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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2017
18. Jahrgang
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Von PD Dr. Antje Schumann, Universität Leipzig
Als ein Kennzeichen unserer postmodernen Gesellschaft gilt die Auflösung bzw. Dekonstruktion von Strukturen. Zuweilen ist auch vom sog. postfaktischen Zeitalter die Rede. Nicht mehr Tatsachen und Fakten sind zu belegen und zu interpretieren. Vielmehr wird Wahrheit, losgelöst von der gegenständlichen und dem interpersonalen Beweis zugänglichen Wirklichkeit, durch bloßes Meinen und Sollen, pure Normativität also, geschaffen. Erforderlich für eine solche Art der Konstruktion von Wahrheit ist lediglich die Macht, die eigene Sicht auf die Welt wirksam durchsetzen zu können, indem Gegenstimmen und Zweifel nicht zugelassen oder ignoriert werden. So erspart man sich die Auseinandersetzung mit ihnen. Das war schon vor der Digitalisierung der Gesellschaft so, es erhält jedoch – wie die Diskussion um "Fake-News" zeigt – in der Epoche des World Wide Web noch einmal eine andere Dimension der Erzeugung von Meinungsmacht.
Auch im Strafverfahren geht es bekanntlich um Wahrheit. Hier gilt aber nach wie vor: Der gegenüber einer Person erhobene Tatvorwurf muss durch belastbare Fakten (Tatsachen) zur Überzeugung des Strafgerichts belegt sein. Aufgabe des Gerichts ist es, den – bewiesenen – Sachverhalt anhand des Gesetzes zu prüfen und zu entscheiden, ob das der angeklagten Person vorgeworfene Verhalten einen Straftatbestand erfüllt. Es ist mithin zwischen Fakten/Tatsachen, die bewiesen sein müssen, und der strafrechtlichen Bewertung dieser Fakten durch Auslegung sowie Anwendung des Gesetzes zu trennen. Schließlich ist zu bedenken: In unserer Rechtskultur gibt es – anders als etwa im common law – kein originäres Richterrecht, sondern Grundlage und Grenze bildet stets das formelle Gesetz. Daran zu erinnern ist besonders im Strafrecht wichtig, da hier der Einfluss (verdeckter) moralischer Wertungen von Natur aus sehr groß ist.
Was aber ist unter der scheinbar selbstverständlichen Unterscheidung zwischen Fakten/Tatsachen und ihrer Bewertung konkret zu verstehen? Ein Beispiel: Die Verurteilung wegen vorsätzlicher Tat erfordert den Nachweis der Kenntnis jener Umstände, die die Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes erfüllen (s. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB). Das Gesetz differenziert also zwischen dem abstrakten Merkmal "Vorsatz" als Subsumtionsergebnis und der zu beweisenden konkreten "Kenntnis der Tatumstände". Um eine angeklagte Person wegen eines vorsätzlichen Handelns verurteilen zu dürfen, muss das Gericht neben dem objektiven/äußeren den psychischen Sachverhalt erforschen. Es muss aufklären, ob die Person es sich als (zumindest) möglich vorstellte, mit ihrem Verhalten den Tatbestand einer Verbotsnorm zu verwirklichen. Der Nachweis des normativen Konstrukts Vorsatz setzt forensische Feststellungen zum Vorstellungsbild der Person voraus. So verlangt der Eventualvorsatz im Fall des Totschlags gem. § 212 StGB die Vorstellung der handelnden Person, ihr Verhalten verursache möglicherweise den Tod einer anderen Person und nach ständiger Rechtsprechung das "Billigen" eines solchen tödlichen Verlaufs. Ein Eventualvorsatz liegt dagegen nicht vor, wenn die Person auf das Ausbleiben des tatbestandlichen Erfolgs begründet vertraut hat. Die Kontrollfrage bei der Prüfung des Vorsatzes lautet daher: Liegen Anhaltspunkte vor, die darauf schließen lassen, die angeklagte Person habe ernsthaft darauf vertraut, ihr Verhalten erfülle nicht den Tatbestand einer Verbotsnorm? Denn bei Zweifeln gilt: In dubio pro reo.
Diese – rechtsstaatliche – Vorgehensweise hat der 5. Strafsenat des BGH zuletzt in dem medienträchtigen "Organspende-Fall" gezeigt und damit Augenmaß bewiesen.[1] Leider gilt das nicht für die vorliegende Sache, in der derselbe Senat, in anderer Besetzung, sich vermutlich von einer gewissen Strafwut des Tatgerichts gegen einen – auch unternehmerisch tätigen – Arzt hat anstecken lassen.
1. Der Beschluss des 5. Strafsenats betrifft die komplexe sozial- und medizinrechtliche Materie der Kooperation zwischen Vertragsarzt und Leistungserbringer im Gesundheitswesen mit einer gesellschaftsrechtlichen Dimension. Das Revisionsgericht bestätigt die Verurteilung eines Lieferanten von Kontrastmitteln wegen Betrugs gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen sowie des kaufmännischen Geschäftsführers einer KGaA wegen Beihilfe zum Betrug. Als Zentralfigur des Geschehens erscheint der gesondert verfolgte ärztliche Geschäftsführer der KGaA, der sich im Ausland aufhält, und dessen Verfahren abgetrennt worden ist.
