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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2017
18. Jahrgang
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1. Der dringende Tatverdacht wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB) erfordert – allgemeinen Grundsätzen entsprechend – eine große bzw. hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beschuldigte diese Tat begangen hat. Ein mit hohem Aufwand betriebenes konspiratives Vorgehen kann dabei in Verbindung mit weiteren Indizien (Anfertigung einer vermeintlichen „Liste“ möglicher Anschlagsopfer; Besorgen einer Waffe) geeignet sein, die Annahme der bevorstehenden Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zu rechtfertigen.
2. Bleiben jedoch substanzielle Unstimmigkeiten bei der Einordnung der fraglichen Umstände als Indizien für eine geplante schwere staatsgefährdende Gewalttat, die sich auch nach umfangreichen Ermittlungen nicht beseitigen lassen, sind die Voraussetzungen eines dringenden Tatverdachts hinsichtlich des Delikts nach § 89a StGB regelmäßig nicht erfüllt.
1. Die Anordnung im Sinne des § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB ist an keine bestimmte Form gebunden, sie kann daher auch mündlich oder durch schlüssige Handlung ergehen (vgl. BGHSt 28, 381 mwN). Allerdings erfordert jede Feststellung, ob die Verjährungsfrist abgelaufen ist, eine hierfür ausreichende transparente Entscheidungsgrundlage. Die Voraussetzungen einer verjährungsunterbrechenden Anordnung müssen deshalb den Verfahrensbeteiligten nach ihrem Inhalt und dem Zeitpunkt ihres Ergehens erkennbar sein und von diesen in ihrer Wirkung abgeschätzt werden können (vgl. BGHSt 51, 72, 79).
2. Für die Wirksamkeit der Anordnung, dem Betroffenen die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekannt zu geben, ist es ausreichend, dass sich für deren Zeitpunkt und Inhalt konkrete Anhaltspunkte aus den Akten ergeben und sich so der behördliche Wille zur Vornahme einer Unterbrechungshandlung mit Gewissheit feststellen lässt (vgl. BGHSt 51, 72, 79). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine mündliche Anordnung nur dann eine Unterbrechungswirkung entfalten kann, wenn sie sogleich aktenkundig gemacht wird. Vielmehr kann auch ein später erstellter polizeilicher Vermerk, der zu den Ermittlungsakten des Verfahrens genommen wird, ausreichend sein.
3. Die Unterbrechungswirkung erstreckt sich auf die Tat im prozessualen Sinne, nicht nur auf die einzelne Gesetzesverletzung. Damit ergibt sich die Grenze der Unterbrechungswirkung aus dem objektiven Umfang der Tat, wie sie sich dem Gericht letztlich darstellt. Dagegen ist ohne Bedeutung, wie das die Unterbrechungshandlung vornehmende Strafverfolgungsorgan die Tat beurteilt und ob sich der Sachverhalt oder seine rechtliche Einordnung nachträglich verändern, sofern nur die Identität der Tat gewahrt bleibt (vgl. BGHSt 22, 105, 107).
4. Sämtliche Maßnahmen des § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB bilden eine Einheit, so dass, sobald eine der dort genannten Unterbrechungshandlungen durchgeführt worden ist, die Verjährung durch eine andere der in Nr. 1 aufgezählten Maßnahmen nicht erneut unterbrochen werden kann (vgl. BGH NStZ 2005, 33).
1. § 78c Abs. 1 Nr. 3 StGB kommt wie allen Regelungen über die Unterbrechung der Verjährung Ausnahmecharakter zu, weshalb nicht jede Inanspruchnahme eines Gutachters die Voraussetzungen einer „Beauftragung“ im Sinne dieser Norm erfüllt. Eine Einschränkung ist unter anderem in den Fällen der mehrfachen Einholung von Sachverständigengutachten geboten. Diese können jeweils nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung entfalten, wenn entweder die Person des Sachverständigen ausgewechselt oder demselben Sachverständigen ein völlig neues Beweisthema aufgegeben wird.
2. Eine die Verjährung unterbrechende Beauftragung setzt demnach voraus, dass der Sachverständige bei seiner erneuten Inanspruchnahme damit beauftragt wird, nunmehr zu einer weiteren Frage, die nicht bereits Gegenstand des ersten Auftrages war, gutachterlich Stellung zu nehmen. Die Bitte um Erläuterung oder Ergänzung eines bereits erstatteten Gutachtens genügt dagegen ebenso wenig wie Handlungen eines Richters oder Staatsanwalts, die der Erstattung eines schriftlichen Gutachtens nachfolgen und die auf die Präzisierung der Ausführungen des Sachverständigen oder die Beseitigung von Unklarheiten gerichtet sind. Auch Fragen an den Sachverständigen im Rahmen seiner Vernehmung über das Gutachten sind nicht als neue Aufträge anzusehen.
1. Eine am Normzweck orientierte Rechtsanwendung gebietet eine analoge Anwendung des § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO auf Anordnungen nach § 148 Abs. 2 StPO.
2. § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO räumt dem Beschuldigten das Recht ein, in den Fällen gerichtliche Entscheidung zur Überprüfung der haftbeschränkenden Anordnungen nach § 119 Abs. 1 und 2 StPO zu beantragen, in denen der Beschwerdeweg nach § 304 StPO nicht eröffnet ist. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für haftgrundbezogene Beschränkungen nach § 119 Abs. 1 StPO der Fall sofern diese vom Oberlandesgericht oder Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs getroffen wurden. Denn der Begriff der „Verhaftung“ im Sinne des § 304 Abs. 5 StPO umfasst nur Entscheidungen des Ermittlungsrichters, welche unmittelbar darüber befinden, ob der Beschuldigte in Haft zu nehmen oder zu halten ist. Durch Haftbeschränkungsanordnungen wird indes nur die Art und Weise des Vollzuges geregelt. Anordnungen nach § 148 Abs. 2 StPO, mit denen das Recht des Beschuldigten auf freien Verkehr mit seinem Verteidiger beschränkt wird, greifen indes zumindest mit gleicher, meist jedoch mit höherer Intensität als Anordnungen nach § 119 Abs. 1 StPO in den Rechtskreis des Beschuldigten ein, sodass eine vergleichbare prozessuale Interessenlage besteht. Dass der Gesetzgeber den Be-
schuldigten in diesen Fällen bewusst rechtsschutzlos stellen wollte, ist nicht ersichtlich.
1. Wenn sich das Landgericht darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss es dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.). Dies gilt besonders in Fällen einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Gerade hier führt die Diagnose einer solchen Erkrankung für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (st. Rspr.).
2. Erforderlich ist vielmehr die Feststellung eines akuten Schubs der Erkrankung sowie die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2014, 305).
Die Unglaubwürdigkeit eines zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen darf nicht daraus hergeleitet werden, dieser habe im Ermittlungsverfahren geschwiegen und erst in der Hauptverhandlung entlastende Angaben gemacht. Würde die Tatsache, dass ein Zeugnisverweigerungsberechtigter von sich aus (zunächst) nichts zur Aufklärung beigetragen hat, geprüft und gewertet, so könnte er von seinem Schweigerecht nicht mehr unbefangen Gebrauch machen, weil er befürchten müsste, dass daraus später nachteilige Schlüsse zu Lasten des Angeklagten gezogen würden (vgl. bereits BGH HRRS 2016 Nr. 187).
Es steht dem Angeklagten frei, sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Macht er von seinem Schweigerecht Gebrauch, darf dies nicht zu seinem Nachteil gewertet werden. Der unbefangene Gebrauch des Schweigerechts wäre nicht gewährleistet, wenn der Angeklagte die Prüfung der Gründe hierfür befürchten müsste. Deshalb dürfen aus der Aussageverweigerung keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden.
1. Straftat im Sinne der §§ 403, 406 Abs. 1 Satz 1 StPO ist die Tat im prozessualen Sinn gemäß § 264 StPO. Für die Frage, ob der Anspruch aus der Tat erwachsen ist, ist hiernach allein der historische Sachverhalt entscheidend, aus dem sich der Anspruch ergibt, nicht aber das Schutzgut des verletzten Strafgesetzes, aus dem der Angeklagte verurteilt wurde (vgl. BGHSt 58, 152, 154).
2. Danach ist zwar das vom Täter geführte Fahrzeug auch dann nicht als fremde Sache in den Schutzbereich des § 315c StGB einbezogen, wenn es ihm nicht gehört (st. Rspr.). Die fehlende Einbeziehung des Eigentümers des Fahrzeugs in den Schutzbereich der zur Aburteilung gelangten Vorschrift ändert aber nichts daran, dass ihm als Verletzter im Sinne des § 403 StPO aus der Straftat ein vermögensrechtlicher Anspruch erwachsen kann und sein Antrag im Sinne des § 406 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen dieser Straftat begründet ist.
3. Begeht ein Täter, der Rauschgift zu Handelszwecken in einem Fahrzeug befördert (Einfuhrfahrt, Transportfahrt vom Lieferanten zum Depot, Fahrt zu einem Abnehmer etc.) durch das Führen des Transportfahrzeugs weitere Gesetzesverstöße, so stehen diese zu dem in der Beförderung liegenden Betäubungsmittelhandel im Verhältnis der Tateinheit. Denn ihr Tatbestand wird durch dieselbe Ausführungshandlung verwirklicht (vgl. BGH NStZ-RR 2017, 123 f.).
Die „Verhaftung“ i.S.d. § 304 Abs. 5 StPO betrifft eine Entscheidung des Ermittlungsrichters nur, wenn damit unmittelbar entschieden wird, ob der Beschuldigte in Haft zu nehmen oder zu halten ist, nicht aber schon dann, wenn lediglich Beschränkungen des Beschuldigten während der Untersuchungshaft vorgenommen werden und damit die Art und Weise des Vollzugs geregelt wird.
