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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2017
18. Jahrgang
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1. Der mit einer Wohnungsdurchsuchung verbundene schwerwiegende Eingriff in die durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützte räumliche Lebenssphäre des Einzelnen setzt zu seiner Rechtfertigung einen Anfangsverdacht voraus, der über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen und auf konkreten Tatsachen beruhen muss. Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erst erforderlich sind.
2. Dem erheblichen Gewicht des Grundrechtseingriffs entspricht ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Durchsuchung muss in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Straftat und zur Stärke des Tatverdachts stehen.
3. Der Verdacht wegen des Diebstahls eines Mobiltelefons in einem öffentlichen Schwimmbad wiegt allenfalls sehr gering, wenn er allein auf den Angaben der Eigentümerin des Telefons beruht, wonach der Beschuldigte, von dem sie sich zuvor verfolgt gefühlt habe, sich geweigert habe, ihr den Inhalt seiner Taschen zu zeigen, und sich dann „schnellen Schrittes“ entfernt habe. Bei dieser Sachlage ist eine Wohnungsdurchsuchung jedenfalls unverhältnismäßig.
4. Eine Durchsuchungsanordnung und die diese bestätigende Beschwerdeentscheidung genügen den verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen nicht, wenn die sich im Einzelfall aufdrängende, offensichtliche Problematik eines zureichenden Tatverdachts und der Verhältnismäßigkeit nicht einmal ansatzweise erörtert wird und daher zu besorgen ist, dass die Gerichte Bedeutung und Tragweite des Wohnungsgrundrechts grundlegend verkannt haben.
1. Der mit einer Wohnungsdurchsuchung verbundene schwerwiegende Eingriff in die durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützte räumliche Lebenssphäre des Einzelnen setzt zu seiner Rechtfertigung einen Anfangsverdacht voraus, der über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen und auf konkreten Tatsachen beruhen muss. Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erst erforderlich sind.
2. Eine Durchsuchung ist unverhältnismäßig, wenn naheliegende grundrechtsschonendere Ermittlungsmaßnahmen ohne greifbare Gründe unterbleiben oder zurückgestellt werden und die Maßnahme außer Verhältnis zur Stärke des im jeweiligen Verfahrensabschnitt bestehenden Tatverdachts steht.
3. Der Verdacht wegen der (Fund-)Unterschlagung oder des Diebstahls eines auf ungeklärte Weise abhanden gekommenen Mobiltelefons wiegt nur sehr gering, wenn er allein darauf beruht, dass die Eigentümerin des Telefons von einem dem in der Nachbarschaft wohnhaften Beschuldigten zuzuordnenden Anschluss aus angerufen worden war und die Mitteilung erhalten hatte, sie werde ihr Handy zurückerhalten, nachdem sie über öffentliche Aushänge nach dem Verbleib ihres Telefons geforscht hatte.
4. Bei dieser besonderen Sachlage waren die Ermittlungsbehörden gehalten, vor einer Wohnungsdurchsuchung alle naheliegenden, weniger eingriffsintensiven Ermittlungsmaßnahmen – wie insbesondere eine Vernehmung des Beschuldigten – in Betracht zu ziehen.
1. Das verfassungsrechtliche Resozialisierungsgebot verlangt, dass die wirtschaftlichen Interessen der Gefangenen zu achten sind.
2. Der Grundsatz, dass die Verhältnisse im Strafvollzug so weit wie möglich den allgemeinen Lebensverhältnissen angeglichen werden sollen, trägt dem Resozialisierungsgebot Rechnung. Soweit er zur Begründung dafür herangezogen wird, dass den Gefangenen Telekommunikationsdienstleistungen nicht entgeltfrei eingeräumt werden müssen, kann er umgekehrt nicht die Belastung Gefangener mit Entgelten rechtfertigen, die deutlich über dem außerhalb des Vollzuges Üblichen liegen, ohne dass verteuernde Bedingungen und Erfordernisse des Strafvollzuges dies notwendig machten.
3. Den aus dem Resozialisierungsgebot folgenden Verpflichtungen kann sich die Anstalt nicht entziehen, indem sie für die Erbringung von Leistungen Dritte einschaltet. Bedient sie sich zur Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung eines privaten Betreibers, auf den die Gefangenen ohne eine am Markt frei wählbare Alternative angewiesen sind, muss sie sicherstellen, dass der ausgewählte Anbieter die Leistung zu marktgerechten Preisen erbringt.
4. Eine lange Vertragsbindung der Anstalt an einen Drittanbieter, mag diese auch durchaus vollzugstypisch sein, darf sich nicht in der Weise auswirken, dass Preisentwicklungen auf dem Markt längerfristig ohne jeden Einfluss auf die von den Gefangenen zu zahlenden Entgelte bleiben.
1. Das Recht auf effektiven Rechtsschutz erfordert eine zureichende gerichtliche Sachverhaltsaufklärung. Die Fachgerichte dürfen auf die Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten nur verzichten, wenn Beweismittel unzulässig, schlechterdings untauglich, unerreichbar oder für die Entscheidung unerheblich sind, nicht hingegen, wenn die Aufklärung besonders arbeits- oder zeitaufwendig erscheint.
2. Im Verfahren über die Zulässigkeit einer Auslieferung sind die Gerichte auch dann, wenn im konkreten Fall ein Asylanspruch nicht besteht, zu einer eigenständigen Prüfung verpflichtet, ob dem Verfolgten im Zielstaat politische Verfolgung droht, soweit hierfür Anhaltspunkte bestehen.
