Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2017
18. Jahrgang
PDF-Download
1. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine strafrechtliche Garantenpflicht eines Kindes gegenüber einem Elternteil besteht, ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen. (BGHSt)
2. Bei Prüfung einer Einstandspflicht von Kindern gegenüber Eltern im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB ist maßgeblich auf § 1618a BGB zurückzugreifen. (Bearbeiter)
3. Im Rahmen des als Wertemaßstab heranzuziehenden § 1618a BGB ist der Gehalt der geschuldeten familiären Solidarität nicht einheitlich, sondern anhand der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Maßgebliche Bedeutung können in diesem Zusammenhang etwa das Alter, der Gesundheitszustand, die Lebensumstände und das Zusammenleben der betroffenen Personen erlangen. (Bearbeiter)
4. Dementsprechend können auch mit § 1618a BGB korrespondierende strafrechtliche Einstandspflichten nicht losgelöst von der faktischen Ausgestaltung des Eltern-Kind-Verhältnisses bestimmt werden. Vielmehr ist auch bei der Konkretisierung der strafrechtlichen Einstandspflicht und bei Bestimmung des Pflichtenprogramms den Umständen des Einzelfalls und insbesondere solchen Regelungen Rechnung zu tragen, die der betroffene Personenkreis in autonomer Selbstbestimmung getroffen hat. (Bearbeiter)
5. Die einzelfallbezogene Herleitung der Garantenstellung ist auch auf der Ebene des Vorsatzes zu beachten. Danach muss der Täter insbesondere insoweit vorsätzlich handeln, als er den Ausfall eines nach der familiären Praxis vorrangig helfenden Familienmitgliedes erfasst haben musste. (Bearbeiter)
1. Gemäß § 16 Abs. 1 StGB muss der Tatvorsatz im Zeitpunkt der zum Taterfolg führenden Handlung vorliegen. Ein der Handlung nachfolgender Vorsatz (sog. dolus subsequens) ist bedeutungslos. Daher tritt eine Strafbarkeit wegen vollendeter Vorsatztat nur ein, wenn die vom Vorsatz getragene Handlung den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeigeführt hat (vgl. BGH NStZ 1983, 452 mwN).
2. Eine Verknüpfung verschiedener unvorsätzlich und vorsätzlich verwirklichter Geschehen wird auch nicht durch eine Gesamtbetrachtung des Geschehensablaufs zulässig. Auch eine Abweichung des vorgestellten vom tatsächlich eingetretenen Kausalverlauf setzt voraus, dass der Täter vor seiner zum Erfolg führenden Handlung – hier dem Faustschlag auf die Lippe – bereits zur Tötung des Geschädigten entschlossen war.
3. Einzelfall eines Verstoßes durch die Vermischung einer (postmortal) mit bedingtem Tötungsvorsatz vorgenommenen Penisamputation mit einem für den Tod ursächlichen und unvorsätzlich ausgeführten Schlag auf die Lippe des Geschädigten.
1. Ein Angriff ist gegenwärtig, wenn das Verhalten des Angreifers unmittelbar in eine Rechtsgutsverletzung umschlagen kann, so dass durch das Hinausschieben einer Abwehrhandlung entweder deren Erfolg in Frage gestellt wäre oder der Verteidiger das Wagnis erheblicher eigener Verletzungen auf sich nehmen müsste (st. Rspr.). Der Angriff beginnt, wenn der Angreifer unmittelbar zu diesem ansetzt, also mit einem Verhalten, das unmittelbar in die eigentliche Verletzungshandlung umschlagen soll; bei einem vorsätzlichen Angriff ist dies die Handlung, die dem Versuchsbeginn unmittelbar vorgelagert ist. Entscheidend für die Beurteilung ist dabei die objektive Sachlage, nicht die Befürchtungen des Angegriffenen.
2. Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz einer Waffe kann erforderlich und durch Notwehr gerechtfertigt sein. Der Angegriffene muss auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel nur zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unzweifelhaft ist und ihm genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Die mildere Einsatzform muss im konkreten Fall eine so hohe Erfolgsaussicht haben, dass dem Angegriffenen das Risiko eines Fehlschlags und der damit verbundenen Verkürzung seiner Verteidigungsmöglichkeiten zugemutet werden kann. Angesichts der geringen Kalkulierbarkeit des Fehlschlagrisikos dürfen an die in einer zugespitzten Situation zu treffende Entscheidung für oder gegen eine weniger gefährliche Verteidigungshandlung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Können keine sicheren Feststellungen zu Einzelheiten des Geschehens getroffen werden, darf sich dies nicht zu Lasten des Angeklagten auswirken.
3. Diese Grundsätze hat die Rechtsprechung für den lebensgefährlichen Einsatz einer Schusswaffe in Notwehrsituationen dahin konkretisiert, dass ein solcher zwar nicht von vornherein unzulässig ist, aber nur das letzte Mittel der Verteidigung sein kann. In der Regel ist der Angegriffene gehalten, den Gebrauch der Waffe zunächst anzudrohen. Reicht dies nicht aus, so muss er, wenn möglich, vor dem tödlichen Schuss einen weniger gefährlichen Waffeneinsatz versuchen. In Frage kommen ungezielte Warnschüsse oder, wenn diese nicht ausreichen, Schüsse in die Beine, um den Angreifer kampfunfähig zu machen, also solche Abwehrmittel, die einerseits für die Wirkung der Abwehr nicht zweifelhaft sind und andererseits die Intensität und Gefährlichkeit des Angriffs nicht unnötig überbieten. Dabei wird der Rahmen der erforderlichen Verteidigung durch die Stärke und die Gefährlichkeit des Angreifers und durch die Verteidigungsmöglichkeiten des Angegriffenen bestimmt.
1. Die Beurteilung der Frage, ob die Aufgabe weiterer, möglicherweise noch zum Erfolg führender Handlungen freiwillig erfolgte, hängt davon ab, ob der Täter aus autonomen Motiven gehandelt hat und subjektiv noch in der Lage war, das zur Vollendung der Tat Notwendige zu tun (vgl. BGH NStZ 1993, 279 mwN).
2. Dabei stellt die Tatsache, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt, für sich genommen die Autonomie der Entscheidung des Täters nicht in Frage. Erst wenn durch von außen kommende Ereignisse aus Sicht des Täters ein Hindernis
geschaffen worden ist, das einer Tatvollendung zwingend entgegensteht, ist er nicht mehr Herr seiner Entschlüsse und eine daraufhin erfolgte Abstandnahme von der weiteren Tatausführung als unfreiwillig anzusehen (st. Rspr.). Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn unvorhergesehene äußere Umstände dazu geführt haben, dass bei weiterem Handeln das Risiko angezeigt oder bestraft zu werden, unvertretbar ansteigen würde (vgl. BGH NStZ-RR 2014, 9, 10).
3. Verbleibende Zweifel an der Freiwilligkeit des Rücktritts sind grundsätzlich zu Gunsten des Täters zu lösen (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 199).
1. Zu prüfen ist für den Fall der Feststellung einer Wahnerkrankung zuerst, ob Unrechtseinsicht des Angeklagten zur Tatzeit vorhanden war. Unrechtseinsicht ist entweder vorhanden oder nicht vorhanden; auf eine erhebliche Verminderung der Fähigkeit dazu kommt es für sich genommen nicht an. Nimmt der Tatrichter erheblich verminderte Einsichtsfähigkeit des Täters zur Tatzeit an, muss er auch darüber befinden, ob dies tatsächlich zum Fehlen von Unrechtseinsicht hinsichtlich der konkreten Tat geführt oder ob der Täter gleichwohl zur Tatzeit das Unrecht eingesehen hat.
2. Eine Wahnerkrankung schließt Unrechtseinsicht zwar nicht generell, bei einem akuten Schub aber in aller Regel aus. Einem Wahnkranken stehen in Situationen, die durch den Wahn bestimmt sind, Handlungsalternativen praktisch nicht zur Verfügung. Wenn das Tatgericht gleichwohl bei einem Wahnkranken von lediglich eingeschränkter Steuerungsfähigkeit ausgeht, hat es dies nachvollziehbar darzulegen.
Das Eingangsmerkmal der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ (vgl. § 20 StGB) wird allein durch den Befund einer Persönlichkeitsstörung nicht belegt. Erforderlich ist bei einer nicht pathologisch begründeten Persönlichkeitsstörung, dass sie in ihrem Gewicht einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt. Dabei sind der Ausprägungsgrad der Störung und ihr Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters von Bedeutung. Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist im Allgemeinen maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des Deliktes zu Einschränkungen des sozialen Handlungsvermögens gekommen ist.
1. Zu den Voraussetzungen der Rechtsbeugung durch einen Staatsanwalt bei bewusstem Nichtbetreiben von anklagereifen Ermittlungsverfahren. (BGHSt)
2. Die bewusste Nichterhebung der öffentlichen Klage in einem anklagereifen Ermittlungsverfahren mit der Folge, dass es im Falle des Unterlassens zum Eintritt der Verfolgungsverjährung kommt, ist für sich genommen grundsätzlich eine schwerwiegende Verletzung des Verfahrensrechts und verstößt gegen ein eindeutiges gesetzliches Handlungsgebot. Zwar kann § 170 Abs. 1 StPO in zeitlicher Hinsicht keine eindeutige Handlungsvorgabe entnommen werden. Die Vorschrift verpflichtet aber den Staatsanwalt jedenfalls dann unabweisbar zu einer Anklageerhebung, wenn es andernfalls zum Eintritt der Verfolgungsverjährung käme und der staatliche Strafanspruch deshalb nicht mehr durchsetzbar wäre. (Bearbeiter)
3. Ob allein oder gegebenenfalls unter welchen weiter gehenden Voraussetzungen im Einzelfall die bewusste Nichterhebung einer öffentlichen Klage in Ansehung der konkreten Gefahr der endgültigen Verfahrensbeendigung eines anklagereifen Strafverfahrens durch den Eintritt der Verfolgungsverjährung die strengen Anforderungen an das Vorliegen eines elementaren Rechtsverstoßes im Sinne des § 339 StGB erfüllt, braucht der Senat nicht zu entscheiden. (Bearbeiter)
4. Bei der Entscheidung der Frage, ob in der verzögerten Bearbeitung einer Rechtssache ein Rechtsbruch im Sinne
des § 339 StGB liegt, ist aber davon auszugehen, dass es grundsätzlich dem Richter oder Staatsanwalt überlassen bleibt, welchen der von ihm zu erledigenden vielfältigen Dienstgeschäften er den Vorrang vor anderen einräumt (vgl. BGHSt 47, 105, 111). Im Sinne des § 339 StGB strafrechtlich relevante Verstöße gegen den Beschleunigungsgrundsatz werden deshalb nur dann in Betracht kommen, wenn gegen zwingende Vorschriften verstoßen wird, in denen der Gesetzgeber das Beschleunigungsgebot konkretisiert hat, wenn der Richter oder Staatsanwalt untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln zwingend gebieten, oder wenn die zögerliche Bearbeitung auf sachfremden Erwägungen zum Vorteil oder Nachteil einer Partei beruht (vgl. BGHSt 47, 105, 111). Allein eine verzögerte, den Maßstäben des Art. 6 EMRK widersprechende Sachbehandlung durch den Staatsanwalt oder Richter wird daher regelmäßig nicht die strengen Anforderungen an einen elementaren Rechtsverstoß im Sinne des § 339 StGB erfüllen. (Bearbeiter)
5. Ein Staatsanwalt kann Täter einer Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB sein, wenn er wie ein Richter in einem rechtlich vollständig geregelten Verfahren zu entscheiden hat und dabei einen gewissen Grad sachlicher Unabhängigkeit genießt. Diese Voraussetzungen hat der Bundesgerichtshof sowohl für staatsanwaltschaftliche Einstellungsverfügungen als auch für Anklageerhebungen bereits bejaht (vgl. BGHSt 41, 247, 249). Für die Entscheidung, die Erhebung der öffentlichen Klage durch einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zu bewirken (§ 407 Abs. 1 Satz 4 StPO), kann nichts anderes gelten. (Bearbeiter)
6. Als eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB kommen nur elementare Rechtsverstöße in Betracht. § 339 StGB erfasst nur Rechtsbrüche, bei denen sich der Richter oder Amtsträger bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an eigenen Maßstäben ausrichtet. Eine unrichtige Rechtsanwendung reicht daher für die Annahme einer Rechtsbeugung selbst dann nicht aus, wenn sich die getroffene Entscheidung als unvertretbar darstellt (st. Rspr.). Ob ein elementarer Rechtsverstoß vorliegt, ist auf der Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände zu entscheiden (vgl. BGHSt 32, 357, 364). (Bearbeiter)
7. Eine Rechtsbeugung kann grundsätzlich auch durch einen Verstoß gegen Verfahrensrecht begangen werden (st. Rspr.). In diesem Fall ist es jedoch erforderlich, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung zum Vor- oder Nachteil einer Partei begründet wurde, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss (vgl. BGH NStZ 2013, 648, 651). Daneben kann auch Bedeutung erlangen, welche Folgen der Verstoß für eine Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der Richter oder Amtsträger bei der Entscheidung leiten ließ (vgl. BGHSt 42, 343, 351). (Bearbeiter)
8. Hat der Täter Verfahrensrecht durch ein Unterlassen (§ 13 Abs. 1 StGB) verletzt (vgl. BGH NJW 1997, 1455), wird das Tatbestandsmerkmal der Rechtsbeugung in der Regel nur dann als erfüllt angesehen werden können, wenn eine rechtlich eindeutig gebotene Handlung unterblieben ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Richter oder Staatsanwalt bewusst gegen eine Vorschrift verstoßen hat, die ein bestimmtes Handeln unabweislich zur Pflicht macht oder wenn er untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln zwingend gebieten (vgl. BGHSt 47, 105, 111). (Bearbeiter)
1. Ein Pfefferspray ist ein von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB erfasstes Tatmittel. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob es sich um eine „Waffe“ oder um „ein anderes gefährliches Werkzeug“ handelt. Jedenfalls handelt es sich aber um ein „anderes gefährliches Werkzeug“ (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 308), weil das in der Dose enthaltene Pfefferspray nach seiner konkreten objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (zum Maßstab BGHSt 57, 257, 269 Rn. 32).
2. Ein Mitsichführen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a) StGB liegt vor, wenn der Täter den fraglichen Gegenstand bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn sich der Gegenstand derart in räumlicher Nähe befindet, dass ein Zugriff ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne nennenswerte Schwierigkeiten möglich ist; dafür genügt in räumlicher Hinsicht Griffweite (vgl. BGH StraFo 2017, 378 Rn. 7 mwN [zu § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG]).
3. Für die Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen kommt es nicht darauf an, dass sich zum Zeitpunkt der Tat keine andere Person als der Täter am Tatort aufhält. Der Grund für die gegenüber dem Grundtatbestand höhere Strafdrohung liegt gerade in der mit dem Beisichführen eines gefährlichen Gegenstandes einhergehenden erhöhten abstrakt generellen Gefährlichkeit der Tatbegehung, die ihrerseits ihre Ursache in der latenten Gefahr des Einsatzes der fraglichen Gegenstände als Nötigungsmittel findet (vgl. BGHSt 52, 257, 268 Rn. 30 mwN).