Das gilt für die haftgrundbezogenen Beschränkungen im Sinne des § 119 Abs. 1 StPO ebenso wie für die gemäß § 148 Abs. 2 Satz 1, 3 StPO (s. § 119 Abs. 4 Satz 1 StPO) angeordneten Beschränkungen wegen des dringenden Verdachts einer Tat nach §§ 129a, 129b Abs. 1 StGB.
1. Ist ein Urteil durch Entscheidung des Senats in Bezug auf den Angeklagten im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben worden, werden damit alle Feststellungen aufgehoben, die sich ausschließlich auf den Strafausspruch beziehen. Deshalb dürfen sie neue Urteile nicht mehr, auch nicht im Wege der Bezugnahme, herangezogen werden. Vielmehr hat das Landgericht insoweit umfassende eigene Feststellungen zu treffen und in den Urteilsgründen mitzuteilen.
2. Danach muss der neue Tatrichter die Strafe für den Angeklagten auf der Grundlage eigener Feststellungen zu dessen persönlichen Verhältnissen neu zumessen. Die hinsichtlich beider Angeklagten als Gesamtschuldner ergangene Adhäsionsentscheidung wird von der Aufhebung nicht umfasst. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich daran, dass die nicht angefochtene Entscheidung über den Adhäsionsantrag von der Aufhebung des Urteils im Übrigen unberührt bleibt, durch die mit dem Opferrechtsreformgesetz vom 24. Juni 2004 erfolgte, lediglich redaktionelle Änderung des § 406a Abs. 3 StPO nichts geändert.
Die Anhörungsrüge (§ 356a StPO) ist unbegründet, wenn zwar der Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör dadurch verletzt wurde, dass Sachvortrag bei der Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen wurde, sich dies aber nicht in „entscheidungserheblicher“ Weise ausgewirkt hat (vgl. bereits BGH HRRS 2014 Nr. 721). Das ist insbesondere der Fall, wenn sämtliche in dem übergangenen Sachvortrag enthaltenen Erwägungen bei der Entscheidung bedacht wurden und diese daher auch bei dessen Berücksichtigung nicht anders ausgefallen wäre.
Falls irrig § 154a StPO statt § 154 StPO oder umgekehrt § 154 StPO statt § 154a StPO angewendet wird, richtet sich das weitere Verfahren hinsichtlich Rechtshängigkeit, Rechtskraft und Wiederaufnahme nach der tatsächlich anzuwendenden, nicht nach der irrig angewendeten Norm.
1. Ein Wiedereintritt in die Verhandlung liegt nicht nur in jeder Prozesshandlung, die ihrer Natur nach in den Bereich der Beweisaufnahme fällt, sondern bereits in jeder Handlung, in der sich der Wille des Gerichts zum Weiterverhandeln in der Sache zeigt. Insbesondere ist ein Wiedereintritt gegeben, wenn der Wille des Gerichts zum Ausdruck kommt, im Zusammenwirken mit den Prozessbeteiligten in der Beweisaufnahme fortzufahren oder wenn Anträge erörtert werden.
2. Werden nach dem letzten Wort ausschließlich Vorgänge erörtert, die auf die gerichtliche Entscheidung keinen Einfluss haben können, besteht keine Verpflichtung nach § 258 Abs. 2 StPO (vgl. BGH NStZ 1993, 94). Dies ist etwa bei der bloßen Entgegennahme von Hilfsbeweisanträgen der Fall, bei denen der Antragsteller auf die Bescheidung vor Urteilsverkündung verzichtet und zu denen auch andere Verfahrensbeteiligte keine Erklärungen abgegeben haben.
Gelangt eine fristgerecht eingelegte Rechtsmittelschrift nicht innerhalb der Frist zur Kenntnis des Gerichts, können die nach Maßgabe des § 267 Abs. 4 S. 1 bis 3 StPO in abgekürzter Form abgesetzten Urteilsgründe innerhalb der in § 275 Abs. 1 S. 2 StPO vorgesehenen Frist ergänzt werden. Denn das Gericht durfte bei Abfassung des abgekürzten Urteils von der Anwendbarkeit des § 267 Abs. 4 S. 1 StPO ausgehen. Die nachträgliche Feststellung, dass ein solcher Fall nicht vorlag, macht es erforderlich, das weitere Verfahren entsprechend § 267 Abs. 4 S. 4 StPO zu gestalten. Insoweit besteht eine Regelungslücke im Gesetz, die durch analoge Anwendung des § 267 Abs. 4 S. 4 StPO zu schließen ist (vgl. bereits BGH HRRS 2008 Nr. 794).
1. Mittelbar eingeführte Angaben von Vertrauensperson haben lediglich einen eingeschränkten Beweiswert; solche Bekundungen sind äußerst sorgfältig und zurückhal-
tend zu würdigen und müssen durch andere gewichtige Beweisanzeichen außerhalb der Aussage bestätigt werden.
2. Sieht das Gesetz einen besonderen Strafrahmen für minder schwere Fälle vor und ist auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl im Rahmen einer Gesamtwürdigung zunächst geprüft werden, ob die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles tragen. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter die Anwendung des milderen Strafrahmens danach weiterhin nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen.