeckRS 2020, 9726, Rn. 17 f.; VerfGH Bayern BeckRS 2020, 11735, Rn. 13 ff.; BayVGH BayVBl. 2020, 516 ff.
[197] S.o. Fn. 161 ; zur "Folgenbeseitigung" im Falle bereits erfolgter Aburteilungen aufgrund von rechtswidrigen Verordnungen siehe Makepeace JR 2020, 542 ff.
[198] Oben Fn. 64 .
[199] Vgl. aber Putzer HRRS 2020, 445, 448.
[200] So konkret auch Putzer HRRS 2020, 445, 448.
[201] Siehe Gaede, a.a.O. (Fn. 105 ), Teil 16 Rn. 1754; i.Ü. s.o. III. 2. e).
[202] BMJV, a.a.O. (Fn. 5 ), Rn. 204 konstatiert lediglich lapidar, es sei "üblich, auch Verstöße gegen Verwaltungsakte auf Grund einer Rechtsverordnung in die Blankettbewehrung einzubeziehen". Dies macht nach zutreffender Ansicht aber wohl überhaupt nur dort Sinn, wo die zu bewehrenden Verhaltensregelungen nicht – wie aber bei § 32 S. 1 IfSG – bereits unmittelbar durch Rechtsverordnung festgelegt werden.
[203] Vgl. Weißenberger HRRS 2020, 166, 172 f.
[204] Die verwaltungsrechtlichen Verhaltenspflichten würden dann mittelbar vermeintlich durch die Bewehrung z.B. mit Bußgeld durchgesetzt, was jedoch nicht der eigentliche Sinn eines Bußgeldes ist (so aber anscheinend Neuhöfer/Kindhäuser, a.a.O.[Fn. 7 ], § 73 Rn. 17), da die Verhängung/Eintreibung eines Bußgeldes nicht automatisch zur Vornahme der pflichtigen Handlung führt. – Gleichsam toxisch wirkt dieser etwas unfreiheitliche Gruß aus der infektionsverwaltungsrechtlichen Giftküche bei unmäßigem Genuss, wenn die Polizeigesetze der Länder – wie z.B. Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 20 BayPAG – für den Fall der bevorstehenden Begehung oder Fortsetzung einer Ordnungswidrigkeit die Möglichkeit eines mehrmonatigen Gewahrsams vorsehen. Denn dann kann es dieser Tage geschehen, dass man für eine im Regelfall mit Geldbuße von 25-250 Euro bedrohte Ordnungswidrigkeit, wie das Nichttragen einer Mund-Nasen-Bedeckung oder das Verlassen der eigenen Wohnung ohne triftigen Grund (so wie ihn die jeweils zugreifenden Polizeibeamten vor Ort definieren[VerfGH Saarland NVwZ-RR 2020, 514, 518: "verfassungsrechtlich nicht statthaft"]), schon einmal für einige Wochen einen ‚Hausarrest de luxe‘ in einer oberfränkischen Justizvollzugsanstalt verleben muss (s. etwa AG Hof XIV 25/20 (L) und XIV 24/20 (L), Beschl. v. 9. April 2020). Wenn mit dieser tendenziell eher weniger verhältnismäßigen Vorgehensweise jedoch die präventivpolizeirechtliche Soße erheblich teurer als der sanktionsverwaltungsrechtliche Braten werden kann, zeigt dies in besonderer Eindrücklichkeit, dass die rechtsstaatlichen Verhältnisse im präventiven Sicherheits- und Infektionsvermeidungsstaat zwischenzeitlich ein wenig verrückt worden sind.
[205] Vgl. aber Weißenberger HRRS 2020, 166, 173.
[206] In diesem Sinne wohl aber Tsambikakis/Kessler, a.a.O. (Fn. 3 ), § 1 Rn. 139.
[207] Vgl. dazu schon oben IV. 2. a) cc); undifferenziert a.A. auch hier (vgl. schon oben Fn. 166 ) etwa Häberle/Lutz, a.a.O. (Fn. 8 ), § 73 Rn. 34; Lutz, a.a.O. (Fn. 74 ), § 28 Rn. 5, § 73 Rn. 34.