4. Es stellt keinen Rechtsfehler dar, wenn das Tatgericht im Rahmen der Strafzumessung den als Jugendlicher und Heranwachsender begangenen früheren Straftaten des Täters einen deutlich geringeren Unrechtsgehalt im Ver-
gleich zur Aburteilung auf der Grundlage des allgemeinen Strafrechts beimisst. Der äußere Unrechtsgehalt einer von jugendlichen oder heranwachsenden Tätern verübten Tat unterscheidet sich zwar nicht von dem bei der Tatbegehung durch nicht in den Anwendungsbereich des JGG fallende Täter. Allerdings ist das für die Strafzumessung bedeutsame Ausmaß des vorwerfbar, also schuldhaft verwirklichten Unrechts bei jugendlichen und ggf. heranwachsenden Straftätern unter Berücksichtigung der entwicklungsbedingten Besonderheiten in jugendspezifischer Weise zu bestimmen (vgl. BGH NJW 2016, 2050, 2051).
1. Bereits bei dem Abschluss eines Beförderungsvertrags bei Fahrtantritt kann der Tatbestand des Betruges erfüllt werden. Durch Herbeirufen des Taxis und Aufnahme als Fahrgast verpflichtet der Fahrgast sich konkludent dazu, anschließend den bei Fahrtende fälligen Fahrpreis zu zahlen. Verschweigt er dabei, dass er die Forderung nicht sogleich erfüllen kann, und dies auch nicht vorhat, liegt bei Fahrantritt ein Eingehungsbetrug vor.
2. Die Tatsache, dass der Angeklagte zugleich den Vorsatz zur anschließenden Beraubung des Taxifahrers gefasst hatte, womit er auch der Geltendmachung der Fahrpreisforderung durch den Taxifahrer bei Fahrtende entgehen wollte, ändert nichts an der vorherigen Vollendung eines Eingehungsbetruges. Dieser Vorsatz zu einer späteren Tat mit weitergehendem Ziel schließt den Vorsatz zur Täuschung des Taxifahrers über die fehlende Fähigkeit und Bereitschaft zur Fahrpreiszahlung bei Fahrantritt nicht aus, die Aufgabe dieses Raubvorsatzes während der Fahrt lässt den bei Eingehung des Beförderungsvertrags bereits umgesetzten Betrugsvorsatz nicht nachträglich entfallen.
3. Eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat scheidet aus, wenn diese bereits vollständig aufgedeckt ist und der Täter dies weiß. Es kommt jedoch nicht darauf an, ob die vorangegangene Straftat oder seine Tatbeteiligung daran schon objektiv aufgedeckt waren oder ob objektiv von dem Opfer eine Aufdeckung zu befürchten war, solange der Täter nur meint, zur Verdeckung dieser Straftat den Zeugen töten zu müssen. Auch nach Bekanntwerden der Vortat kann der Täter eines Tötungsverbrechens deshalb noch in Verdeckungsabsicht handeln, wenn er zwar weiß, dass er verdächtigt wird, die genauen Tatumstände aber noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt sind. Glaubt er, mit der Tötung eine günstige Beweisposition aufrechterhalten oder seine Lage verbessern zu können, reicht dies für die Annahme von Verdeckungsabsicht aus.
4. Das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht kann selbst bei einem in einer Augenblickssituation in affektiver Erregung gefassten Tötungsentschluss gegeben sein. Verdeckungsabsicht erfordert nämlich keine Überlegung des Täters im Sinne eines abwägenden Reflektierens über die eigenen Ziele. Es genügt, dass er die „Verdeckungslage“ gleichsam „auf einen Blick erfasst“.
5. Hinsichtlich der Auswirkung einer affektiven Erregung auf das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht ist auch zu berücksichtigen, dass eine affektive Erregung bei den meisten Tötungsdelikten den Normalfall darstellt und für Verdeckungstötungen typisch ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein solcher Erregungszustand auch aus normativen Gründen im Regelfall keinen Einfluss auf die Verdeckungsabsicht.
6. In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass auch der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter in Verdeckungsabsicht handeln kann. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn nicht gerade der Tod des Opfers zu dessen Ausschaltung als Zeuge wegen der zu verdeckenden Vortat das Ziel der Handlung ist, sondern die Verdeckungshandlung mit einem anderen Ziel vorgenommen wird, wobei der Täter die Möglichkeit des Todes des Opfers in Betracht zieht und billigend in Kauf nimmt. Besteht die Möglichkeit einer Verdeckung von Tat oder Täterschaft aus der Sicht des Täters allein in der Beseitigung dieses Zeugen, kann Verdeckungsabsicht nur bei absichtlicher Tötung des Opfers angenommen werden.
7. Für das im Rahmen des Mordmerkmals der Heimtücke erforderliche Bewusstsein der Ausnutzung von Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers genügt es, wenn der Täter diese Umstände in dem Sinn erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen. Das gilt im Einzelfall selbst dann, wenn der Täter die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat. Anders kann es zwar bei affektiven Durchbrüchen liegen. Für die Annahme der subjektiven Seite des Heimtückemords kommt es aber nicht auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB an, sondern darauf, welche tatsächlichen Auswirkungen die affektive Erregung auf die Erkenntnisfähigkeit des Angeklagten in der Tatsituation und auf sein Bewusstsein hatte. Das bedarf einer genauen Prüfung anhand aller Umstände des Einzelfalls.
§ 89a StGB; § 129a StGB; § 129b StGB; § 125 StPO; § 126 StPO; § 200 StPO; § 264 StPO
1. Der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung (§§ 129a f. StGB) bezieht sich auch und – wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt – sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds einen fördernden Beitrag i.S.d. § 27 StGB erbringen muss.
2. Erforderlich ist aber immer, dass das Nichtmitglied eine konkret wirksame Unterstützungsleistung für die Vereinigung erbringt, die einen objektiven Nutzen entfaltet. Dies muss anhand belegter Fakten nachgewiesen sein. Die vergleichsweise weite Begriffsbestimmung des Unterstützens im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB darf nicht dahin missverstanden werden, dass jedes Handeln eines Nichtmitglieds im Sinne der Vereinigung als tatbestandsmäßig einzustufen wäre, ohne dass es auf die konkreten Wirkungen seines Tuns ankäme.
3. Der Anklagesatz enthält die Schilderung der einem Angeschuldigten angelasteten Tat als historisches Ereignis (vgl. § 200 Abs. 1 S. 1 StPO). Dabei sind die gesetzlichen Merkmale des ihm vorgeworfenen objektiven und subjektiven Straftatbestandes mit einem entsprechenden äußeren und inneren Zustand oder Vorgang zu belegen. Dies bestimmt den Verfolgungswillen der Staatsanwaltschaft.
4. Enthält der Anklagesatz weitere Angaben, die nicht die angeklagte prozessuale Tat, sondern einen anderen getrennten Lebensvorgang betreffen, so wird dieser hierdurch nicht zum Verfahrensgegenstand im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Was dem Verfolgungswillen der Staatsanwaltschaft unterliegt, ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln, wobei nach den Umständen des Einzelfalls auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen herangezogen werden kann.
5. Die Tathandlung des § 89a Abs. 1 Satz 1 StGB wird durch die abschließende Aufzählung der einzelnen Tatvarianten in § 89a Abs. 2 Nr. 1 bis 3, Abs. 2a StGB näher bestimmt. Nach der Gesetzeskonzeption knüpft die Strafbarkeit somit an konkret umschriebene Vorbereitungshandlungen an, die in Verbindung mit den tatbestandlich vorausgesetzten Beweggründen, die dem Tun des Täters zugrunde liegen, bereits eine Gefahr für die in § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Schutzgüter begründen. Manifestiert sich der Entschluss zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in anderer Weise als durch die in § 89a Abs. 2 Nr. 1 bis 3, Abs. 2a StGB normierten Tathandlungen, so begründet dies nicht die Strafbarkeit wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.
6. Hat das Haftprüfungsgericht einen Haftbefehl bereits mangels allgemeiner Haftvoraussetzungen, insbesondere wegen Fehlens eines dringenden Tatverdachts oder eines Haftgrundes, aufgehoben, so ist das nach §§ 125, 126 StPO zuständige Gericht nur bei einer wesentlichen Änderung der Sach- und Erkenntnislage befugt, einen neuen Haftbefehl zu erlassen.
1. Dem Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB unterfallen auch Kellerräume, die mit einer Wohnung räumlich und baulich eine Einheit bilden bzw. so mit ihr verbunden sind, dass keine erheblichen Zugangshindernisse zu den Wohnräumen mehr bestehen. Anders als bei vom Wohnbereich getrennten Kellerräumen in einem Mehrfamilienhaus trifft dies beim Keller eines Einfamilienhauses regelmäßig zu (vgl. zuletzt BGH HRRS 2016 Nr. 824). Dies gilt sowohl, wenn der Täter sich von dort ungehindert Zugang zum ohne weiteres erreichbaren Wohnbereich im Erd- oder Obergeschoss verschafft, als auch dann, wenn er aus derartigen Räumen stiehlt.
2. Der Wohnungsbegriff umfasst auch Wochenendhäuser. Dem steht nicht entgegen, dass sie Menschen nur vorübergehend zur Unterkunft dienen. Insofern gilt nichts anderes als bei Hotelzimmern, Wohnmobilen und Wohnwagen.
1. Der Nachteil für das Vermögen im Sinne des § 253 StGB ist gleichbedeutend mit dem Vermögensschaden beim Betrug. Eine versuchte Erpressung setzt daher voraus, dass die Nötigung nach dem Tatplan zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts des Vermögens des Genötigten oder eines Dritten führen soll (vgl. BGH NStZ-RR 2016, 341, 343).
2. Erwerbs- und Gewinnaussichten, wie sie etwa mit dem Betrieb einer Gaststätte verbunden sein können, können nur ausnahmsweise als Vermögensbestandteil angesehen werden. Dies setzt voraus, dass sie so verdichtet sind, dass ihnen der Rechtsverkehr bereits einen wirtschaftlichen Wert beimisst, weil sie mit einiger Wahrscheinlichkeit einen Vermögenzuwachs erwarten lassen (vgl. BGH NStZ 2012, 272, 273 mwN).
1. Wer einen Rauschgifthändler oder -kurier mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Herausgabe von Drogen nötigt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, macht sich der räuberi-
schen Erpressung schuldig. Die Rechtsordnung kennt im Bereich der Vermögensdelikte kein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen. Auch an Sachen wie Rauschgift, die jemand aufgrund einer strafbaren Handlung besitzt und als Tatmittel zur Begehung geplanter Straftaten bereitstellt, kann unbeschadet ihrer Zweckbestimmung oder Bemakelung Erpressung und Betrug begangen werden. Soweit der Senat in seinem in der Sache 2 StR 335/15 ergangenen Anfragebeschluss Bedenken an dieser Rechtsauffassung geäußert hat, hält er hieran nicht mehr fest.
2. Zwischen § 251 StGB und § 250 StGB besteht Gesetzeseinheit (vgl. BGHSt 21, 183, 185).
Der Begriff des Unterstützens i.S.d. §§ 129a Abs. 5 S. 1, § 129b Abs. 1 S. 1 StGB einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich auch und sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss. Auch muss das Wirken des Nichtmitgliedes nicht zu einem von diesem erstrebten Erfolg führen; es genügt, wenn sein Tun für die Organisation objektiv nützlich ist, ohne dass ein messbarer Nutzen für diese eintritt.
Für die Erpressung ist anerkannt, dass mehrere Angriffe auf die Willensentschließung des Opfers als eine Tat im Rechtssinne zu werten sind, wenn dabei lediglich die ursprüngliche Drohung den Umständen angepasst und aktualisiert, im Übrigen aber dieselbe Leistung gefordert wird. Die rechtliche Bewertungseinheit endet in diesen Fällen erst, wenn der Täter sein Ziel vollständig erreicht hat oder nach den insoweit entsprechend heranzuziehenden Wertungen des Rücktrittsrechts von einem fehlgeschlagenen Versuch auszugehen ist (st. Rspr.).
Ist eine Freiheitsberaubung nur das tatbestandliche Mittel zur Begehung eines anderen Delikts tritt sie als das allgemeinere Delikt im Wege der Gesetzeseinheit hinter dieses zurück (vgl. BGH NStZ 1999, 83).