Der für die rechtliche Beurteilung maßgebliche Sachverhalt lässt sich folgendermaßen skizzieren: Der ärztliche Geschäftsführer der KGaA, ein Radiologe, ist als Vertragsarzt tätig und stellt im Rahmen dieser Tätigkeit Verordnungen des sog. Sprechstundenbedarfs an Kontrastmitteln aus. Der kaufmännische Geschäftsführer der KGaA schließt mit dem Lieferanten der Kontrastmittel einen Vertrag über eine stille Gesellschaft am Unternehmen des Lieferanten, und er bestellt sich zum alleinigen Geschäftsführer der stillen Gesellschaft. In das Ausstellen der Verordnungen von Kontrastmittel ist er nicht involviert. Der Lieferant kauft die Kontrastmittel vom Hersteller und erhält Mengenrabatte, die über die stille Gesellschaft der KGaA zu Gute kommen. Die beim Hersteller eingekauften Kontrastmittel stellt der Lieferant samt ärztlicher Verordnungen den Krankenkassen zu einem Festpreis (offizieller Herstellerabgabepreis) in Rechnung. Die Differenz zwischen Einkaufspreis und Festpreis steht dem Lieferanten als "Gewinn" zu.
Die Strafkammer und der 5. Strafsenat sehen in der Weitergabe des vom Hersteller dem Lieferanten gewährten Mengenrabatts über die stille Gesellschaft an die KGaA, deren ärztlicher Geschäftsführer und einziger Kommanditaktionär der Vertragsarzt ist, einen Verstoß gegen das Beteiligungsverbot gem. § 128 Abs. 2 Satz 3, Abs. 6 SGB V. Wegen dieses Verstoßes stelle die Abrechnung der Kontrastmittel durch den Lieferanten einen Betrug gem. § 263 StGB gegenüber und zu Lasten der Krankenkassen dar. Das Tatgericht behandelt den die Verordnungen ausstellenden Vertragsarzt und den die Rechnungen samt Verordnungen bei den Krankenkassen einreichenden Lieferanten als Mittäter eines gemeinschaftlich begangenen Betrugs; §§ 263, 25 Abs. 2 StGB. Im Handeln des kaufmännischen Geschäftsführers der KGaA, der die am Unternehmen des Lieferanten beteiligte stille Gesellschaft gegründet und sich zu deren Geschäftsführer bestellt hat, erkennt es eine Beihilfe zum Betrug; §§ 263, 27 StGB.[2] Das Revisionsgericht korrigiert die rechtliche Beurteilung der Strafkammer insoweit, als es das Ausstellen der Verordnungen durch den Vertragsarzt als Untreue gem. § 266 StGB einstuft. Dieser habe seine
gegenüber den Krankenkassen obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt. Der durch das Einreichen der Rechnungen bei den Krankenkassen durch den Lieferanten verwirklichte Betrug sei für ihn insoweit mitbestrafte Nachtat.[3]
2. Sowohl für das Tatgericht als auch für den 5. Strafsenat erscheint der Vertragsarzt als Zentralfigur einer auf "illegale Gewinne" ausgerichteten Beteiligungskonstruktion.[4] So heißt es zusammenfassend in der Pressemitteilung des BGH: "Nach den Feststellungen des Landgerichts waren beide in ein von einem gesondert verfolgten Arzt erdachtes System eingebunden, durch das bei Verschreibung von Röntgenkontrastmitteln – zum Teil in erheblichen Übermengen – für die von dem Arzt aufgebaute Unternehmensgruppe Kick-Back-Zahlungen in zweistelliger Millionenhöhe zu Lasten der Krankenkassen erwirtschaftet wurden."[5] Liest man das umfangreiche Urteil der Strafkammer und den Beschluss des 5. Strafsenats, dann sieht der Sachverhalt allerdings etwas anders aus; – und die Pressemitteilung ist, was die strafrechtliche Komponente anbelangt, irreführend und in einem wesentlichen Punkt unvollständig.
Den Feststellungen des Tatgerichts und den Ausführungen im Beschluss des 5. Strafsenats lässt sich entnehmen: Es gibt einen in das Ausland geflüchteten Arzt, der als Vertragsarzt tätig gewesen ist, der unternehmerisch gedacht und Visionen vom Aufbau eines national wie international verflochtenen Radiologiezentrums gehabt hat. Im landgerichtlichen Urteil heißt es dazu moralisch (ab‑)wertend: "Nach außen hin präsentierte und charakterisierte er sich ... als jemand, der im ärztlichen Bereich bei aller fachlichen Expertise nicht seriös-zurückhaltend und konservativ auftritt, sondern innovativ betriebswirtschaftlich denkt und dabei neue und ungewöhnliche Wege geht, um sein Imperium expandieren zu lassen."[6]
Wesentlich für die strafrechtliche Beurteilung ist, was die Strafkammer zum Beteiligungsmodell ausführt: Es stammt von einem Juristen, es ist hinsichtlich vorgebrachter rechtlicher Bedenken geprüft, und diese sind als nicht einschlägig eingeschätzt worden.[7] Die rechtliche Zulässigkeit der Beteiligungskonstruktion ist darüber hinaus von mindestens zwei weiteren Juristen, darunter ein spezialisierter Fachanwalt und ein Professor für Medizinstrafrecht, bestätigt worden.[8] Auch der 5. Strafsenat geht in seinem Beschluss davon aus, dass das Beteiligungsmodell von juristischer Hand herrührt und gegenüber den Angeklagten und dem Arzt von mehreren Juristen für rechtlich zulässig erklärt worden ist.[9] Deshalb ist es mehr als ungenau, wenn es in der Pressemitteilung als ein "von einem ... Arzt erdachtes System" bezeichnet wird. Im Übrigen ist auch die "Unternehmensgruppe" der KGaA das Ergebnis des Handelns von Juristen.[10]
3. Vergegenwärtigt man sich die damalige Situation des von der Strafkammer angenommenen "Tatzeitraums" (Juli 2011 bis November 2012), etwa durch einen Blick in die Gesetzgebungsgeschichte des § 128 SGB V, dann ergibt sich: Es handelt sich um eine rechtliche Materie im Bereich der Kooperation im Gesundheitswesen, die im Fluss gewesen und – abgesehen vom vorliegenden Beschluss des 5. Strafsenats – höchstrichterlich bis heute nicht geklärt ist. § 128 SGB V ist als spezielle sozialversicherungsrechtliche Regelung im Jahr 2009 geschaffen worden.[11] Die für den vorliegenden Sachverhalt einschlägige Vorschrift des § 128 Abs. 2 Satz 3 SGB V ist erst seit dem 1. Januar 2012 in Kraft.[12] Noch im Jahr 2015 ist juristisch durchaus unklar, ob und inwieweit ein Verstoß gegen § 128 SGB V Einfluss auf den Zahlungsanspruch des Leistungserbringers hat.[13]
Das Nichtbestehen eines Zahlungsanspruchs gegenüber den Krankenkassen für die vom Lieferanten auf der Grundlage der Sprechstundenbedarfs-Verordnungen erfolgte Abrechnung der Kontrastmittel ist jedoch die Mindestvoraussetzung für die von Tat- und Revisionsgericht verfolgte Betrugskonstruktion wegen Verstoßes gegen § 128 Abs. 2 SGB V. Gleiches gilt für die nach wie vor offene Rechtsfrage der Grenzziehung zwischen erlaubten und verbotenen Beteiligungen von Vertragsärzten an Unternehmen von Leistungserbringern. Es ist Vertragsärzten eben grundsätzlich nicht verboten, sich auch wirtschaftlich zu betätigen. Ein solches Verbot wäre verfassungswidrig.[14] Ebenso wie Krankenkassen dürfen Vertragsärzte "verdienen" und "Gewinne machen".[15] Selbst die Kassenärztliche Bundesvereinigung hält eine (gesellschaftsrechtliche) Beteiligung eines Vertragsarztes am Unternehmen des Leistungserbringers für erlaubt.[16] Wo genau die Grenze der sozialrechtlichen Unzulässigkeit der Beteiligung eines Vertragsarztes an dem Unter-
nehmen des Leistungserbringers verläuft, ist daher eine Rechtsfrage, die durch Auslegung der Vorschrift des § 128 Abs. 2 Satz 3 SGB V zu klären ist. Dabei ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit der gesetzgeberische Wille im Wortlaut der Regelung seinen Niederschlag gefunden hat. Dass dies im Fall des § 128 Abs. 2 SGB V nicht so klar auf der Hand liegt, zeigt bereits die "Kleine Anfrage" der Fraktion DIE LINKE zur Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen vom 8. August 2012.[17]
4. Vor diesem Hintergrund ist es irritierend und höchst bedenklich, wenn die Strafkammer und der 5. Strafsenat den "Tatumstand" der fortlaufenden rechtlichen Beratung weder bei der Frage des Täuschungsvorsatzes noch des Schädigungsvorsatzes oder im Rahmen des nach der Rechtsprechung erforderlichen Vorsatzes hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils erörtert haben. Nach einer Prüfung dieser für den subjektiven Betrugstatbestand erforderlichen Voraussetzungen sucht man im umfangreichen Urteil der Strafkammer vergebens. Für das Tatgericht scheint zu genügen, dass die Angeklagten – entgegen ihrer Einlassung, sie seien aufgrund der rechtlichen Auskunft der Juristen von der Rechtmäßigkeit ausgegangen – nach Auffassung der Strafkammer die "Rechtswidrigkeit"[18] des Beteiligungsmodells erkannt haben.[19] Aufgrund welcher Ergebnisse der Hauptverhandlung sich die Kammer unter Wahrung des Zweifelssatzes über die Einlassung der Angeklagten hinweggesetzt und von deren Erkenntnis überzeugt hat (§ 261 StPO), ist allerdings nicht erkennbar.[20]
a) Im Übrigen ist das den Angeklagten demnach nur unterstellte Vorstellungsbild für die Feststellung vorsätzlicher Begehung eines Betrugs gem. § 263 StGB nicht ausreichend. Vielmehr ist der durch das Gericht zu erbringende Nachweis erforderlich, dass der Lieferant sich bei Einreichung der Rechnungen vorstellte, der geltend gemachte Zahlungsanspruch gegenüber den Krankenkassen bestehe (möglicherweise) nicht, und dies, wie die ständige Rechtsprechung verlangt, "billigte". Zu diesen Voraussetzungen enthält das tatgerichtliche Urteil keine Feststellungen. Dort liest man lediglich, der Angeklagte "erkannte, dass die vorgeschlagene Konstruktion hochwahrscheinlich gegen das gesetzliche Verbot verstieß".[21] Auf welcher Tatsachengrundlage dieses Erkennen beruht haben soll, ist nicht dargelegt.[22] Nicht mehr nachvollziehbar und für die Prüfung des Vorsatzes unergiebig sind darüber hinaus die Erörterungen zu einer nach Ansicht der Strafkammer fehlenden "Gutgläubigkeit"!?[23] Man kann nur ahnen, was das Gericht damit meinen mag. Vor allem aber fehlen die für den Nachweis des Täuschungsvorsatzes erforderlichen Feststellungen, ob und welche Schlussfolgerungen der Lieferant aus der (vom Gericht angenommenen) Vorstellung der "hochwahrscheinlichen" Rechtswidrigkeit der Beteiligungskonstruktion für die Abrechnung der Kontrastmittel bei den Krankenkassen gezogen hat. War ihm bewusst, mit der Abrechnung der Kontrastmittel zugleich wahrheitswidrig (konkludent) zu erklären, eine unzulässige Zuwendung an den Vertragsarzt liege nicht vor? Ist der Lieferant davon ausgegangen, deshalb keinen Zahlungsanspruch gegenüber den Krankenkassen für die von ihm auf der Grundlage der ärztlichen Verordnungen eingekauften und gelieferten Kontrastmittel gehabt zu haben? Hatte er die Vorstellung, die Krankenkassen zu schädigen und der erstrebte Vermögensvorteil sei rechtswidrig? Diese Fragen hätte die Strafkammer stellen und die zu ihrer Beantwortung notwendige Tatsachengrundlage aufklären müssen. Das hat sie nicht getan.