[208] Vgl. schon oben Fn. 156 .
[209] Falsch wird die Verhältnisbestimmung schon im Ansatz jedenfalls dann, sofern man unter dem Begriff der vollziehbaren Anordnung i.S.v. § 73 Abs. 1a Nr. 6 Var. 3 IfSG nicht nur einen Verwaltungsakt, sondern fälschlicherweise auch eine Rechtsverordnung begreifen möchte (oben Fn. 82 ), vgl. etwa Rau, a.a.O. (Fn. 76 ), § 19 Rn. 21.
[210] Das Problem einer doppelten Bußgeldsanktionierung ein und ebendesselben Verhaltens stellt sich hier also nicht, vgl. aber Pschorr jurisPR-StrafR 10/2020 Anm. 3; ders. JuWissBlog Nr. 67/2020 (a.a.O. Fn. 129 ); richtig ist jedoch, dass der Gesetzgeber vor dem Hintergrund von Art. 103 Abs. 2, 80 Abs. 1 GG selbst darüber entscheiden muss, ob er eine Verordnungsregelung entweder zum Gegenstand einer Bußgeld- oder eines Strafblanketts machen möchte, sodass ein sog. "Zwei-Tasten-System" unzulässig wäre (BMJV, a.a.O.[Fn. 5 ], Rn. 206).
[211] I.S.v. Fn. 58 .
[212] Vgl. krit. zu einer solchen Verweisungstechnik auch Bode/Seiterle ZJS 2016, 91, 95.
[213] Weiterführend zu der darin liegenden Problematik Köhler, StrafR AT (1996), S. 74: "Mit dem Begriff des Gesetzes (Staates) verbindet sich schließlich eine gewisse Stetigkeit grundlegender Rechtsverhältnisse. Geht es in ständige Änderung über oder löst sich das Gesetzlichkeitsprinzip überhaupt auf, so bezeichnet dies eine Perversion zum Interessenkampfinstrument."
[214] Dass die Unvermeidbarkeit aufgrund der Möglichkeit von Internetrecherchen, medialer Berichterstattung oder schnell verfügbaren Behördeninformationen regelmäßig ausscheiden soll (wie u.a. Lutz, a.a.O.[Fn. 74 ], § 73 Rn. 35; Rau, a.a.O. [Fn. 76 ], § 19 Rn. 32 meinen), muss angesichts zahlreicher Falsch- oder Nichtauskünfte sogar von Seiten der Verwaltung (vgl. oben Fn. 150 ) zurückgewiesen werden (zutr. Lorenz/Oğlakcıoğlu, a.a.O[Fn. 7 ], Vor §§ 73 ff. Rn. 10 m.w.N.; s.a. Tsambikakis/Kessler, a.a.O. [Fn. 3 ], § 1 Rn. 36).
[215] Versucht man dies dennoch, muss sich die Justiz zeitaufwendig mit allerlei kuriosen Fragen herumquälen, bevor sie schließlich im Zweifel ohnehin zu einem Freispruch gelangt. So etwa das AG Stuttgart DAR 2020, 646 f., das darüber zu befinden hatte, ob der Aufenthalt mehrerer nicht zu einem Hausstand gehöriger Personen in einem fahrenden Privatfahrzeug einen verbotenen Aufenthalt dieser Personen im öffentlichen Raum darstellt; siehe ferner auch AG Reutlingen COVuR 2020, 611 ff.; jüngst AG Weimar 6 OWi – 523 Js 202518/20, Urt. v. 11. Januar 2021, juris.
[216] So zutr. Hennecke NZWiSt 2017, 369, 376.
[217] Vgl. dazu einstweilen nur Lorenz/Oğlakcıoğlu, a.a.O (Fn. 7 ), Vor §§ 73 ff. Rn. 5.
[218] Schmidhäuser, in: Gedächtnisschrift für Martens (1987), S. 231, 238 ff.
[219] Zu dessen Kritik und Neuorientierung siehe Gaede, a.a.O. (Fn. 51 ), § 1 Rn. 25 f.
[220] Vgl. v. Liszt ZStW 13 (1893), 325, 357 zur sog. "Magna Charta des Verbrechers".