3. Eine weitere Sachaufklärung ist geboten, wenn der Verfolgte, ein russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Herkunft, substantiiert geltend macht, im Zielstaat – der Russischen Föderation – bereits früher mit einem Strafverfahren überzogen worden zu sein, um die Preisgabe der Namen und Aufenthaltsorte tschetschenischer Kämpfer zu erzwingen (Hauptsacheentscheidung zur einstweiligen Anordnung vom 4. Juli 2017 [= HRRS 2017 Nr. 716]).
4. Ist der Verfolgte über einen sicheren Drittstaat – hier: Polen – in die Bundesrepublik eingereist, in welchem er einen Asylantrag gestellt hatte, so muss sich das Gericht ernsthaft bemühen, die Akten des ausländischen Asylverfahrens beizuziehen, soweit nicht im Einzelfall feststeht, dass sich hieraus keine neuen Erkenntnisse ergeben.
5. Soweit die Akten des Asylverfahrens nicht erreichbar sind, muss das Gericht dies in der Zulässigkeitsentscheidung darlegen. Seiner Pflicht zur eigenständigen Prüfung der Gefahr politischer Verfolgung muss es in einem solchen Fall durch anderweitige Aufklärungsschritte, in der Regel durch die persönliche Anhörung des Betroffenen, nachkommen.
6. Verbindliche Zusicherungen des ersuchenden Staates sind zwar grundsätzlich geeignet, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit einer Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird. Eine Zusicherung entbindet das Gericht jedoch nicht von der Pflicht, eine eigene Gefahrenprognose anzustellen, wenn Anhaltspunkte für die Gefahr politischer Verfolgung im Zielstaat bestehen. Dabei ist der Vortrag des Verfolgten nachvollziehbar und willkürfrei zu würdigen.
1. Das Bundesverfassungsgericht prüft Entscheidungen über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nur darauf nach, ob die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Beschuldigten beruhen.
2. Die Rechtfertigung des mit § 111a Abs. 1 Satz 1 StPO verbundenen Grundrechtseingriffs setzt eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür voraus, dass dem Täter die Fahrerlaubnis entzogen werden wird. Das Gericht darf sich dieser Prognose nicht mit dem Hinweis auf eine etwaige spätere Hauptverhandlung entziehen, sondern muss auf der Basis des gegenwärtigen Standes der Ermittlungen in die Prüfung der Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 und 2 StGB eintreten.
1. Die Entscheidung, keine Vollzugslockerungen zu gewähren, ist unter dem Gesichtspunkt der Sachaufklärungspflicht nicht zu beanstanden, wenn die angenommene Flucht- und Missbrauchsgefahr unter Zugrundelegung eines aktuellen forensisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens nicht nur auf die in der lange zurückliegenden Tat zutage getretene Gefährlichkeit des Gefangenen, sondern auch auf eine bislang nicht ausreichende therapeutische Tataufarbeitung gestützt wird.
2. Die Versagung jeglicher Vollzugslockerungen begegnet jedoch mit Blick auf das Resozialisierungsgebot verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Strafvollstreckungskammer nicht berücksichtigt, dass einem seit über 15 Jahren Inhaftierten auch ohne konkrete Entlassungsperspektive zur Erhaltung seiner Lebenstüchtigkeit zumindest Ausführungen zu gewähren sein können.
3. Bei der Entscheidung über Ausführungen darf auch nicht außer Betracht bleiben, dass eine angenommene Flucht- und Missbrauchsgefahr möglicherweise durch die bei dieser Lockerungsform definitionsgemäß vorhandene Aufsicht durch Vollzugsbedienstete ausgeräumt wird.
1. Eine gerichtliche Entscheidung verstößt gegen das Willkürverbot, wenn sie auf schweren Rechtsanwendungsfehlern wie der Nichtberücksichtigung einer offensichtlich einschlägigen Norm oder der krassen Missdeutung einer Norm beruht.
2. Der Willkürmaßstab verlangt mit Rücksicht auf die Bindung des Richters an Recht und Gesetz eine Begründung auch letztinstanzlicher Entscheidungen jedenfalls dann und insoweit, als von dem eindeutigen Wortlaut einer Rechtsnorm abgewichen werden soll und der Grund hierfür sich nicht schon eindeutig aus den Beteiligten bekannten und für sie ohne Weiteres erkennbaren Besonderheiten des Falles ergibt.
3. Hat das Gericht in einer Kostengrundentscheidung im Rahmen eines strafvollzugsrechtlichen Verfahrens die Erstattung der dem Strafgefangenen entstandenen notwendigen Auslagen angeordnet, so umfassen diese bereits angesichts des gesetzlichen Schriftformerfordernisses auch die Kosten für das verwendete Papier und die von dem Gefangenen beschafften Farbbänder seiner Schreibmaschine.
4. Will das Gericht hiervon abweichen, genügt zur Begründung der formelhafte Hinweis nicht, es handele sich bei den genannten Positionen um „Allgemeinkosten“. Denn mit derartigen allgemeinen, keinem bestimmten Verfahren zuzuordnenden Geschäftskosten, die bei Rechtsanwälten bereits mit den Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abgegolten sind, sind die Auslagen eines Strafgefangenen, der seine Rechte im strafvollzugsrechtlichen Verfahren geltend macht, nicht vergleichbar.
Die Verfassungsbeschwerde gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen Angeklagten wegen dessen beharrlicher Weigerung, sich zur Urteilsverkündung zu erheben – weil er sich aus religiösen Gründen nur für Allah erheben dürfe – bleibt ohne Erfolg, nachdem der Angeklagte nicht hinreichend dargetan hat, dass die Festsetzung des Ordnungsmittels in nicht gerechtfertigter Weise in sein Grundrecht auf Glaubensfreiheit eingegriffen hat.