b) Eine eingehende Erörterung der Voraussetzungen des subjektiven Betrugstatbestandes war schon deshalb erforderlich, weil auch im "Tatzeitraum" der Bezug von Kontrastmitteln durch Vertragsärzte in den Ländern unterschiedlich geregelt (gewesen) ist. So darf etwa in Bayern, wo es ebenfalls eine zum Firmengeflecht gehörende Gesellschaft gab, der Vertragsarzt die Kontrastmittel selbst einkaufen und bei den Krankenkassen zu einem vereinbarten Pauschalpreis abrechnen.[24] Der "Gewinn" aus Mengenrabatten steht dem Vertragsarzt zu. Daher
drängt sich der Gedanke auf: Hatten die angeklagten Nichtjuristen davon Kenntnis und, bejahendenfalls, was bedeutet das für den Nachweis eines Täuschungsvorsatzes gegenüber den Krankenkassen? Gleiches gilt hinsichtlich des Schädigungsvorsatzes; denn abgerechnet worden ist bei den Krankenkassen kein überhöhter, sondern der – vereinbarte – offizielle Herstellerabgabepreis.
c) Wenn der 5. Strafsenat hinsichtlich des für den Betrugstatbestand erforderlichen Täuschungsvorsatzes des Lieferanten ausführt "wusste er, dass aufgrund des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot die den Krankenkassen gegenüber geltend zu machenden Vergütungsansprüche tatsächlich nicht entstehen würden",[25] dann ist das eine reine Wertung ohne Tatsachengrundlage. Feststellungen zu einem solchen Vorstellungsbild des Lieferanten enthält das Urteil der Strafkammer nicht. Selbst wenn man, wie es Tat- und Revisionsgericht tun, den auf Täuschung und Irrtum bezogenen Vorsatz bejaht, so folgt daraus nicht zwingend das Vorliegen der weiteren subjektiven Voraussetzungen eines Betrugs gem. § 263 StGB. Ebenso wenig überzeugt, wenn der Senat hinsichtlich eines Verbotsirrtums ausführt: "Rechtfehler (sic) nicht erkennen lässt ebenfalls, dass die Strafkammer ... die Schlussfolgerung gezogen hat, die Angeklagten hätten angesichts ihrer beruflichen Kenntnisse und Erfahrung trotz entsprechender Beschwichtigungen von Rechtsanwälten der H.-Gruppe Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der gesamten Konstruktion gehabt und nicht im Verbotsirrtum gehandelt."[26] Denn auch die Vorstellung "alles sei in Ordnung" kann zu einem Tatumstandsirrtum, § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB, und damit zum Ausschluss bereits des Vorsatzes führen.
Zwischenfazit: Mangels hinreichender Feststellungen zu einem Täuschungs- und Schädigungsvorsatz des Lieferanten sowie einer Kenntnis der Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils und folglich zu einem entsprechenden Vorsatz des kaufmännischen Geschäftsführers der KGaA als Gehilfen wäre das landgerichtliche Urteil auf die Sachbeschwerde (Darstellungsrüge) hin aufzuheben gewesen.
d) Das Revisionsgericht übernimmt – wie es nach den Ausführungen im Beschluss scheint: frei von jeglichem Zweifel – die vom Tatgericht angenommene ‚Wahrheit’, die sich hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes folgendermaßen zusammenfassen lässt: Die Angeklagten gingen von der Rechtswidrigkeit der von einem Juristen stammenden und von weiteren Juristen ihnen gegenüber als rechtmäßig erklärten Beteiligungskonstruktion aus. Eine solche Logik beruht auf zwei möglichen Denkgesetzen: Erstens, es handelt sich bei den angeklagten Nichtjuristen um juristische Genies, die, im Gegensatz zu den beratenden Fachjuristen, über ein Sonderwissen im Bereich der rechtlichen Beurteilung der Kooperation im Gesundheitswesen und möglichen strafrechtlichen Risiken verfügen. Oder zweitens: Die angeklagten Nichtjuristen und die beratenden Juristen haben es auf die "illegalen Gewinne" abgesehen; sie stecken alle unter einer muffigen Decke. Warum sitzen die Juristen als mögliche Beteiligte dann nicht mit im (untergehenden) Boot?
Aber handelt es sich um "illegale Gewinne"? Ist die Rechtswidrigkeit der Beteiligungskonstruktion tatsächlich so offensichtlich, wie Tat- und Revisionsgericht meinen, so dass sie diese Sicht den Angeklagten oktroyieren können? Eine nachvollziehbare Auslegung der fraglichen Vorschrift des § 128 Abs. 2 Satz 3 SGB V anhand der gängigen Gütekriterien (Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck, Historie) liefern beide Gerichte nicht. Für sie steht fest, es handele sich um eine "illegale Umgehung des Verbots der Beteiligung eines Arztes an einem Pharmalieferanten",[27] und die Abrechnung der Kontrastmittel bei den Krankenkassen stelle einen Betrug gem. § 263 StGB dar. Allerdings ist sowohl die Annahme eines Verstoßes gegen das sozialrechtliche Beteiligungsverbot gem. § 128 Abs. 2 Satz 3 SGB V als auch die Betrugskonstruktion, wie zu zeigen ist, gewichtigen rechtlichen Einwänden ausgesetzt.
Vertragsärzten ist es standes- und sozialrechtlich verboten, für ihre Verordnungstätigkeit vom Lieferanten "entlohnt" zu werden.[28] Die einschlägige sozialrechtliche Regelung in § 128 Abs. 2 Satz 3 SGB V lautet: "Unzulässige Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind auch ... Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungserbringern, die Vertragsärzte durch ihr Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich beeinflussen." Nach dem Wortlaut der Vorschrift setzen "Einkünfte" als "unzulässige Zuwendung" demnach voraus: (1) Ein Vertragsarzt muss an dem Unternehmen des Leistungserbringers beteiligt sein, und (2) er muss dieses Unternehmen maßgeblich durch sein Verordnungsverhalten beeinflussen.
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll der Vertragsarzt seine Verordnungstätigkeit "grundsätzlich unbeeinflusst von eigenen finanziellen Interessen" ausüben und nicht von der Ausstellung einer Verordnung, etwa durch Zuwendungen des Leistungserbringers, profitieren können.[29] Was allerdings unter "Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen des Leistungserbringers" des seit 1. Januar 2012 ausdrücklichen Verbots in § 128 Abs. 2 Satz 3 SGB V zu verstehen ist, ist nach wie vor nicht geklärt.[30]
Die Strafkammer und der 5. Strafsenat erkennen eine "Beteiligung" schon in der Stellung des Vertragsarztes als einzigen Kommanditaktionär der KGaA als Holding-Organisation. Der Umstand, dass vorliegend nicht der Vertragsarzt, sondern der – in die Ausstellung der Verordnungen nicht involvierte[31] – kaufmännische Geschäftsführer der KGaA die am Unternehmen des Leistungserbringers beteiligte stille Gesellschaft gegründet und sich zu deren einzigen Geschäftsführer bestellt hat, ist nach Ansicht beider Strafgerichte unbedeutend. Im Ergebnis konstruieren sie über die Struktur der faktischen Holding-Organisation die "Beteiligung" des Vertragsarztes am Unternehmen des Leistungserbringers.
Ob eine solche Auslegung mit dem Wortlaut "Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungserbringern" vereinbar ist, wird nicht erörtert. Durchaus kann der Wortlaut als Grenze der zulässigen richterlichen Interpretation seinem Sinn nach so verstanden werden, dass nur die unmittelbare (gesellschaftsrechtliche) Beteiligung des Vertragsarztes erfasst ist. In diesen Fällen ist ebenfalls die vom Gesetz zusätzlich verlangte maßgebliche Beeinflussung des Unternehmens des Leistungserbringers durch das Verordnungsverhalten des Vertragsarztes denkbar. Die auf Nachfrage des Lieferanten gegebene Auskunft des spezialisierten Fachanwalts, die Beteiligungskonstruktion sei rechtmäßig, weil sich "kein Arzt an der P. GmbH (Unternehmen des Lieferanten, A.S.) beteilige und keine unzulässige Rückvergütung an eine natürliche Person erfolge",[32] ist daher nicht so fadenscheinig, wie es Strafkammer[33] und 5. Strafsenat[34] annehmen.
Ungeachtet der Frage, ob es sich entgegen der Ansicht von Tat- und Revisionsgericht vorliegend überhaupt um einen Verstoß gegen das sozialrechtliche Beteiligungsverbot gem. § 128 Abs. 2 Satz 3 SGB V handelt, hat der Bundesgesetzgeber für Verstöße dieser Art bereits eine Sanktion in § 128 Abs. 3 SGB V vorgesehen.[35] Demnach haben die Krankenkassen das Recht, Verstöße "angemessen" zu ahnden (§ 128 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Für den Fall schwerwiegender und wiederholter Verstöße können "Leistungserbringer für die Dauer von bis zu zwei Jahren von der Versorgung der Versicherten ausgeschlossen" werden.
Verstöße gegen das sozialrechtliche Zuwendungs- und Beteiligungsverbot sind – wie der Blick in die Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 306-307b) im Elften Kapitel des SGB V zeigt – weder bußgeld- noch strafbewehrt. Deshalb hätten die Strafgerichte sich damit auseinandersetzen müssen, ob die Sanktionsnorm des § 128 Abs. 3 SGB V abschließend ist. Für den Charakter einer abschließenden Sanktionsnorm spricht, dass die Ausgestaltung des rechtlichen Verhältnisses zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer sowohl in den Ländern als auch von Krankenkasse zu Krankenkasse divergiert (s. § 127 SGB V). Die zweifelhafte Konsequenz der von Strafkammer und 5. Senat verfolgten Betrugskonstruktion ist daher nicht nur, dass § 128 Abs. 2 SGB V – anders als im SGB V vorgesehen – strafrechtsbegründenden Charakter haben soll, sondern im Ergebnis führte dieser Weg zu einem unterschiedlichen Strafrecht im Bundesgebiet; eine Folge, die Sinn und Zweck der vom Bund wahrgenommenen Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 72 Abs. 1 GG) widerspricht.
Tat- und Revisionsgericht bewerten die durch den Lieferanten vorgenommene Abrechnung der Kontrastmittel bei den Krankenkassen wegen des angenommenen Verstoßes gegen § 128 Abs. 2 Satz 3 SGB V als Betrug gem. § 263 StGB. Maßgeblich für die Täuschung sind für den 5. Strafsenat unter Berufung auf die Strafkammer "die durch die Vorschriften des SGB V geprägten normativen Erwartungen der jeweiligen Krankenkassenmitarbeiter." Danach enthalte die Einreichung von Verordnungen in Zusammenhang mit entsprechenden Rechnungen "regelmäßig die stillschweigende Erklärung, sie seien in geltend gemachter Höhe endgültig angefallen und nicht – wie hier – durch Kick-Back-Zahlungen an den verordnenden Arzt geschmälert..."[36]
Lässt man die vagen Bezeichnungen "normative Erwartung" und "Kick-Back-Zahlungen" einmal beseite, dann lautet die Ausgangsfrage für die hier zu prüfende Täuschungshandlung im Rahmen des Betrugs: Hat der Lieferant mit Einreichnung der Rechnungen samt Verordnungen einen Zahlungsanspruch gegenüber den Krankenkassen geltend gemacht, der ihm (in dieser Höhe) nicht zustand? Eingereicht worden sind Rechnungen für Kontrastmittel, die der Lieferant beim Hersteller eingekauft und samt Verordnungen bei den Krankenkassen abgerechnet hat. Es handelt sich also nicht um "Luftleistungen".[37] Dass der Lieferant den Rechnungen nicht den tatsächlich gezahlten (mit dem Hersteller ausgehandel-
ten) niedrigeren Einkaufspreis zugrundelegte, ist nach der Verkehrsanschauung für die Höhe des Erstattungsanspruchs ohne Belang.[38] Denn der "Rabatt-Betrag" war – auch nach der Ansicht der Strafkammer und des 5. Strafsenats[39] – nicht an die Krankenkassen weiterzugeben. Mit anderen Worten: Auf den sich aus der Differenz zwischen Einkaufs- und abgerechneten Festpreis (offizieller Herstellerabgabepreis) ergebenden "Gewinn" hatten die Krankenkassen keinen Anspruch. Selbst wenn man also die Weitergabe eines (Groß-)Teils dieses "Gewinns" an die KGaA, deren Kommanditaktionär der Vertragsarzt ist, als Verstoß gegen das Beteiligungsverbot gem. § 128 Abs. 2 Satz 3 SGB V beurteilen möchte, folgt daraus nicht automatisch ein Betrug gegenüber den Krankenkassen durch die Abrechnung der Kontrastmittel. Denn der vom Hersteller gewährte Nachlass stand den Krankenkassen (ebenfalls) nicht zu.[40]
Darüber hinaus spricht gegen die Konstruktion eines Betrugs, dass dessen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Tathandlung (§ 8 Satz 1 StGB) vorliegen müssen. Die vom sozialrechtlichen Verbotstatbestand des § 128 Abs. 2 Satz 3 SGB V verlangten "Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen", über die der Lieferant nach Ansicht der Gerichte getäuscht haben soll, können jedoch zum Zeitpunkt der für den Betrug maßgeblichen Tathandlung (Abrechnung der Kontrastmittel bei den Krankenkassen) der Natur der Sache nach beim Vertragsarzt noch nicht vorliegen. § 128 Abs. 2 Satz 3 SGB V fehlt also schon die Abrechnungsrelevanz.
Die Strafkammer hat das Ausstellen der Sprechstundenbedarfs-Verordnungen durch den Vertragsarzt als mittäterschaftlichen Beitrag zum gemeinschaftlich mit dem Lieferanten begangenen Betrug gegenüber den Krankenkassen bewertet; §§ 263, 25 Abs. 2 StGB. Im Unterschied dazu erkennt der 5. Strafsenat im Ausstellen der Verordnungen eine Untreuehandlung gem. § 266 StGB des Vertragsarztes.[41] Die dabei vom 5. Strafsenat unter Berufung auf eine ihrerseits fragwürdige Entscheidung des 4. Strafsenats aus dem Jahr 2016[42] vorgenommene rechtliche Bewertung als Untreue, die voraussetzt, dass der Vertragsarzt gegenüber den Krankenkassen eine Vermögensbetreuungspflicht haben soll, sieht sich erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt,[43] und sie steht in Gegenposition zum sog. Vertragsarztbeschluss des Großen Senats für Strafsachen[44] aus dem Jahr 2012.[45]
Der Beschluss des 5. Strafsenats, der die Verurteilung zu mehrjährigen Freiheitsstrafen bestätigt, beruht auf einem Verfahren, das mit dem Bericht der B-Zeitung über einen "Millionenbetrug gegenüber Krankenkassen" seinen Anfang genommen hat. Es ist ein trauriges Beispiel für Meinungsmacht. Wer die Mühsal auf sich nimmt, das lange Urteil der Strafkammer sorgfältig zu lesen, und wer von der Notwendigkeit einer peniblen Sachverhaltsfeststellung und ihrer Trennung von (präjudizierenden) Wertungen überzeugt ist, und wer die Auslegung anhand der anerkannten Gütekriterien[46] (noch) schätzt, der wird über eine solche gerichtliche Entscheidung erschrocken sein. Das gilt umso mehr für den Beschluss des 5. Strafsenats als unerbittliches Ende dieses Strafverfahrens.
[1] S. BGH 5 StR 20/16 (= HRRS 2017 Nr. 968), Urteil vom 28. Juni 2017, Rn. 47 ff., 58 ff.
[2] S. LG Hamburg, Urteil vom 18. August 2016, Az.: 618 KLs 6/15, S. 4, 5.
[3] S. BGH 5 StR 46/17 (= HRRS 2017 Nr. 975), Beschluss vom 25. Juli 2017, Rn. 56 f., 60.
[4] S. LG Hamburg, Urteil vom 18. August 2016, Az.: 618 KLs 6/15, S. 3: "Die Angeklagten waren beteiligt an Betrugstaten, die der anderweitig verfolgte ... (Vertragsarzt, A.S.) zulasten der gesetzlichen Krankenkassen beging."; s. BGH 5 StR 46/17 (= HRRS 2017 Nr. 975), Beschluss vom 25. Juli 2017, Rn. 10.
[5] Pressemitteilung Nr. 130/17 vom 18. August 2017.
[6] LG Hamburg, Urteil vom 18. August 2016, Az.: 618 KLs 6/15, S. 9.
[7] LG Hamburg, Urteil vom 18. August 2016, Az.: 618 KLs 6/15, S. 23, 27 f.
[8] S. LG Hamburg, Urteil vom 18. August 2016, Az.: 618 KLs 6/15, S. 34, 168.
[9] S. BGH 5 StR 46/17 (= HRRS 2017 Nr. 975), Beschluss vom 25. Juli 2017, Rn. 11, 14, 15. Überraschenderweise taucht das Gutachten des Professors, dem die Strafkammer (S. 168) attestiert hat, "vordergründig die Rechtmäßigkeit der geübten Praxis" zu bescheinigen, im Beschluss des 5. Strafsenats gar nicht auf.
[10] S. LG Hamburg, Urteil vom 18. August 2016, Az.: 618 KLs 6/15, S. 9, 15.
[11] BT-Drs. 16/10609, S. 73. Zu Einzelheiten s. jurisPK-SGB V/Schneider, 2. Aufl. 2012, § 128 Rn. 1, sowie 3. Aufl. 2016, § 128 Rn. 1.
[12] BT-Drs. 17/6906, S. 85; BT-Drs. 17/8005, S. 119; Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht/Nolte, Stand: August 2012, § 128 Rn. 10; Becker/Kingreen/Butzer, SGB V, 4. Aufl. 2014, § 128 Rn. 20.
[13] S. Flasbarth, KrV 2015, S. 148, 149 ff. Beachte auch Becker/Kingreen/Butzer, SGB V, 4. Aufl. 2014, § 128 Rn. 5.
[14] S. Ratzel, in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der deutschen Ärzte (MBO), 6. Aufl. 2015, S. 74 Rn. 15, hinsichtlich § 128 Abs. 2 SGB V.
[15] S. jurisPK-SGB V/Schneider, 2. Aufl. 2012, § 128 Rn. 19, sowie 3. Aufl. 2016, § 128 Rn. 19.
[16] S. die Broschüren der Kassenärztlichen Bundesvereinigung "Richtig kooperieren", 10/2016, S. 10; 12/2012, S. 7.
[17] S. BT-Drs. 17/10440. Beachte auch jurisPK-SGB V/Schneider, 2. Aufl. 2012, § 128 Rn. 7, sowie 3. Aufl. 2016, § 128 Rn. 7, zum unklaren Normzweck des § 128 SGB V.
[18] Zur offenen Frage der "Rechtswidrigkeit" des Beteiligungsmodells s. unten III.
[19] S. LG Hamburg, Urteil vom 18. August 2016, Az.: 618 KLs 6/15, S. 34, 35, 175, 197. Deutlich wird diese Sicht in den Ausführungen zum Vorsatz hinsichtlich der Irrtumserregung (S. 211): "Dass (die Angeklagten, A.S.) bezüglich des durch die Einreichung (der Rechnungen auf der Grundlage der Verordnungen, A.S.) verursachten Irrtums bei den Sachbearbeitern vorsätzlich handelten, ergibt sich zur Überzeugung der Kammer als weitere Folge aus ihrer Kenntnis über die objektive Rechtswidrigkeit der Verordnungen." Die Kenntnis über die objektive Rechtswidrigkeit der Verordnungen folgt für die Kammer wiederum aus der den Angeklagten zugeschriebenen Kenntnis der "Rechtswidrigkeit" der Beteiligungskonstruktion.
[20] A. A. BGH 5 StR 46/17 (= HRRS 2017 Nr. 975), Beschluss vom 25. Juli 2017, Rn. 34 ff.
[21] S. LG Hamburg, Urteil vom 18. August 2016, Az.: 618 KLs 6/15, S. 34. Später (S. 197) heißt es: Der Angeklagte "erkannte auch, dass ... die ... Konstruktion wahrscheinlich trotz der Beteuerungen (des Fachanwalts, A.S.) rechtswidrig war und fand sich wegen des erhofften eigenen finanziellen Vorteils damit ab."
[22] Wenn die Strafkammer ausführt, der angeklagte Lieferant habe hinsichtlich der ihm vorgeschlagenen Beteiligungskonstruktion zunächst spontan entgegnet, "dass dies einem Arzt verboten sei" (S. 34), so genügt eine solche Feststellung für den Nachweis des Täuschungsvorsatzes gegenüber den Krankenkassen nicht. Das gilt umso mehr, weil der Lieferant auf sein Bedenken hin von einem Fachanwalt(!) die anderslautende Auskunft erhalten hat. Vor dem Hintergrund, dass der Normzweck des § 128 SGB V selbst Kommentatoren als im Sozialrecht versierten Jurist(inn)en im "Tatzeitraum" unklar ist (s. jurisPK-SGB V/Schneider, 2. Aufl. 2012, § 128 Rn. 7) zeugt die Aussage der Strafkammer (S. 197), "Man muss kein Jurist sein, um zu verstehen, welchen Sinn die Norm hat", von einer fachlichen Uninformiertheit, wenn nicht sogar gefährlichen Naivität oder Hybris.
[23] S. LG Hamburg, Urteil vom 18. August 2016, Az.: 618 KLs 6/15, S. 194 f.
[24] S. Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und der AOK Bayern – Die Gesundheitskasse[...]vom 1. April 1999, Abschnitt II Nr. 5; Vereinbarung zur Abrechnung von Röntgen-, MRT- und Ultraschallkontrastmitteln (Abschnitt II. 5 der Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf) zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und der AOK Bayern – Die Gesundheitskasse[...]vom 1. April 2010.
[25] BGH 5 StR 46/17 (= HRRS 2017 Nr. 975), Beschluss vom 25. Juli 2017, Rn. 14 a. E.
[26] BGH 5 StR 46/17 (= HRRS 2017 Nr. 975), Beschluss vom 25. Juli 2017, Rn. 39.
[27] BGH 5 StR 46/17 (= HRRS 2017 Nr. 975), Beschluss vom 25. Juli 2017, Rn. 15 a. E.
[28] S. jurisPK-SGB V/Schneider, 2. Aufl. 2012, § 128 Rn. 16, sowie 3. Aufl. 2016, § 128 Rn. 16.
[29] S. BT-Drs. 16/10609, S. 58; Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht/Nolte, Stand: August 2012, § 128 Rn. 10; jurisPK-SGB V/Schneider, 2. Aufl. 2012, § 128 Rn. 34, sowie 3. Aufl. 2016, § 128 Rn. 36.
[30] S. Becker/Kingreen/Butzer, SGB V, 4. Aufl. 2014, § 128 Rn. 20: "auslegungsmäßige Unsicherheiten".
[31] S. LG Hamburg, Urteil vom 18. August 2016, Az.: 618 KLs 6/15, S. 106.
[32] S. BGH 5 StR 46/17 (= HRRS 2017 Nr. 975), Beschluss vom 25. Juli 2017, Rn. 14.
[33] S. LG Hamburg, Urteil vom 18. August 2016, Az.: 618 KLs 6/15, S. 174: "vordergründige Alibi-Floskeln".
[34] S. BGH 5 StR 46/17 (= HRRS 2017 Nr. 975), Beschluss vom 25. Juli 2017, Rn. 37, 39.
[35] Sie gilt nur für den Lieferanten als Leistungserbringer. Für Vertragsärzte ist die – zum 1. Januar 2012 in Kraft getretene – Vorschrift des § 128 Abs. 5a SGB V einschlägig.
[36] S. BGH 5 StR 46/17 (= HRRS 2017 Nr. 975), Beschluss vom 25. Juli 2017, Rn. 45.
[37] Dem Vertragsarzt wird zwar vorgeworfen, bewusst "Übermengen" verordnet zu haben, "um daraus ... illegalen Gewinn zu generieren"; s. LG Hamburg, Urteil vom 18. August 2016, Az.: 618 KLs 6/15, S. 33. Um die "Übermengen" geht es der Strafkammer in diesem Zusammenhang jedoch nicht. Nur angemerkt sei, dass die Strafkammer in ihrer Entscheidung an verschiedenen Stellen ausführt, der Vertragsarzt habe von Anfang an geplant, "weit über das tatsächliche Maß hinausgehende Mengen an Kontrastmitteln zu verordnen"; s. LG Hamburg, Urteil vom 18. August 2016, Az.: 618 KLs 6/15, S. 37, 38, 157, 158. Auf welcher Tatsachengrundlage (Maßstab? Kalkulierender Prognoseplan?) der Arzt vorgegangen sein soll, ist allerdings nicht dargelegt. Insbesondere hat die Strafkammer bei ihrer Wertung geplanter Übermengen den von ihr selbst festgestellten Expansionskurs des "Imperiums" (vgl. S. 9, 13 f.) unberücksichtigt gelassen.
[38] S. BGH 5 StR 405/13 (= HRRS 2015 Nr. 156), Urteil vom 10. Dezember 2014, Rn. 17.
[39] S. LG Hamburg, Urteil vom 18. August 2016, Az.: 618 KLs 6/15, S. 19; BGH 5 StR 46/17 (= HRRS 2017 Nr. 975), Beschluss vom 25. Juli 2017, Rn. 6.
[40] Zu einem Vermögensschaden der Krankenkassen trotz fehlenden Anspruchs auf den Nachlass gelangt die Strafkammer, und der 5. Strafsenat bestätigt diese Rechtsauffassung, durch eine "streng formale Betrachtungsweise"; s. BGH 5 StR 46/17 (= HRRS 2017 Nr. 975), Beschluss vom 25. Juli 2017, Rn. 51, 52. Zur Verfassungswidrigkeit einer rein juristischen Schadenslehre beim Betrug s. Saliger HRRS 2012, 363, 364 ff.
[41] S. BGH 5 StR 46/17 (= HRRS 2017 Nr. 975), Beschluss vom 25. Juli 2017, Rn. 56 f.
[42] BGH 4 StR 163/16 (= HRRS 2016 Nr. 974), Beschluss vom 16. August 2016.
[43] S. T.Schneider HRRS 2017, 231, 233 ff.
[44] BGH GSSt 2/11 (= HRRS 2012 Nr. 612), Beschluss vom 29. März 2012.
[45] S. Leimenstoll MedR 2017, Heft 2, 96 ff.
[46] S. Klaus F. Röhl, Enzyklopädie zur Rechtsphilosophie, Grundlagen der Methodenlehre II, Rn. 19; http://www.enzyklopaedie-rechtsphilosophie.net/inhaltsverzeichnis/19-beitraege/77-methodenlehre2 (27.10.2017).